„Wer die Zukunft gestalten will, muss die Entwicklungen der Vergangenheit kennen und sie in seine Überlegungen einbeziehen“ – Herr Minister Kühl, das war ein Zitat aus Ihrer gestrigen Rede an dieser Stelle. Dieses Zitat ist durchaus verifizierbar.
(Zuruf des Staatsministers Dr. Kühl – Staatsminister Schweitzer: Darauf muss man erst einmal kommen!)
Ja, darauf muss man erst einmal kommen, in der Tat. Aber man muss erst recht darauf kommen, über die Vergangenheit zu reden und kein einziges Mal den Flughafen Hahn und den Nürburgring zu erwähnen. Darauf muss man wirklich erst einmal kommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, gehen wir doch einmal in die Vergangenheit zurück, in die Herr Staatsminister Kühl gestern zusammen mit uns schauen wollte. Am 30. August 1946 wurde Rheinland-Pfalz gegründet. In den Jahrzehnten nach der Gründung wurden wichtige Infrastrukturen geschaffen. Es wurden Schulen und Krankenhäuser gebaut und Universitäten gegründet. 45 Jahre nach dieser Landesgründung, in denen nachhaltige
Investitionen und gute Entwicklungen angestoßen wurden, betrug die Verschuldung rund 11 Milliarden Euro.
Dann kam der Regierungswechsel, und nur 22 Jahre später beträgt die Verschuldung 35 Milliarden Euro. Wenn Sie eines können, dann in kurzer Zeit viel mehr Schulden machen. Das haben Sie bewiesen, das haben Sie aus der Vergangenheit gelernt.
Bei der Steigerung der Pro-Kopf-Verschuldung ist Rheinland-Pfalz übrigens Spitzenreiter. Aber was rechtfertigt diese massive Verschuldung? Der Bau eines millionenschweren Freizeitparks oder der angeblich schnellsten Achterbahn der Welt war es sicher nicht. Deshalb sage ich noch einmal: Wer die Zukunft gestalten will, muss die Entwicklungen der Vergangenheit kennen und in seine Überlegungen einbeziehen. Das gilt auch für den Flughafen Hahn. Machen Sie nicht die gleichen Fehler. Beschimpfen Sie nicht die Opposition für Kritik, die sich im Nachhinein als richtig erwiesen hat. Sie machen genau den gleichen Fehler. Wenn ich auf Herrn Hering schaue, dann wird er sicherlich nachher auch wieder die Platte auflegen, wir würden uns der Verantwortung entziehen.
Ich finde es immer hoch interessant, dass just gerade Herr Hering, von dem wir uns gewünscht hätten, er hätte damals keine Verantwortung gehabt, von der wirtschaftspolitischen Kompetenz der SPD spricht, wenn gleichzeitig zwei seiner Projekte ein richtiger Sanierungsfall geworden sind und unseren Haushalt belasten. Das muss man – ehrlich gesagt – erst einmal bringen.
Was meine Fraktion mehr als verwundert, ist, dass Sie – wie ich soeben sagte – gestern kein einziges Mal auf das eingegangen sind, was in Rheinland-Pfalz leider für traurige Berühmtheit im Ländervergleich gesorgt hat. Kann man eine Geschichte, ein Projekt wie den Nürburgring, in einer Haushaltsrede einfach unter den Tisch fallen lassen und damit auch die Millionen, die uns verloren gegangen sind und die haushaltswirksam geworden sind? – Darin hätte ich Ihnen mehr Souveränität, mehr Offenheit und auch mehr Ehrlichkeit zugetraut.
Und was ist mit den Haushaltsrisiken, die noch vom Ring und auch vom Flughafen Hahn ausgehen können, Stichwort „laufende Beihilfeverfahren“? Kein Wort haben wir dazu gehört. Aber vielleicht können wir noch hoffen, dass Frau Dreyer darauf eingehen wird.
Der Haushalt unseres Landes ist mit Steuereinnahmen nicht schlechter ausgestattet als anderswo. Der Länderfinanzausgleich sorgt dafür, dass die Steuereinnahmen pro Kopf weitgehend ausgeglichen werden: durch Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und den Bund. –
Dennoch liegt die Pro-Kopf-Verschuldung unseres Landes weit über dem Durchschnitt der westlichen Flächenländer.
Sie müssen ja selbst in dem Finanzplan 2013 bis 2018, den Sie uns haben zukommen lassen, eingestehen, dass sich der Abstand von Rheinland-Pfalz zum Durchschnitt der westlichen Flächenländer bei den Schulden von Land und Kommunen in den vergangenen Jahren sukzessive erhöht hat. Ich zitiere aus Ihrer Finanzplanung: „Während er 1991 lediglich zehn Prozent betragen hat, ist er bis 2012 – – –
Ich finde es klasse, dass sich Frau Conrad auch einmal zu Wort meldet, wenn das Thema „EU-Beihilfen“ fällt. Man hat von Ihnen dazu relativ wenig gehört. Deshalb finde ich es ganz gut, dass man jetzt auch einmal etwas von Ihnen hört.
Ich möchte einfach noch einmal aus dem Finanzplan zitieren: „Während er 1991 lediglich zehn Prozent betragen hat, ist er bis 2012 auf 41 Prozent angestiegen.“ Das sind nicht unsere Zahlen, über die eben geschmunzelt und höhnisch gelacht wurde. Das hat Ihr Finanzminister uns zugeleitet. Vielleicht erst hinhören, erst noch einmal verifizieren und dann vielleicht ein Urteil bilden und sich nicht nur äußern, weil die Opposition etwas gesagt hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn es andere Länder geschafft haben, unter ähnlichen Bedingungen besser zu sein – wenn man sich das anschaut, wenn der Ausgleich gemacht ist, in etwa –, dann kann Rheinland-Pfalz allein und solitär gar kein Einnahmeproblem haben. Rheinland-Pfalz hat ein Gerechtigkeitsproblem.
Es ist unsozial, dass Sie vor diesem Hintergrund auf höhere Steuern setzen, unsozial, weil Sie dem kleinen Mann und der kleinen Frau in die Tasche greifen, Stichwort „kalte Progression“ –, nur um Ihre hausgemachten Probleme zu lösen.
Ja, ich finde es auch unglaublich. Ich finde es gut, dass Sie das sagen. Jetzt lese ich einmal etwas aus Ihrem Finanzplan vor.
Ich lese Ihnen das gerne auch noch einmal vor. In Ihrem Finanzplan machen Sie noch nicht einmal einen Hehl daraus, dass Sie langfristig mit den Einnahmen der kalten Progression rechnen: Jahr für Jahr real höhere Steuern der Durchschnittsverdiener, der Facharbeiter, der Bürokaufleute, der Krankenschwestern, der Altenpfleger und der Kindergärtnerinnen. Bei all dem rechnen Sie mit der kalten Progression, die ansteigen wird. Sie machen keinen Hehl in Ihrer Finanzplanung daraus. Sie
(Beifall der CDU – Baldauf, CDU: Sozialdemokratische Politik ist das! – Zurufe der Abg. Pörksen und Hüttner, SPD – Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie können dem Finanzminister doch nicht vorwerfen, dass er sich an geltendes Recht hält!)
Darauf habe ich mich gefreut. Herr Köbler sagt gerade – ich darf es einmal kurz wiederholen –, man könne dem Finanzminister nicht vorwerfen, dass er sich an geltendes Recht hält. – Nein, ich bin immer froh, wenn man sich hier an geltendes Recht hält und man nicht zum Verfassungsgericht gehen muss. Da bin ich immer sehr dankbar und sehr froh, Herr Köbler.
Aber jetzt gehen wir doch einen Schritt weiter. Sie trauen doch Ihrem Finanzminister zu, dass er auch gestaltende Kraft hat. Sie sitzen im Bundesrat, legen auch großen Wert darauf, dass Rheinland-Pfalz im Bund immer schwer mitmischt. Da haben Sie mitgemischt. Der Bundesfinanzminister Dr. Schäuble hat einen Entwurf vorgelegt, wie die kalte Progression abgemildert wird,
damit den Bürgerinnen und Bürger mehr in der Tasche bleibt. Wer hat es in ganz kreativer Art verhindert? Diese Landesregierung mit diesem Finanzminister.
Er hat nicht gesagt, dass er eine Initiative starten möchte, um die kalte Progression abzuschaffen. Herr Köbler, deshalb, ja, an Recht halten, sehr gerne. Man kann Gesetze auch verändern. Wir wollten sie zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger verändern.
Ihre Landesregierung hat es verhindert und unternimmt noch nicht einmal den Ansatz, es ändern zu wollen, sondern schreibt es in dem Finanzplan als Einnahmen fest. (Beifall der CDU – Zuruf des Abg. Köbler, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Das ist das Konstrukt. Man muss es den Leuten nur einmal sagen, dass Sie mit so etwas rechnen. Das heißt, der kleine Mann muss einen Nürburgring-Soli zahlen. Der kleine Mann, der eine Gehaltserhöhung verdient hätte, muss, weil Sie 500 Millionen Euro in den Sand gesetzt haben, diesen Soli aus seiner Tasche zahlen, damit Sie bei Herrn Lewentz im Ministerium wieder eine Stelle mehr einstellen können.
Mehr Geld im Staatssäckel bedeutet nicht automatisch mehr Gerechtigkeit, auch nicht, wenn SPD und GRÜNE dort draufsteht. Dann soll die mittelständische Wirtschaft abkassiert werden mit Vermögens-, Erbschaft- und Einkommensteuer. Sie setzen die wirtschaftliche Entwicklung und die Sicherung der Arbeitsplätze in diesem Land damit aufs Spiel.
So sieht angeblich sozialer Wandel bei Ihnen aus. Ihre Haushaltspolitik gefährdet nachhaltig den sozialen Frieden hier in unserem Land, spätestens den der kommenden Generationen.
Wir können es gerne noch etwas konkreter machen. Ist es denn gerecht, dass eine halbe Milliarde Euro am Nürburgring verspielt und jetzt die Schwangerenkonfliktberatungen zusammengestrichen werden?
Wenn Herr Dr. Braun jetzt sagt, oh, das haben wir gestern Morgen schon gemacht, dann sage ich Ihnen, Herr Dr. Braun: Ihre Zwischenrufe als Parlamentarier alle in Ehren, aber heute sind wir in der Auseinandersetzung zum eingebrachten Regierungsentwurf. Bei diesem eingebrachten Regierungsentwurf nehme ich das ernst, was schwarz auf weiß steht. Wenn Sie Ihre Regierung korrigieren, dann ist das gut. Aber dann sind wir doch Seit‘ an Seit‘.