Der Ausschuss für Bildung hat den Gesetzentwurf in drei Sitzungen behandelt: in der 25. Sitzung am 3. April 2014, in der 26. Sitzung am 13. Mai 2014 und in seiner 27. Sitzung am 5. Juni 2014. In seiner 26. Sitzung am 13. Mai 2014 hat der Ausschuss für Bildung ein Anhörverfahren durchgeführt.
Der Ausschuss für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur hat den Gesetzentwurf in seiner 23. Sitzung am 12. Juni 2014 beraten.
Zu diesem Tagesordnungspunkt darf ich den Landesbeauftragten für die Belange behinderter Menschen, Herrn Matthias Rösch, sehr herzlich begrüßen. Herr Rösch, seien Sie uns herzlich willkommen!
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ein wichtiger und guter Tag für die Schulen, die Schülerinnen und Schüler, die Lehrkräfte und die Eltern in unserem Land. Nach intensiver Diskussion und langen Beratungen werden wir endlich das vorbehaltlose Elternwahlrecht für Eltern von behinderten Kindern im Schulgesetz verankern. Damit wird die Inklusion nicht per Gesetz eingeführt, sondern es wird gesetzlich nachvollzogen, was de facto in Rheinland-Pfalz schon lange praktiziert wird: Die Eltern von behinderten Kindern können wählen, ob sie ihr Kind in einem inklusiven System, in einer Schwerpunktschule im Regelsystem oder in einer Förderschule unterbringen möchten. Dies ist in dem Gesetzentwurf unmissverständlich ausgeführt.
Damit tragen wir der UN-Behindertenrechtskonvention Rechnung, der wir uns aus dem Selbstverständnis her
aus verpflichtet haben, dass Vielfalt Normalität ist. Dabei ist die individuelle Förderung schon seit jeher ein wichtiges Prinzip rheinland-pfälzischer Bildungspolitik. Dem Preußenkönig Friedrich dem Großen wird der Satz zugeschrieben: „Der schlimmste Weg, den man wählen kann, ist der, keinen zu wählen.“ Gerade das haben wir nicht getan. Wir haben uns für den Weg des Elternwahlrechts entschieden; denn Eltern kennen ihr Kind am besten und können am besten entscheiden, welche Schulform die richtige ist.
Die Maßnahmen, die zum Gelingen von Inklusion gehören, sind vielfältig, zum Beispiel die Bereitstellung der erforderlichen Lehrkräfte – wir machen das mit 200 Förderschullehrkräften zusätzlich im System –; die Beratung und Unterstützung durch Förder- und Beratungszentren, die sich aus Förderschulen entwickeln und ein wichtiger Motor der Inklusionsmaßnahmen in der Schule sein werden; der weitere Ausbau des Netzes von jetzt schon 262 Schwerpunktschulen, in denen die sonderpädagogische Kompetenz gebündelt wird und alle Kinder entsprechend ihren Fähigkeiten individuell gefördert werden; eine enge Vernetzung über die Förder- und Beratungszentren mit Förderschulen; die Aus- und Fortbildung der Regelschullehrkräfte; die Vernetzung aller schulischen und außerschulischen Akteure und vieles mehr.
Sie sehen, die Eltern in Rheinland-Pfalz können sich auf ein gutes inklusives Bildungsangebot verlassen, wenn sie dies wünschen, und wir werden dies stetig weiterentwickeln.
Neu und vielleicht auch ein bisschen revolutionär ist der Wegfall des Ressourcenvorbehalts, der verhindern soll, dass Inklusion an einzelnen Umsetzungsmaßnahmen scheitert. Vielmehr müssen in den Schwerpunktschulen für jeden Einzelfall geeignete Vorkehrungen getroffen werden. Übrigens können auch Eltern und Lehrkräfte davon profitieren. Das gilt für alle Schularten, auch für das Gymnasium.
Für die besonderen Bedingungen in der berufsbildenden Schule ist eine Experimentierklausel aufgenommen worden. Die ist uns wichtig, denn die berufsbildenden Schulen erbringen schon heute in ihrer täglichen Arbeit enorme Inklusionsleistungen. Ich finde es aber sehr schade, dass wir in diesem Hohen Hause bei dieser wichtigen und grundlegenden Frage der selbstbestimmten Teilhabe aller Menschen an Bildung, also bei der Frage der schulischen Inklusion, bisher nicht ohne Streit miteinander ausgekommen sind. Das Thema ist für uns zu sensibel, um es politisch zu instrumentalisieren.
Bei der Inklusion handelt es um die Frage, wie wir Menschen miteinander umgehen. Beispiele aus anderen
Schleswig-Holstein zum Beispiel auch. – Leider versucht die CDU mit dem Antrag, der uns vorgelegt worden ist, auch heute wieder, Emotionen zu schüren. Sie suggeriert in diesem Antrag die Benachteiligung behinderter Kinder im Regelschulsystem und redet in ihrem Entschließungsantrag einmal mehr der Separation statt der Inklusion das Wort. Der Antrag verrät die Einstellung der CDU: Es geht Ihnen eigentlich nicht so sehr um die Inklusion, sondern darum, solch hohe Hürden aufzubauen, dass – aus CDU-Sicht – Inklusion nicht möglich ist. Ich finde, eine solche Haltung ist nicht in Ordnung. Statt Wege zu suchen, wie Inklusion gelingen kann, sucht die CDU Wege, um Inklusion zu umgehen.
In der Diskussion in den letzten Monaten konnte man den Eindruck gewinnen, dass Inklusion einzig und allein eine Kostenfrage sei. Natürlich stellt die Umsetzung von Inklusion alle Beteiligten, auch die Kommunen, vor große Herausforderungen. Das haben wir nie bestritten. Deswegen hat die Landesregierung den Kommunen ein sehr gutes Angebot von pauschal jährlich 10 Millionen Euro im Rahmen eines Unterstützungsfonds unterbreitet – ein sehr gutes Angebot. Wir sind froh, dass sich die Landesregierung und die Spitzen der kommunalen Spitzenverbände gestern auf einen Vereinbarungsentwurf geeinigt haben, der den Gremien zugeleitet wird. Mein Dank geht an die beiden beteiligten Minister!
Dieses Angebot ist keine Erpressung, wie es die CDU verlautbaren lässt, sondern ein konsequentes Handeln. Wir sind auf diesem weiten Weg schon viele Schritte gegangen, und es ist ein wichtiger Meilenstein, der heute zu verabschieden sein wird.
Es ist ein Meilenstein sozialer Gerechtigkeit in der Inklusion, und ich hoffe, Sie werden dem Gesetzentwurf zustimmen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass die Landesregierung bei ihrem eigenen Gesetzentwurf
sehr unsicher ist und einen Zickzackkurs fährt, sehen wir daran, dass um 13:15 Uhr der letzte Änderungsantrag hierzu gekommen ist. Ich bin mir sicher, das wird auch nicht der letzte Änderungsantrag in der langen Debatte sein. Die werden wir nach 2016 sicherlich führen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin mir nämlich sicher, auch Sie werden noch zur Einsicht kommen und sehen, dass man, wenn man die Inklusion fördert, zuerst für die Finanzierung sorgen muss. Erst dann kann die Inklusion gelingen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Landesregierung hat hier einen Entwurf für ein Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes eingebracht, das konnexitätsrelevant ist. Das klingt banal. Aber die Landesregierung lehnt bis heute diese Realität ab. Konnexitätsrelevant heißt, dass die Regierungsziele, die mit einer Vorstellung von Totalinklusion verbunden sind, wie sie die Landesregierung hat, Kosten verursachen, die auch von der Landesregierung mitgetragen werden müssen.
Lange hat Frau Ahnen das bestritten. Doch außer Ihnen, Frau Ahnen, ist kaum noch jemand dieser Ansicht, übrigens auch viele Genossen nicht. Sie haben es sicherlich mitbekommen – auch wenn Sie dabei heiter sind –,
dass es in Frankenthal einen einstimmigen Beschluss gab, übrigens mit Rot und Grün zusammen. Dieser Stadtrat hat deutlich gesagt, dass dieses Gesetz konnexitätsrelevant ist und man von der Landesregierung erwartet, dass sie für ihre Vorstellungen, die sie hat, für die Finanzierung sorgt, und zwar unterstützt von Rot und Grün.
Heute steht dieses Landesgesetz zur Abstimmung. Doch Sie bestreiten weiterhin Ihre Verantwortung, die kommunalen Inklusionskosten zu tragen. Sie ignorieren alle Stellungnahmen, Expertisen, Ergebnisse der Landtagsanhörung und die aktuelle Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes.
Frau Ahnen, Sie sind so nervös, lassen Sie mir doch einfach die Zeit. Ich habe noch ein paar Minuten. Seien Sie ganz entspannt.
Ich weiß, auch Sie haben ein Problem mit den kommunalen Spitzenverbänden. Sie haben Angst vor einer Klage. Deshalb drehen und winden Sie sich hier,
(Beifall der CDU – Frau Brede-Hoffmann, SPD: Aber wir sind gespannt, wie Sie die Kuh vom Eis kriegen!)