Protocol of the Session on October 7, 2020

Der Sonntagsschutz ist in unserer Verfassung seit der Weimarer Republik erkämpft durch Kirchen und Sozialdemokratie und konsequenterweise durch Kirchen und Sozialdemokratie auch im Grundgesetz in Artikel 140 noch heute geregelt.

Der Sonntagsschutz ist somit Teil unserer christlichen Tradition,

(Abg. Martin Haller, SPD: Sehr gut! – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: So sieht es aus!)

die gerne von Ihnen immer wieder hochgelobt wird, aber der hier in der Praxis überhaupt nicht gerecht geworden ist.

(Beifall der SPD und des Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Martin Haller, SPD: So ist das!)

Juristisch werden immer wieder unser Gesetz und auch andere Gesetze bestätigt. Die Aufweichung wie der Wegfall der Bedingung der Anlassabhängigkeit wurde immer wieder juristisch abschlägig beschieden.

Wirtschaftliches Leben, so das Bundesverfassungsgericht, ist wichtig für das Gemeinwesen, aber durch den globalen Wandel nimmt es so viel Raum ein, dass das Bundesverfassungsgericht sagt, dass andere Lebensbereiche vor dem immer größeren Anteil geschützt werden müssen. Es dient der Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft, Lebensräume zu sichern, die der Demokratie, der Begegnung und den anderen Logiken als denen des Konsums und der Wirtschaft einen Freiraum geben, so das Bundesverfassungsgericht.

Dann bleibt die große Perspektive des Handels. Der Handel steht unter großem Druck in einem evolutionären Wandel. Onlinehandel ist lange auf dem Vormarsch. Allein im Jahr 2020 gab es laut Prognose des Handelsverbands Deutschland (HDE) ein Plus von 15 % gegenüber dem Jahr 2019. Der stationäre Handel ist aber gegenüber dem Vorjahr stabil. Im Jahr 2020 stehen laut HDE 484 Milliarden Euro Umsatz im stationären Handel 68 Milliarden Euro im Onlinehandel gegenüber.

Die Pandemie und ihre temporären Einschränkungen haben dem Onlinehandel zweifelsfrei einen Schub gegeben und gleichzeitig den Mitarbeitenden im Lebensmittelhandel größte Belastungen bereitet. Insbesondere die Händler sind stark, die sich parallel online wie stationär aufstellen.

Fazit: Der Arbeitsschutz, der Schutz der Sonntagsruhe und Familie, evolutionärer Wandel des Handels, Existenzsicherung und belebte Innenstädte, unattraktive Arbeits- und Lohnbedingungen, das sind große Herausforderungen für Händlerinnen und Händler, Politik, Gesellschaft, Kirchen, Gewerkschaften, über 3 Millionen Arbeitnehmende und kleine inhabergeführte Läden.

(Glocke der Präsidentin)

Das Ladenöffnungsgesetz ist genau Ausdruck dieses gesellschaftlichen Konsenses, das abzubilden, was ich an Herausforderungen dargestellt habe und die Anhörung dankenswerter Weise darstellen konnte.

Dieses Gesetz zu leben, ist unsere Voraussetzung dafür, diesen gesellschaftlichen Konsens nicht, wie Sie es vorschlagen, einseitig aufzukündigen, sondern ihn auszufüllen, die vier Sonntage zu leben und pragmatisch zu füllen und gleichzeitig

(Glocke der Präsidentin)

den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Perspektive zu bieten, die weit über das hinausgeht, was Sie hier populistisch an den Tag legen.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Die ersten beiden Reihen der CDU sind schon bei der Beichte! – Abg. Michael Frisch, AfD: Das setzt aber einen guten Vorsatz voraus! – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Es ist nur noch eine Frau da! Das passt zur Landesliste! – Heiterkeit und Zuruf des Abg. Martin Haller, SPD: Nein, es sind zwei!)

Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Dr. Böhme.

Wertes Präsidium, meine Damen und Herren! Mit dem Entwurf des Landesgesetzes zur Änderung des Ladenöffnungsgesetzes Rheinland-Pfalz hat sich die CDU-Fraktion auf heiß umstrittenes Terrain gewagt. Ladenöffnungszeiten wie auch Arbeitszeitregelungen und Arbeitnehmerschutz sind sehr sensible Politikfelder in unserem Land. Entsprechende Änderungen bedürfen eines breiten gesellschaftlichen Konsenses.

Dieser war in der Anhörung zum Gesetzentwurf aber nicht darstellbar. Die tiefe Kluft zwischen der Gewerkschaft ver.di und den Kirchen auf der einen Seite und den Vertretern von Städtetag, Handelsverband und IHK auf der anderen Seite war deutlich wahrnehmbar. Es herrschte offensichtliches Misstrauen, und es fehlte an einer gemeinsamen Basis, welche im Vorfeld der Einbringung des Gesetzentwurfs hätte geschaffen werden müssen. Somit ist die absehbare Ablehnung des Gesetzentwurfs im Parlament auch folgerichtig.

Letztlich kann man konstatieren, dass die CDU-Fraktion

mit ihrem Entwurf über das Ziel hinausgeschossen ist und in ihren Intentionen nicht eindeutig war. Es geht dabei offensichtlich eben nicht nur um die Unterstützung Not leidender Geschäfte und Unternehmer des stationären Einzelhandels in der durch die CDU-geführte Bundesregierung erzeugten Lockdown-Krise, sondern auch um die generelle Frage der Anlassabhängigkeit von verkaufsoffenen Sonntagen, welche für zwei Sonntage im Jahr generell gestrichen werden soll.

Das bleibt aber nach den bisherigen Entscheidungen von Verwaltungsgerichten auf Bundes- und Länderebene rechtlich fragwürdig, und auch wenn der Gesetzentwurf das nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für Arbeit an Sonn- und Feiertagen geltende Regel-AusnahmeVerhältnis nicht per se infrage stellt – es geht ja um zwei Sonntage im Jahr –, so bleibt doch die Frage nach der rechtlichen Definition der Ausnahmen, welche das Bundesverwaltungsgericht an Anlässe und die Landesverfassung in Rheinland-Pfalz an das Gemeinwohl geknüpft hat.

Hierbei geht die CDU-Fraktion in ihrer Begründung des Gesetzentwurfs sehr weit; denn ein Interesse an der Stärkung des Präsenzhandels und der Erhaltung von attraktiven Innenstädten und Kommunen besteht grundsätzlich und nicht nur in COVID-19-Grippezeiten. Zudem ist das Virus bei Weitem nicht der einzige Grund für den Strukturwandel im Einzelhandel. Somit werden mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die relativ hohen Anforderungen an eine Anlassbezogenheit im bisherigen Sinn deutlich abgesenkt.

Eine derart grundlegende Änderung würde mit Sicherheit eine rechtliche Überprüfung nach sich ziehen, sodass eben keine Rechtssicherheit für Städte und Kommunen geschaffen würde. Damit würde der Zweck der gesetzlichen Regelung konterkariert. Zudem waren CDU-Fraktion, IHK und Verbände in der Anhörung und folgenden Aussprache nicht in der Lage aufzuzeigen, dass geöffnete Geschäfte an Sonntagen auch außerhalb bestehender Anlässe tatsächlich zu mehr Umsatz und nicht nur zu einer zeitlichen Verlagerung des Einkaufs oder gar zur Steigerung der Kosten für die Einzelhändler führen. Mehr Marktforschung wäre daher nötig.

Ob man den wachsenden Onlinehandel aber tatsächlich in die Schranken weisen kann, ist fraglich, zumal der überzogene Lockdown hier wie ein Brandbeschleuniger gewirkt hat. Es besteht überdies die Gefahr, dass eine Sonntagsöffnung zu weiteren Verwerfungen führt; denn ob private Einzelhändler sich die Sonntagsöffnung überhaupt leisten können oder wollen und am Ende wiederum Ladenketten auf dem Rücken der Arbeitnehmer weitere Umsätze machen, blieb ebenfalls offen.

(Beifall der AfD)

Der Gesetzentwurf der CDU-Fraktion suggeriert somit rechtliche Sicherheit und wirtschaftliche Lösungen, welche es naheliegend gar nicht gibt. Die bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen im Ladenöffnungsgesetz sind völlig ausreichend, um auf kommunalpolitischer Ebene in Abstimmung mit den Bürgern, Unternehmern und Verbänden

Möglichkeiten für Einkaufserlebnisse und die Stärkung des regionalen Einzelhandels zu schaffen. Kommunen können Anlässe schaffen, für ihren lokalen Handel werben oder regionsbasierten Onlinehandel unterstützen.

Ganz ehrlich, liebe Kollegen von der CDU-Fraktion, Sie spielen mit diesem Gesetzentwurf den liberalen Retter vor der selbst erzeugten Not. Die Folgen des chaotischen CoronaManagements Ihrer Bundesregierung werden Sie damit aber nicht mildern. Die deutsche Wirtschaft ist von Frau Merkel und Herrn Spahn wie das Kind mit dem Bade ausgeschüttet worden.

(Beifall bei der AfD)

Der Niedergang des deutschen Wohlstands und der Verlust an gesellschaftlichem Vermögen wurde damit enorm beschleunigt. Lernen will die CDU aus den Vorgängen aber nicht. Mit dem vorgeblich ökologischen und CO2-neutralen Umbau unserer Wirtschaft und Gesellschaft wird gerade die nächste Wanne gefüllt. Wir werden sehen, wie viele Firmen und Arbeitsplätze dann noch baden gehen. Ich bin mir sicher, dass künftige Generationen das heutige Kapitel der deutschen Geschichte sehr kritisch bewerten werden.

Wir lehnen Ihren Gesetzentwurf ab.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD – Abg. Michael Frisch, AfD: Sehr gut!)

Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Steven Wink.

Verehrte Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ja, der stationäre Handel steht vor einer großen Herausforderung. In den Zeiten des Lockdowns kamen große Herausforderungen hinzu – geschlossene Läden, leere Fußgängerzonen –, und ja, das jahrelang bestehende Problem des Onlinehandels hat sich insoweit verstärkt, dass viele Menschen durch den Lockdown zum Onlinehandel hingezogen wurden und der stationäre Handel vor der Herausforderung steht, diese Menschen mit einem Einkaufserlebnis zurückzugewinnen.

Ich möchte aber einen Punkt nennen, der in der öffentlichen Diskussion immer wieder durcheinanderkommt, und ich habe dies auch im Ausschuss schon erwähnt.

Wir haben zum einen den Einzelhandel vor große Herausforderungen gestellt: das permanente Tragen des MundNasen-Schutzes, das Aushalten von Pöbeleien von Menschen, die in nicht haushaltsüblichen Mengen einkaufen wollen, viele Stunden für die Menschen da zu sein während der Pandemiezeit. – Das waren die Leistungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Einzelhandel, und dafür darf ich an dieser Stelle für die FDP-Fraktion auch

einmal einen großen Dank aussprechen.

(Beifall der FDP und bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, für diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer darf es natürlich keine weiteren und zusätzlichen extrem schweren Belastungen geben, dem stimmen wir zu.

Auf der anderen Seite haben wir den stationären Handel: das kleine Lädchen, das Spielsachen, Kleidung und Schuhe verkauft, in der Fußgängerzone ansässig ist und das Probleme hatte durch die Geschäftsschließungen, Existenzängste für Unternehmerinnen und Unternehmer oder auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in diesen Läden arbeiten. Dafür brauchen wir Ideen. Deshalb haben wir doch die Diskussion in dieser Anhörung gesucht.

Alle beteiligten Player, alle beteiligten Verbände, Kirchen und Gewerkschaften konnten dort ihre Argumente vortragen: die Kirche den Sonntagsschutz, die Gewerkschaft den Schutz der Arbeitnehmerschaft, die Kammern die Wirtschaft, und auch das Thema der Rechtssicherheit wurde dort angesprochen.

Herr Kollege Dr. Martin, Sie haben jetzt gezielt auf die FDP geschaut und versucht, die Ampel ein bisschen auseinanderzudividieren. Aber dazu kann ich Ihnen sagen, wir sehen gar kein Problem darin, dass die Diskussion ein bisschen anders ist, weil die Ampel nämlich transparent, ehrlich und demokratisch miteinander kommuniziert.

(Abg. Martin Haller, SPD: So ist es! – Heiterkeit bei der AfD)

Deshalb finden wir in vielen Themen auch zu guten Lösungen.

Das Thema der Rechtssicherheit wurde auch beleuchtet. Ich darf Ihnen sagen, dieses Hauruck-Verfahren mit Ihrem Antrag, einen Antrag zu stellen, der die Verfassung zumindest einmal in den Fokus ruft, und dann im Nachgang von den Beteiligten eine Zustimmung zu erwarten und diese dann zu kritisieren – was Sie heute auch getan haben –, weil sie es nicht getan haben, dieser Weg führt eben nicht zu Kompromissen, so wie wir uns das gewünscht hätten.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In NRW wurde das ganz schnell klar. Die Gewerkschaften klagten dort gegen ein geplantes Ladenöffnungsgesetz, und das, obwohl sich die Kirchen in Teilen dort anders ausgesprochen haben als in Rheinland-Pfalz. Genau solche Probleme gilt es, in Rheinland-Pfalz zu vermeiden, indem man sich vorab gemeinsam mit allen beteiligten Partnern an einen Tisch setzt und eine Kompromisslösung erarbeitet. Hierin ist sich die Ampelkoalition einig.

Ich möchte noch betonen, dass das jetzige Ladenöffnungsgesetz auch liberale Möglichkeiten findet, um den Handel zu stärken. Unternehmerinnen und Unternehmer brauchen