Protocol of the Session on August 17, 2011

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Kollegin Klöckner.

Sehr geehrter Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Hering, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit in diesem Land sein sollte, die Gewaltenteilung, das betonen Sie am Anfang als Besonderheit in diesem Land. Genau das ist Ihr Problem.

(Beifall der CDU – Pörksen, SPD: So ein Quatsch!)

Ein Jahr nach der Landtagswahl soll dann endlich etwas Durchdachtes vorgelegt werden. Wir wollten Ihnen 100 Tage Zeit geben, aber dass Sie ein Jahr brauchen, das ist auch beachtlich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich etwas zitieren: „Es hat sich der Justizstandort Koblenz verkehrsgünstig als Sitz des Oberlandesgerichtes bestens bewährt. Es ist deshalb nicht unbescheiden, dem Oberlandesgericht Koblenz mindestens weitere 50 Jahre zu wünschen.“

Dieses Zitat stammt von Ihrem ehemaligen Kollegen, Herr Ministerpräsident, nämlich von Herrn Bamberger. Das sind seine Worte in der Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum des OLG Koblenz.

(Baldauf, CDU: Recht hat er!)

An diesem Punkt hatte Herr Bamberger einmal recht, aber leider ohne lange Halbwertszeit.

(Beifall der CDU)

So oder so, Herr Ministerpräsident Beck, Herr Bamberger hat dann die Verfassung gebrochen, und Herr Hartloff hat es dann fortgesetzt.

(Hering, SPD: Unverschämtheit!)

Herr Ministerpräsident, Sie haben anscheinend kein Glück mit Ihren Justizministern der SPD; denn einem Herrn Mertin oder einem Herrn Caesar wäre das sicherlich nicht passiert.

(Beifall der CDU)

Es ist verständlich, dass Rot-Grün dieser Tage nicht zurückblicken will, sondern das neue Mantra „Der Blick nach vorne“ heißt. Es ist bundesweit einmalig, dass die Justiz gegen die Basta-Politik einer Landesregierung rebelliert, 40.000 Unterschriften gesammelt und auch ein Volksentscheid angekündigt wurden.

Leider ist es nicht Ihre Einsicht, einen Irrtum begangen zu haben, sondern es ist allein Ihre Angst davor, bei einem Volksbegehren und einem Volkentscheid eine Niederlage zu erleiden, die Sie zu einer rein optischen Kehrtwende bewogen hat. Schauen wir zurück: interner Arbeitskreis, externer Arbeitskreis, Schlichtungskommission, Expertenkommission eingesetzt und dann wieder ausgesetzt, Rücknahme der Rücknahme der Ausschreibung. Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, dieses Chaos ist mehr als eine peinliche Panne, und das haben Sie zu verantworten.

(Beifall der CDU)

Herr Beck, Sie haben sich, zusammen mit den Koalitionären, verrannt. Sie haben das Ansehen unseres Bundeslandes und des Justizstandortes beschädigt. Die Richter, die Mitarbeiter, die Bevölkerung und die CDU, wir alle hatten recht. Der Protest war richtig und wichtig, und er ist noch nicht beschwichtigt; denn so schnell kann man das Vertrauen der Mitarbeiter der Justiz nicht wiedergewinnen. Warum? – Weil Ihr Umgang mit der Justiz, Herr Ministerpräsident, erschreckend ist. Leider ist gerade auch Ihr Interesse an diesem Thema erschreckend gering. Das passt wieder in das gewohnte Bild: Es ist genauso, wie wenn Sie über den Rechnungshof und über gut ausgebildete hessische Staatsanwältinnen reden, die Urteile höchster Gerichte als irgendeine Rechtsmeinung abtun und die Justiz als nachgeordnete Behörde bezeichnen.

Herr Ministerpräsident Beck, ich hoffe sehr, Sie haben eines gelernt: Gewaltenteilung in Rheinland-Pfalz heißt auch, dass die Linie dort verläuft, wo Ihre Genossenwirtschaft endet.

(Beifall der CDU – Fuhr, SPD: Oh!)

Wir haben übrigens lange von den GRÜNEN ein klares Wort zur rechten Zeit erwartet. Stattdessen herrscht lautstarke Sprachlosigkeit. Herr Hering, Sie waren als Abgeordneter der Region und als Vorsitzender der größten Regierungsfraktion wochenlang abgetaucht.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Herr Minister Lewentz, als Kronprinz Nummer zwei – oder Nummer eins; das müssen Sie klären –, das heißt als Parteiratsvorsitzender, bleiben Sie bei einem solch wichtigen Thema stumm. Sie haben Ihren Kollegen, Herrn Minister Hartloff, ins offene Messer laufen lassen. Seine Klage, dass man ihn sich bei diesem Scherbenhaufen nun als Sündenbock ausgesucht habe – der rote Jochen will nicht der schwarze Peter sein –, lässt tief blicken.

(Pörksen, SPD: Was für Beispiele! Das müssen wir uns jetzt noch viele Jahre lang anhören!)

Bereits Mitte Juli habe ich die Kollegen Hering und Lewentz angeschrieben und ihnen angeboten, gemeinsam einen konstruktiven Neustart bei der Justizreform zu unternehmen. Bis heute ist keine Antwort auf diesen Brief gekommen.

Apropos gemeinsam: Ich weiß nicht, wer von Ihnen den Titel dieser Aktuellen Stunde formuliert hat. Derjenige gehört jedenfalls in den Beichtstuhl geschickt.

Lassen Sie uns zu unseren Forderungen kommen: Prüfen Sie die offenen Rechtsfragen selbst, und nehmen Sie die Beschwerde beim OVG zurück. Besetzen Sie die Präsidentenstelle umgehend. Ändern Sie die Passage in Ihrem Koalitionsvertrag. Sorgen Sie für Transparenz, das heißt dafür, dass die Kommission offen tagt, und stimmen Sie einer Anhörung im Rechtsausschuss zu unserer Großen Anfrage zu; denn eines ist klar: Die Justiz darf nicht im Organigramm des Justizministeriums enden. Dort, wo die Justiz in Gefahr ist, ist nämlich auch das Land in Gefahr, und das werden wir nicht mitmachen.

(Beifall der CDU)

Das Wort hat Herr Kollege Köbler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Klöckner, Sie müssen in dieser Debatte schon noch einmal Farbe bekennen und sagen, was Sie eigentlich wollen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Frau Klöckner, CDU: Das ist so was von peinlich!)

Erst werfen Sie uns vor, wir hätten die Betroffenen vorher informieren müssen und hätten das nicht so klar in den Koalitionsvertrag schreiben dürfen. Jetzt behaupten Sie hier, es habe nie ein klares Wort dazu gegeben. Sie müssen sich schon einmal entscheiden. Ich glaube, an der Stelle ist der Koalitionsvertrag relativ klar, und auf den Parteitagen beider Koalitionspartner war die Zustimmung dazu überwältigend. Insofern zieht Ihr Argument an der Stelle wieder einmal nicht

(Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Sie werden sagen müssen, ob Sie eine Justizstrukturreform wollen,

(Frau Klöckner, CDU: Wann ändern Sie den Koalitionsvertrag?)

und zwar nicht eine Reform um der Reform willen, sondern eine Reform unter dem Gesichtspunkt der Schuldenbremse,

(Frau Klöckner, CDU: Ergebnisoffen!)

die uns auferlegt, 220 Millionen pro Jahr zu konsolidieren.

(Baldauf, CDU: Wie war das mit dem Nürburgring?)

Ihre Strategie ist doch jetzt schon klar: Bei jedem einzelnen Vorschlag werden Sie aufschreien und dagegen sein, und am Ende werden Sie alles versuchen, um der Koalition Verfassungsbruch vorzuwerfen, statt hier substanziell etwas beizutragen. Das ist das, was Sie hier gerade aufbauen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Aber eine gute Demokratie lebt davon, dass sie lernfähig ist und sich ihre Anhänger guten Argumenten stellen.

(Frau Klöckner, CDU: Die haben wir in der Regierungsaussprache vorgeschlagen!)

Deswegen ist es sehr zu begrüßen, dass die Debatte über die Fusion der Oberlandesgerichte öffentlich geführt wird. Wir müssen uns nur noch einmal über das Wie unterhalten, ob wir sie sachlich weiterführen – wir sind sehr dafür – oder ob wir weiterhin populistische Forderungen stellen, die heute so klingen und morgen anders.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU)

Das wird am Ende der Demokratie und der Diskussionskultur in diesem Lande nicht helfen,

(Pörksen, SPD: Jedem nach dem Munde reden!)

es wird der Justiz nicht helfen, und es wird uns auch nicht dabei helfen, die gewaltige Herausforderung der Haushaltskonsolidierung im Lichte der Schuldenbremse gemeinsam zu bewerkstelligen. So macht man keine verantwortungsvolle Politik, weder für die jetzt lebenden Menschen noch für die kommenden Generationen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Klöckner, CDU: Eben!)

Wir stehen für eine starke Demokratie, und dazu gehören auch drei starke und unabhängige Gewalten. Dazu gehört auch eine starke und unabhängige Justiz. Auch das steht im Koalitionsvertrag, und neben der Frage nach dem Einsparvolumen werden wir jede Justizreform daran messen. Das steht doch überhaupt nicht zur Debatte. Wir haben auch einen großen Respekt vor dem, was die Menschen dort jeden Tag leisten. Es ist eben nicht so, dass man en passant zwei Oberlandesgerichte zusammenlegt und sich nicht damit befasst, was mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern passiert. Ich war vor Ort und habe mit den Personalräten und der Gleichstellungsbeauftragten geredet. Es ist für jeden nachvollziehbar, dass es dort Verunsicherungen gibt. Das werden wir aber bei allen Diskussionen in der Zukunft haben.

(Baldauf, CDU: Früher haben Sie etwas anderes gesagt! – Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU)