Wenn Regierende im Gehorsam, erst nachdem ein Sachverhalt in den sozialen Medien kursiert, mit der Wahrheit herauskommen, obwohl sie bekannt war, dann verlieren sie in gleichem Maße die Glaubwürdigkeit, wie sie die Internetmedien gewinnen. Das Internet begünstigt die schnelle, unüberlegte und emotionale Meinungsäußerung, ohne ernsthafte Folgen befürchten zu müssen. Die Erfindung des Buchdrucks führte das Mittelalter in die Neuzeit, eine Zeitenwende, zu deren Beginn größte Skepsis, Ablehnung und auch Zensur stand. Damals war jede missliebige Meinung schnell Ketzerei oder das Mittel zur Verbreitung das Werkzeug des Teufels.
Brauchte vor ein paar Jahren eine Nachricht noch Stunden, um verbreitet zu werden, kann dies nun fast in Echtzeit erfolgen: ungefiltert, unrecherchiert, ungeschnitten und unkommentiert. – Lüge und Hass sind Phänomene einer Gesellschaft, die sich zunehmend aus dem realen öffentlichen Raum zurückzieht und ihre Erfüllung innerhalb der eigenen vier Wände sucht, weil sie sich vielleicht auch von der Welt da draußen nicht mehr mitgenommen fühlt. Tastaturhelden, die sich einer realen Auseinandersetzung niemals stellen würden, verlieren jede Hemmung, jede Contenance und jeden Respekt. Sie schreiben Dinge, die sie von Angesicht zu Angesicht niemals sagen würden.
Die daraus entstehende Gewalt, wie etwa die verbalen Verunglimpfungen der Kanzlerin am Einheitstag oder die hasserfüllten Exzesse der Antifa auf unseren Veranstaltungen, drängen mehr und mehr auf die Straße und werden zur realen Gefahr. Wie aber sollen „Hate Speech“ und „Fake News“ überprüft werden? Wer legt fest, wann die Meinungsäußerung aufhört und wann die Hasssprache anfängt? Das ist wohl immer auch eine Frage der Perspektive und der inneren Einstellung.
Wer aber versucht, Meinungen zu verbieten, wird bald eine Renaissance all dieser verachtungswerten Unrechtssysteme der DDR, des Nationalsozialismus, der sogenannten Demagogenverfolgung, der Hexenverfolgung und vieler anderer erleben. Ich denke, das wollen wir alle nicht. Das kann aber nicht im Interesse einer pluaristischen Gesellschaft sein. Ich warne ausdrücklich vor den Folgen von Meinungs- und Gesinnungsschnüffelei. Das verbriefte Recht der freien Meinungsäußerung darf nicht aus parteipolitischen oder auch ideologischen Beweggründen angetastet werden.
Meine Damen und Herren, der Landtag sollte beispielgebend für eine angemessene Streitkultur sein, und dennoch muss man bei kontroversen Diskussionen und Themen auch eine klare Kante vertreten können, ohne permanent gemaßregelt zu werden. Aber jede abweichende Meinung, die nicht dem eigenen Weltbild entspricht, als rassistisch, undemokratisch zu bezeichnen, versachlicht eben die Diskussion nicht, sondern verschärft sie. Die Tendenz, jede unliebsame Äußerung zu sanktionieren, kommt der Zensur schon ziemlich nahe. Zensur verhindert nicht das Denken, aber es radikalisiert das Handeln. Die Bürger nehmen sich an uns auch ein Beispiel.
Und deshalb bleiben wir deutlich, ohne zu beleidigen, formulieren wir scharf, ohne zu difffamieren, und bleiben wir humorvoll, ohne lächerlich zu machen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Die Kinder widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer. – Diese Feststellungen – in zeitgemäßer Sprache hieße das Newsbashing – stammen übrigens – Sie kennen das Zitat bestimmt – nicht aus einer gesellschaftskritischen Studie eines der vielen Forschungsinstitute unseres Landes, sondern vom athenischen Philosophen Sokrates. Sie sind also annähernd 2.500 Jahre alt.
Der viel beschriebene Generationskonflikt ist also, wenn wir ehrlich sind, ein eher zeitloses Phänomen. Es gibt auch bis heute keinerlei wissenschaftliche Nachweise über reduzierte Intelligenz, Kompetenzverluste im Allgemeinen und im Besonderen oder über den moralischen Verfall von Jugendlichen. Dennoch werden die Stimmen und Klagen über die Jugendlichen von heute immer lauter.
beteiligen. Mir geht es in erster Linie um die Frage, wie wir dazu beitragen können, unseren abendländischen Wertekanon – ja, das klingt sehr traditionell – nicht nur Kindern und Jugendlichen von heute überzeugend zu vermitteln, sondern auch uns, der Generation Forty-Something – ich gehe davon aus, Sie alle wissen, was ich meine –,
wieder in Erinnerung zu rufen. Es braucht Vorbilder, nicht zuletzt angesichts der Zunahme von Hass und Gewalt sowie der unübersehbar zunehmenden Verrohung unserer Gesellschaft, in der jemand, der Begriffe wie Respekt, Demut oder sogar Barmherzigkeit im Munde führt, bestenfalls belächelt wird.
Um ganz konkret zu werden, möchte ich ein Beispiel aufgreifen, die viel beklagte Verrohung der Sprache. Es ist zugegebenermaßen erschreckend, welche Niveaulosigkeiten heutzutage in Wort und Schrift produziert werden, nicht zuletzt in Hassmails in den sogenannten sozialen Medien, die man zutreffenderweise eher als asoziale Medien bezeichnen müsste.
Beängstigend sind in diesem Zusammenhang wissenschaftliche Erkenntnisse, auch die neueste Erkenntnis, der zufolge Sprache das Verhalten der Menschen beeinflusst. So gibt es klare Hinweise darauf, dass eine aggressive Sprache aggressives Handeln nach sich zieht. Darüber sollten wir einmal nachdenken, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Die sozialen Netzwerke alleine als Ursache für die sinkende Hemmschwelle bei verbalen Angriffen verantwortlich zu machen, ist sicher zu kurz gegriffen. Die Sprachverrohung wird zwar vielfach durch die Anonymität des Internets forciert, doch leider ist dieses Phänomen auch im realen Leben, also sozusagen offline, zu beobachten, auch bei uns im politischen Alltag, in den Medien und Filmen, am Arbeitsplatz, in Schulen und anderen Bereichen.
Sprachverrohung ist kein singuläres Problem der heutigen Jugend. Es ist allgemein unser Problem. In meinem Berufsverband, dem ADTV, habe ich erst kürzlich darauf hingewiesen, wie wichtig eine wertschätzende und deeskalierende Sprache ist, vor allem im täglichen Umgang. Wir müssen die Menschen – und nicht nur Jugendliche – dafür sensibilisieren, dass ein respektvolles Miteinander und gute Umgangsformen wieder selbstverständlich werden müssen. Dazu gehören die Erkenntnis sowie die Vermeidung selbst unterschwelliger Respektlosigkeiten. Schon das dient dem Abbau von Aggressionen und der Verbesserung der Kommunikation.
Das heißt aber auch, dass wir uns alle an die Nase fassen müssen. Lassen Sie uns daher, statt über eine verrohende Jugend zu schimpfen, gute Vorbilder sein, auch im Hinblick auf unsere Sprache. Wir sollten uns tagtäglich und immer wieder prüfen, ob wir, die Politiker und Politikerinnen, die wir im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung stehen, unse
re Worte mit der gebotenen Sorgfalt und dem gebotenen Respekt, auch vor dem politischen Gegner, wählen.
Wir sollten darüber hinaus, sozusagen als Probe aufs Exempel im Alltag, Kindern und Jugendlichen – dabei wiederhole ich mich gerne als Benimmtante – zunächst wieder drei schlichte Worte nahebringen: bitte, danke und Entschuldigung.
(Beifall der FDP, der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei CDU und AfD – Abg. Christian Baldauf, CDU: Vor allem das letzte!)
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir dürfen bei der heutigen Debatte eines nicht vergessen: Das Internet ist eine große Errungenschaft. Es bringt Menschen grenzübergreifend zusammen. Es liefert Informationen. Es schafft wirtschaftliche Innovation.
Die freie Kommunikation und die freie Meinungsäußerung gehören zu diesen großen Errungenschaften unserer digitalen Demokratie. Ich bin überzeugt, diese Freiheit zu beschränken, wäre absolut falsch. Es wäre ein Kniefall vor den Demokratiefeinden. Liest man sich nämlich die Hasskommentare durch, wird doch klar, dass sie vor allem eines wollen: uns unsere Freiheit nehmen, die Freiheit, anders zu leben, zu glauben, zu lieben, anderer Herkunft oder Meinung zu sein.
Immer wieder kommt es dazu, dass die Grenzen der freien Meinungsäußerung überschritten werden. Wenn sich blanker Hass und gezielte Lüge zum Aufwiegeln der Bevölkerung gegen Minderheiten breitmachen, ist das nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. Hier müssen Demokratinnen und Demokraten mit klarer Haltung und der Rechtsstaat mit konsequentem Vorgehen dagegenhalten.
Wenn pauschal und verächtlich gesellschaftliche Gruppen abgewertet werden, verletzt das die Würde jeder Person in dieser Gruppe. Menschen werden allein aufgrund ihres Glaubens oder Nichtglaubens, ihrer Herkunft, ihrer sexuellen Orientierung, ihres Geschlechts oder weil sie beispielsweise Journalistinnen und Journalisten, Politikerinnen und Politiker oder engagierte Flüchtlingshelferinnen und Flüchtlingshelfer sind, als ungleichwertig herabgesetzt.
Das tagtägliche Lesen solcher Feindseligkeiten hat seine Folgen. Menschen erfahren Ablehnung. Sie fühlen sich in ihrer freien Entfaltung eingeschränkt. Es ist klar: Wer anfeindet, nimmt anderen Menschen ihre Freiheit und Lebensqualität.
Stammtischparolen kennen wir schon lange. Im Netz erhalten sie aber eine neue Dimension. Hass wird sichtbar und teilbar. Hass multipliziert sich.
In den „Filter Bubbles“ der sozialen Netzwerke erhält Menschenfeindlichkeit einen neuen Resonanzboden. Fremdenfeinde fühlen sich in ihrer Einstellung bestätigt. Nur so kommt es bei ihnen zu der Illusion, sie wären das Volk oder ihre Meinung der eigentliche Volkswille. Das Netz wirkt hier verzerrend als Hassverstärker.
Wissenschaftliche Studien belegen, dass aus verbaler Gewalt auch reale Gewalt wird. Vor jeder Tat war immer erst der Gedanke oder das Wort. Gewaltbereite Gruppen sehen sich durch den Hass im Netz angestachelt. Ihre Anschläge beispielsweise gegen Flüchtlingsheime werden von Schreibtischtätern noch bejubelt. Diese Gewaltspirale müssen wir durchbrechen.
Ganz klar ist auch: Plattformbetreiber haben hier ihre Verantwortung. Offensichtliche Verleumdung und üble Nachrede müssen schnellstmöglich, allerspätestens jedoch nach 24 Stunden, gelöscht werden.
Auch jeder und jede aber, die eine Facebook-Seite betreibt, trägt Verantwortung. Wenn demokratische Grundprinzipien massiv verletzt werden, dürfen diese Kommentare nicht ohne Weiteres unwidersprochen bestehen bleiben.
Auch die Strafverfolgungsbehörden müssen bestehendes Recht konsequent anwenden. Unser Strafrecht hat vieles, das heute in der Debatte erwähnt wird, bereits unter Strafe gestellt. Es geht darum, die individuellen Rechte und den staatlichen Strafanspruch wirksam durchzusetzen.
Straftaten werden online begangen. Es gibt aber bislang keine Möglichkeit, in Rheinland-Pfalz online Anzeige zu erstatten. Für mich ist deshalb klar: Wir brauchen eine Online-Wache bei der Polizei Rheinland-Pfalz. Damit geben wir von Hasskommentaren betroffenen Personen eine weitere Anlaufmöglichkeit.
Wenn sich Hassende in ihrer „Filter Bubble“ gegenseitig in ihrer Menschenverachtung bestätigen, muss die Zivilgesellschaft dagegenhalten. Nur so kann der Eindruck verhindert werden, dass dort die „eigentliche Meinung“ des Volkes vertreten würde. Wir müssen also heraus aus unserer Komfortzone, hinein in die „Filter Bubble“, und widersprechen.
Wir brauchen digitale Zivilcourage, die immer wieder ausdrückt, nein, euer Hass ist nicht die Meinung des gesamten Volkes, euer Hass ist eine Mindermeinung. Deswegen brauchen wir ganz klar Präventionsstrukturen in RheinlandPfalz gegen solche plumpen Vorurteile und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Es ist auch die Aufgabe von Politik, solche Präventionsangebote zu gewähren.
Der Hass muss heraus aus dem Netz. Er muss aber auch heraus aus den Köpfen. Als Demokratinnen und Demokraten dürfen wir nicht hinnehmen, dass durch Diskriminierung den Menschen Würde und Freiheit genommen wird.
Wir dürfen das freie Netz als große Errungenschaft nicht Hass und Lügen überlassen. Das ist unsere Verantwortung.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der FDP und bei der CDU – Zuruf von der SPD: Sehr gut!)