Protocol of the Session on May 14, 2014

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Sie gehen immer wieder nach dem Motto vor: Seid nicht feige, Leute! Lasst mich hintern Baum. – Das passt auch in die Theorie, die im Moment die Konzernführer von RWE und anderen Firmen haben. Diese sagen: Lasst mich als Kapitän zuerst vom Schiff, und die anderen, die Bürgerinnen und Bürger, sollen den Untergang mitmachen und ihn auch noch bezahlen. – Das ist die Theorie, die Sie mit unterstützen.

Herr Baldauf, das machen wir nicht mit.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zum zweiten Thema der

AKTUELLEN STUNDE

„Untreue und Falschaussage – Urteil gegen ExFinanzminister der SPD-Landesregierung“ auf Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 16/3558 –

Das Wort hat Frau Abgeordnete Klöckner von der CDUFraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt Ereignisse, die in die Geschichte unseres Landes eingehen. Die SPD-Landesregierung unter Herrn Beck wollte mit dem Ausbau des Nürburgrings Geschichte schreiben. Das ist Ihnen zu einem sehr hohen Preis gelungen, den die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land bezahlen müssen. (Beifall der CDU)

Noch nie zuvor wurde von hier ein Mitglied der Landesregierung für sein Regierungshandeln von einem Gericht zu einer Gefängnisstrafe von dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Warum? Ein Minister hat die Möglichkeiten, die er im Amt hatte, ausgenutzt, um Gesetze zu brechen. Er hat seine Kompetenzen und seine Amtsbefugnisse missbraucht.

Frau Dreyer, Herr Lewentz, Herr Kühl, der leider nicht da ist, und Herr Hering, das Landgericht hält Ihren Parteifreund, ehemaligen Kabinettskollegen und früheren Finanzminister Deubel, dem Sie vor Gericht nochmals den Rücken sehr stark gestärkt haben, in 14 Fällen der schweren Untreue für schuldig, und zwar auch wegen einer Falschaussage vor parlamentarischen Gremien. Das ist historisch einmalig. Damit haben Sie Geschichte geschrieben.

(Beifall der CDU)

Historisch einmalig sind auch die Beträge, über die wir sprechen. Ein SPD-Minister hat sehenden Auges Vermögen des Landes vernichtet und weiteres gefährdet, nämlich über eine halbe Milliarde Euro. Das war Geld

der Steuerzahler und Geld, das woanders fehlt, nämlich bei der Schwangerenkonfliktberatung oder an den Schulen.

(Beifall der CDU) Sehr geehrte Damen und Herren, heute geht es nicht um die juristische Beurteilung. Das schriftliche Urteil und die Revision stehen noch aus. Als Parlament sind wir aber dazu aufgerufen, eine politische Bewertung vorzunehmen; denn heute ist die erste Sitzung des Parlaments seit der Urteilsverkündung vor Ostern. Ich möchte eines deutlich sagen. Mit der Urteilsverkündung vor Ostern ist die Nürburgring-Affäre für Sie alle nicht abgeschlossen, sondern wir stehen erst am Anfang der Aufarbeitung der politischen Mitverantwortung von SPD-Politikern, die heute in diesem Hause noch im Amt sind. (Beifall der CDU)

Ich will es deutlich sagen. „DIE RHEINPFALZ“ hat es treffend beschrieben. Ich zitiere: „(…) für den Verlust von noch mehr Geld in der Zeit nach Deubel sind auch andere verantwortlich.“

Sehr geehrte Damen und Herren, Herr Deubel war nicht allein. Er stieß nämlich nicht auf erbitterten Widerstand seiner Kabinettskollegen. Im Gegenteil. Deubel war bei allem mit dem Segen von Herrn Beck ausgestattet. Die politische Verantwortung hat aber bisher nur einer übernehmen müssen, nämlich Herr Deubel. Moralisch – das sagen wir ganz deutlich – sitzen noch viele weitere andere mit im Boot, und ganz weit vorne der ehemalige Chef von Herrn Deubel, Herr Beck.

(Beifall der CDU)

Alle in der Regierung wollten am ganz großen Rad des internationalen Rennsports drehen. Als sich das Rad nicht mehr drehen wollte, begannen die Durchhalteparolen, die Versprechungen wider besseres Wissen; denn die Landtagswahl stand bevor.

Dem Ministerpräsidenten und dem Kabinett ging es nicht um die Eifel, sondern einzig und allein um den Machterhalt. Man wollte über die Landtagswahl 2011 kommen. Deshalb fragen sich die Leute ganz bewusst und dezidiert, ob die Wähler vor der Wahl ganz bewusst mit falschen Tatsachen getäuscht wurden.

(Beifall der CDU)

Angeblich habe niemand in der Mainzer Landesregierung am Deubelschen Finanzwirrwarr zweifeln können. Dabei gab es aber neun Kabinettssitzungen, in denen sich der Ministerrat bis zum Scheitern der Privatfinanzierung mit dem Nürburgring beschäftigt hatte. Auch die Begründung der Ministerpräsidentin vor Gericht, der Kollege Deubel hätte immer so gut erklären können, ist nicht sehr originell. Für das gute Erklären gibt es nicht dreieinhalb Jahre Haft.

Vielleicht wollte man in der SPD-Regierung auch nicht so genau hinschauen. Was wurde denn getan, als im

mer mehr Zweifel zutage traten? Es gab stundenlange Sitzungen in den Ausschüssen. Die Opposition wurde diskreditiert. Wir stellten bohrende Fragen. Jeden Tag gab es in der Presse neue drängende Fragen. Von der SPD kam nichts außer Beschimpfungen durch die SPD. Damals wurde Herr Mertin von Ihnen, Frau SchleicherRothmund, die jetzt leider auch nicht da ist, als Geisterfahrer bezeichnet. Nicht die Opposition war auf der falschen Spur. Es war die SPD, die auf der falschen Spur gefahren ist.

(Beifall der CDU)

An diesem Totalschaden waren viele beteiligt. Darüber reden wir gern in der zweiten Runde.

Herr Lewentz, Herr Hering und Herr Kühl, sie waren nach Deubel noch intensiv beteiligt.

(Glocke des Präsidenten)

Darauf werden wir in der zweiten Runde eingehen; denn es stellt sich auch die Frage, ob es sich hier um eine Insolvenzverschleppung handelt.

Herzlichen Dank.

(Beifall der CDU)

Das Wort hat Herr Pörksen von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Heute mache ich nach 23 Jahren zum ersten Mal eine Flasche Wasser auf, damit ich ein bisschen Luft holen kann.

(Baldauf, CDU: Sind Sie schon so alt?)

Die Überschrift der Aktuellen Stunde lautet „Untreue und Falschaussage – Urteil gegen Ex-Finanzminister der SPD-Landesregierung“. Wir waren natürlich gespannt, was heute dazu gesagt wird. Jetzt habe ich es gehört. Das hat relativ wenig mit dem Urteil zu tun. Ich komme aber trotzdem darauf zurück.

(Zurufe von der CDU)

Ihre Zielrichtung ist ganz anders. Darauf komme ich gleich zu sprechen. Es ist doch ein Schauspiel, das Sie abziehen. Das hat nur einen einzigen Grund. Wir haben am 25. Mai Kommunalwahlen, und genau aus diesem Grund führen wir heute diese Diskussion.

(Beifall der SPD)

Es ist all das wiederholt worden, worüber seit Wochen und Monaten diskutiert und gestritten wird. Das hat nur einen Grund, nämlich den, den ich ansprach. Sie nehmen einen Mann, der nicht rechtskräftig verurteilt ist

das ist schon eine Unverschämtheit – zum Anlass, um auf ihm herumzutrampeln. Es ist mir unverständlich, was daran christlich sein soll.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD) Die Unschuld dieses Mannes ist noch nachzuweisen. Er gilt bisher als unschuldig. Das wissen Sie auch. Ob es so bleiben wird, wird der BGH oder möglicherweise eine andere Kammer des Landgerichts entscheiden. Diesen Mann – das wissen wir alle –, der moralisch, persönlich und finanziell am Boden liegt, behandelt man nicht so, wie Sie es tun. Das macht man aus Anstand nicht. Das sollten Sie sich langsam hinter die Ohren schreiben. Ich finde, das ist erbärmlich. (Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich kenne diesen Mann sehr gut. Ich habe fast zwei Jahre lang in diesem Hause in einem Untersuchungsausschuss miterleben dürfen, wie sich der Mann verteidigt hat. Ob er dies zu Recht oder zu Unrecht getan hat, lasse ich einmal völlig offen. Er hat einen Fehler gemacht. Er hat überhaupt etwas gesagt.

Wenn jemals noch einmal ein Untersuchungsausschuss kommen und ich dabei sein sollte – ich hoffe es nicht –, dann werde ich den Leuten sagen, haltet den Mund, wenn ihr ein Strafverfahren zu befürchten habt; denn ihr reitet euch selbst hinein, weil ihr aus guten Gründen versucht, euch zu verteidigen.

Nachher bekommt ihr dann gesagt, ihr habt eine Falschaussage gemacht, also ab in den Knast. Das ist für die Leute eine ganz gefährliche Position. Herr Deubel wollte keine Falschaussage machen, sondern versuchen klarzumachen, warum er das gemacht hat, was schiefgegangen ist.

Wenn Sie sich mit der Frage des Herrn Deubel auseinandersetzen wollen, dann lesen Sie einmal die Abhandlung von Herrn Professor Falter im Deutschlandfunk. Ich glaube, es war im April dieses Jahres. Dort hat er sich mit der Frage auseinandergesetzt, wie dieser Mann zu beurteilen ist. Er sagte einmal, er hat das Gute gewollt, und das Schlechte ist herausgekommen. Das stimmt doch in der Beschreibung. Das bestreiten wir und andere nicht.

Wenn es um die Frage der Verantwortung geht, hat Herr Deubel das, was er machen musste, gemacht. Er hat die politische Verantwortung dafür übernommen. Ich war zwei Jahre lang dabei. Ihre Versuche, andere mit hineinzuziehen, sind doch im Untersuchungsausschuss völlig misslungen. Es hat in keinem Fall geklappt.

Das, was Sie versucht haben, nämlich irgendwelchen anderen Mitgliedern der Landesregierung nachzuweisen, dass sie daran, was Herrn Deubel zum Vorwurf gemacht wird, beteiligt waren, ist überhaupt nicht gelungen. Lesen Sie doch einmal die Protokolle nach. Es sind

viele. Wenn Sie sich ernsthaft damit auseinandersetzen, können Sie diese Protokolle genau lesen.

Ich komme zu dem Urteil, das Sie zum Anlass der Aktuellen Stunde nehmen. Ich werde eines nicht tun. Ich werde keine Urteilsschelte betreiben. Ich will an dieser Stelle Herrn Professor Falter zitieren. Er sagt: Das Strafmaß – Herr Falter wird sicherlich nicht verdächtigt, mir besonders nahe zu stehen – finde ich relativ hoch nach meinem Empfinden. – Dieses gleiche Empfinden habe ich auch. Darüber rede ich gar nicht. Ich mache aus meinem Herz keine Mördergrube.

Ich finde, es ist ein strammes Urteil, wenn ich in derselben Zeit sehe, dass jemand, der Millionen in die eigene Tasche gewirtschaftet hat, zum gleichen Strafmaß verurteilt wird. Wo ist hier das Verständnis für den normalen Bürger? Das kann doch keiner verstehen.

(Beifall der SPD)