Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Inklusion ist nicht nur durch die UN-Behindertenrechtskonvention von 2009 völkerrechtlich verbrieftes Menschenrecht, sondern Inklusion ist auch ein politisches Ziel. Das bedeutet, eine Gesellschaft so zu gestalten, dass jeder unabhängig von seinen persönlichen Herausforderungen an dieser unserer
Wir sind in Rheinland-Pfalz schon seit Jahren auf dem Weg. Wir haben in der letzten Legislaturperiode gerade im Bildungsbereich unheimlich viel vorangebracht. Wir haben das Thema sehr weit oben auf die Tagesordnung gesetzt. Es freut mich, dass heute auch der Landesbeauftragte für die Menschen mit Behinderungen unter uns ist, der sich jeden Tag im Alltag und der Praxis in ganz Rheinland-Pfalz für Inklusion einsetzt.
Es war und ist immer eine ganz zentrale Forderung gewesen, dass wir auf der Bundesebene das alte Fürsorgeprinzip der Eingliederungshilfe überwinden und auf ein UNbehindertenrechtskonformes, modernes und auf Selbstbestimmung zielendes Bundesteilhabegesetz drängen. Es hat gedauert, aber es ist sehr gut, dass die Bundesregierung nun ein solches Bundesteilhabegesetz auf den Weg bringt.
Es ist aber so, dass ein solcher Paradigmenwechsel natürlich viele Fragen und auch Kritik auslöst, auch von betroffenen Verbänden, von Sozialverbänden. Herr Schreiner hat auf die 107-seitige Stellungnahme des Deutschen Bundesrates verwiesen.
Umso wichtiger ist es, dass wir uns auch hier im rheinlandpfälzischen Landtag dazu positionieren, da uns Inklusion am Herzen liegt, da wir vielleicht auch ein Stück weit näher daran sind, welche Anforderungen wir an ein solches Gesetz stellen.
Für uns ist ganz klar, dass das Bundesteilhabegesetz an den Möglichkeiten der Teilhabe und Selbstbestimmung in der individuell gewählten Umgebung von Wohnen, Arbeiten und Freizeit sowie dem Recht auf Beteiligung der betroffenen Menschen auszurichten ist.
Dazu ist ganz wichtig, dass die Verwirklichung des Wunschund Wahlrechts der Betroffenen gerade auch bei Assistenzleistungen, aber auch beim Thema selbstbestimmtes Wohnen oder beim Thema Arbeitsmarkt, also das Erfolgsmodell, das Rheinland-Pfalz-Budget für Arbeit, entsprechend weiterentwickelt wird.
Da es heute in vielen Konstellationen noch so ist, dass ein Mensch mit Behinderungen, der in einer Werkstätte arbeitet, im Prinzip, wenn er auf den ersten Arbeitsmarkt kommen will, möglicherweise sogar Nachteile in der eigenen oft materiellen Situation erleidet, sollen solche Fehlanreize mit zurückgedrängt werden.
Uns ist ganz entscheidend wichtig: Es ist gut, dass es eine neue, moderne Definition von Leistungsberechtigten gibt. – Es gibt aber gleichzeitig teilweise nachvollziehbare Ängste der Betroffenen, dass – vielleicht sogar ungewollt – der Kreis der potenziell Leistungsberechtigten damit eingeschränkt wird. Ich denke, wir sollten bei einer Weiterentwicklung in Richtung Inklusion nicht das Signal aussenden, dass der Kreis der Anspruchsberechtigten in Zukunft eingeschränkt werden könne.
Zur Frage der Anrechnung von Einkommen und Vermögen: Wenn wir Inklusion ernst meinen, muss es unabhängig
vom Einkommen und der Vermögenssituation der jeweiligen Person, in diesem Fall der Person mit Behinderungen, möglich sein, Teilhabe zu organisieren.
Dann heißt es immer, wenn doch jetzt ein Millionär eine Behinderung hat, kann er seine Assistenzleistungen selbst bezahlen. Ich sage: Solange der Millionär, der nicht behindert ist, sich für dieses Geld eine Karibikkreuzfahrt organisieren kann,
ist es nicht zu rechtfertigen, warum dort das Einkommen und Vermögen herangezogen wird. Nein, Menschen sollen Steuern auf ihre Einkommen bezahlen, damit Nachteilsausgleiche für behinderte Menschen von der Gesellschaft und der Politik mitfinanziert werden können.
Ein ganz wesentlicher Punkt ist auch bei der Frage des Wunsch- und Wahlrechts, dass der Bedarf über die betroffenen Menschen bestimmt wird und es nicht vor Ort nach Angebots- und Kassenlage zuvorderst mit entschieden werden kann, weil wir dann gerade die Entwicklung zu einer inklusiven Gesellschaft nicht schaffen, weil man dann sagen kann, die Assistenzleistung, die du haben willst, ist schön und gut, aber wir haben gerade kein Angebot, und wir haben auch gar kein Geld, es vor Ort irgendwie zu finanzieren.
Wenn wir wirklich mit dem Bundesteilhabegesetz eine inklusive Gesellschaft gestalten wollen, muss sich das Angebot nach dem Bedarf der Betroffenen richten. Deswegen – auch deswegen – ist das individuelle Wunsch- und Wahlrecht so wichtig.
Herr Schreiner, Sie haben viel Richtiges gesagt. Wir sind uns in ganz vielen Punkten sehr einig. Das wird auch in Ihrem Antrag deutlich. Hätten Sie ihn nicht erst heute um 15:23 Uhr eingebracht, nachdem unser Antrag eine Woche vorgelegen hat,
hätten wir, glaube ich, ein breites Signal aller demokratischen Fraktionen gemeinsam für ein modernes Bundesteilhabegesetz aussenden können.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin den drei Fraktionen der SPD, der FDP und auch des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für diesen Entschließungsantrag sehr dankbar; denn er hilft uns doch dabei, die augenblicklich auch in der Öffentlichkeit sehr emotional geführte Debatte um dieses Gesetz zu versachlichen, und er benennt auch klar und deutlich die positiven Folgen dieses Gesetzes.
Ich möchte nur stichwortartig, wirklich stichwortartig, einige nennen. Das Rehabilitationsrecht im ersten Teil des Neunten Buches Sozialgesetzbuch wird deutlich verbessert. Das Budget für Arbeit wird rechtlich abgesichert. Es wird eine unabhängige Teilhabeberatung geben. Es gibt Verbesserungen im Schwerbehindertenrecht. In den Werkstätten für behinderte Menschen wird es eine Frauenbeauftragte geben, und die Teilhabeplanung wird Standard bei allen Rehabilitationsträgern. Das sind wirklich nur einige wenige Beispiele, was sich durch das Bundesteilhabegesetz alles konkret verändern und verbessern wird.
Dies haben wirklich praktisch alle, die heute zum Gesetz in dieser Debatte gesprochen haben, auch betont. Alle haben deutlich gemacht, dass dieses Gesetz die Rechte der Menschen mit Behinderung auf Teilhabe und Selbstbestimmung durchsetzen soll.
Obwohl es diese von mir genannten und noch weitere Verbesserungen gibt, wird das Gesetz dennoch von vielen Behindertenverbänden kritisiert. Ein Teil der Kritik bezieht sich beispielsweise auf den leistungsberechtigten Personenkreis. Die neue Regelung im Bundesteilhabegesetz orientiert sich an der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit, kurz, an der ICF.
Dies war und ist eine zentrale Forderung der Behindertenbewegung. Aber auch ich bin nicht mit der vorgeschlagenen Lösung im Gesetzentwurf zufrieden; denn die Regelung „fünf aus neun Lebensbereichen“ wirkt auf den ersten Blick willkürlich, weil es keine empirisch gesicherten Daten gibt, ob mit dieser Definition tatsächlich alle Menschen erfasst werden, die auch heute Eingliederungshilfe erhalten.
Auf dieses Manko haben alle Länder gleich nach dem Bekanntwerden des Arbeitsentwurfs im Dezember 2015 hingewiesen. Wir haben auch einen Vorschlag gemacht. Wir wollen die Zeit zwischen der Verabschiedung des Gesetzes und dem Inkrafttreten – das Inkrafttreten ist am 1. Januar 2020 – nutzen, um diese Daten zu erheben. Es bleiben also drei Jahre, um zu guten und hoffentlich einvernehmlichen Erkenntnissen zu kommen. Wir sollten diese Zeit sinnvoll dafür nutzen.
Die Beratungen des Bundestages haben zeitgleich mit den Beratungen im Bundesrat begonnen. Sie wissen – es wurde auch schon gesagt –, die Länder haben circa 100 Änderungsanträge gestellt. Wir wollen damit erreichen, dass dieses Gesetz noch besser wird.
Daher haben wir konkrete Vorschläge gemacht, wie die Leistungen der Pflegeversicherung, die Leistungen der Eingliederungshilfe und die Hilfe zur Pflege besser vonein
Ich will, dass es hier eine klare und einfache Regelung gibt, die im Verwaltungsvollzug zu keinen langwierigen Diskussionen mit Widerspruch und gerichtlichen Entscheidungen führt, sondern sicherstellt, dass Menschen, die Eingliederungshilfe benötigen, diese auch erhalten.
Eine, wie von einigen Behindertenverbänden behauptete, Abschiebung von Menschen mit Behinderungen in die Pflege ist nicht gewollt. Diese werden wir auch verhindern.
Rheinland-Pfalz hat im Bundesrat erfolgreich den Antrag gestellt, den inklusiven Leistungen einen Vorrang einzuräumen. Für mich ist klar, die Eingliederungshilfe soll Menschen mit Behinderungen befähigen, ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Das ist auch das Ziel dieses Gesetzes, und das werden wir erreichen. Daran werden wir in den nächsten drei Monaten gemeinsam mit den Koalitionsparteien und dem Deutschen Bundestag arbeiten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, gleichzeitig werde ich in den nächsten drei Monaten auch bei den Menschen mit Behinderung und in den Verbänden darum werben, dieses Gesetz als Chance zu begreifen; denn die Teilhabe beginnt erst mit diesem Gesetz. Nicht alles kann in einem Schritt erreicht werden. Doch diesen ersten Schritt müssen wir machen, damit ein zweiter und ein dritter folgen können.
Wir werden mit diesem Gesetz noch nicht die inklusive Gesellschaft schaffen. Dieses Gesetz gibt uns aber Instrumente an die Hand, um die nächsten Schritte leichter zu gehen. Damit wir sie nutzen können, brauchen wir dieses Gesetz.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Ich gehe davon aus, dass direkt die Abstimmung und keine Ausschussüberweisung gewünscht ist.
Wir stimmen zunächst über den Antrag ab. Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/1144 – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist mit den Stimmen von SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU bei Stimmenthaltung der AfD angenommen.
Wir stimmen dann über den Alternativantrag ab. Wer dem Antrag der CDU – Drucksache 17/1206 – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist mit den Stimmen der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU bei Enthaltung der AfD abgelehnt.
Sicherung der Notarztversorgung in Rheinland-Pfalz Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/1130 –