Wir kommen nun zur Aussprache über die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dietmar Johnen (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN), Neuer Genmais in RheinlandPfalz? – Nummer 3 der Drucksache 16/3303 – betreffend.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zu den zweifelhaften Versprechen der Genlobby, gentechnisch veränderte Pflanzen würden helfen, das Hungerproblem in der Welt zu bekämpfen: Statt mehr Ertrag und weniger Pestizideinsätze zu haben, erleiden die Bauern Umsatzeinbrüche und müssen zudem mehr Spritzmittel einsetzen. Dies bestätigen Studien. Je mehr Gentechnikpflanzen angebaut werden, desto resistenter werden Insekten und Unkräuter. Die Schädlinge passen sich an, sie werden widerstandsfähiger. Die Natur schlägt zurück.
Den Kampf gegen die Natur kann und wird man nicht gewinnen. Ein Arbeiten mit der Natur ist der bessere und richtige Weg. Das belegt auch eine Anfrage bei der Firma Pioneer, die ein Problem mit einer Raupenplage einräumt und zugibt, dass die Raupen Resistenzen bilden. Das ist nicht nur beim Genmais 1507 so.
An genau diesem Chemieeinsatz auf den Gentechnikfeldern verdienen unter anderem deutsche Firmen gutes Geld. Das Interesse der Pflanzenschutzmittelhersteller
an einem gentechnikfreundlichen Klima ist daher groß. Auch die Kanzlerin hat ein großes Interesse daran.
Diese Haltung kritisieren sogar Abgeordnete der Union. Mit Erlaubnis des Präsidenten darf ich Josef Göppel, Bundestagsabgeordneten der CSU, zitieren: „Letztlich kommt es schon von Frau Merkel. Die hat zur grünen Gentechnik eine eher positive Haltung. Und sie und auch andere glauben, dass man den Hunger in der Welt mit Gentechnik bekämpfen kann.“
Im Koalitionsvertrag steht unter anderem: „Wir erkennen die Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung gegenüber der grünen Gentechnik an.“ Es fehlt nur der Satz: Kanzlerin Merkel interessiert das nicht. – Die Kanzlerin stellt sich damit klar gegen den mehrheitlichen Willen der Bevölkerung. Das ist ein Verhalten nach dem Motto: Bin ich erst einmal wiedergewählt, mache ich, was ich will. – Das sollten Sie, werte Kollegen von der CDU, einmal hinterfragen.
Frau Klöckner, haben Sie nicht im Jahr 2008 zusammen mit Frau Aigner den Anbau des Genmaises MON810 in Deutschland gestoppt? Wo bleibt Ihre kritische Haltung von damals, oder interessiert Sie der Bürgerwille auch nicht?
Jetzt will man den Anbau national verbieten. Ich frage mich: Wie soll das gehen? – Auch das müssen Sie mir einmal erklären. Sollen die Bienen nicht mehr über Landesgrenzen hinweg fliegen dürfen, oder sollen die einreisenden Bienen an der Grenze daraufhin kontrolliert werden, ob sie gentechnisch veränderte Pollen im Gepäck haben? Den Wind lenken Sie an der Grenze um. Unbelasteten Wind lassen Sie weiter ins Land wehen. – Die Kanzlerin hat schon Einfluss, aber ob er so weit reicht, darf an der Stelle doch bezweifelt werden.
Da Deutschland sich bei der Abstimmung enthalten hat, ist leider keine qualifizierte Mehrheit zustande gekommen. Somit hat man dem Anbau faktisch zugestimmt. Mit dieser Haltung ebnet die CDU der Genlobby den Weg, ihre Interessen umzusetzen.
Damit man die weltweite Vorherrschaft über Landwirtschaft und Ernährung bekommt – dieses Ziel verfolgen die großen Konzerne, vor allen Dingen Monsanto –, sind fünf Schritte notwendig. Es gilt, das Saatgut erstens zu konfiszieren, zweitens zu manipulieren, drittens zu patentieren, viertens zu monopolisieren und fünftens zu globalisieren. Mit Erlaubnis des Präsidenten darf ich noch einmal zitieren. Das vierte formulierte Ziel hat der frühere US-Außenminister Henry Kissinger einmal wie folgt umschrieben: Beherrsche die Energie, und du beherrscht die Nation. Beherrsche die Nahrung, und du beherrscht die Menschheit. – Das bedeutet, dass, wer die Macht über die Nahrungserzeugung in den Händen hält, über ein größeres Machtinstrument verfügt, als jede Kriegsmaschine es bieten würde. Genau um diese Fragestellung wird es gehen. Ich fordere Sie auf, sich diese Frage zu stellen und Sie in Verantwortung für die Menschen dieser Erde zu beantworten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir führen hier eine Stellvertreterdiskussion über das Pro und Kontra moderner Pflanzenzüchtung, unabhängig davon, ob es um die Neuzulassung von Pioneer Dupont 1507 oder die von MON810 geht. Erlauben Sie mir eine kleine Exkursion in die Vergangenheit der Pflanzenzüchtung. Etwa 3 Millionen Menschen gab es vor 13.000 Jahren auf der Erde. Jäger und Sammler lebten tatsächlich von dem, was ihnen die Natur bot. Circa 20 m2 waren notwendig, um einen Menschen zu ernähren. Heute ernährt eine Fläche dieser Größe 9.000 Menschen.
Diese unglaubliche Produktivitätssteigerung ist das Ergebnis ständiger Selektion und Züchtungsarbeit bis zum heutigen Tag. Ohne modernste Sorten mit ihren angezüchteten Resistenzen, Toleranzen und Ertragspotenzialen hätten wir auch auf der Nordhalbkugel nicht diese komfortable und sichere Ernährungssituation, wie sie sich heute bei uns darstellt.
Die Notwendigkeit, sich pflanzenzüchterisch weiterzuentwickeln, verliert angesichts dieser komfortablen Ernährungssituation auf der Nordhalbkugel zunehmend an Akzeptanz bei der Bevölkerung und der nachgelagerten Politik. Moderne Pflanzenzüchtung wird an den medialen Pranger gestellt. Sachbeschädigung und Gewalt zur Verhinderung werden gesellschaftsfähig.
(Pörksen, SPD: Kommen Sie mal zum Thema! Zur Gentechnik! – Frau Klöckner, CDU: Das ist doch unverschämt! Was soll das jetzt?)
(Beifall bei der CDU – Pörksen, SPD: Immer die gleiche Ausrede! Kommen Sie zur Sache! – Frau Klöckner, CDU: Er ist Fachmann!)
Gentechnisch veränderte Pflanzen werden in einer überraschend neoreligiösen Erleuchtung als Teufelszeug dargestellt. Trotz umfangreicher wissenschaftlicher Beweise werden Horrorszenarien entwickelt. Die ganze Diskussion entwickelt sich milchstraßenweit entfernt von anerkannten wissenschaftlichen Grundlagen.
Wenn ich dann weitermachen darf! – Die ethische Frage, die wir uns stellen müssen, ist: Können wir es uns aufgrund der stetig wachsenden Weltbevölkerung überhaupt leisten, auf irgendwelche Art moderner Pflanzenzüchtung zu verzichten?
(Beifall bei der CDU – Zuruf von der CDU – Ramsauer, SPD: Was in meinem Kopf ist, geht Sie gar nichts an!)
Ich bin der festen Überzeugung, dass wir uns das nicht leisten können und dürfen. Schauen wir uns an, was moderne Pflanzenzüchtung zu leisten vermag.
Entschuldigung, Herr Zehfuß. Herr Schmitt, Sie dürfen Herrn Zehfuß während des Vortrags nicht filmen. Danke schön.
(Ernst, CDU: Er hätte es aber verdient! – Ramsauer, SPD: Das dürfte sich aber langsam herumgesprochen haben!)
Die klassische Züchtung beruht auf der gezielten Kreuzung von Pflanzen mit mehr oder weniger zufälligen Ergebnissen, auch Mutanten. Pflanzenbiotechnologie ist in der Lage, durch gezielten Einsatz von Merkmalen gewünschte Resistenzen oder Toleranzen wesentlich zielgerichteter und in kürzerer Zeit in bestehende Sorten einzukreuzen, ohne dass es zum Ausmendeln von verschiedenen gewünschten Merkmalen kommt.
In der Kartoffelzüchtung war man in der deutschen Forschung so weit, dass man hochgradige Mehrfachtoleranzen gegen Phytophtora-Resistenz aus einer Wildkartoffel einkreuzen konnte, ohne die hervorragenden Speiseeigenschaften der Ursprungssorte zu beeinträchtigen,
gerade für den Bio-Anbau ein Segen, um die Anwendung des giftigen Schwermetalls Kupfer als Fungizid und dessen Anreicherung im Boden zu vermeiden.
Ebenso bahnbrechend ist die Möglichkeit, Pflanzen trockentolerant zu züchten – das haben sie dort auch gemacht –, das heißt, dass sie in der Lage sind, bei Trockenheit ihr Wachstum einzustellen und bei entsprechender Feuchte wieder weiterzuwachsen.
Das sind zukunftsweisende Züchtungserfolge, die die Anbau- und Ertragssicherheit – und jetzt hören Sie einmal genau zu – gerade in nicht hoch entwickelten Selbstversorgerlandwirtschaften signifikant erhöhen können, die wir aber in Deutschland auf dem Altar scheinreligiöser Eiferer opfern.
Wie triumphierend hat unsere stellvertretende Ministerpräsidentin den Rückzug der BASF aus dieser Art der Forschung hier im Hause kundgetan. Wenn man das Mienenspiel des damaligen Ministerpräsidenten betrachtet hat,
Es bleibt unvergessen, dass ein Ministerkollege aus dem nahen Wiesbaden – sportlich in Turnschuhen – mit einem Erlass in den 80er-Jahren die rote Gentechnik in Deutschland blockierte, die zu einem Exodus deutscher Forschung und zur merklichen Schwächung des Wirtschaftsstandorts Deutschland führte.