Protocol of the Session on February 15, 2017

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der FDP und bei der CDU – Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

Für die Landesregierung spricht die Ministerpräsidentin.

Herr Präsident, liebe Kollegen und Kolleginnen! Die überwältigende Mehrheit der Menschen nutzt das Internet ohne Hass. Es ist nur ein kleiner Teil der Nutzer und Nutzerinnen im Netz, der seinem Hass und seiner Hetze online freien Lauf lässt. Definitiv sind es zu viele; deshalb ist es gut, dass man darüber spricht.

Digitale Demokratie werden wir nicht durch Zensurmaßnahmen oder Wahrheitskommissionen voranbringen. Das ist auch meine feste Überzeugung. Genauso klar ist aber auch, es bedarf der Durchsetzung des Rechts im Netz genauso wie auch im ganz normalen analogen Leben. Strafbare Inhalte wie Beleidigungen, Verleumdungen und Volksverhetzung werden mit den Mitteln des Rechtsstaates bekämpft. Straftaten müssen offline und online gleichermaßen geahndet werden können.

Nach einer aktuellen Meldung des Landeskriminalamtes, die Sie sicherlich alle gelesen haben, ist die Zahl der polizeilich erfassten Hassdelikte im Internet in Rheinland-Pfalz im Jahr 2016 um 31 Prozentpunkte gesunken. Grund dafür ist auch die breite mediale Thematisierung der Problematik. Wir sehen, die öffentliche Auseinandersetzung damit, wie wir uns unser Leben und unser Miteinander im Netz vorstellen, ist hilfreich. Wir wollen das Netz und unsere digitale Zukunft positiv begreifen und gestalten.

Deshalb ist mein erster wichtiger Punkt: Das Recht gilt natürlich auch im Internet. Plattformbetreiber müssen dabei ihrer Verantwortung nachkommen. Wir brauchen dafür verantwortliche Ansprechpartner bei den sozialen Netzwerken im Inland, an die sich Betroffene, Justiz und Strafverfolgungsbehörden wenden können. Wir brauchen einfachere Kommunikationswege für Nutzer und Nutzerinnen, damit strafbare Inhalte den Betreibern der Plattformen gemeldet werden können. Hassbotschaften müssen von Plattformbetreibern gelöscht werden. Dafür sind sie in der Pflicht.

Zum Zweiten: Die Landesregierung macht eine Politik, die junge Menschen ermutigt und ertüchtigt, aktiv für die Stärken unserer Demokratie einzutreten. Wir müssen junge Menschen für die digitale Welt fit machen. Politische Bildung und Medienkompetenz sind nachhaltige Antworten auf Hass und Lügen im Netz. Deshalb investieren wir in politische Bildung und in Medienkompetenz.

Zum Dritten: Seriöse professionelle Medienarbeit ist das Gegengewicht zu „Fake News“ und Propaganda im Netz. Wir brauchen gut recherchierte Nachrichten. Die Menschen suchen im Übrigen verlässliche Informationen. Der Bedarf für unsere duale Medienlandschaft, für die privaten Medienunternehmen und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist da. Sie können „Fake News“ etwas entgegensetzen, nämlich unabhängige gut recherchierte Nachrichten.

Wir gestalten die Rahmenbedingungen. Zum Beispiel müssen wir ARD und ZDF für die digitale Welt fit machen und von ihren Internetfesseln befreien, wie zum Beispiel von der Regel, dass Beiträge nur sieben Tage im Netz zur Verfügung stehen.

Ein weiteres gutes Beispiel, das ich nennen will, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk ohne all diese Fesseln mit der Thematik im Netz agiert, ist funk, das junge Angebot von ARD und ZDF.

Zum Vierten ist mir nochmals wichtig: Dem Hass in den Herzen und der Wut in den Köpfen müssen wir widersprechen. Wir müssen selbstbewusst gegenhalten. Auch das wurde schon gesagt. In der analogen Welt gibt es das Wort Zivilcourage. Genau das braucht es auch im Netz: Digitalcourage, die aktive und mutige Bürgergesellschaft als mächtige Gegenspielerin von Feindseligkeit und Lügen. Wir brauchen also Digitalcourage im Netz. Die liberale Bürgergesellschaft muss gegenhalten.

Schließlich, zum Fünften, auch das sollte noch gesagt sein: Natürlich müssen wir immer wieder den Ursachen nachgehen und sie bekämpfen.

Woher kommen Hass und Unzufriedenheit? Wir müssen uns fragen, warum Enttäuschung und Unzufriedenheit zuweilen auch in Wut und Hass umschlagen. Wir müssen verhindern, dass sich die Gesellschaft noch stärker polarisiert.

Aus meiner Sicht müssen wir die soziale Frage neu stellen und beantworten. Menschen müssen spüren, dass man ihre Sorgen wirklich ernst nimmt.

Wir stehen erst am Anfang eines digitalen Zivilisationsprozesses. Wir können ihn gestalten – davon bin ich überzeugt – durch Aufklärung und Ehrlichkeit, durch Transparenz, Fehlerkultur und durch offene Debatten.

Ich fand den Hinweis der einen Kollegin sehr wichtig, dass wir am besten bei uns beginnen; denn es geht nicht nur um die jungen Menschen im Netz. Wenn wir über Hassmails und Ähnliches sprechen, ist es durchaus generationenübergreifend.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: So ist es!)

Ich glaube, dass unsere Gesellschaft immer von guten Vorbildern lebt.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU)

Für die CDU hat Herr Abgeordnete Dr. Gensch das Wort.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Abgeordnete, liebe Gäste! Grundsätzlich sind für mich soziale Medien ein bereicherndes Element. Sie dienen als eine Informations- und Kommunikationsplattform, die einen direkten Austausch auf vielerlei Ebenen ermöglicht. Die Chancen und Möglichkeiten sozialer Netzwerke sind vielfältig. Auch Weltpolitik konnte schon durch sie positiv beeinflusst werden, Beispiel Arabischer Frühling.

Es gibt aber auch Schattenseiten. So werden Diskussionen im Internet, insbesondere zu politischen Themen, häufig beherrscht von radikalen Positionierungen. Mandats- und Funktionsträger aus Gesellschaft, Politik und Wirtschaft sind im Internet Beschimpfungen und herabsetzender Kritik ausgesetzt. Diese Negativentwicklung ist landauf, landab in Facebook und anderen Medien zu beobachten.

Nicht alles, was dort gepostet wird, ist offensichtlich strafrechtlich relevant, und doch hat es negative Auswirkungen; denn verbale Herabsetzungen und aggressive Argumentationen dominieren oftmals die Debatten. Oftmals verstecken sich die Protagonisten solch radikaler Äußerungen hinter Phantasienamen und nicht zuzuordnenden Profilbildern. Offensichtlich drängt die Anonymität im Netz zur inhaltlichen und sprachlichen Verrohung bei.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hinter der Maske sinkt die Hemmschwelle.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich finde, diese Entwicklung können wir nicht hinnehmen, schon gar nicht, wenn ich mich in einem de facto öffentlichen Raum äußere. Hier ist aus meiner Sicht eine klare Zuordnung von Personen und Äußerungen vonnöten.

(Beifall bei der CDU)

Es sollte doch normal und nicht die Ausnahme sein, mit seinem Namen für seine Meinung einzustehen.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn ich politisch oder gesellschaftlich diskutieren möchte, dass meine Meinung von Tausenden von Usern wahrgenommen wird, dann kann ich für mich auch kein Recht auf Anonymität in Anspruch nehmen. Hier sind nicht nur der Gesetzgeber und die Politik gefordert, hier sind auch Facebook und Co., aber auch jeder Administrator einer Facebook-Gruppe in der Verantwortung, für eine vernünftige Kommunikations- und Gesprächskultur in ihrem Verantwortungsbereich zu sorgen.

Wir sollten uns durchaus in diesem Zusammenhang noch einmal über Dinge wie eine Klarnamenpflicht, durchaus auch verbunden mit einem klar erkennbaren Profilbild, unterhalten. Mir ist bewusst, dass das ein schwieriges Thema

ist. Es gibt in einigen Fällen sehr wohl gute Gründe, nicht unter Klarnamen aufzutreten, auch in sozialen Medien. Dies kann auch eine Authentifizierung bei der Registrierung zu sozialen Medien sein.

Wir sollten in diesem Zusammenhang unterscheiden zwischen Nutzern, die sich im privaten Kreis im sozialen Netzwerk bewegen, und Äußerungen im de facto öffentlichen Raum. Hier eine Grenze zu ziehen. Verbindliche Regelungen festzulegen, ist kompliziert und herausfordernd. Muss der Nutzer, der nur Fotos oder Nachrichten im engen Freundes- und Familienkreis auf Facebook teilt, diesen Regeln folgen? Muss er klar erkennbar sein? Muss er den gleichen Regeln folgen wie ein Nutzer, der auf zahlreichen Seiten und Gruppen diskutiert? Was und wieviel darf ich in privaten Netzräumen, was in öffentlichen Foren? Wo liegt hier die Unterscheidung? Das sind Fragen, die wir beantworten müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine Frage beschäftigt mich in diesem Zusammenhang vor allem. Was macht es mit Jugendlichen und Kindern, die mit so etwas aufwachsen und ständig mit dem ganzen Schmutz konfrontiert werden, der in den sozialen Medien ausgegossen wird, der fehlenden Affektkontrolle vieler Beteiligter? Was hätte es mit uns gemacht? Stumpft das einen Menschen, der gerade heranwächst, ab, zumal gerade viele Jugendliche selbst persönlich herabgesetzt und diffamiert werden? Fast jeder fünfte hat nach neuesten Umfragen persönliche Erfahrung mit Cybermobbing gemacht. Wie verändert das jemanden?

Meine Damen und Herren, hier geht es – die Frau Ministerpräsidentin hat es schon angesprochen – um digitale Zivilcourage, insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich im Netz ein verzerrtes gesellschaftliches Meinungsbild darstellt, da sich die schweigende Mehrheit aus solchen Diskussionen komplett heraushält.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese schweigende Mehrheit muss langsam aufpassen, dass sie nicht so lange schweigt, bis es zu spät ist.

Mauerfall, Finanzkrise, Staatsschuldenkrise – all diese Entwicklungen haben wir nicht kommen sehen. Sie haben uns überrascht. Doch zeichnet diese Ereignisse eine, lassen Sie es mich einmal so nennen, Vorhersehbarkeit im Rückblick aus. Retrospektiv analysieren wir nüchtern, wie es zu diesen Ereignissen kam. Wir wundern uns über die Kurzsichtigkeit und Gedankenlosigkeit aller Beteiligter und sind doch unfähig, diese Kenntnisse auf aktuelle Entwicklungen zu übertragen. Ich bin mir sicher, dass man eines Tages Brexit, Trump-Wahl, Flüchtlingsfrage und die Verrohung der Sitten im Internet als Schlüsselfaktoren ansehen wird, die eine destabilisierende Entwicklung für die Demokratien eingeleitet haben.

(Beifall bei der CDU)

Hier – ich komme zum Ende, Herr Landtagspräsident – muss sich jeder einzelne fragen, ob und in welcher Form er sich einbringen kann und möchte. Ich möchte nicht, dass viele Bürger in diesem Land in zehn bis 20 Jahren auf

die Frage ihrer Kinder, was habt ihr eigentlich gemacht, als unsere Demokratien begonnen haben zu wackeln, die Antwort geben: Ich habe leider nur Pokémon Go gespielt, Politik und Gesellschaft haben mich nicht interessiert. – Dazu dürfen wir es nicht kommen lassen. Jetzt müssen wir dagegen vorgehen.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion hat die Frau Abgeordnete KazunguHaß das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Das Netz – unendliche Weiten. Wenn man über die sozialen Netzwerke in diesen Zeiten spricht, dann werden diese unendlichen Weiten oft als düstere und gefährliche Orte bezeichnet. Manche schränken sich deswegen immer mehr ein, trauen sich kaum noch, etwas anderes als ihr Essen oder ein Katzenbild zu posten.

Unendliche Weiten bleiben aber vor allem dann ein dunkler Ort, wenn man den Gefahren unwidersprochen begegnet und so auch bei einem selbst der Eindruck entsteht, dass man sich am besten nicht aufmacht, sitzen bleibt und anderen das Feld überlässt.

Was aber passiert, wenn man sich genauso laut wie diejenigen äußert, die das Netz mit Hass und Hetze überziehen? Die schweigende Mehrheit wird von Populisten und Extremen schon immer für sich in Anspruch genommen. Angeblich wissen nur sie, was das Volk denkt, und sprechen das aus, was andere sich nicht trauen. Aber was ist, wenn sie falsch liegen und das dann auch noch alle sehen können?

Vor Kurzem habe ich das selbst erlebt. Auf meiner Timeline habe ich ein Bild entdeckt, das mich ins Mark traf. Mein FBKontakt schrieb darüber: Warum tut denn keiner etwas? – Kurzentschlossen machte ich einen Screenshot und nutzte das einzige Mittel, das mir in meiner Hilflosigkeit zuerst einfiel. Ich erstattete Anzeige, wissend, dass es mehr als schwierig werden würde, juristisch etwas zu erreichen. Das ist auch gut so; denn ich stehe für Meinungsfreiheit, auch wenn ich aushalten muss, dass mein persönliches Gerechtigkeitsempfinden dabei ungehört bleibt. Es geht um Recht. Das ist eben keine subjektive Größe.

Was ich aber anders machte als viele andere, die so etwas aus Angst, alleine im Verborgenen und oft auch anonym tun, ist, ich postete meine Ankündigung der Anzeige öffentlich. Was folgte war das, was das Netz oft zuerst ausspeit, ein großer Shitstorm. Ich bekam Drohungen und wurde ehrabschneidend beleidigt. Das war sehr anstrengend, aber zu erwarten.

Dann aber wendete sich das Blatt. Es entstand eine Art Gegenmacht. Traditionelle Printmedien schalteten sich ein, bezogen Stellung, teilweise auch sehr persönlich, sie