Protocol of the Session on June 24, 2020

Wir können die Schüler aus der Natur der Sache heraus gar nicht über den Umfang von Hausaufgaben abstimmen lassen, da es dann zu einer Nivellierung kommt, weil man den bequemsten Weg geht. Ihre Ansicht von der Schule ist weltfremd und lebensfern.

(Beifall der AfD)

Zur Erwiderung erteile ich dem Abgeordneten Köbler noch einmal das Wort.

Herr Paul, die mangelnde Lesekompetenz, die Sie immer wieder beklagen, muss ich leider auch bei Ihnen feststellen, denn im Gesetz steht nicht, dass die Schülerinnen und Schüler darüber mitbestimmen, welche Hausaufgaben gemacht werden,

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Das haben Sie doch gerade eben gesagt!)

sondern im Gesetz ist ein Beteiligungskatalog bzw. ein Mitbestimmungskatalog enthalten, in dem unter anderem steht: „Grundsätze über den Umfang (...) von Hausaufgaben (...).“ Da steht übrigens auch: Grundsätze über die Unterrichtszeit und die Unterrichtsdauer.

Aber es ist absolut klar, dass ich in dem Moment, in dem ich beispielsweise über die Unterrichtsdauer an einer Ganztagsschule diskutiere, dies nicht losgelöst von Grundsätzen zum Umfang der Hausaufgaben machen kann.

Ich nenne Ihnen noch ein Gegenbeispiel: Es kann durchaus sein, dass die Lehrkraft sagt: „Die Kinder sollen nicht so viele Hausaufgaben machen, ich kann das alles in meinem Unterricht unterbringen.“ Dann kommen die Schülerinnen und Schüler und sagen: „Das ist uns aber zu viel in einer Dreiviertelstunde, wir möchten das alles lieber entzerrt haben und dies stärker zu Hause repetieren.“

Das ist alles schon vorgekommen, dass die Schülerinnen und Schüler gesagt haben, wir wollen lieber mehr Hausaufgaben haben und dafür mehr Zeit im Unterricht darauf verwenden, das Ganze miteinander zu diskutieren und erklärt zu bekommen.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Die sollen doch gerade zu Hause arbeiten! – Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Auch das ist ein pädagogischer Mehrwert, wenn Lehrkräfte ihren Unterricht aufgrund der Rückmeldungen der Schülerinnen und Schüler weiterentwickeln und adaptieren. Natürlich kann es immer zu Aushandlungsprozessen kommen, aber demokratische Beteiligung macht gerade aus, dass aus vielen verschiedenen Perspektiven miteinander verhandelt wird.

Das ist genau das, was unsere Demokratie ausmacht. Aber ich weiß, dass Sie von der AfD davon nicht so viel verstehen.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Ach nein! Wer war denn jahrelang in der Schule?)

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Ich erteile der fraktionslosen Abgeordneten Helga Lerch das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der uns vorliegende Entwurf des Schulgesetzes setzt Schwerpunkte in Bereichen, die ich unterstützen kann. Dies habe ich bereits in meinem Redebeitrag in der ersten Lesung zum Ausdruck gebracht und möchte ich hier nicht wiederholen.

Allerdings hat es zwischenzeitlich eine Anhörung mit Expertinnen und Experten gegeben, die alle den demokratischen Ansatz des Gesetzentwurfs begrüßen, aber auch kritisieren, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen kostenneutral sein sollen.

Angesichts der zeitlichen und inhaltlichen Herausforderung wurde die Forderung nach Entlastung der Lehrkräfte und Schulleitungen sehr deutlich formuliert. Der Zeitfaktor, nämlich die Frage, wann die entsprechenden Partizipationsmöglichkeiten vorbereitet werden sollen, wurde immer

wieder thematisiert.

Zeitliche Ressourcen sind im Stundenplan nicht vorgesehen. Ohne einen Mehraufwand an Zeit ist der Anspruch auf die ausgeweiteten Formen der Mitwirkung und Mitbestimmung nicht möglich. Dies gilt umso mehr für die Primarstufe, für die diese Regelungen neu sind.

Die in § 33 Abs. 4 aufgeführten Maßnahmen, die der Zustimmung unterliegen, bedürfen einer intensiven inhaltlichen Vorbereitung in dieser Altersstufe. Dafür benötigen die Schülerinnen und Schüler Zeit und Anleitung durch Klassenleiterinnen und -leiter oder Verbindungslehrerinnen und -lehrer. Ich sage ganz deutlich: Diese Zeit darf nicht zulasten des verbindlichen Unterrichts gehen.

Das erleben wir aber in den weiterführenden Schulen seit Jahren. Die Schülerinnen und Schüler bitten beispielsweise ihre Lehrkraft um 15 Minuten, aus denen dann immer mehr werden, um ein Meinungsbild in der Klasse einzuholen oder über die Klassensprecherkonferenz zu berichten. Sie betteln quasi um Zeit.

(Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD: So ist es, ja! Die Frau hat Ahnung!)

Dennoch fordere ich nur für die Primarstufe – weil es dort ohne Zeit überhaupt nicht geht und die Heterogenität am größten ist – für jede Klasse eine Verfügungsstunde pro Monat, die auf das Deputat der Lehrkraft angerechnet werden muss. Natürlich kann man die Ferien ausklammern, sodass es etwas weniger wird.

Demokratiebildung, meine Damen und Herren, läuft nicht „on top“ irgendwie ab, sondern muss geregelten partizipatorischen Grundsätzen entsprechen.

Die genannte Verfügungsstunde bzw. Demokratiestunde wäre auch eine Anerkennung der engagierten Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer.

Ich bitte Sie deshalb um Zustimmung zu meinem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall der Abg. Anke Beilstein, Martin Brandl und Thomas Barth, CDU)

Für die Landesregierung spricht Staatsministerin Dr. Hubig.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin überzeugt, wir schaffen eines der modernsten Schulgesetze, das unserem heutigen Verständnis von Demokratie, Nachhaltigkeit und Digitalisierung Rechnung trägt.

Wir sehen in diesen Zeiten: Demokratie ist nicht selbstverständlich. Demokratie ist etwas, für das wir einstehen

müssen und von dem auch unsere Kinder und Jugendlichen wissen müssen, dass es sich lohnt, dass wir die Kinder und Jugendlichen hören wollen, dass sie mitsprechen dürfen, mitsprechen können und sollen.

Deshalb ist es ganz besonders wichtig, dass Kinder und Jugendliche in den Kitas und Schulen Demokratie praxisnah erlernen, damit sie später mündige Bürgerinnen und Bürger in unserer Gesellschaft werden.

Gerade haben Sie über den Begriff „Rasse“ in der Landesverfassung diskutiert. Das ist gerade schon erwähnt worden. Deshalb gebe ich an dieser Stelle den Hinweis: Wir sind diesen Schritt mit der Änderung des Schulgesetzes schon gegangen. Wir haben den Begriff „Rasse“ aus § 1 des Schulgesetzes gestrichen. Darüber bin ich sehr froh, das sage ich ganz offen.

Zur Novellierung des Schulgesetzes gab es eine Anhörung im Bildungsausschuss. Besonders beeindruckt waren wir von dem Vortrag der Landesschüler*innenvertretung. Diese war hervorragend vorbereitet, hat sehr konkret Stellung bezogen und weitere Änderungsvorschläge unterbreitet.

Das zeigt, dass unsere Schülerinnen und Schüler in Rheinland-Pfalz kritisch sind. Sie sind aber auch konstruktiv und verdeutlichen uns, was wir mit dem Schulgesetz erreichen wollen: mehr Mitsprache.

Wenn hier darüber diskutiert wird, ob Schülerinnen und Schüler über die Grundsätze der Hausaufgaben mitbestimmen und zustimmen dürfen, und dies abgelehnt wird mit der Begründung, man wisse schon, was dabei herauskommt, zeigt das ganz genau, dass insbesondere die AfDFraktion dieses Verständnis nicht hat.

Wir haben Schülerinnen und Schüler, die verantwortungsbewusst und vernünftig sind und sehr gut einschätzen und überlegen können, was sie brauchen und was sie nicht brauchen. Sie brauchen kein „Von-oben-herab“,

(Abg. Joachim Paul, AfD: Wo hat es das denn jemals gegeben?)

„Ich sage ihnen einmal, wie es läuft, und dann haben sie das zu tun“, sondern sind sie klug und vernünftig. Deshalb bin ich froh, dass wir den Katalog so geregelt haben, wie wir ihn geregelt haben.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich gehört die Digitalisierung ins Schulgesetz. Etwas, das nicht ins Schulgesetz gehört, sind Ausstattungsstandards. Ein solcher Paragraf wäre ziemlich schnell veraltet. Stattdessen setzen wir in Rheinland-Pfalz gemeinsam mit den dafür zuständigen Schulträgern darauf, dass wir eine adäquate digitale Ausstattung schaffen. Daran arbeiten wir, und wir werden mit noch mehr Hochdruck daran arbeiten.

Wir haben das Thema „Medienkompetenz“ seit 2007 verankert und die Schulen seitdem mit 26.000 Endgeräten

versorgt. Sehr viele Schulträger sind dazugekommen.

Wir werden jetzt mit dem Sofortausstattungsprogramm im Rahmen des DigitalPakts noch viel mehr Geräte anschaffen können. Mit dem DigitalPakt Schule, mit den 5 Milliarden Euro, die der Bund zur Verfügung gestellt hat, haben wir endlich die Möglichkeit, die Schulen bzw. die Schulträger so auszustatten, dass die digitalen Geräte gut funktionieren.

Ich war gestern bei Bundesbildungsministerin Karliczek und habe sie in einem Gespräch darum gebeten, dass wir beim DigitalPakt zu Vereinfachungen kommen, sodass die Schulträger die Anträge leichter sowie schneller stellen können und das Geld schneller in den Schulen verbaut und angelegt wird, damit wir bei der Digitalisierung der Schulen schnell große Schritte vorankommen.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die technische Ausstattung allein genügt nicht. Wir benötigen auch Menschen, die sich darum kümmern, dass die technische Ausstattung läuft. Deshalb bin ich froh, dass der Bund sich bereiterklärt hat, auch für die IT-Administratoren Geld zur Verfügung zu stellen – 500 Millionen Euro.

Ich sage es ganz offen: Ich habe dafür von Anfang an gekämpft. Ich habe von Anfang an mit Schulleiterinnen und Schulleitern gesprochen. Diese haben gesagt: Uns hilft die ganze Digitalisierung nichts, wenn wir nicht Leute haben, die sich um die Geräte kümmern.