Protocol of the Session on March 8, 2017

Meine Damen und Herren, liebe Frau Kollegin Klöckner, Sie haben natürlich Ihren Diskussionsbeitrag dazu genutzt, die Finanzpolitik des Landes insgesamt in Angriff zu nehmen. Ich bin jedoch einigermaßen gelassen; denn wir alle haben natürlich noch in guter Erinnerung – wir zumindest haben es noch in guter Erinnerung –, dass wir unlängst aufnehmen konnten, dass dem Land Rheinland-Pfalz im vergangenen Jahr 2016 ein Haushaltsüberschuss gelungen ist. Meine Damen und Herren, das ist das erste Mal seit 1969.

Weil Sie gern mit der sozialdemokratisch geführten Landesregierung in der Zeit seit Anfang der 90er-Jahre politisch zu Gericht gehen, muss ich Ihnen sagen, wir regieren schon lange, aus Ihrer Sicht wahrscheinlich sehr lange, aber wir regieren nicht seit 1969. Das heißt, wir konnten im Jahr 2016 – das ist tatsächlich so – zum ersten Mal auch mit Einbeziehung christdemokratisch geführter Landesregierungen, christdemokratischer Ministerpräsidenten und christdemokratischer Finanzminister erreichen, dass es

einen Haushaltsüberschuss gibt. Wer heute die Finanzpolitik des Landes Rheinland-Pfalz ins Visier nimmt, der muss sich die ganze Wahrheit anschauen, die man auch überschreiben kann mit dem Stichwort: „Haushaltsüberschuss 2016“. Das ist auch das Verdienst der Landesregierung unter Malu Dreyer und ihrer Finanzministerin, und das will ich an dieser Stelle deutlich machen.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sehe schon wieder Ihre Unruhe und weiß, dass Sie gleich wieder dazwischenrufen werden: Das ist die gute Konjunktur. – Ja, klar, die gute Konjunktur spielt eine Rolle dabei. Aber dann lassen Sie uns doch an der Stelle auch fair miteinander umgehen. Wenn Sie sich heute stellvertretend feiern lassen für die Haushaltsüberschüsse auf Bundesebene, und wenn wir sagen, na ja, vielleicht sind die volkswirtschaftlichen Gesamtumstände nicht ganz unmaßgeblich dabei, dann sagen Sie immer: Nein, nein, das hat mit der soliden Finanzpolitik von Wolfgang Schäuble zu tun. – Deshalb lassen Sie uns doch an dieser Stelle gemeinsam feststellen: Was auf Berliner Ebene gilt, muss auf Mainzer Ebene genauso gelten,

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Genau, aber auf Berliner Ebene ist es verfassungsgemäß! Da ist es verfassungsgemäß!)

und darum sage ich, es ist die solide Finanzpolitik von Malu Dreyer und von Doris Ahnen, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weil Herr Baldauf so fragend dazwischenruft, möchte ich Ihnen die Zahlen noch einmal nennen.

(Abg. Julia Klöckner, CDU: Das hat er doch gar nicht dazwischengerufen! – Weitere Zurufe von der CDU)

Nach dem vorläufigen Jahresabschluss erwirtschaftete das Land im vergangenen Jahr im Landeshaushalt – – –

(Zurufe von der CDU: Reden Sie doch einmal zum Pensionsfonds! Zum Pensionsfonds! – Abg. Christine Schneider, CDU: So geht die Redezeit auch vorbei!)

Meine Damen und Herren, Sie haben die Debatte beantragt, eine Sondersitzung des Landtags, und jetzt müssen Sie auch aushalten, dass außer Frau Klöckner auch noch andere das Wort ergreifen. Das gehört schon zu einem ordentlichen Umgang miteinander dazu.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nach dem vorläufigen Jahresabschluss erwirtschaftete das Land im vergangenen Jahr einen Überschuss von 322 Millionen Euro, anstatt, wie geplant, 422 Millionen Euro neue Schulden am Kreditmarkt aufzunehmen, und wir konnten 240 Millionen Euro Schulden tilgen. Ja, meine Damen und Herren, auch das gehört zur Debatte dazu.

Meine Damen und Herren, ja, wir hatten in der vergangenen Woche im Haushalts- und Finanzausschuss die Gelegenheit, uns auszutauschen, und es ist völlig in Ordnung und legitim, dass wir das heute erneut tun. Aber ich hätte mir gewünscht, dass Sie nach der Aufregung, die Sie noch in der vergangenen Woche ausgestrahlt haben – damit spreche ich die Kolleginnen und Kollegen der CDU an –, heute, nach ein paar Tagen Abstand, sich doch zumindest von einigen Formen der Auseinandersetzung distanzieren, die Sie unmittelbar nach dem VGH-Urteil ergriffen haben. Ich habe es heute wieder gehört, und ich habe es auch in den vergangenen Tagen gelesen, liebe Frau Kollegin Klöckner, dass Sie den Begriff der Pensionslüge in den Mund nehmen. Meine Damen und Herren, ich finde, das ist ein Begriff, der nicht in Ordnung ist. Er ist überhaupt nicht gedeckt durch die Aussagen des Verfassungsgerichtshofs, und er ist auch überhaupt nicht gedeckt durch diejenigen, die schon jetzt fachkundig dieses VGH-Urteil analysiert haben.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Der Haushalt war auch nicht gedeckt! – Abg. Julia Klöckner, CDU: Ja, das stimmt!)

Meine Damen und Herren, es ist auch völlig klar, dass es keinen Rechtszusammenhang gibt zwischen der Auszahlung von Pensionen für die Menschen, die in RheinlandPfalz in Pension gehen, und diesem Pensionsfonds.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer etwas anderes behauptet – das haben Sie gegenüber der „Allgemeinen Zeitung“ und im Internet getan –, der muss sich entweder den Vorwurf gefallen lassen, dass er nicht weiß, worüber er redet – ich glaube, das wollen Sie nicht –,

(Zurufe von der CDU: Nein, Sie wussten es nicht! Sie wussten nicht, worüber Sie reden!)

oder er möchte wirklich den Menschen ein X für ein U vormachen. Ich finde, das ist unverantwortlich. Es gibt keine Pensionslüge. Das ist reine Propaganda der CDU nach einem VGH-Urteil, das Sie angestrengt haben und – ja, auch das ist richtig – das ein politischer Erfolg aus Ihrer Sicht ist.

(Abg. Alexander Licht, CDU: Sie haben gesagt, es sei eine Investition! Es ist aber keine Investition, es war nie eine gewesen!)

Aber es geht auch nicht, dass Sie in Ihrer Verantwortung mit einem solchen Begriff die Menschen verwirren und Anlass dafür bieten, dass es diese Verunsicherung gibt. Ich weise dies in Klarheit zurück, und es ist mir wichtig, das heute deutlich zu machen.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sollten uns auch noch einmal vergegenwärtigen, weshalb der Pensionsfonds überhaupt eingerichtet wurde. Ja, es ist klar: Die Last ist da, und sie wird sich in den nächsten Jahren auch nicht verringern. Die geburtenstarken Jahrgänge werden in Pension gehen. Für das Jahr 2015 haben

wir Gesamtversorgungsausgaben im Landeshaushalt von insgesamt 1,78 Milliarden Euro, und es wird einen Aufwuchs geben.

Das Problem oder – ich will es lieber so benennen – die Herausforderung bleibt also erhalten, und sie verstärkt sich. Es wird einen Aufwuchs geben bis zum Jahr 2021 gegenüber dem Jahr 2016 von rund 14 %.

Eine der Antworten, die man geben kann, ist genau das, worüber ich schon gesprochen habe, nämlich eine vernünftige Haushaltspolitik und eine Haushaltskonsolidierung, die wir mit Blick auf die Schuldenbremse in dieser Wahlperiode mit Siebenmeilenstiefeln angehen.

Frau Klöckner, Sie haben in den letzten Tagen immer wieder Ansprüche an das Haushaltsverfahren gestellt. Sie haben auch im Haushalts- und Finanzausschuss angesprochen, dass wir das Haushaltsverfahren auf Eis legen müssten. Ich bin sehr froh, dass sich der Wissenschaftliche Dienst in der vergangenen Woche auf unsere Bitte hin juristisch mit dieser Frage klar beschäftigt hat. Es gibt überhaupt keinen Grund, das Haushaltsverfahren jetzt auszusetzen, wie Sie es sich wünschen, sondern es gibt im Gegenteil einen Grund, die Hinweise des VGH-Urteils ernst zu nehmen und ganz klar Handlungsfähigkeit zu demonstrieren.

Wenn Sie – was ich Ihnen unterstelle – dies von einem Redner der sozialdemokratischen Landtagsfraktion nicht so gern annehmen wollen, möchte ich Ihnen dennoch gern einen Hinweis geben, den ich in einer unserer Tageszeitungen – um genau zu sein, in der „RHEINPFALZ“ – am 3. März 2017 gefunden habe. Darin ist kommentiert worden, und mit Erlaubnis des Präsidenten möchte ich gern daraus zitieren:

Deshalb reichen in der Tat ein paar Umschichtungen im neuen Haushalt, um das Zahlenwerk verfassungskonform zu machen. Es kann rasch verabschiedet werden. Für die Reform des Pensionsfonds hingegen sollte sich der Landtag Zeit nehmen.

Lassen Sie uns so verfahren, meine Damen und Herren. Ich finde, das ist ein guter Rat, den uns ein Journalist gegeben hat.

Liebe Frau Kollegin Klöckner, Sie haben auch versucht, die Tatsache, dass Sie vor dem Verfassungsgerichtshof in Koblenz Erfolg hatten, zur Geschichte zu machen, die man mit „Erdbeben“, „Paukenschlag“ oder „Landesregierung erneut gescheitert“ beschreiben kann.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der CDU: Ja, ja!)

Das sind natürlich starke Begriffe.

Ich freue mich über den Applaus, und ich hoffe, er kommt jetzt gleich noch einmal, wenn ich fertig gesprochen habe.

Ich habe mir einmal die Situation insgesamt angeschaut. Wir sind schließlich nicht die einzige Landesregierung in Deutschland, es gibt sogar noch eine Bundesregierung. Ich habe mir einmal angeschaut, wie es seit 2014 mit der

Bundesregierung so war.

Am 26. Februar 2014 ist die Bundesregierung unter Angela Merkel in Karlsruhe gescheitert mit der 3-%-Sperrklausel im Europawahlrecht.

(Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Das hat nichts mit dem Pensionsfonds zu tun!)

Am 17. Dezember 2014, also im selben Jahr, ist die Erbschaftsteuer für verfassungswidrig erklärt worden.

(Zurufe von der CDU: Schlechte Beispiele!)

Ja, Sie sagen „Schlechte Beispiele“. – Natürlich, das sind alles schlechte Beispiele aus Ihrer Sicht, aber es sind Beispiele von höchstrichterlichem Scheitern, und ich sage Ihnen, ich kann die schlechten Beispiele noch weiterführen.

(Zurufe von der CDU)

Am 21. Juli 2015 ist das Betreuungsgeld für verfassungswidrig erklärt worden, am 20. April 2016 ist das BKAGesetz für verfassungswidrig erklärt worden, und am 6. Dezember 2016 ist der Atomkompromiss unter Angela Merkel für verfassungswidrig erklärt worden.

Liebe Frau Kollegin Klöckner, ich will mit Ihnen gar nicht darüber streiten, dass das VGH-Urteil sehr klar und eindeutig war; aber wenn Sie den Begriff „Erdbeben“ bemühen, muss ich Ihnen sagen, allein in den vergangenen zwei Jahren ist die Bundesregierung in Karlsruhe so oft gescheitert, dass es schon tektonische Erdplattenverschiebungen in Deutschland gewesen sein müssten.

Aber damals gab es keine Sondersitzung im Bundestag, und hier schon gar nicht. Damals habe ich von Ihnen nichts gehört. Liebe Frau Kollegin Klöckner, ich finde, man muss auch die Begabung zum richtigen Maß haben. Das VGHUrteil war ein Urteil, das Ihrer Position recht gegeben hat. Es war ein Urteil, das die Landesregierung und die koalitionstragenden Fraktionen vor die Aufgabe stellt, die Dinge ordentlich zu klären. Es ist ein Urteil, das uns den Appell auferlegt: Kümmert euch seriös um die Dinge, verunsichert nicht die Menschen, und dazu sind wir bereit. – Ich gehe davon aus, dass Sie auch dazu bereit sind.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Hendrik Hering