Protocol of the Session on January 26, 2017

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Man muss differenzieren können!)

Herr Bollinger, mit Ihnen habe ich es gerade gar nicht, kommt aber vielleicht noch.

Herr Junge, es ist sinnvoll, Ihnen zuzuhören. Sie haben sich von Herrn Höcke, der eine unsägliche Rede gehalten hat, der nichts anderes wollte – das hat er so gesagt – als die 180-Grad-Wende in der Erinnerungskultur – dies wenige Tage vor dem 27. Januar! – inhaltlich nicht distanziert!

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Herr Schweitzer, lesen Sie doch mal unsere Pressemitteilung!)

Alles, was Ihnen möglich war: Es sei unklug, und es schade der AfD.

Herr Junge, es schadet nicht der AfD – das wäre mir egal –, es schadet dem Andenken der Menschen, die Opfer wurden vom nationalsozialistischen Regime. Das wäre eine Antwort gewesen!

(Beifall der SPD, der CDU, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Es schadet nicht, lesen zu können!)

Die Distanzierung von der Pressefreiheit schadet nicht – wenn es so wäre, dann wäre es mir erst einmal zweitrangig – der politischen Taktik der AfD. Es schadet dem demokratischen Gemeinwesen! Es schadet der demokratischen Offenheit in unserer Gesellschaft! Herr Junge, das

wäre eine Aussage von einem Parlamentarier gewesen! Das haben Sie hier wieder nicht hinbekommen!

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will Ihnen eines sagen. Wer dann selbst mit dem Gedanken spielt, gegenüber den Medien zu sagen, es kann der Moment kommen, in dem wir auch einmal Presse ausschließen, der konditioniert das doch – und wie! –, wenn die Presse nicht mehr so schreibt, wie wir uns das vorstellen.

(Heiterkeit bei der AfD – Abg. Uwe Junge, AfD: Das tut sie sowieso nicht!)

Genau das haben Sie gesagt!

Ich will Ihnen eines sagen! Die Presse schreibt so, wie sie es für richtig hält.

(Heiterkeit bei der AfD)

Das ist die Pressefreiheit. Das ist die Freiheit, die wir uns in Deutschland jeden Tag erarbeitet haben und immer wieder auch gemeinsam verteidigen müssen. Es ist nicht nur die Verfassung. Es ist nicht nur die Summe der Gesetze, die die Demokratie ausmacht. Es ist auch der demokratische Raum, den wir durch öffentliche Debatten jeden Tag neu schaffen,

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: So ist es!)

der vielleicht auch verkleinert wird, wenn wir Ihnen und anderen die Gelegenheit geben, Verantwortung zu bekommen in diesem Land.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: S i e verkleinern ihn!)

Wohin die Reise geht, das merken wir an solchen Äußerungen. Zu sagen, es kann sein, dass wir die Presse ausschließen, das ist nicht die Abkehr von „wir wollen uns gegen Pressefreiheit aussprechen“,

(Zuruf des Abg. Joachim Paul, AfD)

sondern das ist die Androhung, dass wir immer dann, wenn es uns nicht mehr passt, Presse ausschließen.

Ich sage Ihnen ganz deutlich, ein wenig Pressefreiheit gibt es nicht. Es gibt nur Pressefreiheit oder keine Pressefreiheit. Da erwarte ich Klarheit, auch von Ihnen, Herr Junge, auch in einer solchen Debatte.

(Beifall der SPD, der CDU, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: S i e verkleinern den demokratischen Raum, indem Sie die AfD ausgrenzen! – Zurufe aus dem Hause)

All das steht zur Debatte, heute und in den nächsten Monaten. Ich bin sehr froh, dass wir uns darauf verständigt haben, in diesem Parlament über die Frage, was die Grundlage von Demokratie, von Meinungsfreiheit, auch von Öf

fentlichkeit ist, noch zu sprechen.

Ich will Ihnen auch sagen, ich glaube, dass wir sehr stark aufpassen müssen, wie sich durch die Einflüsse der sozialen Medien die Möglichkeiten und die Wirkräume, öffentlich fair miteinander umzugehen, verändern.

Ich habe in diesen Tagen gelesen, was im Wochenmagazin „der Freitag“

(Glocke des Präsidenten)

über die Veränderung des sozialen Miteinanders steht.

(Zurufe von der AfD)

Ich will Ihnen klar sagen, Sie haben gestern beim Parlamentarischen Abend deutlich darauf hingewiesen, dass Sie die sozialen Medien nutzen, um die öffentliche Meinung zu manipulieren

(Zurufe von der AfD)

und gegen die Mehrheit anzuwenden.

Herr Schweitzer, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Das sind die Debatten, die wir führen.

Danke schön.

(Anhaltend Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU spricht Frau Klöckner.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Pressefreiheit ist eine Säule der Demokratie, und es ist gut 200 Jahre her, da hat Joseph Görres in Koblenz den „Rheinischen Merkur“ gegründet. Der Historiker, der Publizist war Vorkämpfer

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Patriot!)

der Pressefreiheit und der freien Meinungsäußerung. Wenn wir hier im rheinland-pfälzischen Landtag stehen – wo sonst die Fahne vom Hambacher Schloss hängt –, Schwarz, Rot und Gold, diese Fahnen wurden geschwenkt und hoch hinauf zum Schloss getragen, weil man für die Pressefreiheit und gegen die Zensur gekämpft hat.

Die AfD nutzt diese Farben, um gegen die Pressefreiheit und für die Zensur zu kämpfen, und Sie missbrauchen die Farben, die für etwas ganz anderes stehen.

(Beifall der CDU, der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ausgerechnet in Koblenz, in der Stadt, die vor 200 Jahren mit Pressefreiheit verbunden wurde, ist jetzt massiv in die freie Presseberichterstattung eingegriffen worden.

Europas Rechtspopulisten sperrten ganz gezielt Journalisten vom Kongress aus, vor allen Dingen die öffentlichrechtlichen, weil sie ihnen nicht passen. Anträge auf Akkreditierung wurden abgelehnt. Wer als Journalist hineinkam, musste schriftlich einwilligen, dass er jederzeit wieder herausgeworfen werden könne.

AfD-Politiker lästerten über verschiedene Netzwerke – ich zitiere –: „Katzenjammer im Journalistenzirkus“. Entweder ist das makaberer Humor, oder Sie meinen es wirklich bitter ernst, dass Sie unser Demokratieverständnis neu definieren, nämlich beschneiden wollen. Das werden wir nicht mitmachen!

(Beifall der CDU, der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das muss man sich einmal vorstellen: Eine Fraktion des Europäischen Parlaments, die über öffentliche Gelder finanziert wird, will die Berichterstattung massivst lenken und steuern, und unabhängiger Journalismus stört.

Herr Junge, es hat etwas mit Ihnen und Ihrer Fraktion zu tun.

(Abg. Uwe Junge, AfD: Nein!)