Protocol of the Session on June 27, 2014

Das Wort hat Frau Ministerin Ahnen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Auch von mir nur noch ganz wenige Anmerkungen. Ich freue mich, dass dieser Antrag offensichtlich breiten Konsens auslöst. Ich freue mich, dass er auf beide Bereiche eingeht und es einerseits darum geht, die Studienbedingungen, die Studienberatung und die Studienunterstützung an den Hochschulen so zu gestalten, dass Studienabbrüche weiter reduziert werden können, aber andererseits darauf abgestellt wird, dass es für jene, die ihr Studium nicht zu Ende bringen können, wollen, Alternativen im System gibt. Das hat viel damit zu tun, dass wir uns insgesamt bemühen, dass die jeweiligen Bildungsbereiche auch Leistungen anerkennen, die in anderen Bildungsbereichen erbracht werden, wodurch flexiblere Biografien möglich sind.

Es ist auf viele Beispiele eingegangen worden. Natürlich ist das herausragendste das der Fachhochschule Kaiserslautern. Darüber haben wir im Ausschuss intensiv berichtet. Es gibt aber auch andere Hochschulen, die sich verstärkt dieser Frage annehmen, vor allen Dingen aus den Programmbudgets des Hochschulpaktes, der ausdrücklich dort einen Schwerpunkt setzt.

Ich will auf eine zusätzliche Initiative gerne hinweisen, weil sie vielleicht noch nicht so bekannt ist. Die CarlZeiss-Stiftung hat aus Anlass ihres 125-jährigen Bestehens den Ländern Baden-Württemberg, Thüringen und Rheinland-Pfalz jeweils Mittel in Höhe von 4 Millionen

Euro zur Verfügung gestellt. Aus den für Rheinland-Pfalz zur Verfügung stehenden Mittel wollen wir 1 Million Euro nutzen – so haben wir es bei der Carl-Zeiss-Stiftung beantragt –, um ein entsprechendes Carl-Zeiss-Stiftungskolleg auf den Weg zu bringen. Das wiederum soll sehr konkret die Aufgabe haben, sich um den wissenschaftlichen Nachwuchs im Bereich der sogenannten MINT-Fächer zu kümmern, insbesondere dem Ingenieurbereich, und einerseits dafür sorgen, dass möglichst noch mehr junge Menschen dieses Studium aufnehmen, aber andererseits Unterstützung leisten, damit sie ihr Studium zu Ende bringen. Ich denke, auch diese Initiative fügt sich hervorragend ein.

Es wird in Zukunft sicherlich darauf ankommen – dazu kann das auf Bundesebene auf den Weg gebrachte JobStart-Up-Programm einen Beitrag leisten –, dass es eine noch intensivere Zusammenarbeit zwischen Hochschulen, Kammern und Bundesagentur gibt, um für Studierende in ihrer jeweiligen Situation jeweils optimale, passgenaue Angebote machen zu können. Insofern werden wir uns in den nächsten Jahren verstärkt um diesen Bereich mit kümmern. Es sind primär die Hochschulen angesprochen. Aber das Land kann durchaus Unterstützung leisten. Das haben wir vor. Wir haben die Projekte bisher sehr engagiert begleitet. Wir wollen das auch in der Zukunft tun.

Insofern, ja, ich finde, dass dieser Antrag wichtig ist, er ein wichtiges Signal aussendet und noch einmal ein Signal an die Hochschulen, an die Studierenden ist. Deswegen begrüße ich diese Initiative sehr und würde mich freuen, wenn sie breite Unterstützung findet.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es liegt ein Überweisungsvorschlag an den Ausschuss für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur vor. Kann dem von allen Seiten so zugestimmt werden? – Ich sehe keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen.

Ich rufe Punkt 33 der Tagesordnung auf:

Welcome Center: Beitrag zur Fachkräftesicherung und Baustein einer Willkommenskultur in Rheinland-Pfalz Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/3666 –

dazu: Rheinland-Pfalz für ausländische Fachkräfte attraktiv machen Antrag (Alternativantrag) der Fraktion der CDU – Drucksache 16/3687 –

Das Wort hat Herr Kollege Hering von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine gute Willkommenskultur ist nicht nur Frage einer Sozialpolitik der Menschlichkeit, eine gute Willkommenskultur ist ein wichtiges Instrument zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts.

Ich will mit Erlaubnis des Präsidenten Herrn Bundespräsidenten Gauck zitieren, der über die Chancen der Zuwanderung gesprochen hat. In diesem Zusammenhang nannte der Bundespräsident angesichts der Tatsache, dass jeder fünfte Bundesbürger inzwischen familiäre Wurzeln im Ausland habe, es skurril, wenn manche der Vorstellung anhingen, es könne so etwas geben wie ein homogenes, abgeschlossenes Deutschland.

Wir haben – das muss man aufgrund der Fachkräfteherausforderung sagen – erfreulicherweise seit 20 Jahren die höchste Zuwanderung in Deutschland. Im Jahr 2013 sind 1,2 Millionen Menschen zu uns gekommen. Zu zwei Dritteln kommen diese Menschen aus den Staaten der Europäischen Union.

Erfreulicherweise hat die OECD festgestellt, dass Deutschland die geringsten rechtlichen Hürden für Zuwanderung von hoch qualifizierten Menschen hat.

Ich sage, das ist zwar erfreulich, doch wenn wir betrachten, wie groß die Herausforderung des Fachkräftebedarfs mittlerweile ist – ich will aus der Studie der Industrie- und Handelskammern in Rheinland-Pfalz zitieren, die davon ausgeht, dass wir einen zusätzlichen nicht gedeckten Bedarf im Bereich der beruflichen Qualifikation von 100.000 Arbeitnehmerinnen und -nehmern und im akademischen Bereich von mindestens 2.300 im Jahr 2030 haben –, dann ist auch klar, dieser Bedarf kann nicht allein durch Zuwanderung gedeckt werden.

Die umfangreichen Anstrengungen der Landesregierung zur Lösung der Herausforderung des Fachkräftebedarfs im Bildungsbereich, die am ovalen Tisch gebündelt werden, beispielsweise durch Unterstützung derjenigen, die bisher keinen Berufsabschluss haben, und viele andere Maßnahmen müssen intensiviert und fortgesetzt werden.

Ein wichtiges Instrument ist dabei eine gute Willkommenskultur und dafür zu sorgen, dass wir die richtigen Instrumente haben, auch im Wettbewerb, der zwischen den Regionen um Fachkräfte stattfindet.

Da ist das Welcome Center, das in dem Antrag angestrebt wird und die Ministerpräsidentin auf dem Empfang der Wirtschaft vorgeschlagen hat, ein gutes und wirksames Instrument; denn qualifizierte Fachkräfte aus anderen Regionen erwarten, dass sie eine kompetente Ansprechstelle haben, die informiert, welche Arbeitsangebote es gibt, wie aufenthaltsrechtliche Fragen, wenn sie zu lösen sind, gelöst werden, wie die Wohnsituation für mich und meine Familie ist, welche Perspektiven die Kinder im Bildungsbereich haben und welche beruflichen Chancen meine Partnerin oder mein Partner hat. All

diese Fragen müssen von einer Stelle kompetent beantwortet werden.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich war gemeinsam mit Herrn Kollegen Guth in Hamburg, wo wir uns das Welcome Center angesehen haben. Dort wurde die Aussage bestätigt: Es gibt qualifizierte Fachkräfte, die um ihre Marktchancen wissen und sich über verschiedene Regionen informieren. Wenn sie dann eine Region vorfinden, in der diese zentralen Ansprechstellen nicht vorhanden sind, sagen sie, das scheint für mich nicht die richtige Region zu sein, wenn ich mir erst alles zusammensuchen muss.

Wir müssen das auch zur Unterstützung der mittelständischen Wirtschaft in Rheinland-Pfalz machen. BASF und Boehringer haben damit keine Probleme, sie haben diese Servicestellen, die selbstverständlich alles abdecken. Aber gerade für die mittelständische Wirtschaft muss dieser Service in Verbindung mit den Kammern geboten werden. Deswegen begrüße ich das, was die Landesregierung auf den Weg bringen wird, dass wir in Rheinland-Pfalz dieses Welcome Center bekommen.

Es war der richtige Ansatz, wie in Hamburg gewählt, dass Sachbearbeiter dort Telefondienst machen und an der Rezeption arbeiten. Jeder Kunde dieses Welcome Center hat einen Gesprächspartner, der hoch kompetent alle Auskünfte geben kann, der, wenn er selbst nicht die Fachkompetenz hat, präzise weiß, wer sie hat und sie für den Kunden beschafft. So müssen wir führen und ein wirtschaftsfreundliches Rheinland-Pfalz werden.

In diesem Zusammenhang – damit will ich schließen – ist die entscheidende Frage: Wie fremdenfreundlich ist ein Land? – Denn die qualifizierten Bewerber stellen auch diese Frage.

(Glocke des Präsidenten)

Hoyerswerda hat große Probleme, einen qualifizierten Ingenieur aus dem Ausland zu bekommen, weil diese Region wegen der Vorkommnisse einen schlechten Ruf hat. Deswegen werden wir, wenn wir ein Land mit einer guten Willkommenskultur sind, attraktiv sein für qualifizierte Fachkräfte, die unsere Wirtschaft dringend braucht.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Brandl das Wort.

Vielen Dank. Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich darf mich bei Rot-Grün für den Antrag zur Fachkräftesicherung bedanken. Wie schon oft von dieser Stelle

ausgeführt, ist der Fachkräftemangel in meinen Augen die größte Bedrohung unserer Wirtschaftskraft in den nächsten 20 Jahren. Von daher ist es sinnvoll, jetzt die richtigen Weichen zu stellen, um nicht sehenden Auges die Fachkräfteproblematik zu verschlafen.

Wir, die CDU, haben im Januar ein umfassendes Konzept dazu vorgelegt. Ich will betonen, wie wichtig es ist, gute und qualifizierte Fachkräfte für alle Wirtschaftszweige zu gewinnen.

Selbstverständlich ist es aber auch notwendig, stille Potenziale in Rheinland-Pfalz zu heben, indem wir zum Beispiel die Zahl der Schulabbrecher verringern und durch Sozialarbeit vielen jungen Menschen erst ermöglichen, einen Schulabschluss zu machen.

Die große Herausforderung beim Thema Fachkräftemangel besteht darin, die Wirtschaft mit gut ausgebildeten, mit motivierten und qualifizierten Fachkräften zu versorgen; denn unsere wirtschaftliche Stärke hat sich nicht dadurch entwickelt, dass wir immer nur die Schwächsten ausgebildet haben, sondern insbesondere die vorhandenen Arbeitnehmer durch unsere Bildungssysteme zu hervorragenden Fachkräften weiterqualifiziert haben.

(Beifall der CDU)

Vor diesem Hintergrund muss die Debatte zur Fachkräftesicherung durch Welcome Center gesehen werden. Unser Arbeitsmarkt ist geprägt von einer hohen Automatisierung und Rationalisierung. Daher brauchen wir nicht irgendwelche Arbeitskräfte, wir brauchen gut ausgebildete und hervorragend qualifizierte Fachkräfte, die sich in diesen speziellen Arbeitsmarkt integrieren können.

Die Forderungen dieser Fachkräfte, um in Deutschland einzuwandern, sind hoch; denn keiner verlässt gern die Heimat, nimmt die Strapazen einer neuen Kultur, einer neuen Sprache und einer neuen Umgebung auf sich, wenn er sich im Zielland nicht willkommen fühlt.

Daher ist es wichtig, dass wir gerade für die zuwandernden Fachkräfte eine Willkommenskultur in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Verwaltung schaffen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Nun ist die Frage, wie diese Willkommenskultur konkret umgesetzt wird. Ich glaube, an der Stelle wird es ein Stück weit schwierig. Viele einzelne Maßnahmen wurden schon angegangen oder befinden sich, wie das Anerkennungsgesetz, in der konkreten Anwendung.

Heute schlagen Sie als neuen Aspekt die Einrichtung von sogenannten Welcome Centern vor und führen insbesondere das Beispiel Hamburg auf.

Gerade durch das Beispiel Hamburg stellen sich für uns ganz viele Fragen; denn was verstehen Sie konkret unter einem solchen Welcome Center?

(Pörksen, SPD: Lesen Sie den Antrag!)

Ich will mir die Meinung der „taz“ nicht zu eigen machen, aber die „taz“ schreibt über das Welcome Center Hamburg, dass dies nur für reiche Einwanderer sinnvoll sei und es dann Einwanderer erster und zweiter Klasse gäbe.

(Pörksen, SPD: Sie müssen die richtige Adresse erwischen!)

Ich will mir diese Meinung nicht zu eigen machen,

(Steinbach, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: So weit kommt es noch!)

aber so urteilt zumindest die „taz“. Sie schreibt weiter, das Hamburger Welcome Center ist offensichtlich eine Art Vorzeigebehörde, eine Premiumausländerbehörde, und würde sich um Aufenthaltsgenehmigungen, Wohnungen, Schulanmeldungen und sogar um Sportkurse kümmern.