Nico Steinbach
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Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständige Volksvertretung zu wenden. Dieses Recht ist verankert in Artikel 17 unseres Grundgesetzes und in Artikel 11 unserer Landesverfassung.
Wir sprechen heute über den Jahresbericht des Bürgerbeauftragten und des Petitionsausschusses des vergangenen Jahres 2014. Das Petitionsrecht spielt in unserem Landtag seit Langem eine bedeutende Rolle, was sich nicht zuletzt in der Funktion des Bürgerbeauftragten widerspiegelt.
Der Bürgerbeauftragte ist eine wichtige Institution, um beim Landtag das Kontrollrecht der Bürgerinnen und Bürger über das Parlament auszuüben und persönliche Belange und Anregungen zur Gesetzgebung einzureichen. Der Petitionsausschuss ist somit eine Art Bürgerausschuss. Ihm kommt in unserer parlamentarischen Demokratie eine Schlüsselrolle zu.
Im ersten Teil des Jahresberichtes wird die gute und wichtige Vernetzung des Bürgerbeauftragten im Land und darüber hinaus dargestellt. Wenn er von Sachsen, Niedersachsen, Baden-Württemberg und anderen Bundesländern befragt wird, so zeigt sich immer wieder, dass RheinlandPfalz mit ihm ein Mehr an Bürgernähe und -beteiligung im Bundesvergleich aufweist. Bürgerinnen und Bürger zeigen auf Probleme, die sie betreffen, und geben Anregungen, was noch besser gemacht werden kann.
Als Vermittler trägt er dazu bei, dass Verständnis geweckt wird, Aufklärung erfolgt und Fehler behoben werden. Dies gelingt ihm sicherlich auch in seiner neuen Aufgabe als Beauftragter für die Landespolizei. Hierauf können wir stolz sein. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass hier in unserem Land eine sehr hohe Priorität dem Petitionsrecht eingeräumt wird.
Es ist positiv, dass seit 2014 auf Anregung von Dieter Burgard grenzüberschreitend in der Großregion die Bürgerbeauftragten, wie es im Jahresbericht dargestellt ist, enger zusammenarbeiten. Gerade als Abgeordneter im Grenzraum zu Luxemburg und Belgien schätzt man es sehr, wenn bei Problemen länderübergreifend zusammengearbeitet wird, wenn es zum Beispiel um Steuern, Rentenoder Krankenversicherungsfragen geht.
Ich möchte nun auszugsweise auf ein paar Themenbereiche des vergangenen Jahres eingehen. Im Jahresbericht wird auf das Problem gerade älterer Bürger, besonders alleinstehender Frauen hingewiesen, welche bei beitragspflichtigen Ausbaumaßnahmen von Straßen oftmals hohen
Beitragsbelastungen ausgesetzt sind, da sie große Grundstücke in Dörfern besitzen und somit die Ausbaukosten auf wenige Anlieger umgelegt werden. Niedrige Renten, kaum Chancen auf Übernahme des Hauses durch die Kinder lassen hohe Beitragszahlungen teilweise bei niedrigen Werten der Immobilien kaum zu.
Für die älteren Anlieger ist die Straße oft noch gut genug, und der Ausbau sollte nicht zu kostspielig sein, der die Anlieger überfordert. Andererseits sind Investitionen in die Infrastruktur der Gemeinde häufig Impulsgeber für die zukünftige Entwicklung der Gemeinde.
Hier appelliert der Bürgerbeauftragte mit Recht – da spreche ich auch aus Erfahrung als Ortsbürgermeister –, dass frühzeitig und umfassend informiert wird, die Gemeinde die sinnvollste und zweckmäßigste Ausbauvariante wählt und den Betroffenen großzügige Ratenzahlungen anbietet.
Im Jahresbericht wird im Kapitel Ausländerrecht unter der Überschrift „Dorf setzt sich für Bleiberecht einer RomaFamilie ein“ beschrieben, wie sich in meinem Landkreis der Ortsbürgermeister und ein Großteil der Gemeinde aktiv gegen eine Abschiebung einsetzen. Die jahrelange Integrationsleistung der Familie, der Nachweis eines Arbeitsplatzes und die sehr guten Deutschkenntnisse und Bildungsanstrengungen der Kinder erfuhr der Bürgerbeauftragte bei einem Besuch der Familie. Es wurde ein Härtefallersuchen von Dieter Burgard eingebracht, und über ein positives Votum der Härtefallkommission erhielt die Familie Aufenthaltsrecht durch Beschluss der Ministerin für Integration, Irene Alt.
In wenigen Einzelfällen, die sehr gut begründet sein müssen, kann über Petitionen und die Härtefallkommission eine Abschiebung verhindert werden. Wir brauchen jedoch nach wie vor ein Einwanderungsrecht, das geprägt ist vom Blick auf verfolgte Flüchtlinge und den Bedarf an Zuwanderung für Fachkräfte unserer Wirtschaft.
Hier danke ich unserer Ministerpräsidentin Malu Dreyer für ihren Vorstoß auf Bundesebene für eine hoffentlich zukünftige wichtige und weitsichtige gesetzliche Regelung.
Beim Arbeitslosengeld II zeigt der Jahresbericht des Bürgerbeauftragten auf, wie komplex die Probleme der Betroffenen sind. Grundsätzlich gilt auch hier, mehr Zeit für Gespräche und Beratung, überhaupt Erreichbarkeit des Sachbearbeiters in den Jobcentern lassen Probleme bei den Anträgen und Nachweisen erst gar nicht aufkommen.
Fehlerhafte Berechnungen konnten öfter vom Bürgerbeauftragten und seinen Mitarbeitern nachgewiesen werden, was für die Empfänger bei den geringen Leistungen schmerzhaft war. Neuberechnungen und Nachzahlungen waren für die Petenten ohne die Hilfe des Bürgerbeauftragten nicht zu erreichen.
Positiv ist jedoch zu erwähnen, dass die Jobcenter nach Intervention oft sehr kurzfristig die fehlerhaften Berechnungen korrigierten.
Ähnliches gilt für die Bewilligung und Berechnung für die Kosten der Unterkunft.
Im Bereich Soziales werden wieder Ablehnungen von Reha-Maßnahmen aufgeführt, da sehr oft zwischen Rentenversicherung und Krankenkasse über die Kostenübernahme gestritten wird, wer die Leistung zu erbringen hat. Die Betroffenen finden sich allein nicht mehr zurecht und brauchten Beistand des Bürgerbeauftragten.
Das neue Strafvollzugsgesetz von 2013 wurde in seiner Umsetzung 2014 für die Inhaftierten und die JVABediensteten spürbar. So wurde das Übergangsmanagement besonders betont und die Zeiten festgelegt. Dies begrüßen wir ausdrücklich. Doch in der Praxis muss dies noch mehr Beachtung finden.
Der Wegfall von Päckchen mit Nahrungs- und Genussmitteln verärgerte manchen Häftling. Doch ist dies wegen der Sicherheit und dem Aufwand der Durchsuchungen, zum Beispiel das Öffnen von Paketen und Briefsendungen, zu rechtfertigen.
Dass Verlegungen in den offenen Vollzug über Petitionen möglich gemacht werden, zeigt auf, dass dieser Vollzug gerade im letzten Drittel der Haft doch stärker im Sinne von positiv vorbereitetem Übergang geprüft werden sollte. Die meisten Häftlinge sollten nicht bis zum letzten Tag im geschlossenen Vollzug bleiben, gerade auch, um eventuell noch vorhandene familiäre Bindungen zu stärken und die Arbeitsmöglichkeiten für das Leben in Freiheit abzuklären.
Strafrechtlich relevant waren Vorgänge in der Kindertagesstätte „Regenbogen“ in Annweiler, die auch in den Medien thematisiert wurden. Die betroffenen Eltern wandten sich an den Bürgerbeauftragten und forderten mehr Informationen. Die Staatsanwaltschaft und das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung reagierten umgehend und luden die betroffenen Eltern zu einer gemeinsamen Info-Veranstaltung ein. Danach wurde auch die Anregung aufgegriffen, dass bereits entlassene Kinder über das Verhalten und die Methoden von drei Erzieherinnen befragt wurden. Die Eltern bedankten sich ausdrücklich beim Bürgerbeauftragten.
Bei der Schülerbeförderung sind die Kommunen mit Blick auf den Rechnungshof teilweise sehr pauschal dazu übergegangen, Kindern und Jugendlichen die Beförderungskosten zu streichen. Da wird stets nur der kürzeste Weg aufgezeigt. Doch der kürzeste Weg ist nicht immer gangbar, wenn er zum Beispiel durch ein großes Industrie- oder Gewerbegebiet führt oder streckenweise unbeleuchtet ist. Gefährliche Wege müssen entschärft werden und, wie vom Bürgerbeauftragten erreicht, neue Wohngebiete, die außerhalb liegen, an das ÖPNV-Netz angeschlossen werden.
Sie sehen, das Themenspektrum des Petitionsausschusses ist sehr vielseitig und abwechslungsreich, aber stets am Interesse unser Bürgerinnen und Bürger orientiert.
Jüngst konnte sich der Petitionsausschuss mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundestag über deren Erfahrungen und Arbeitsweisen austauschen. Dabei konnten wir sehr interessiert den Umgang mit öffentlichen Petitionen
und der Möglichkeit, öffentliche Anhörungen durchzuführen, erörtern. Hier können wir uns auch für unser Land eine Weiterentwicklung vorstellen.
Ich komme zum Schluss. Im Namen der SPD-Fraktion sage ich den Kolleginnen und Kollegen im Petitionsausschuss Dank und Anerkennung für eine sehr konstruktive Zusammenarbeit über alle Fraktionsgrenzen hinweg. Ebenso danke ich der Landtagsverwaltung für ihre Unterstützung. Dankbar sind wir dem Bürgerbeauftragten Dieter Burgard und seinem neuen Stellvertreter, Herrn HermannJosef Linn – ich sehe ihn oben auf der Tribüne –, sowie seinem gesamten Team. In den Dank einschließen möchte ich auch unseren Ausschussvorsitzenden Fredi Winter.
Der Jahresbericht 2014 ist mehr als ein Nachweis, wie bürgernah, zum Beispiel bei fast 40 Sprechtagen im Jahr und vielen Terminen vor Ort, auch im 40. Jahr des Bestehens dieser Institution erfolgreich gearbeitet wird. Der Bürgerbeauftragte schafft mehr Transparenz, hinterfragt und prüft Entscheidungen, weckt gegenseitiges Verständnis und hilft konkret Menschen bei individuellen Problemen.
Wir wünschen Dieter Burgard, seinem Team und dem Petitionsausschuss auch im laufenden Jahr Erfolg für die Bürger. Dies hilft auch den öffentlichen Einrichtungen in Rheinland-Pfalz, noch bürgerfreundlicher, bürgernäher, einfach besser zu werden. Wir sind stolz auf unser rheinland-pfälzisches Erfolgsmodell.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es richtig und wichtig, dass wir als gewählte Volksvertreter uns hier und heute mit dem womöglich persönlichsten Thema der Menschheit beschäftigen, nämlich mit dem Sterben. Niemand spricht gerne über den Tod und das Sterben, und doch gehört es zum Leben.
Worum geht es mir? Darf ein Mensch, der krank ist, der unmenschliche Schmerzen hat und verzweifelt ist, Hilfe zum Sterben bekommen?
Vor allem geht es um die Frage, ob Ärzten eine Beihilfe zur Selbsttötung, also der ärztlich assistierte Suizid, erlaubt wird. – Um es vorweg zu sagen: Ja, ich glaube, diese Möglichkeit sollte es geben. – Warum?
Der Staat darf die selbstbestimmte Selbsttötung nicht verbieten. Dies lässt sich aus dem Grundgesetz und der geschützten Würde des Menschen und aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ableiten. Zur Würde eines Menschen gehört auch, sagen zu können, ich kann nicht mehr. Nimmt man diesen Menschen nicht die Würde, wenn man sie nicht lässt?
Aus der Praxis erzählen Ärzte von Situationen mit Patienten wie diese: Wenn es nicht mehr geht, dann werden Sie mir doch helfen? – Diese Hilfe ist aktuell nur unter Inkaufnahme von Konsequenzen umsetzbar.
Welche Formen der Sterbehilfe gibt es? – Es gibt die aktive Sterbehilfe, auch das Töten auf Verlangen genannt. Es ist zu Recht strafbar und soll es auch bleiben.
Es gibt die passive Sterbehilfe, also ein Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen. Sie ist seit 2010 erlaubt und auch vielfach über Patientenverfügungen geregelt.
Es gibt die indirekte Sterbehilfe, also die Inkaufnahme des verfrühten Todes durch eine schmerzlindernde Therapie, und schließlich gibt es den assistierten Suizid, etwa durch Bereitstellen eines tödlichen Mittels, und hierum geht es mir.
Wo liegt das Problemfeld in der Diskussion? – Es geht um das ärztliche Standesrecht. Laut (Muster-Berufsordnung der Ärzte, welche zehn von 17 Landesärztekammern übernommen haben, heißt es: Ärzte dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten. Wir brauchen jedoch eine gesetzliche Regelung, wonach die ärztliche Beihilfe straffrei bleibt bzw. ohne standesrechtliche Konsequenzen. Daher ist eine zivilrechtliche Regelung für die Ärzte erforderlich.
Natürlich sollen diese Möglichkeiten die individuelle Ausnahme bleiben und ärztliche Beihilfe nur auf freiwilliger Basis als Gewissensentscheidung möglich sein. Außerdem brauchen wir klar definierte Regeln. So muss eine unheilbare Krankheit, die unausweichlich zum Tode führt, ein objektiv schweres Leiden und eine umfassende Beratung des Patienten bezüglich anderer, insbesondere palliativer Behandlungsmöglichkeiten sowie ein VierAugen-Prinzip nachgewiesen sein. Es geht hierbei um die Rechte von Patienten in extremen Situationen. Ihr
eigenes Selbstbestimmungsrecht soll gestärkt und Rechtssicherheit für Ärzte geschaffen werden.
Weiterhin müssen die Angebote des Hospizwesens, der Palliativmedizin und der zuzurechnenden ambulanten Leistungen gestärkt und ausgebaut werden. Dies ermöglicht nicht nur ein Sterben in Würde, sondern ist zugleich ein präventiver Ansatz, dem Suizidwunsch zu begegnen. Ich habe größten Respekt vor den Pflegern, den Familien und Helfern in diesen Bereichen. Dort muss unser Schwerpunkt der Begleitung von Mitmenschen im letzten Lebensabschnitt liegen, damit die vorgenannten Möglichkeiten die absoluten Ausnahmen bleiben, Selbsttötungen nicht zum gesellschaftlichen Normalfall werden und unsere christlichen Wertevorstellungen weiterhin Orientierung bieten. Alleine jedoch das Wissen nach einem sprichwörtlichen Notausgang könnte für viele der Betroffenen eine Beruhigung darstellen.
Ich fasse zusammen: Das Selbstbestimmungsrecht, die Menschenwürde gebietet es in Grenzfällen, um unmenschliches Leid zu vermeiden, nach strengen Richtlinien eine Möglichkeit zu geben, in fachlich fundierter, ärztlicher Begleitung eine Beihilfe zum Sterben zu ermöglichen. Sterbebegleitung darf jedoch keine geschäftsmäßige Leistung werden. Deshalb ist ein Regelwerk zur ärztlichen Begleitung wichtig. Auch der Bundestag debattiert aktuell fraktionsübergreifend diese Thematik. Es zeichnet sich aktuell ein großer fraktionsübergreifender Zusammenhalt anlehnend an meinen Wortbeitrag ab.
Weiterhin nimmt selbstverständlich die Patientenverfügung eine zentrale Vorsorgestellung ein, und die bisherigen Regelungen dazu sollen unberührt bleiben.
Vielen Dank.