Protocol of the Session on July 2, 2015

(Alexander Schweitzer, SPD: So ist das!)

Die Ehe ist etwas ganz Wunderbares. Sie ist aber eine große Herausforderung. Sie will ganz sorgfältig behandelt werden.

(Beifall der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU)

Die Frage, die sich stellt, ist, ob man eine Verfassungsänderung braucht oder ob man es auf einfachgesetzlicher Ebene erreichen kann, dass die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet wird. Es ist gesagt worden, die herrschende Meinung sei dagegen. Nun hat es mit herrschenden Meinungen etwas auf sich im Recht. Wenn man einfach nur zählt, wie viele Kommentare zum Grundgesetz in den letzten zehn Jahren in einer bestimmten Weise votiert haben, dann wird man das tatsächlich auch so sehen können. Rein zahlenmäßig mag das so sein, weil die Menschen, die dazu vor zehn, acht oder fünf Jahren geschrieben haben, sich so geäußert haben. Sie haben aber die Entwicklung, in der wir stehen, nicht wirklich aufnehmen können. Das ist kein Vorwurf, sondern die Entwicklung ist eben so neu und schnell.

Wenn ich eine persönliche Anmerkung machen darf: Als ich im Jahr 2001 einen Aufsatz in der „Juristenzeitung“ geschrieben habe, dass die Eingetragene Lebenspartnerschaft nicht gegen das Grundgesetz verstößt, gab es einen Aufruhr in der juristischen Diskussion. Ich war weithin der Einzige, der dazu je etwas Positives geschrieben hatte. Heute ist es ganz unbestritten herrschende Meinung, dass die Eingetragene Lebenspartnerschaft mit dem Grundge

setz vollständig vereinbar ist. Man muss die Entwicklung im Leben und im Recht mit berücksichtigen.

Wenn das Bundesverfassungsgericht nun – auch das kann man nach bestimmten Zitaten so hintereinander schreiben, wie das referiert worden ist – in den letzten Jahren jeweils geschrieben hat, ein Mann und eine Frau machen die Ehe aus, so muss man dazu auch in Rücksicht nehmen, dass 1993 das Bundesverfassungsgericht auch geschrieben hat, es bedarf zwar eines Mannes und einer Frau, aber es kommt auch auf die gesellschaftliche Entwicklung an. Es kommt darauf an, wie die Menschen in der Gesellschaft und wie das Recht in den einfachgesetzlichen Regelungen Ehe definieren, was die gesellschaftlichen Überzeugungen sind. 1993 heißt es dort: Zurzeit ist eine solche Entwicklung noch nicht absehbar, dass gleichgeschlechtliche Paare möglich sind als Ehe. – Das bedeutet, wenn die Entwicklung so geht, dass in der Gesellschaft die Überzeugung wächst, und wenn im einfachen Recht die Dinge so geregelt werden, dass man Ehe so leben kann, dann ist das verfassungsgemäß.

Man muss jetzt sehen, dass diese Entwicklung in den letzten Jahren dramatisch stattgefunden hat. Sie ist da. Die Zahlen sind genannt worden. Ich will sie nicht noch einmal wiederholen. Aber wir haben diese Entwicklung in der Gesellschaft, und wir haben diese Entwicklung auch im einfachen Recht überall da, wo die Ehe und die gleichgeschlechtliche Partnerschaft gleichgestellt worden sind. In fast allen Punkten ist das inzwischen geschehen.

Lassen Sie mich also als Fazit sagen, es bedarf keiner Verfassungsänderung. Man kann das auf einfachrechtlicher Ebene regeln. Ich bin der festen Überzeugung, dass das Bundesverfassungsgericht, das dann sicher darüber zu entscheiden hätte und entscheiden würde, das genauso sehen wird im konkreten Fall. Wo zwei Menschen sich wirklich aufeinander einlassen, auf Dauer miteinander leben wollen und Verantwortung umfassend füreinander auf sich nehmen wollen, wo sie zusammenbleiben wollen, wo sie Verantwortung leben, da kann Ehe sein, und da sollte der Staat diese Ehe auch schützen.

Ich danke Ihnen.

(Starker Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wird Ausschussüberweisung beantragt? –

(Alexander Schweitzer, SPD: Nein!)

Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir direkt zur Abstimmung über den Antrag „Öffnung der Ehe – Rechtliche Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare beenden“, Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/5186 –. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt gegen diesen Antrag? – Stimmenthaltungen? – Damit ist dieser Antrag mit den Stimmen der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU angenommen.

Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf:

Flüchtlingen eine Perspektive bieten – Verantwortung zwischen Bund, Ländern und Kommunen fair verteilen Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/5203 –

dazu:

Für eine schnellere und bessere Integration von Flüchtlingen und Asylbewerben mit Bleibeperspektive Antrag (Alternativantrag) der Fraktion der CDU – Drucksache 16/5228 –

Wer möchte dazu sprechen? – Für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Frau Sahler-Fesel das Wort.

Wir haben eine Grundredezeit von fünf Minuten vereinbart.

Herzlichen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem gemeinsamen Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unter der Überschrift „Flüchtlingen eine Perspektive bieten – Verantwortung zwischen Bund, Ländern und Kommunen fair verteilen“ stellt sich die rot-grüne Koalition in Rheinland-Pfalz weiterhin der Verantwortung bei der Aufnahme und Betreuung der zu uns geflüchteten Menschen. Land, Kommunen und Zivilgesellschaft leisten in Rheinland-Pfalz unglaublich viel. Dem vielfältigen Engagement der Bürgerinnen und Bürger bei der Aufnahme der Flüchtlinge vor Ort gebührt unser Dank und auch unsere Anerkennung. Sie, die ungezählten Ehrenamtlichen, beweisen jeden Tag, dass Rheinland-Pfalz eine Kultur der Offenheit, des Willkommenheißens und des Miteinanders lebt.

Werte Kolleginnen und Kollegen der CDU, Sie beweisen mit ihrem gestern eingereichten Alternativantrag, dass CDU-Asylpolitik offensichtlich immer noch geprägt ist von Abschotten, Ablehnen, Abschieben. Ihr Vorzeigeland Bayern, das Sie mehrfach auch im Antrag zitieren, zeigt die bayerische Gesinnung – ich hätte beinahe gesagt, die Ur-CDU-Gesinnung –, und zwar in der bayerischen Asylsozialberatungsrichtlinie. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten. Bis zum 31. August 2013 hieß es, die Verteilung und Zuweisung der Flüchtlinge soll die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern.

Dieser Satz wurde am 30. Juli 2013 gestrichen. Ersetzt wurde er durch den Satz: „Die Verteilung und Zuweisung darf die Rückführung der betroffenen Personen nicht erschweren; (...)“ –

Weiterhin wird ausgeführt: Da der Personenkreis – also der Asylbewerber – lediglich sozial zu versorgen ist, darf die Beratung und Betreuung keine Maßnahmen umfassen, die der sozialen, sprachlichen oder beruflichen Integration in die deutsche Gesellschaft dienen. – Von dieser Richtlinie in Bayern distanzieren wir uns hier in Rheinland-Pfalz ganz

ausdrücklich.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weiterhin behaupten Sie dann auch noch, dass Bayern in der Kostenerstattung an die Kommunen so vorbildhaft sei. Unsere Kommunen würden sich bedanken. Sie würden sich bedanken; denn in Bayern werden lediglich in den Gemeinschaftsunterkünften, die hier so gewünscht sind, die Kosten vom Land übernommen; da dann komplett. Sobald allerdings die Menschen aus den Gemeinschaftsunterkünften in die Integration, also in die Kommunen gehen, übernimmt das wunderbare Vorzeigeland Bayern keinen einzigen Eurocent.

Sie, werte CDU, haben offensichtlich immer noch nicht gemerkt, dass eine solche Politik in unserem Bundesland keine Chance hat und von den Menschen in RheinlandPfalz längst überholt wurde.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Viel zu lange hat die CDU auch auf Bundesebene die tatsächliche Zahl der Flüchtlinge heruntergerechnet. Die in Ihrem Antrag, werte CDU, genannte Zahl von 221.000 unbearbeiteten Asylanträgen belegt das ganz deutlich. Für diese Bearbeitung ist nämlich der Bund zuständig. Doch nach wie vor versuchen Sie dem geneigten Zuhörer vorzugaukeln, die Festlegung von sicheren Herkunftsstaaten würde die Zahlen entscheidend nach unten drücken. Dabei wissen Sie doch – Herr Kessel, wir haben es oft genug besprochen –, dass der Antrag eines jeden Asylbewerbers bearbeitet werden muss, egal, woher dieser Mensch kommt. Hier steht der Bund allein in der Verantwortung. Der Schlüssel liegt nun einmal in Berlin bei den Asylgesetzen, bei den Verfahren und nicht zuletzt bei der fairen Lastenverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen.

An dieser entscheidenden Stelle, werte CDU, sehr geehrte Frau Klöckner, haben Sie durch Abwesenheit geglänzt, während unsere Landesregierung, unsere Ministerpräsidentin Malu Dreyer, deren Fröhlichkeit und deren Lächeln Ihnen irgendwie zuwider ist, es mit ihrer beharrlichen Freundlichkeit geschafft hat, sogar Frau Merkel in Bewegung zu bringen. Bewegung auf Bundesseite, das bedeutet für die Länder, das bedeutet für die Kommunen erstmalig finanzielle Beteiligung des Bundes an den Kosten der Länder und der Kommunen, Beschleunigung der Asylverfahren durch Fiskalaufstockung, Öffnung der Sprachkurse für noch nicht anerkannte Asylbewerber. Das kann natürlich nur der Anfang sei. Der Bund muss sich dauerhaft an den strukturellen Kosten beteiligen.

Rheinland-Pfalz hat aufgestockt, wird weiter aufstocken und stellt sich – wie gesagt – der Verantwortung.

An dieser Stelle bedauere ich ausdrücklich, dass der Innenausschuss des Bundestages der Forderung nach einer Aufenthaltsregelung für Menschen, die in Ausbildung sind, nicht zugestimmt hat.

(Glocke des Präsidenten)

Schönen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Kessel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Die stetig steigende Zahl der Flüchtlinge und Asylsuchende stellt Bund, Länder und Kommunen gemeinsam vor große Herausforderungen. Eine menschenwürdige Unterbringung und Versorgung müssen gewährleistet sein, Asylverfahren müssen beschleunigt werden, und die Flüchtlinge mit einer Bleibeperspektive sollen in allen Lebensbereichen möglichst schnell integriert werden.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, im zweiten Absatz Ihres Antrags stellen Sie fest – ich zitiere –: „Die große Herausforderung, insbesondere die Unterbringung und die gesundheitliche Versorgung, sind aber mit den bestehenden Strukturen nicht zu bewältigen.“ Als Konsequenz daraus fordern Sie, liebe Frau Sahler-Fesel – ich zitiere weiter –: „Eine gerechtere Verteilung der Verantwortung zwischen Bund, Ländern und Kommunen ist dringend erforderlich.“ Mit einer gerechteren Verteilung der Verantwortung allein können jedoch keine strukturellen Probleme gelöst werden. Der Bund hat seine Soforthilfe um weitere 5 Millionen Euro in diesem Jahr verdoppelt.

Wir begrüßen, dass der auf Rheinland-Pfalz entfallende Anteil von 24 Millionen Euro aus den ersten 500 Millionen Euro vollständig an die Kommunen weitergeleitet werden soll. Vor dem Hintergrund der miserablen Finanzausstattung unserer Kommunen erwarten wir, dass auch die zweiten 24 Millionen Euro komplett an die Kommunen weitergeleitet werden.

(Beifall des Abg. Matthias Lammert, CDU)

Die rheinland-pfälzischen Kommunen haben bei der finanziellen Unterstützung durch ihr Bundesland die rote Laterne. Pro Monat zahlt das Land je Flüchtling 512 Euro an die Kommunen.

(Alexander Schweitzer, SPD: 513 Euro!)

513. Das ist wichtig. Jeder Euro ist wichtig, Herr Schweitzer.

Damit wird nur ein Teil der bei den Kommunen entstehenden Kosten gedeckt.

(Beifall bei der CDU – Julia Klöckner, CDU: So ist es!)

Die Flächenländer Bayern – das hat Frau Sahler-Fesel angesprochen –, Mecklenburg-Vorpommern, das Saarland sowie die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg über

nehmen alle anfallenden Kosten, Bayern eingeschränkt nur für die Erstaufnahmeeinrichtungen.

(Zuruf der Abg. Ingeborg Sahler-Fesel, SPD)

Neben der Kostenübernahme ist es in anderen Bundesländern gelungen, die Kommunen stärker zu entlasten, vernetzter und koordinierter vorzugehen, als dies in Rheinland-Pfalz der Fall ist.

Auch wir halten den Ausbau der Erstaufnahmeeinrichtungen von derzeit 2.000 auf mehr als 4.000 Plätze für dringend erforderlich, damit Flüchtlinge und Asylbewerber bis zur maximal zulässigen Zeit von drei Monaten in den Einrichtungen verbleiben können. Gleichzeitig muss das Personal des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, genannt BAMF – durch den Bund wurden 2.000 zusätzliche Stellen angekündigt –, erheblich aufgestockt werden, damit die Asylverfahren noch während des Aufenthalts in Erstaufnahmeeinrichtungen abgeschlossen werden können.