Protocol of the Session on September 25, 2014

Gibt es Zusatzfragen? – Herr Kollege Steinbach, bitte.

Herr Dr. Kühl, wie bewerten Sie den Artikel 117 Landesverfassung im Vergleich zu anderen verfassungsrechtlichen Regelungen und das entsprechende Ausführungsgesetz im Vergleich zu anderen Ausführungsgesetzen anderer Länder im Hinblick auf die Wirksamkeit der Schuldenbremse?

Ich glaube, das, was dieses Parlament sowohl mit der Verfassungsänderung als auch mit dem Ausführungsgesetz verabschiedet hat, muss sich hinter keiner anderen Regelung in einem anderen Bundesland verstecken. Ich glaube, es ist ein oder eineinhalb Jahre her, dass unabhängige Wissenschaftler die Schuldenbremsen in den verschiedenen Ländern verglichen haben. Sie haben die rheinland-pfälzische als die weitgehendste und konsequenteste Schuldenbremse angesehen. Insoweit ist es auch konsequent, dass Ministerpräsidentin Dreyer gesagt hat, dass sie nicht beabsichtigt, diese Schuldenbremse anzutasten.

Eine Zusatzfrage von Herrn Kollegen Schreiner.

Herr Kollege Steinbach und Sie haben Artikel 117 Abs. 1 der Landesverfassung angesprochen. Ich zitiere: „Der Haushaltsplan ist grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen.“ – Das wäre die Kategorie, in der eine Ministerpräsidentin denken müsste.

Wie beurteilt die Landesregierung vor diesem Hintergrund, dass sie in dem Zeitungsartikel einen Zusammenhang herstellt zwischen notwendigen Infrastrukturinvestitionen, die unstreitig sind, und der Tatsache, dass

man eben nicht in den Kategorien der Schuldenbremse denken dürfe?

Ich zitiere gerne noch einmal den Satz, weil er klug ist, den die Ministerpräsidentin gesagt und den Sie auch in die Einleitung Ihrer Mündlichen Anfrage aufgenommen haben. Die Ministerpräsidentin hat nach dem Satz, wir dürfen keinesfalls gegen die Schuldenbremse sprechen, den Satz gesagt: „Wir dürfen in Deutschland auch nicht nur in Schuldenbremsenkategorien denken.“ – Da steckt eine ganze Menge Wahrheit dahinter. Die Schuldenbremse heißt, wir müssen das strukturelle Defizit bis 2020 auf null zurückführen. Bestimmte Ausgabearten werden neutralisiert – finanzielle Transaktionen. Das wissen wir alles; denn das haben wir lange diskutiert.

Es ist aber der Schuldenbremse relativ egal, ob wir Ausgaben bei Straßen, bei Bildung oder sonst irgendwo kürzen. Das heißt, der qualitative Anspruch an die Politik zu entscheiden, was wichtige Ausgaben sind, welche auch in Zeiten der Konsolidierung priorisiert werden müssen, bleibt. Darauf hat Frau Dreyer hingewiesen, indem sie Bereiche in dem Interview benannt – das Sie offensichtlich gelesen haben – und gesagt hat, Bildung, Innovation, Breitbandausbau und digitale Revolution sind die Dinge, die wir bei der qualitativen Konsolidierung, die es neben der quantitativen immer geben muss, berücksichtigen und beachten müssen. Ich finde, das ist klug und nachvollziehbar.

Eine weitere Zusatzfrage von Herrn Kollegen Steinbach.

Wie bewertet denn die Landesregierung die Äußerungen des Bundesfinanzministers Dr. Wolfgang Schäuble, CDU, die Schuldenbremse für die Länder gegebenenfalls lockern zu wollen?

Ja, das ist eine der vielen Möglichkeiten, die gegenwärtig im Rahmen der Bund-Länder-Finanzbeziehungen geprüft werden. Dieser Vorschlag ist von der CDU oder vom Bundesfinanzministerium eingebracht worden.

Die Länder – ich glaube, da spreche ich für alle Länder – ringen momentan mit dem Bund darüber, dass bei der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ab 2019 ein vernünftiger Finanzierungsanteil bei den Ländern bleibt. Der Bund ist bereit, einen Teil des Soli, den er übrigens ohne die Länder nicht aufrechterhalten kann, abzugeben. Dann ist es ein Angebot zu sagen, bevor wir „echtes“ Geld abgeben, geben wir Verschuldungsmöglichkeit ab. Ja, ich würde sagen, das ist ein bisschen ein vergiftetes Angebot. Oder um es positiv auszudrücken: Aus der Sicht des Bundes ist es ein taktisch kluges Angebot, aber eines, das für die Länder, glaube ich, nicht annehmbar ist.

Es wäre etwas anderes gewesen, wenn der Bund im Jahre 2009 gesagt hätte: Sollten die Länder nicht von unseren 0,35 % Verschuldungsmöglichkeiten etwas abbekommen? – Nachdem er es aber einmal so entschieden hat und alle Länder ihre Konsolidierungskonzepte auf die Null in 2020 ausgerichtet haben, sage ich einmal, wollen die Länder lieber X Milliarden Euro vom Bund an zusätzlicher Finanzausstattung als X Milliarden zusätzliche Verschuldungsmöglichkeit. Ich glaube, das ist nachvollziehbar.

Eine weitere Zusatzfrage von Herrn Kollegen Weiland.

Herr Minister, die Frage ist doch: Rechtfertigen Ihrer Auffassung nach notwendige Investitionen in Infrastruktur, Bildung, Innovation, Breitbandausbau und digitale Revolution Ausnahmen von der Schuldenbremse, oder sind diese Investitionen Ihrer Auffassung nach unter Einhaltung der Schuldenbremse zu tätigen?

Natürlich das Zweite, weil das so in der Verfassung steht. Ich halte das auch für sachlich richtig.

(Dr. Weiland, CDU: Das ist dann ein Widerspruch zu dem Eindruck, den die Ministerpräsidentin vermittelt hat!)

Nein, das ist kein Widerspruch zu dem Eindruck. Herr Weiland, die Eindrücke bilden Sie in Ihrem Kopf. Sachlich gilt das, was in dem Interview steht.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Eine weitere Zusatzfrage von Herrn Kollegen Schreiner.

Wir sind uns vordergründig augenscheinlich einig, dass beispielsweise digitale Infrastruktur und Breitbandausbau ein wichtiger Investitionsschwerpunkt sind.

(Zuruf von Herrn Abg. Dr. Weiland, CDU)

Wie beurteilt die Landesregierung – – –

Herr Kollege Weiland, Ihr Kollege fragt gerade. So viel Rücksicht sollten Sie doch darauf nehmen wollen.

(Dr. Weiland, CDU: Diese Arroganz, die an den Tag gelegt wird!)

Es wird keine Arroganz an den Tag gelegt, und wenn es um Arroganz geht, seien Sie einmal selbstkritisch.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Weiland, CDU: Ich habe keine halbe Milliarde am Nürburgring versenkt!)

Dazu hatten Sie auch keine Gelegenheit.

Herr Schreiner, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, Herr Minister, wie beurteilen Sie vor dem Hintergrund der konstatierten Notwendigkeit, den Breitbandausbau in Rheinland-Pfalz voranzutreiben – Sie haben gesagt, hier müsste man einen qualitativen Schwerpunkt setzen –, dann beispielsweise das Verhalten der Landesregierung, den über Jahre immer wieder vielleicht viel zu niedrig mit 2,65 Millionen Euro angesetzten Titel für den Breitbandausbau im Entwurf für den Haushaltsplan, der aktuell abgewickelt wird, komplett zu streichen? Nur auf Antrag der CDU-Fraktion in den Haushaltsberatungen im vergangenen Dezember hat sich Rot-Grün bewegt und ihn immerhin wieder mit 2,5 Millionen Euro ausgestattet.

(Noss, SPD: Das stimmt doch gar nicht!)

Wie beurteilen Sie dieses ständige Hin und Her,

(Pörksen, SPD: Können Sie mal eine Frage stellen? Keine Behauptungen aufstellen!)

diese Beliebigkeit bei einem so wichtigen Innovationsthema vor dem Hintergrund dessen, was die Ministerpräsidentin gesagt hat?

Herr Schreiner, die Diskussion über den Breitbandausbau kenne ich schon seit 2006. Damals war ich Staatssekretär im Wirtschaftsministerium. Seitdem hat Rheinland-Pfalz in einer sehr schwierigen topografischen Situation – es gibt Länder, bei denen es etwas einfacher ist, Breitbandausbau für die Gesamtbevölkerung herzustellen – eine ganze Menge Anstrengungen unternommen, um da voranzukommen. Nach meinem Eindruck – ich kann Ihnen den aktuellsten Stand, weil ich nicht mehr fachlich dafür zuständig bin, nicht sagen – hat sich da eine ganze Menge getan.

Im Übrigen gab es immer wieder Initiativen gegenüber dem Bund oder auch Versprechungen des Bundes, die Länder beim Breitbandausbau zu unterstützen. Die aktuelle Etatisierung scheint mir nicht so zu sein, dass Breitbandausbau in Rheinland-Pfalz nicht in dem Sinne, wie Frau Ministerpräsidentin Dreyer das in dem Interview eingefordert hat, möglich wäre. Ich bin mir relativ sicher, dass wir uns in Rheinland-Pfalz im Vergleich zu anderen Ländern hinreichend anstrengen, um diese durchaus wichtige Infrastruktur in unserem Land hinreichend bereitzuhalten.

Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Wilke.

Herr Minister, wenn Sie an der Schuldenbremse nicht rütteln wollen, aber sagen, im Infrastrukturbereich muss in der Zukunft noch stärker ein Schwerpunkt gesetzt werden, dann möchte ich wissen, welche zusätzlichen Mittel für den Unterhalt insbesondere unserer Straßen Sie im nächsten Doppelhaushalt zusätzlich ausweisen wollen? Wie wollen Sie das gegenfinanzieren?

Herr Wilke, ich habe in der Antwort auf die Anfrage zur Frage 3 – darin wurde von Ihrer Fraktion genau danach gefragt – gesagt, es gibt vom Grundsatz her drei Möglichkeiten, um Konsolidierung und Priorisierung zusammenzubringen. Voraussetzung ist, man muss nach wie vor bereit sein, auf der Ausgabenseite Konsolidierungsmaßnahmen vorzunehmen.

Ich glaube, es ist unstreitig, dass die Landesregierung das zugegebenermaßen gegen viel Widerstand getan hat und so viel konsolidiert hat, dass sie über die notwendigen Einsparungen für die Schuldenbremse hinaus Gelegenheit hatte, auf der Ausgabenseite bei der Infrastruktur, beispielsweise bei der Bildung, Ausgabenprioritäten zu setzen, also mehr zu tun.

In der Beantwortung der Anfrage habe ich auch gesagt, dass es notwendig ist, die Einnahmen zu stabilisieren. Dazu gehört für mich in erster Linie, dass man versucht, eine vernünftige wirtschaftliche Entwicklung in diesem Land zu bekommen, weil damit zum großen Teil die Einnahmen korrelieren. Dazu gehört für mich auch, dass man es sich gut überlegen muss bzw. es nicht tun sollte, Steuern in diesen Zeiten zu senken.

Dazu gehört für mich drittens – das tun momentan die 16 Bundesländer mit dem Bund –, dass wir darüber diskutieren müssen, wie mit dem Finanzvolumen umgegangen wird, das bis zum Jahr 2019 für den sogenannten Solidarpakt aufgebracht wird, und das dann nicht mehr benötigt wird, weil dem keine Ausgaben mehr gegenüberstehen. Nicht nur ich, sondern alle Länder und letztlich auch der Bund sind der Meinung, dass man das Volumen aufrechterhalten muss.

Das wird eine der Maßnahmen auf der Einnahmeseite sein, die es uns ermöglicht, eine qualitative Konsolidierung, das heißt Ausgabenprioritäten zu realisieren, ohne dass wir deswegen neue Steuern erhöhen müssten. Ich glaube, wir können auch keine Steuersenkungen in großem Stil vornehmen.

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Kollegen Wilke.

Herr Minister, ich habe Ihnen eine ganz konkrete Frage gestellt. Sie haben mit allgemeinen Floskeln geantwortet. Ich frage noch einmal: Welche zusätzlichen Mittel wollen Sie für den Straßenbau und den Straßenunterhalt im nächsten Haushalt ausweisen? Wie wollen Sie diese konkret gegenfinanzieren?

Herr Wilke, um es mit Ihren Worten zu sagen, müsste ich Ihnen noch einmal die Floskeln nennen. Wir werden Ausgaben zurückführen. Wir werden das Ausgabenwachstum im Vergleich zum Einnahmewachstum reduzieren. Dadurch bekommt man Handlungsspielräume für die Schuldenrückführung auf der einen Seite und für zusätzliche Anstrengungen auf der Ausgabenseite auf der anderen Seite. Das werden wir wie in den vergangenen Jahren, in denen wir uns auch nicht viel erlauben konnten, anwenden, um dort zu gestalten und zu priorisieren, wo wir es für politisch wichtig halten.

Wie viel das in den einzelnen politischen Bereichen sein wird, die auch in dem Interview von Frau Dreyer angesprochen wurden, werden wir in den Haushaltsverhandlungen innerhalb der Landesregierung und mit dem Parlament entscheiden. Das wird genau auf diesem Weg passieren. Sie können nicht von mir erwarten, dass ich Ihnen jetzt eine Zahl zurufe.

Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Wansch.

Herr Minister, da Herr Kollege Wilke die Finanzplanung des Landes wohl nicht so verfolgt hat, habe ich eine Frage zur Finanzplanung für die nächsten Jahre. Könnten Sie darstellen, wie sich der geplante Abbaupfad im Vergleich zu dem rechnerisch notwendigen Abbaupfad darstellt, um im Jahr 2020 die Schuldenbremse erfüllen zu können?

Ich kann es Ihnen mit Zahlen nicht darstellen, weil ich sie nicht auswendig gelernt habe. Ich weiß aber relativ sicher, dass es uns in allen Jahren, in denen wir die Schuldenbremse und den linearen Abbaupfad einhalten müssen, gelungen ist, eine Sollveranschlagung im Haushalt zu machen, die niedriger als das ist, was wir nach der Schuldenbremse hätten machen müssen. Ich glaube, es ist uns in all den Jahren gelungen, das IstErgebnis des Haushalts, nachdem der Haushalt vollzogen war, noch ein Stück weit besser zu machen als die ohnehin schon ehrgeizige Sollveranschlagung.