Protocol of the Session on June 24, 2020

Damit ist zur Bildungspolitik in Rheinland-Pfalz eigentlich nahezu alles gesagt. Fragen wir uns, wie es zu einem solchen Niedergang kommen konnte, galten wir doch einst als große Bildungsnation. Es ist ein langer schleichender Prozess. Ständig wurden die Anforderungen gesenkt. Leistungsbereitschaft, Ausdauer und Lerndisziplin galten als nicht so wichtig. Noten sagen heute nur noch teilweise etwas über Leistungen aus. Sie verschleiern vielmehr. Kein Wunder: Lehrer, die strikt bewerten, können mit allem rechnen, nur nicht mit der Solidarität der Schulleitungen.

Der fehlende Bildungsrealismus der Landesregierung verdichtet sich in einer Begründung, warum im Jahr 2008 die Diktatpflicht abgeschafft wurde. Ich zitiere aus der Antwort auf unsere Große Anfrage zum Thema „Rechtschreibung“: „Leistungsnachweise selbst tragen weder zur Verbesserung noch zur Verschlechterung von Lernleistungen bei; sie messen diese.“ Also schafft man eben die Diktatpflicht einfach ab. Über eine Verschlechterung der Rechtschreibleistungen braucht man sich dann natürlich nicht zu wundern.

Wir benötigen in der Tat dringend eine echte Bildungswende. Leider ist die CDU für Bildungsbürger keine Alternative mehr. Die Bildungspolitik der CDU ist ein ungedeckter Scheck. Er fliegt den Bürgern um die Ohren, sobald sich die Union in einer Machtoption mit den Grünen wähnt. Wir brauchen doch nur den Blick nach Hessen zu richten, wo die schwarz-grüne Koalition im letzten Jahr sogar die Notenpflicht abgeschafft hat. Das ist ein Anschlag auf den Leistungsgedanken.

Frau Kollegin Beilstein, Sie sind eine Einzelkämpferin, eine kompetente zwar, aber auf verlorenem Posten. Im Übrigen will die CDU auch in Rheinland-Pfalz keine Bildungswende. Sie verfügt über kein eigenes Konzept, und sie setzt sich von der rot-geführten Landesregierung allenfalls in Nuancen ab. Die Aktuelle Debatte mit schmissigem Titel ist deshalb Theaterdonner kurz vor der Landtagswahl. Wenn die CDU Kritik äußerte, dann nur, weil ihrer Ansicht nach nicht ausreichend Geld ins System gepumpt wird.

Fazit: Die CDU sieht in der falschen Ausrichtung der Bildungspolitik kein Problem. Sie will einfach nur mehr Geld in die Hand nehmen. Das ist für uns von der AfD zu wenig. Wir wollen eine tatsächliche Bildungswende. Wir wollen eine Wende statt Beihilfe, Herr Brandl.

(Beifall der AfD – Zuruf der Abg. Giorgina Kazungu-Haß, SPD)

Deshalb haben wir einen realen Gegenentwurf zur linken Bildungspolitik entworfen. Die Bildungskrise ist nämlich in erster Linie eine strukturelle Krise und keine Krise fehlenden Geldes. Kurskorrekturen wie mehr Lehrer, eine bessere Unterrichtsversorgung, weniger fachfremder Unterricht, multiprofessionelle Teams, mehr Schulsozialarbeit und mehr Sprachförderung bekämpfen zwar einzelne Symptome, beheben aber die Ursachen nicht. Statt immer mehr Geld in den Reparaturbetrieb zu geben, sollten die Rahmenbedingungen an den Schulen und im gesamten Bildungssystem verbessert werden.

(Zuruf des Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU)

Deshalb führt aus unserer Sicht kein Weg an einer Strukturreform vorbei. Wir fordern ein neues dreigliedriges Schulsystem.

(Beifall der AfD – Abg. Giorgina Kazungu-Haß, SPD: Was ist daran neu?)

Dabei soll die Hauptschule nicht wieder eingeführt werden. Vielmehr geht es darum, bei der Realschule plus eine Differenzierung in eine Realschule und eine Handwerks- und Gewerbeschule (HGS), die gezielt auf den Berufsweg vorbereitet, vorzunehmen. Die HGS, die wir entworfen haben, ist die richtige Antwort auf die Bildungsmisere.

(Glocke des Präsidenten – Zurufe von der SPD)

Sie soll einen wesentlichen Beitrag zur Behebung des Facharbeitermangels leisten.

Ich komme zum Ende. Außerdem stimmen wir dem Satz von Erwin Lenz, Mitglied des LandesElternBeirats, zu, wenn er sagt, die Themen „Migration“ und „Inklusion“ seien in den Schulen überhaupt nicht zufriedenstellend gelöst. Auch da müssen wir ansetzen. Das werden nur wir konsequent machen.

Alles andere in der zweiten Runde.

(Beifall der AfD – Zuruf der Abg. Giorgina Kazungu-Haß, SPD)

Für die FDP-Fraktion spricht Abgeordnete Willius-Senzer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Brandl, ich habe gestern ein Video von Herrn Baldauf gesehen. Darin ist zu sehen, wie er an einem Stadtlauf teilnimmt. Damit will er wohl Dynamik und Ausdauer vermitteln. Ich glaube ihm sogar, dass er mehr als 3 km am Stück laufen kann. Um aber weiterzukommen, darf man nicht im Kreis laufen.

(Heiterkeit bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Genau das ist das Problem. Ich glaube, die CDU weiß gar nicht, wohin sie will, und nimmt daher immer den gleichen kreisförmigen Weg.

(Zuruf des Abg. Alexander Licht, CDU)

Zudem haben sich die CDU und Herr Baldauf noch ganz andere Talente antrainiert. Sie verstehen es sehr gut, Misstrauen zu schüren. Auch haben sie ein sicheres Händchen dafür, Menschen vor den Kopf zu stoßen. So zielsicher wie Ihr Vorsitzender in jedes rhetorische und politische Fettnäpfchen läuft, ist dafür sicher eine Menge Training nötig.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Brandl, es ist schon bemerkenswert, dass Sie heute wirklich behaupten wollen, die Landesregierung würde die Zukunft von Kindern in Gefahr bringen.

(Abg. Martin Brandl, CDU: Sind Sie jetzt als Generalsekretärin bei der SPD angestellt?)

An Ihrer Stelle würde ich ganz kleinlaut sein. Anfang Juni hat Herr Baldauf in einem Interview mit der Rhein-Zeitung den Eltern in Rheinland-Pfalz vorgeworfen, sie würden ihre Kinder „wegorganisieren“. Das klingt doch für Tausende Menschen wie blanker Hohn.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sollten froh sein, dass wir im Bereich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf so gut aufgestellt sind. Die Familien sind dankbar, dass wir kostenfreie Kitas haben, in denen sich hochprofessionell um die Kinder gekümmert wird. Das würde es mit der CDU im Land niemals geben. Die CDU redet den Menschen ein schlechtes Gewissen ein, wenn sie ihre Kinder in die hervorragende Betreuung geben. Mir wird ganz bang, wenn ich sehe, welche Vorstellungen sie für die Zukunft unserer Gesellschaft hat. Mit der ARD fange ich erst gar nicht an.

(Heiterkeit bei der AfD)

Mit der AfD fange ich erst gar nicht an.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die CDU garnierte ihren Wahlkampfstart vor einigen Wochen mit einem Auftritt der ehemaligen Familienministerin Kristina Schröder. Die CDU spannt eine konservative gescheiterte Ex-Ministerin als Zugpferd für ihre Familien- und Jugendpolitik ein.

(Beifall bei FDP und SPD)

Bemerkenswert ist doch, wie sich die CDU gesellschaftspolitisch in die Richtung bewegt und wohin Sie wollen. Wir Freien Demokraten hingegen sind der festen Überzeugung, dass die Menschen in diesem Land nicht in die 80er-Jahre zurückwollen. Rheinland-Pfalz ist modern und will mit Optimismus und Tatkraft das 21. Jahrhundert gestalten. Die CDU ist hingegen gesellschaftspolitisch nie über den Kalten Krieg hinausgekommen.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Heiterkeit im Hause)

Mir wird ganz bang, wenn ich sehe, welches Bild Sie von Lehrerinnen und Lehrern haben. Am vergangenen Samstag war in den Zeitungen des Landes zu lesen, mit wie viel Misstrauen Sie den Menschen im Bildungssystem begegnen. Zum Amtsarzt wollen Sie die Lehrerinnen und Lehrer schicken, weil Sie offenbar der Meinung sind, die Pädagoginnen und Pädagogen würden sich vor ihrer Arbeit drücken wollen. Schämen Sie sich!

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: So ist es! – Glocke des Präsidenten)

Gleichzeitig unterstellen Sie damit noch, dass die Ärztinnen und Ärzte fingierte Atteste ausstellen würden. Diese bitteren Unterstellungen nehmen die Menschen wahr. Sie sollten sich entschuldigen.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die F.A.Z ist die Zeitung, die sicher jedes anständige CDU-Mitglied im Abo hat.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Darin finden Sie ganz bemerkenswerte Sätze zum CoronaManagement in der Bildungspolitik unserer Ministerin Dr. Stefanie Hubig. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten – der Artikel ist auch noch mit einem schönen Bild versehen –: „In der gegenwärtigen Corona-Pandemie ist die rheinland-pfälzische Bildungsministerin ein Glücksfall für die KMK.“ Dem schließe ich mich gern an.

(Beifall bei FDP, SPD, und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Glocke des Präsidenten)

Offenbar findet die Vorgehensweise von Frau Dr. Hubig auch in CDU-Ländern Anklang.

(Zuruf von der CDU: Hallo! – Glocke des Präsidenten)

Herr Baldauf schrieb in einer Pressemitteilung, Sie hätten die Bewältigung der Corona-Krise mit begleitet.

Frau Willius-Senzer, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Okay, dann sage ich nur noch einen letzten Satz.

(Heiterkeit und Zurufe aus dem Hause)

Frau Willius-Senzer wird ihren letzten Satz sagen; das entscheide ich.

Ja, gut. – Darf ich den letzten Satz noch sagen?