Zwei Drittel haben damit für die Schwächung der parlamentarischen Demokratie gestimmt, zwei Drittel für einen starken, autoritären und kompromisslosen Präsidenten mit umfassenden Rechten, zwei Drittel für die Initiative eines Präsidenten, der den öffentlichen Dienst in der Türkei säubert, Tausende in Gefängnisse stecken lässt, die Pressefreiheit massiv behindert und ein gesellschaftliches Klima des Misstrauens und der Intoleranz sät. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das können und wollen wir nicht leichtfertig beiseiteschieben.
Herr Lewentz, das hat ganz konkrete Auswirkungen auf unser Zusammenleben in Rheinland-Pfalz; denn vor allem der Wahlkampf in Rheinland-Pfalz hat noch eine zweite Entwicklung gezeigt: Die türkischstämmige Gemeinschaft in Rheinland-Pfalz – Frau Rauschkolb, Sie haben das auch erwähnt – ist tief gespalten. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer sich öffentlich für ein Nein zum Referendum aussprach, dessen Geschäft wurde boykottiert, der musste mit Schmähungen umgehen.
Diese vielen mutigen Mitbürger türkischer Herkunft, die sich für Demokratie und Meinungsvielfalt eingesetzt haben, müssen wissen, dass wir an ihrer Seite stehen. Wir sind es ihnen schuldig, ein eindeutiges Zeichen zu setzen;
denn diese Menschen verlassen sich auf uns, meine sehr geehrten Damen und Herren. Sie haben sich im Sinne unserer Verfassung stark gemacht und für unsere gemeinsamen Werte gekämpft. Gemeinsame Werte: Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Achtung von Mädchen und Frauen, Werte, die sie in ihr eigenes Leben integriert haben. Deshalb müssen wir nun auch hinter ihnen stehen und „Hayir – Nein“ sagen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in RheinlandPfalz darf es keinen kulturellen Rabatt auf unsere Werte geben. Wer sich zu unseren Werten und unserer Verfassung bekennt und diese lebt, der kann auf uns zählen. Wer nicht bereit ist, unsere Gesellschaft als leitende Kultur für seinen Alltag anzunehmen, der kann sich nicht dauerhaft die Rosinen aus beiden Welten picken wollen.
Der kann nicht unser System verachten, gleichzeitig aber die Vorzüge unseres Grundgesetzes, wie Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit, und die Segnungen eines starken soliden Sozialstaates in Anspruch nehmen. Das geht nicht zusammen.
Wir müssen deshalb klar und deutlich sein in unseren Rechten, wir müssen aber auch klar und deutlich sein in
Es kann nicht angehen, dass eine Unterabteilung der türkischen Religionsbehörde, die DITIB, in Deutschland Spitzel des türkischen Staates in ihren Gemeinden beschäftigt.
Es kann nicht angehen, dass deutsche Staatsbürger türkischer Herkunft unter Druck gesetzt und teilweise sogar bedroht werden. Es kann nicht sein, dass wir zuschauen, wie in Deutschland für die Wiedereinführung der Todesstrafe und eine Einschränkung der Religions- und Meinungsfreiheit geworben wird.
Es kann nicht sein, dass wir in unserem Land der türkischen Religionsbehörde über die DITIB Einfluss auf staatliche Einrichtungen geben und diese dann auch noch mit Steuermitteln fördern, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Es muss neu geprüft werden, ob der eine oder andere Verein, der offen für die Politik Erdogans eintritt, weiter so bestehen darf.
Es ist deshalb unverständlich, dass – das muss ich an dieser Stelle leider sagen – Frau Bundesfamilienministerin Schwesig von der SPD angesichts der aktuellen Situation Steuermittel für die DITIB, mit denen diese Projekte gegen Rechtsradikalismus durchführen soll, wieder freigibt.
Das muss man sich einmal vorstellen. Wir bezuschussen auf der einen Seite die DITIB als autoritäre Organisation, um auf der anderen Seite rechtsradikale Kräfte zu bekämpfen. Kann das wirklich der richtige Weg sein?
Meine sehr geehrten Damen und Herren, da wäre es wohl wesentlich und viel besser gewesen, die von der früheren Bundesfamilienministerin Christina Köhler von der CDU eingeführte Extremismuserklärung von Projektträgern nicht abzuschaffen.
Wir als CDU sagen: Schluss mit dem Doppelpass, keine weiteren Beitrittsverhandlungen mit der Türkei in dieser
Form und keine Auftritte in Deutschland, bei denen es darum geht, die Todesstrafe in der Türkei einzuführen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Abstimmungsergebnis des Verfassungsreferendums in der Türkei besorgt uns sicherlich alle. Zum einen gibt es uns Anlass zur Sorge, weil sich die Türkei unter ihrem Präsidenten Erdogan von den Werten einer säkularen Demokratie entfernt. Über Jahrzehnte hinweg war die Türkei ein verlässlicher Partner der Europäischen Union und ein wichtiger Anker der NATO. Die Türkei war Bindeglied zwischen Europa und dem Vorderen Orient.
Doch anstatt den Weg hin zu einem Rechtsstaat zu gehen, in dem die Menschen frei und sicher vor staatlichen Repressionen leben können, hat Erdogan sein Land schleichend in eine repressive Autokratie geführt. Den vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklung stellt das jüngst abgehaltene Referendum über die Einführung eines Präsidialsystems dar. Dieses räumt dem Präsidenten beinahe uneingeschränkte Machtbefugnisse ein. Zum anderen gibt uns das Ergebnis des Referendums Anlass zur Sorge, weil vor allem Türken, die im Ausland leben, das Ergebnis der Abstimmung maßgeblich beeinflusst haben. Menschen, die bei uns in Deutschland, aber auch in anderen Teilen der Europäischen Union in Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit leben, haben ihren Landsleuten diese Werte genommen.
Meine Damen und Herren, an dieser Stelle möchte ich aber Wert darauf legen, dass selbstverständlich bei Weitem nicht alle bei uns lebenden Menschen türkischer Abstimmung Anhänger des Erdogan-Regime sind. Dennoch – das muss man zugestehen – ist der Anteil derjenigen, die aus Deutschland heraus mit Ja für die Einführung des Präsidialsystems gestimmt haben, signifikant hoch.
Meine Damen und Herren, das heißt für uns Freie Demokraten, dass eine Debatte über europäische Grundwerte geboten ist. Diese Notwendigkeit begründet sich allerdings nicht ausschließlich auf dem Türkei-Referendum, und die Debatte endet auch nicht dort. Einwanderung und Integration sind Themen, die grundsätzlich diskutiert werden müssen, und Lösungen für die Herausforderungen müssen gefunden werden.
Meine Damen und Herren, dies muss und sollte in sachlich und lösungsorientierter Art und Weise geschehen. Ich stelle leider fest, dass die Debatte im Moment anders geführt wird.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen der AfD, wenn man Ihnen zuhört und dem Glauben schenken mag, was Sie hier beinahe tagtäglich von sich geben, dann könnte man meinen, wir würden in einer Art „Afghanistan am Rhein“ leben.
Wenn man hört und liest, was auch von der CDU in den vergangenen Tagen gesagt worden ist, dann könnte man glauben, Mainz sei ein Vorort von Riad.
differenziert und sachlich über die Themen „Einwanderung“, „Gesellschaft“ und „Integration“ diskutieren zu können. Umso bedauerlicher ist es, dass vor allem die CDU wenige Monate vor der Bundestagswahl daran kein Interesse zu haben scheint.
So hat es die CDU auch in den vergangenen vier Jahren verschlafen, ein Einwanderungsgesetz für Deutschland auf den Weg zu bringen.