Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Tarifautonomie und die Sozialpartnerschaft sind ein hohes Gut in unserem Sozialstaat, das wir unterstützen und pflegen. Ich glaube, in Rheinland-Pfalz haben wir wirklich vorteilhafte Bedingungen im Dialog zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf der einen und Arbeitgeberinnen und
Arbeitgebern auf der anderen Seite, den die Landesregierung mit ihrer Politik auch immer gepflegt und immer unterstützt hat.
Warum beschäftigen wir uns jetzt politisch mit einer solchen tariflichen Auseinandersetzung? – Herr Kessel, ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Bereitschaft zum Gespräch über eine gemeinsame Resolution. Herr Kollege Schweitzer und ich haben Ihnen auch einen entsprechenden Entwurf dazu zukommen lassen, und ich glaube, es ist gut, wenn wir hier gemeinsam, als ganzer Landtag, ein entsprechendes Signal aussenden.
Es ist nämlich mitnichten so, wie ich beim ersten Teil Ihrer Rede ein bisschen den Eindruck hatte, als würde sich im Unternehmensgefüge der Deutschen Post gar nicht wesentlich viel ändern. Wir reden immerhin über 15.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die bundesweit potenziell betroffen sind, weil sie befristete Verträge haben und eben aus dem Haustarif der Deutschen Post AG in die DHL Delivery mit wesentlich schlechteren Tarifbedingungen ausgegliedert werden könnten. Das ist dann schon eine Frage, über die wir hier diskutieren müssen, zumal wir zwei große Standorte der DHL Delivery in Rheinland-Pfalz haben: in Koblenz und in Mainz. Damit ist auch eine ganze Reihe von Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzern direkt betroffen.
Sie haben insofern recht, als sich die Tagespolitik nicht in Tarifauseinandersetzungen einzumischen hat; aber hier geht es eben nicht um Tarifauseinandersetzungen auf Augenhöhe, sondern unser Punkt sind die Unterwanderung des Streikrechts und auch die Unterwanderung der Tarifautonomie dahin gehend, dass die Deutsche Post AG Vertragsbruch begangen hat, dass bei der Deutschen Post AG Bundesbeamte, ehemalige Postbeamte, eingesetzt werden, um den Streik abzumildern, und dass auch auf Leiharbeit und Werkverträge in nicht geringer Zahl zurückgegriffen wird.
Da geht es schon um die Frage, ob wir nicht auch auf der Bundesebene gesetzgeberisch tätig werden müssen; denn es kann nicht sein, dass wir auf der einen Seite die Arbeitnehmerrechte schützen und die Tarifautonomie sichern und auf der anderen Seite beim Thema Leiharbeit und Werkverträge den Arbeitgebern Instrumente an die Hand geben, die sie in eine Machtposition gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bringen. Ein Streik kann eben nicht wirksam sein, wenn er durch Instrumente wie Leiharbeit und Werkverträge einseitig von den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern umgangen werden kann. Meine Damen und Herren, ich glaube, hier ist auch der Bundesgesetzgeber ein Stück weit gefordert.
Wir haben uns eben auch deswegen damit auseinanderzusetzen, weil die Deutsche Post AG nicht irgendein Unternehmen ist, das schon immer am freien Markt bestanden hat, sondern weil die Deutsche Post AG mit ihrem schon genannten großen Markterfolg – und das bei zunehmender Konkurrenz: absoluter Branchenführer mit ständig steigenden Wachstums- und Gewinnmargen – eben einmal ein Staatsunternehmen war und auch nur deswegen auf diese
Beamtinnen und Beamten zurückgreifen kann, und weil die Bundesrepublik Deutschland mit 25 % nach wie vor ein großer Anteilseigner der Deutschen Post AG ist und der Bund daher dort eine entsprechende gesellschaftspolitische Verantwortung hat, der er nachkommen muss und nachkommen sollte.
Genau das ist unser Punkt, dass wir hier die Post AG auffordern und der Bund im Aufsichtsrat entsprechend Druck machen kann; denn das kann eigentlich bei dem wettbewerbsstärksten Marktführer nicht sein, der seine Marktführerschaft zwei Dingen zu verdanken hat, dass er nämlich erstens in der Konkurrenz die bestausgebildeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hat und zweitens als ehemaliges Staatsunternehmen die beste Infrastruktur sowie einen Vertrauensvorsprung bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern hat.
Das setzt die Deutsche Post AG gerade auch mit solchen Tricks aufs Spiel, und deswegen kann es auch nicht im Sinne des Unternehmens sein, dass man hier versucht, 15.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern faktisch den Lohn um 20 % zu kürzen, und dass gleichzeitig der Vorstandsvorsitzende sein Jahreseinkommen um 20 % gesteigert hat. Ich finde, da klafft eine Gerechtigkeitslücke, die dringend geschlossen gehört.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach wie vor machen die gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten der Deutschen Post AG aktiv von ihrem grundgesetzlich geschützten Streikrecht Gebrauch, um für gute Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Ja, die Tarifautonomie hat in Deutschland eine lange Tradition, und starke Gewerkschaften sind ebenso wie eine starke betriebliche Mitbestimmung wichtig, um möglichst vielen Beschäftigten gute Arbeit zu gewährleisten und bestehende Tarifverträge auch durch Arbeitskampf zu verteidigen und fortzuentwickeln.
Wenn Ausgliederungen von wirtschaftlich erfolgreichen Unternehmen dazu genutzt werden, die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten deutlich zu verschlechtern, ist es das gute Recht der Beschäftigten, sich mit ihren Gewerkschaften dagegen zu wehren. Die negativen Folgen der Ausgliederungen liegen auf der Hand; denn durch solche Konzernuntergliederungen wird die Verhandlungsmacht der Beschäftigten massiv geschwächt, und die Beschäftigten werden in ihrer Solidarität gegeneinander ausgespielt. Außerdem geht die Mitarbeiterzufriedenheit verloren, und dabei ist doch eine zufriedene und motivierte Belegschaft, die sich mit ihrem Arbeitgeber identifiziert, ein maßgebli
Meine Damen und Herren, die Landesregierung ist sich bewusst, dass die Deutsche Post AG einem hohen Wettbewerbsdruck ausgesetzt ist. Aber gerade bei der Post, bei der die Arbeitsleistung der Beschäftigten für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens eine so große Rolle spielt, sind gute Arbeitsbedingungen unverzichtbar.
Die Arbeitsbedingungen von Paketzustellern waren auch schon in der Vergangenheit Thema im Plenum, und wir alle wissen daher, unter welchem Zeitdruck, mit welchem körperlichem Aufwand, unter welchem Leistungsdruck und zu welchen Arbeitsbedingungen die Beschäftigten in dieser Branche arbeiten.
Ich bin der festen Überzeugung, dass in so anstrengenden und arbeitsintensiven Bereichen nur mit engagierten Beschäftigten eine Qualität angeboten werden kann, die im Wettbewerb Bestand hat. Der hohe Marktanteil der Deutschen Post und die hohen Gewinne bestätigen meine Auffassung.
In ihren Tarifauseinandersetzungen haben es die Deutsche Post AG und ihre Tarifpartner bisher immer geschafft, zufriedenstellende Lösungen zu finden, die die Interessen von Unternehmen und Beschäftigten in Einklang gebracht haben. Im momentanen Tarifkonflikt gestaltet sich diese Kooperation äußerst schwierig. Zum Ausgleich der Streikfolgen hat die Post an einzelnen Sonntagen ausgeliefert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch in Rheinland-Pfalz sind Fälle von Sonntagsarbeit bekannt geworden. Nach dem Arbeitszeitgesetz ist Sonntagsarbeit in Verkehrsbetrieben, zu denen auch die Deutsche Post AG gehört, aber nur zulässig, sofern die Arbeiten nicht an Werktagen vorgenommen werden können.
Ich habe von daher gestern die Struktur- und Genehmigungsdirektionen angewiesen, entsprechende Fälle von Sonntagsarbeit nach Eingaben hinsichtlich des Umfangs der zulässigen Sonntagsarbeit genau zu überprüfen. Seit heute Nachmittag, just zu diesem Moment, nämlich seit 14:30 Uhr, finden die Überprüfungen und Gespräche mit der Deutschen Post AG statt. Auf dieser Basis werden die Struktur- und Genehmigungsdirektionen über weitere Schritte entscheiden. Sollte sich herausstellen, dass die Sonntagsarbeit nicht zulässig war oder ist, werden wir weitere Schritte einleiten.
Für die weiteren in Kürze anstehenden Tarifverhandlungen erhoffe und wünsche ich mir, dass diese wieder zu einem konstruktiven und zielführenden Dialog genutzt werden; denn davon profitieren die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und das Unternehmen gleichermaßen.
Bevor ich Herrn Kollegen Schweitzer das Wort erteile, begrüße ich auf der Zuschauertribüne die Kollegen von der Deutschen Post und der Gewerkschaft ver.di, die zu uns gekommen sind. Herzlich willkommen! Schön, dass Sie da sind.
Herr Präsident, vielen Dank. Ich möchte die Gelegenheit ergreifen und auf den Redebeitrag von Herrn Kessel eingehen.
Lieber Herr Kessel, vielen Dank für das klare Bekenntnis zur Tarifautonomie und auch zu den zumindest in Andeutungen bemerkbaren Aussagen, was die Frage der sozialen Verantwortung eines solchen Unternehmens angeht. Ich bin sehr froh, dass das gesagt wurde.
Lieber Herr Kessel, ich will auch deutlich sagen, hätten Sie letzte Woche geredet, als ver.di auf dem Ernst-LudwigPlatz demonstriert hat, wäre Ihnen nicht der Lapsus unterlaufen zu sagen, wir wollen, dass die Privilegien der Altbeschäftigten – so hat es die Kollegin Klöckner formuliert – geschützt werden. Das sind keine Privilegien, sondern das ist das, was sie sich durch gewerkschaftliche Arbeit und Mitbestimmung erkämpft haben. Diese wollen wir schützen.
Ich möchte weiter sagen, dass es auch um die wirtschaftliche Zukunft und die Qualität dieses Unternehmens und den Verbraucherschutz geht. Es geht darum, ob sich die Politik heraus- und zurückhalten darf, wenn ansteht, dass ein solches Unternehmen, das mit der Kraft der gesamten Gesellschaft aufgebaut wurde, zerschlagen wird. Ich glaube, hier müssen wir ein gemeinsames Zeichen setzen, und zwar hoffentlich auch in einer Resolution. Wir reden noch darüber.
Herr Präsident, Frau Ministerpräsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schweitzer, ich glaube, es ist gar nicht nötig, dass wir eine Schärfe in den Landtag hineinbringen. Es war ein gutes Zeichen, und es ist auch eine gute Tradi
tion, dass man parteiübergreifend – – – Das kann ich auch für uns als Christdemokraten sagen, da wir beide Flügel haben. Wir als Volkspartei haben die Vertreter der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber. Das ist auch im Interesse der Vertreter von ver.di, die ich kennengelernt habe. Ich habe heute, jüngst und in meinem Wahlkreis mit ihnen gesprochen, wie das viele andere Kolleginnen und Kollegen auch tun.
Es soll nicht um das Gegeneinander von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gehen. Es soll um die Zukunft des Arbeitsplatzstandortes in Rheinland-Pfalz gehen. Ich verstehe diejenigen, die streiken, und – das war auch das, was ich in den einzelnen Erläuterungen mitbekommen habe – was es heißt, wenn man täglich die gleiche Arbeit nebeneinander tut, aber merkt, dass es jemand erster Klasse und zweiter Klasse gibt. Es ist absolut nachvollziehbar, dass das zu Unruhen und zu Unzufriedenheiten führt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, deswegen sagen wir deutlich – sehr geehrter Herr Kollege Schweitzer, das muss doch erlaubt sein –: Wenn wir eine Resolution machen, die uns gestern zugegangen ist – wir antworten auf Resolutionen relativ umgehend; Sie haben heute von mir schon das Fax bekommen –, dann lasst uns aber bitte auch einiges hinterfragen, damit nicht nur symbolisch etwas im Fenster steht, sondern dass es auch verfassungsrechtlich einwandfrei ist. Es wäre an der einen oder anderen Stelle sicherlich gut gewesen, wenn die Landesregierung auch auf verfassungsrechtliche Fragen geachtet hätte.
Das ist unser Grund. Deshalb möchte ich mich bei allen bedanken, die die Arbeit als Postzusteller bei Wind und Wetter jeden Tag leisten. Manchmal würden wir uns, aber auch Sie sich, ein bisschen mehr Zeit wünschen, um ein Gespräch mit den Kunden zu führen.
Im Laufe dieser Zeit hat sich der Beruf verändert. Deshalb herzlichen Dank für Ihren Einsatz. Sie haben ein Recht auf Streiken und ein Recht auf Tarifverhandlungen.