Protocol of the Session on November 12, 2020

Ich bin dankbar, dass Frau Kollegin Demuth es aufgezeigt hat. Natürlich ist die eine Komponente die Frage der Strafverfolgung. Als Innenpolitikerin stehe ich oft hier vorne und spreche darüber, was wir tun können. Umso wichtiger ist, über das zu sprechen, was wir präventiv machen können. Es ist wichtig zu wissen, was wir präventiv machen können, damit solche Vorurteile nicht entstehen, und was wir machen können, um Betroffene zu unterstützen, abseits von der Strafverfolgung, die selbstverständlich auch wichtig ist. Deswegen war ich dankbar, dass das in der Debatte eine Rolle gespielt hat.

Eines hat die Debatte ganz klar gezeigt – deshalb habe ich mich noch einmal gemeldet –: Wenn wir wirklich solche Vorurteile und solchen Hass angehen wollen, dann müssen wir verstehen, wie sie entstehen. Es war bezeichnend, dass der Vertreter der AfD nicht wusste, was der Begriff „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ bedeutet. Das ist in der Forschung der Forschungsansatz und der feststehende Begriff, der uns sagt, wie Hass entsteht, wie Extremismus entsteht, wie Demokratiefeindlichkeit entsteht.

Es ist die Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, die mit pauschalen Vorurteilen im Kopf beginnt und tatsächlich dann zu einer demokratiefeindlichen und gewalttätigen Einstellung wird. Es ist klar, dass Sie das nicht verstehen wollen. Es ist auch klar, dass Sie diese Prävention nicht wollen, weil Sie mit solchen pauschalen Vorurteilen arbeiten.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Sie sind eine Verschwörungstheoretikerin!)

Das ist der Nährboden, auf dem rechtsextreme Ideologien entstehen. Dann ist es selbstverständlich, dass Sie sich in dem Bereich der präventiven Ansätze nicht auskennen. Die AfD möchte nicht, dass wir uns darum bemühen, dass Vorurteile abgebaut werden.

Sie haben gesagt, das Strafrecht sei ausreichend. Nein, es ist eben nicht ausreichend. Sie haben ein Wertefundament eingefordert. Ich glaube, die Redebeiträge haben sehr klar gezeigt, wir haben ein Wertefundament.

(Glocke des Präsidenten)

Das ist unser Grundgesetz: Die Würde des Menschen ist unantastbar. – Es fordert uns als Staat auf zu handeln, nicht nur bei der Strafverfolgung, sondern auch bei der Prävention.

(Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Deswegen ist dieser Landesaktionsplan ein wichtiger Schritt. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Wir kämpfen dafür, dass wir mit Prävention dahin gehend arbeiten.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei SPD und FDP)

Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Dr. Böhme.

Verehrtes Präsidium, meine Damen und Herren! Mit der Parole „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ zogen die französischen Revolutionäre in den Kampf gegen den Absolutismus. Die Idee der Demokratie war geboren. Diesen Weg meint nun Ministerin Spiegel im Namen der Landesregierung mit dem Begriff der Gleichwertigkeit von Menschen fortzusetzen, wobei der Begriff der Gleichheit den Menschen eine aktive Rolle zuschreibt – er kann zum Beispiel gleiche Rechte einfordern –, während der Begriff der Gleichwertigkeit wohl eher eine passive Rolle definiert, in der Menschen Gegenstand einer Bewertung sind. Genau das ist aber doch der Grundgedanke des Rassismus.

Besser und wertungsfreier beschrieben wird ein Mensch wohl durch seine Identität, welche sich durch eine gruppenbezogene Erfahrungswelt und individuelle Erfahrungen prägt. Identität kennt der Landesaktionsplan aber nur im Hinblick auf Sexualität. Ansonsten meidet man diesen Begriff lieber und spricht von Menschengruppen oder Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.

Letztlich reden wir aber über Konflikte zwischen Menschen und Menschengruppen, welche ihre Identität unterschiedlich definieren. Kann man also wirklich erwarten, dass Unterschiede in Wert- und Weltvorstellungen mit dem Begriff der Gleichwertigkeit überdeckt werden können?

Reden sollten wir daher über die Unterschiede und unterschiedlichen Erwartungen von Gruppen und Identitäten und über die Bedingungen, diese in einen gesellschaftlichen Ausgleich zu bringen. Dieser Aspekt fehlt jedoch im Landesaktionsplan vollständig.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Für die CDU-Fraktion spricht die Abgeordnete Demuth.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich mag mich noch einmal mit dem Argument der AfD hier heute Morgen

auseinandersetzen, dass dieses Problem in den Familien gelöst werden muss. Sicherlich, meine Damen und Herren, sind wir uns hier alle einig, dass die Familien eine ganz wichtige Keimzelle unserer Gesellschaft sind und die Familien maßgeblich zur Meinungsbildung und Erziehung beitragen.

Leider ist es aber nun einmal so, dass in verschiedenen soziologischen Gruppen und gesellschaftlichen Schichten kontinuierlich Propaganda eingestreut, Hass und Hetze gesät wird.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Welche Gruppen meinen Sie denn?)

Das ist nicht nur im Netz so, das ist auch in der Politik so, wenn wir die Äußerungen von Ihren Kollegen im Bundestag betrachten, Ihren Pressesprechern und wer sich sonst noch alles rassistisch und menschenfeindlich äußert.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Unparlamentarisch! Peinlicher Auftritt!)

Dann ist ganz klar, allein die Prävention in den Familien ist nicht ausreichend; denn diese Argumente fallen leider bei – Gott sei Dank nur – wenigen Menschen, aber leider bei einigen Menschen auf fruchtbaren Boden.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Es ist wichtig, dass wir als gesamte Gesellschaft zu jeder Zeit auf allen Ebenen dagegen sprechen und nicht nur in den Familien.

(Beifall der CDU, vereinzelt bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich war in den vergangenen Monaten viel an Schulen zu Gast und habe mich mit Schulleiterinnen und Schulleitern unterhalten. Natürlich haben wir auch über die politische Bildung und den Sozialkundeunterricht gesprochen. Eine der Schulleiterinnen – aber ich habe mit allen darüber gesprochen – hatte Sozialkundekurse und war auch Sozialkundelehrerin. Sie sagte mir, Frau Demuth, Sie glauben gar nicht, wie viele Kinder im Unterricht offensichtlich die rechten Meinungen, die sie zu Hause hören, wiederholen.

Deswegen ist es extrem wichtig, dass sich diese nicht unter den Schülerinnen und Schülern ausbreiten und wir auf allen Ebenen – ich sagte es bereits – dafür sorgen, dass Dialog und offene, tolerante Kommunikation stattfinden. Deshalb ist neben den harten strafrechtlichen Maßnahmen, die ich bereits ansprach, dieser weiche kontinuierliche Dialog, diese Identitätsbildung als offene, freie und tolerante Gesellschaft, die diese Äußerungen nicht duldet und ihnen auf allen Ebenen entgegnet, wichtig.

Deshalb ist dieser Landesaktionsplan berechtigt. Es ist wunderbar, dass Frau Spiegel den heute Morgen hier vorgestellt hat.

(Beifall der CDU, bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Rauschkolb.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Böhme, wir sind hier in keinem Uniseminar. Ich weiß gar nicht, ob Sie sich den Entwurf des Landesaktionsplans einmal durchgelesen haben.

Es gibt einen Aktionsplan, der erklärt, warum das so ist. Ich finde, das, was Sie gesagt haben, negiert alle Menschen und ist ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die sich an diese Antidiskriminierungsstelle wenden, die Probleme haben, weil sich Dinge – das hat die Kollegin Demuth auch gesagt – nicht nur mit Worten abspielen, sondern auch mit Taten.

Das, was Sie negieren, es sei gar nicht so, und alles verdrehen, was wir gesagt haben, ist ein Schlag ins Gesicht von allen betroffenen Menschen hier in Rheinland-Pfalz, die diskriminiert werden.

(Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Das können wir so, wie alle anderen, einfach nicht hinnehmen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der FDP)

Sie sind eher die Fraktion, von der ich weiß, dass es das auch gibt: Ach, hab dich nicht so. War doch nur ein Spruch. Ist doch bestimmt nicht so gemeint gewesen.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Woher wissen Sie das? – Abg. Joachim Paul, AfD: Das ist wirklich absurd! – Abg. Michael Frisch, AfD: Was reden Sie da?)

Aber es gibt diese Dinge, die den Menschen widerfahren und die sich an die Beratungsstellen, an die Beauftragten, die wir hier haben, wenden; denn sie haben ernste Probleme.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Herr Frisch, ich frage mich, was Sie und Ihr Kollege reden,

(Glocke des Präsidenten)

wenn wir nämlich negieren, was es für Probleme gibt.

Es ist auch lächerlich, Herr Dr. Böhme, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, wir sind auch gegen Rassismus, Rassismus im Netz muss aufhören. Ja, dann frage ich mich, ob

immer die Tastatur ausrutscht oder das jemand anders ist, der immer etwas schreibt im Internet.

(Beifall der SPD, bei CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Martin Haller, SPD: So ist das!)

Sie stellen sich hier so hin, als ob das alles Probleme von anderen wären und Sie das gar nicht befeuern. Woher kommen denn diese Kleinen Anfragen zu dem Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund?