Protocol of the Session on March 19, 2015

Während man im Abendland zum Teil das Sterben thematisiert und seiner eigenen Mutter ein ruhiges Einschlafen wünscht, steht im Orient zumeist das gemeinsame Trauern im Vordergrund. Das sind unterschiedliche Aspekte, die für die Ärzte und die Pflegende ganz wichtig sind.

Wie ich vorhin sagte, es ist wichtig, diese interkulturellen Kompetenzen für die Betreuung von sterbenden Menschen zu fördern und zu entwickeln und auf diesem Weg voneinander zu lernen.

Ende 2014 wurde in Aschaffenburg der Verein „Sterben in der Fremde“ gegründet. Dieser Verein klärt über kulturelle Unterschiede beim Weg in den Tod auf und vermittelt interkulturelle Erkenntnisse in der Hospizarbeit.

Dabei sind aus meiner Sicht zwei Aspekte ganz wichtig: erstens liebevolle Zuwendung mit umfassender Betreuung der Sterbenden und ihrer Familien und für diese ein Leben danach, zweitens konsequente und ganzheitliche Linderung von Schmerzen und anderen quälenden Beschwerden der Betroffenen.

Unsere Gesellschaft muss für schwer leidende Menschen mehr übrig haben als die Tabletten auf dem Nachttisch für den einsamen Suizid. Ein gesellschaftliches Klima, das suggeriert, die Selbsttötung sei ein guter Ausweg, ist für mich als Sterbebegleitender beängstigend.

Zum Sterben braucht man eine Heimat. Das ist nicht ein Dach über dem Kopf, sondern ein Raum voller Geborgenheit und Liebe.

In diesem Sinne möchte ich allen, die diesen Weg mit Sterbenden liebevoll gehen und unterstützen, ganz herzlich Danke sagen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Herr Kollege Klein.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für mich gehört es zu den Besonderheiten dieser Debatte und eigentlich aller Diskussionen um Sterbebegleitung und Sterbehilfe und den letzten Weg, dass in deren Mitte nicht der Tod steht, im Mittelpunkt der Debatte steht vielmehr das Leben, die Würde jedes einzelnen Menschen – die Würde, die dieser von Geburt an hat und sogar schon vor seiner Geburt.

Mit dieser Würde einher gehen seine Selbstbestimmtheit, seine Freiheit und auch der Wunsch, gesund und ohne Schmerzen zu sein.

Aus vielen Gesprächen und Diskussionen habe ich mitgenommen, dass es nicht die Angst vor dem Tod ist, die viele Menschen umtreibt, sondern vielmehr die Angst davor, genau diese Dinge, Selbstbestimmtheit, Freiheit und Gesundheit, zu verlieren und Schmerzen leiden zu müssen. Der Tod erscheint dann vielen als vorzugswürdige Alternative.

Meine Damen und Herren, es ist meine Überzeugung, dass es Aufgabe unserer Gesellschaft und der Politik in unserem Land ist, den Menschen eine würdige und echte Alternative zum Todeswunsch zu geben: mehr Hände, an denen sich in Würde sterben lässt, nicht mehr Hände, durch die sich sterben lässt.

Damit will ich mich nicht vor einer Aussage zur Sterbehilfe drücken, ich meine, dass wir gut daran tun, den bestehenden rechtlichen Rahmen nur sehr behutsam anzupassen. Dazu gehört für mich das Verbot organisierter Sterbehilfe und von Sterbehilfevereinen auf der einen Seite, aber für mich gehört auch dazu, Ärztinnen und Ärzte nicht zu bestrafen – weder straf- noch standesrechtlich – in Fällen indirekter Sterbehilfe und des assistierten Suizids, soweit diese sich im absoluten Einzelfall und in ethischer Verantwortung dazu entscheiden.

(Vizepräsidentin Frau Schleicher-Rothmund übernimmt den Vorsitz)

Meine Damen und Herren, unsere gemeinsamen Hausaufgaben in unserem Land liegen meiner Meinung nach aber tatsächlich in einem anderen Bereich, nämlich dort, wo wir gemeinsam politische Verantwortung tragen,

helfende Angebote der Sterbebegleitung, palliativmedizinische Versorgung, ambulante und stationäre Hospizdienste zu fördern, und das in der ganzen Fläche unseres Landes.

So lange wie möglich soll die Betreuung und Pflege zu Hause, im gewohnten Umfeld, stattfinden. Das wünschen sich die Menschen. Ambulante Hospizdienste leisten meist ehrenamtlich dazu eine segensreiche Unterstützung für die Sterbenden und ihre Angehörigen.

Bei den stationären Hospizen haben wir noch deutlichen Nachholbedarf. Beispielsweise gibt es in der Westpfalz leider noch keine stationäre Einrichtung. Die nächsten Hospize liegen hier in Pirmasens, Ludwigshafen oder im benachbarten Saarland. Diese bestehenden Hospize haben bereits lange Wartelisten, und meist ist deren Kapazitätsgrenze schon deutlich überschritten.

Ich bin selbst Vorsitzender eines Fördervereins für ein stationäres Hospiz in der Westpfalz, der Kollege ist dort ebenfalls engagiert. Wir haben eine solch benachbarte Einrichtung besucht. Dort haben wir erfahren, dass es im letzten Jahr 600 Anfragen von sterbenden Menschen gab, die nicht aufgenommen werden konnten, und seit dem Bestehen der Hospizeinrichtung, seit jetzt fast genau zehn Jahren, konnten rund 2.600 Menschen nicht aufgenommen werden, obwohl ein dringender Bedarf bestand.

Meine Damen und Herren, es geht natürlich nicht um Zahlen und Statistiken, sondern vielmehr um sterbende Menschen und deren Familien, denen ein Hospiz Hilfe und Begleitung in einer ohnehin schon besonders schwierigen Situation bietet. Das letzte, was diese brauchen, ist eine volle Warteliste.

Wir haben vor Ort auch mit einem Gast gesprochen, der, wie alle Gäste im Hospiz, weiß, dass er bald sterben wird. Seine Familie war auch dabei. Er sagte uns: Das Hospiz ist eine wunderbare Einrichtung, der Himmel hat es uns geschickt.

Diese Worte waren für mich besonders eindrücklich, und sie bleiben mir in Erinnerung. Ich meine aber auch, für uns alle ist dies ein Arbeitsauftrag für eine wohnortnahe und flächendeckende Palliativmedizin- und Hospizversorgung, ambulant und stationär, ehrenamtlich und hauptamtlich. Das sind die helfenden Hände, die wir in unserem Land brauchen. Nach meiner Meinung haben sie unsere Rückendeckung, und sie haben einen ordentlichen finanziellen und rechtlichen Rahmen und mit Blick auf die medizinischen Kräfte auch eine anständige Bezahlung verdient.

Vielen Dank.

(Beifall im Hause)

Für die SPD-Fraktion spricht nun Herr Kollege Steinbach.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es richtig und wichtig, dass wir als gewählte Volksvertreter uns hier und heute mit dem womöglich persönlichsten Thema der Menschheit beschäftigen, nämlich mit dem Sterben. Niemand spricht gerne über den Tod und das Sterben, und doch gehört es zum Leben.

Worum geht es mir? Darf ein Mensch, der krank ist, der unmenschliche Schmerzen hat und verzweifelt ist, Hilfe zum Sterben bekommen?

Vor allem geht es um die Frage, ob Ärzten eine Beihilfe zur Selbsttötung, also der ärztlich assistierte Suizid, erlaubt wird. – Um es vorweg zu sagen: Ja, ich glaube, diese Möglichkeit sollte es geben. – Warum?

Der Staat darf die selbstbestimmte Selbsttötung nicht verbieten. Dies lässt sich aus dem Grundgesetz und der geschützten Würde des Menschen und aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ableiten. Zur Würde eines Menschen gehört auch, sagen zu können, ich kann nicht mehr. Nimmt man diesen Menschen nicht die Würde, wenn man sie nicht lässt?

Aus der Praxis erzählen Ärzte von Situationen mit Patienten wie diese: Wenn es nicht mehr geht, dann werden Sie mir doch helfen? – Diese Hilfe ist aktuell nur unter Inkaufnahme von Konsequenzen umsetzbar.

Welche Formen der Sterbehilfe gibt es? – Es gibt die aktive Sterbehilfe, auch das Töten auf Verlangen genannt. Es ist zu Recht strafbar und soll es auch bleiben.

Es gibt die passive Sterbehilfe, also ein Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen. Sie ist seit 2010 erlaubt und auch vielfach über Patientenverfügungen geregelt.

Es gibt die indirekte Sterbehilfe, also die Inkaufnahme des verfrühten Todes durch eine schmerzlindernde Therapie, und schließlich gibt es den assistierten Suizid, etwa durch Bereitstellen eines tödlichen Mittels, und hierum geht es mir.

Wo liegt das Problemfeld in der Diskussion? – Es geht um das ärztliche Standesrecht. Laut (Muster-Berufsordnung der Ärzte, welche zehn von 17 Landesärztekammern übernommen haben, heißt es: Ärzte dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten. Wir brauchen jedoch eine gesetzliche Regelung, wonach die ärztliche Beihilfe straffrei bleibt bzw. ohne standesrechtliche Konsequenzen. Daher ist eine zivilrechtliche Regelung für die Ärzte erforderlich.

Natürlich sollen diese Möglichkeiten die individuelle Ausnahme bleiben und ärztliche Beihilfe nur auf freiwilliger Basis als Gewissensentscheidung möglich sein. Außerdem brauchen wir klar definierte Regeln. So muss eine unheilbare Krankheit, die unausweichlich zum Tode führt, ein objektiv schweres Leiden und eine umfassende Beratung des Patienten bezüglich anderer, insbesondere palliativer Behandlungsmöglichkeiten sowie ein VierAugen-Prinzip nachgewiesen sein. Es geht hierbei um die Rechte von Patienten in extremen Situationen. Ihr

eigenes Selbstbestimmungsrecht soll gestärkt und Rechtssicherheit für Ärzte geschaffen werden.

Weiterhin müssen die Angebote des Hospizwesens, der Palliativmedizin und der zuzurechnenden ambulanten Leistungen gestärkt und ausgebaut werden. Dies ermöglicht nicht nur ein Sterben in Würde, sondern ist zugleich ein präventiver Ansatz, dem Suizidwunsch zu begegnen. Ich habe größten Respekt vor den Pflegern, den Familien und Helfern in diesen Bereichen. Dort muss unser Schwerpunkt der Begleitung von Mitmenschen im letzten Lebensabschnitt liegen, damit die vorgenannten Möglichkeiten die absoluten Ausnahmen bleiben, Selbsttötungen nicht zum gesellschaftlichen Normalfall werden und unsere christlichen Wertevorstellungen weiterhin Orientierung bieten. Alleine jedoch das Wissen nach einem sprichwörtlichen Notausgang könnte für viele der Betroffenen eine Beruhigung darstellen.

Ich fasse zusammen: Das Selbstbestimmungsrecht, die Menschenwürde gebietet es in Grenzfällen, um unmenschliches Leid zu vermeiden, nach strengen Richtlinien eine Möglichkeit zu geben, in fachlich fundierter, ärztlicher Begleitung eine Beihilfe zum Sterben zu ermöglichen. Sterbebegleitung darf jedoch keine geschäftsmäßige Leistung werden. Deshalb ist ein Regelwerk zur ärztlichen Begleitung wichtig. Auch der Bundestag debattiert aktuell fraktionsübergreifend diese Thematik. Es zeichnet sich aktuell ein großer fraktionsübergreifender Zusammenhalt anlehnend an meinen Wortbeitrag ab.

Weiterhin nimmt selbstverständlich die Patientenverfügung eine zentrale Vorsorgestellung ein, und die bisherigen Regelungen dazu sollen unberührt bleiben.

Vielen Dank.

(Beifall im Hause)

Das Wort hat nun Frau Abgeordnete Schäfer.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Früher gehörte das Sterben zum Leben dazu. In einer Großfamilie erlebten schon die Kinder, was es heißt, wenn Familienangehörige sterben.

Inzwischen hat sich vieles geändert. Die Großfamilie, in der mehrere Generationen gemeinsam leben, sich gegenseitig helfen und unterstützen, ist seltener geworden. Wir leben in einer Zeit, in der der Faktor Zeit Mangelware geworden ist, in der sich Menschen zunehmend gestresst fühlen und in der die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsleben dadurch – so scheint es – immer schwieriger anstatt einfacher wird.

Gerade diese Zeit ist es aber, die Menschen am Ende ihres Lebens brauchen. Es ist zum einen natürlich die ärztliche und pflegerische Versorgung, aber auch Zeit für Zuwendung, die die Menschen brauchen. Mein Dank gilt

denjenigen, die sich in der Hospizarbeit und in den Palliativstationen ehrenamtlich oder hauptamtlich engagieren, ein Teil der Fürsorge übernehmen und die Angehörigen dabei unterstützen.

Angesichts der genannten Veränderungen ist es wichtig, dass das Netz der stationären, aber auch der ambulanten Hospizangebote dichter wird. Hospizvereine und -gesellschaften haben nicht nur die Hilfe für sterbende Menschen und ihre Familie im Blick, für ihre Arbeit ist auch die Netzwerkarbeit wichtig. Sie suchen Kontakte zu Ärzten, zu Pflegeeinrichtungen, und sie arbeiten daran, dass auch andere für das Sterben in Würde sensibilisiert werden. Begleitung von Sterbenden geht uns alle an, und deswegen suchen sie auch schon den Kontakt zu den ganz Kleinen, zu den Kindern an den Schulen. Ihre Arbeit gilt es zu unterstützen, und ich meine das nicht nur in finanzieller Hinsicht. Unterstützer sind dabei auch etwa die niedergelassenen Ärzte oder auch das Pflegepersonal, die ebenfalls die Sterbenden in den Tod begleiten. Damit das gelingt, ist es wichtig, dass sie gut aus- und fortgebildet sind, damit sie sich auf diese Kooperation einlassen können.

Im Bereich der Palliativmedizin ist schon vieles in Bewegung. Dennoch gibt es noch einen weiteren Bedarf für eine Weiterentwicklung der interdisziplinären Medizinerausbildung, damit schon die angehenden Mediziner sich auf die Hospiz- und Palliativmedizin einlassen können. Ich denke, daran werden wir gemeinsam weiterarbeiten.

Vielen Dank.