Protocol of the Session on November 19, 2014

Kinderhospiz auch mit Landesmitteln unterstützt wird, Stichwort Speyer.

Wir müssen es erreichen, dass wir die Palliativstationen auch flächendeckend anbieten können.

Ich möchte ein Weiteres nennen. Da schaue ich auch zum Hospizdienst. Ich selbst bin seit über zehn Jahren aktiv im ambulanten Hospizdienst. Mir ist diese Arbeit vor allen Dingen mit denen, die ehrenamtlich arbeiten, an das Herz gewachsen. Das ist ein Ja zum Leben, auch ein Ja zu den Schwächsten in unserer Gesellschaft. Sie sollen nicht das Gefühl haben, dass sie eine unzumutbare Belastung sind.

(Beifall der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb möchte ich sagen, was wir brauchen, nämlich eine gesetzliche Regelung für ein Verbot der gewerbsmäßigen und organisierten Sterbehilfe;

(Glocke des Präsidenten)

denn mit dem Sterbewunsch anderer sollen keine Geschäfte in diesem Land gemacht werden.

(Beifall der CDU)

Ich erteilte Herrn Kollegen Köbler das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, es geht hier um eine ganz wichtige und essenzielle gesellschaftliche Debatte, die wir mitnichten entlang von Partei- oder Fraktionsgrenzen führen dürfen oder sollten, sondern es geht um zutiefst ethische Fragen, es geht um Fragen des Menschenbildes und der Menschenrechte. Es geht am Ende auch um Antworten, wo es vielleicht gar nicht richtig oder falsch gibt. Deswegen begrüße ich sehr alle Vorschläge, die in die Richtung gehen, diese Debatte zu öffnen und zu organisieren, dass sich die Abgeordneten, aber auch die Gesellschaft nicht nur auf Bundesebene, sondern auch in Rheinland-Pfalz entsprechend mit einbringen können.

Ich glaube, im Kern geht es um das, was uns als Menschen ausmacht, als Individuen und Persönlichkeiten, dass wir durch die Personenwerdung, die Menschwerdung das Recht auf Selbstbestimmung haben. Da ist es natürlich gerade in diesen Grenzsituationen zum Ende eines Lebens, ob jetzt durch Alter, Krankheit oder vielleicht auch durch einen schweren Unfall, eine ganz schwierige Abwägungsfrage, wie man dieses Recht auf Selbstbestimmung bis in die letzten Stunden und Minuten eines Menschen so gut wie möglich sicherstellen kann, da auf der einen Seite zu einem Recht auf ein selbstbestimmtes Leben auch das Recht auf ein würdiges Sterben gehört. Was die Würde ist, ist eine zutiefst selbstbestimmte Entscheidung. Zum anderen muss man aber auch aus einem Gefühl heraus, dass man anderen

nicht zur Last fallen möchte, aufpassen, dass diese Selbstbestimmung auch nicht missbraucht werden kann, weil man diese eine Entscheidung nicht mehr korrigieren oder zurückholen kann.

Ich glaube, wir haben alle auch persönliche Erfahrungen gemacht. Ich weiß, dass ich zum ersten Mal mit diesem Thema konfrontiert worden bin, als meine Uroma viele Wochen und Monate im Sterben lag. Sie war todkrank, und es war sehr belastend, dass meine Oma, die selbst schon alt war, sie bis zum Schluss gepflegt hat und man irgendwie dachte, mein Gott, lass es doch zu Ende sein.

Jüngst wurde ich aber auch wieder in der Familie damit konfrontiert, dass durch ein multiples Organversagen mein Onkel in die Intensivstation der Universitätsmedizin musste und praktisch schon tot war. Da merkt man, da gibt es sozusagen nicht die eine richtige Entscheidung.

Ich glaube, wir müssen uns deswegen auch darauf konzentrieren zu sagen, was wir klären müssen, was nicht passieren darf. Frau Klöckner, wenn man weiß, dass 90 % aller Suizide von Menschen unternommen werden, die schwerst bzw. tödlich erkrankt sind, dann stellt sich doch das Problem, dass unsere Ärzte und Ärztinnen mehr Rechtssicherheit in diesen Fragen brauchen.

Ich glaube, dass wir eine Verantwortung dafür haben und wir es nicht widersprüchlichen berufsständischen Regelungen alleine überlassen können, wie eine Ärztin oder ein Arzt in einer ganz konkreten Situation sozusagen handeln. Da gibt es eine Grauzone, was in der Debatte auch unbestritten ist. Ich glaube, wir sollten uns wirklich überlegen, ob wir dabei durch alle Abwägungen im Einzelnen eine gewisse Rechtssicherheit auch für Ärztinnen und Ärzte wiederherstellen.

Bei dem Zweiten sind wir uns wiederum einig. Wir dürfen es überhaupt nicht zulassen, dass mit dem Tod von Menschen Kommerz betrieben wird und es sozusagen eine Sterbehilfeindustrie gibt. Das darf nicht passieren. Das hat auch mit Selbstbestimmung nichts mehr zu tun.

In meiner Fraktion bzw. meiner Partei gibt es in diesem Punkt sehr viele unterschiedliche Positionen. Ich glaube, wir sollten diesen Positionen auch auf Landesebene einen Raum geben, wie es der Deutsche Bundestag macht. Aber wir sollten die Debatte trotzdem führen, weil sie wichtig ist, weil sie die Menschen betrifft bis sozusagen in den Kern des Individuums hinein. Ich glaube, das ist in allen Familien Thema.

Dem sollten wir Raum geben. Deswegen bin ich dankbar für die Debatte. Dank der hervorragenden Leistung der Universitätsmedizin hat mein Onkel das überlebt, und meine Oma hat ihren Sohn wieder.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich erteile der Ministerpräsidentin das Wort.

Herr Präsident, liebe Kollegen und Kolleginnen! Der fundamentalste Artikel in unserem Grundgesetz ist Artikel 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

„Die Würde des Menschen ist unantastbar“ bezieht sich natürlich nicht nur auf das Thema Leben, sondern auch auf das Thema, in Würde sterben zu können.

Es ist wahrscheinlich der Wunsch eines jeden Menschen, in Würde sterben zu können. Ich denke, es ist unsere gesellschaftliche Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass Menschen in Würde sterben können. Deshalb bin ich froh über unseren Artikel 1 und nenne ihn sehr gerne immer wieder, weil er letztlich das alles überragende Prinzip ist.

Deshalb finde ich es gut, dass wir hier im Landtag das Thema andiskutieren. Aber ich freue mich darüber, wenn sich die Fraktionen einig darüber sind, das Thema intensiver zu debattieren, weil es natürlich immer wieder Auseinandersetzungen gibt in dem Spannungsfeld der Selbstbestimmung auf der einen Seite und der Verpflichtung des Schutzes des Lebens auf der anderen Seite.

Die Bioethik-Kommission des Landes hatte sich schon einmal mit dieser Frage beschäftigt. Das ist lange her. Die Landesregierung hat sich damals bewusst diesen Bericht nicht zu eigen gemacht. Ich denke, umso wichtiger ist es, dass wir im Parlament umfassend über diese Frage miteinander sprechen und miteinander diskutieren.

Es sind zwei Punkte, die mich wirklich sehr stark bewegen. Das eine ist, es ist wichtig zu sagen, dass es für uns im Land immer wichtig war, das Thema Palliativmedizin und das Thema Hospiz wirklich nach vorne zu treiben. Ich denke, da gab es hier im ganzen Haus immer einen ganz großen Konsens. Dazu gehört das hohe ehrenamtliche Engagement in unserem Land. Dazu gehört aber auch, dass wir ambulante Hospize, stationäre Hospize und Palliativstationen in unseren Krankenhäusern haben. Ich bin sehr froh darüber, dass auf der Bundesebene im Moment über die Frage nachgedacht wird, wie die Palliativmedizin weiter ausgebaut werden kann.

Der zweite Punkt – ich denke, da sind wir uns einig – ist, die gesellschaftliche Verpflichtung einzulösen, dass die Menschen die Möglichkeit haben, tatsächlich in Würde zu sterben.

Der andere Punkt, der mich immer sehr bewegt, ist die Frage der Grauzone oder des Handelns der Ärzte. Aus langer Zeit, in der ich Gesundheitsministerin war, weiß ich, dass Ärzte außerordentlich verantwortlich mit dieser Frage umgehen, wenn sie einen Patienten oder eine Patientin haben, die wirklich in einer Extremsituation sind. Wir können unseren Ärzten und dem Verhältnis zwischen Patienten und Ärzten vertrauen.

Es ist angesprochen worden, dass die standesrechtlichen Regelungen in der Bundesrepublik Deutschland sehr unterschiedlich sind. Wenn ich mit Ärzten spreche, beispielsweise in unseren Tumorzentren, dann gibt es

eine einhellige Meinung. Die einhellige Meinung ist, wir brauchen keine gesetzgeberische Maßnahme; denn unsere rechtlichen Regelungen lassen alles zu, was wir brauchen. Aber es wird schon immer sehr deutlich, dass es eine Verunsicherung unter den Ärzten und Ärztinnen in Bezug auf das Standesrecht gibt. Deshalb würde ich es begrüßen – so ist es auch angesprochen –, wenn wir eine breite Debatte auch unter Einbeziehung der Ärzte und Ärztinnen haben.

Sie beschäftigen sich zurzeit mit der Frage des Standesrechtes. Das ist richtig so. Ich denke, wenn unser Strafrecht die Offenheit hat, dass man in einer absoluten Extremsituation als Arzt handeln kann, ohne sich strafbar zu machen, dann ist es auch wichtig, dass es standesrechtlich eine Sicherheit für die Ärzte und Ärztinnen gibt. Das ist meine persönliche Position.

Es ist eine wichtige Debatte an dieser Stelle, denke ich. Ich würde mich freuen über die Diskussion mit den Standesorganisationen zusammen, die sich sehr umfassend immer wieder mit dieser Frage beschäftigen.

Ich will abschließend nur noch eines sagen. In Rheinland-Pfalz soll sich niemand einen vorgezogenen Tod wünschen, weil er glaubt, irgendjemand anderem zur Last zu fallen. Mich berührt auch, dass es Umfragen gibt, die sagen, dass sich Menschen in einem hohen Maße vorstellen können oder sich wünschen, dass sie eine aktive Sterbehilfe zur Verfügung haben. Das ist meistens nicht der Fall, weil sie sagen, ich möchte jetzt eigentlich gerne sterben. Viel zu oft – auch das sagen die Zahlen – ist es so, weil sie Angst haben, zur Last zu fallen, oder weil sie Angst haben, dass sie einsam sind.

Ich glaube, das ist eine Frage, mit der wir uns immer wieder beschäftigen müssen, wie wir den Menschen die Angst nehmen können und weiterhin noch mehr Sicherheit geben, dass man in diesem Land in Würde sterben kann, unterstützt, gut versorgt, aber vor allem auch menschlich begleitet. Darum wird es gehen. Ich bin sehr froh, dass wir darüber diskutieren.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Kollegen Schweitzer das Wort.

Lieber Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal vielen Dank für die Debatte. Das zeichnet uns aus, dass wir es verstehen, eine solche Frage so miteinander zu besprechen. In diesem Kontext fällt es mir sehr leicht zu sagen, vielen Dank für die Bereitschaft, meine Einladung, wie ich sie formuliert habe, Frau Klöckner und Herr Köbler, anzunehmen und im Ältestenrat miteinander darüber zu streiten, vielleicht auch gar nicht zu streiten, sondern sich darüber auszutauschen, wie eine solche Debatte strukturiert entlang

der Parameter und Stichworte, wie wir sie heute ausgetauscht haben, zu führen ist, und zwar mit zwei Überschriften: verantwortungsvoll und ernsthaft. Ich glaube, genau in diesem Kontext sollte eine solche Debatte laufen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Frau Klöckner, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schweitzer, ich glaube, ich habe einen eindeutigen Vorschlag, weil er sich auf Bundesebene bewährt hat. Deshalb wäre es sicherlich schön gewesen, wenn wir vorher gemeinsam in den Ältestenrat gegangen wären, dass wir mindestens eine Stunde oder zwei Stunden darüber reden und je nach Positionierung die Kolleginnen und Kollegen ganz offen reden lassen, gern im 5-Minuten-Takt. Aber ich glaube, das wird sicherlich kein Problem werden.

Es gibt eine Umfrage der Deutschen Hospizbewegung, warum Menschen früher aus dem Leben scheiden wollen. Drei Gründe werden genannt, zum einen Schmerzen, zum zweiten Einsamkeit und zum dritten, anderen zur Last zu fallen.

Früher aus dem Leben scheiden zu wollen, aktive Sterbehilfe beanspruchen zu wollen, ist in ganz vielen Fällen schlichtweg ein Hilferuf. Diesen Hilferuf sollten wir sehr ernst nehmen.

Wir haben keine großen Probleme in der aktuellen Gesetzgebung. Wie ist aktuell die rechtliche Lage? Töten auf Verlangen ist verboten. Assistierter Suizid ist möglich. Die Ärzte haben Spielräume. Es gibt die indirekte Sterbehilfe und die passive Sterbehilfe. Beides ist erlaubt. Es ist ein Unterschied, ob ein Mensch, weil er die Kraft am Ende des Lebens nicht mehr hat, nicht weiterleben möchte, weil die Kräfte zu Ende sind, oder ob er aktiv Dritte um die Beendigung seines eigenen Lebens bittet oder sogar ein Anrecht darauf hat.

Das ist ein großer Unterschied.

Deshalb sagen wir, die Patientenverfügung hat deshalb Festlegungen. Ich habe damals gegen die aktuelle, jetzt geltende Patientenverfügung gestimmt. Es gab damals im Deutschen Bundestag unterschiedliche Entwürfe. Zusammen mit Katrin Göring-Eckardt und Wolfgang Bosbach habe ich damals einen anderen Gesetzentwurf formuliert. Das war partei- und fraktionsübergreifend, was gut war. Aber die Patientenverfügung, die aktuell gilt, besagt, dass der Wille des Menschen Geltung haben muss.

(Glocke des Präsidenten)