Protocol of the Session on September 19, 2013

Ich rufe die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Christian Baldauf (CDU), Gründung des Vereins Bündnis „Energiewende für Mensch und Natur“ aus 22 BI’s – Nummer 4 der Drucksache 16/2757 – betreffend, auf.

Herr Baldauf, Sie haben das Wort.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie bewertet die Landesregierung den Zusammenschluss von über 20 Bürgerinitiativen des Landes, die sich gegen den unkontrollierten Ausbau der Windenergie wenden?

2. Wie will die Landesregierung die von einem breiten Bürgerwillen getragenen Ansichten des Bündnisses in welcher Form berücksichtigen?

3. Wird die Landesregierung – um den Bürgerwillen zu beachten – das LEP IV überarbeiten und einen geplanten Ausbau der Windkraft über die Planungsgemeinschaften zulassen?

4. Wieso hat die Landesregierung weder die Anliegen der zehn anerkannten Naturschutzverbände noch die des Bündnisses und der Bürgerinitiativen, obwohl dies Bürgerbeteiligung darstellt, berücksichtigt?

Für die Landesregierung antwortet Frau Ministern Lemke.

Herr Präsident, Herr Kollege Baldauf, sehr geehrte Damen und Herren! Die rheinland-pfälzische Landesregierung hat das Ziel, bis 2030 – Sie kennen das alles – den in Rheinland-Pfalz verbrauchten Strom bilanziell zu 100 % aus erneuerbaren Energien zu gewinnen. Bis zum Jahr 2020 streben wir an, die Stromerzeugung aus Windkraft zu verfünffachen. Damit leistet die Windenergie zur Umsetzung der energiepolitischen Ziele einen bedeutsamen Beitrag. Die für den Ausbau der Windenergie in Rheinland-Pfalz bereitzustellenden Flächen liegen in einer Größenordnung von ca. 2 % der Landesfläche.

Wie wir gehört haben und auch den Medien zu entnehmen war, sind am Samstag, den 14. September, in Simmern etwa 300 Vertreterinnen und Vertreter von ca. 20 Bürgerinitiativen zusammengekommen, um sich unter der Bezeichnung „Energiewende für Mensch und Natur“ gegen den aus ihrer Sicht unkontrollierten Ausbau der Windenergie in Rheinland-Pfalz zu wenden.

Ich weise darauf hin, dass ebenfalls den Medien zu entnehmen war, dass am gleichen Tag beim 7. bundesweiten Klimaaktionstag in ganz Deutschland auch Organisationen, Verbände und Engagierte mit über 70 Aktionen ein Zeichen für ambitionierten Klimaschutz und eine bürgerorientierte Energiewende – auch mit Windkraft – gesetzt haben. Unter dem Motto „Energiewende ist Politikwende, wähle deine Zukunft“ hatte die Klimaallianz Deutschland gemeinsam mit der Kampagne „Die Wende, Energie in Bürgerhand“ der NABU-Jugend und vielen anderen Gruppen dazu aufgerufen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Mündliche Anfrage wie folgt:

Bei jedem großen Vorhaben einer Landesregierung gibt es Stimmen, die das Vorhaben befürworten, und es gibt Stimmen dagegen. Das ist auch gut so; denn es zeigt, die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes wollen sich aktiv in die Entscheidungsfindung einbringen. Das ist gelebte Demokratie, die in unserer Verfassung festgeschrieben ist, unter anderem im Grundgesetz in Artikel 5 mit der Meinungsfreiheit und in Artikel 8 mit der Versammlungsfreiheit. Dies gilt selbstverständlich auch für den Zusammenschluss der Bürgerinitiativen, wie wir ihn am Samstag in Simmern erlebt haben.

Das bedeutet aber nicht, dass wir den Vortrag der Bürgerinitiativen, in Rheinland-Pfalz fände – Zitat – ein unkontrollierter Ausbau der Windenergie statt, unwider

sprochen im Raum stehen lassen. Im Mai dieses Jahres ist die Teilfortschreibung „Erneuerbare Energien“ unseres Landesentwicklungsprogramms IV in Kraft getreten. Dort haben wir sehr klare Vorgaben zur Steuerung des Ausbaus der Windenergie gemacht.

Zunächst einmal haben die Regionalen Planungsgemeinschaften den Auftrag erhalten, Vorranggebiete für die Windenergienutzung auszuweisen. Dabei sind Gebiete mit hoher Windhöffigkeit vorrangig zu sichern.

Des Weiteren soll der Ausbau der Windenergie durch die Bauleitpläne der Kommunen gesteuert werden; denn in den Kommunen ist die beste Kenntnis der Situation vor Ort gegeben. Dort wird auch der Wille der Bürgerinnen und Bürger berücksichtigt, der nicht zuletzt in die Entscheidung durch die Räte und in den Räten aufgenommen wird; denn bekanntlich werden die Bauleitpläne durch die Kommunalparlamente beschlossen. Diese vertreten in unserem System der repräsentativen Demokratie den Willen der Menschen vor Ort.

Auch haben wir vorgesehen, dass die Errichtung von Windenergieanlagen in mehreren Bereichen unseres Landes auszuschließen ist. Dies sind beispielsweise die bestehenden und einstweilig sichergestellten Naturschutzgebiete, Kern- und Pflegezonen des Biosphärenreservates Pfälzerwald und die Kernzone des UNESCOWelterbegebietes Oberes Mittelrheintal.

Daneben haben die Regionalen Planungsgemeinschaften in den landesweit bedeutsamen historischen Kulturlandschaften die Gebiete zu konkretisieren, in denen die Windenergienutzung auszuschließen ist. Das gilt auch für den sechs Kilometer breiten Korridor westlich des Haardtrandes. Welchen Schutz der Rahmenbereich der Welterbestätten erhalten soll, wird gerade noch geprüft.

Die Errichtung und der Betrieb von Windkraftanlagen in FFH- und Vogelschutzgebieten unterliegen erheblichen Restriktionen durch Verträglichkeitsprüfung und teilweisem Ausschluss.

Wie Sie hieran sehen, beinhaltet das Landesentwicklungsprogramm IV ein umfangreiches und abgewogenes Instrumentarium zur Steuerung des Ausbaus der Windenergienutzung in unserem Land. Ich möchte damit deutlich den Äußerungen der Bürgerinitiative, die von Windkraftwahn spricht, und der „Rhein-Zeitung“, das Landesentwicklungsprogramm habe den Naturschutz praktisch abgeschafft, widersprechen.

Die Behauptung der Bürgerinitiativen, die Landesregierung hätte die Anliegen der anerkannten Naturschutzverbände und der Bürgerinnen und Bürger nicht berücksichtigt, lasse ich nicht unwidersprochen stehen. Wir haben im Zuge der Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms zwei umfangreiche Beteiligungsverfahren durchgeführt, in denen die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes sowie auch die Verbände zahlreiche Stellungnahmen und Anliegen zu dem Planentwurf abgegeben haben.

Unter Würdigung dieser Anregungen und Stellungnahmen und nach intensiven Gesprächen mit den Naturschutzverbänden haben wir die Steuerungsinstrumente

im Landesentwicklungsprogramm ergänzt und weitere Flächen hinsichtlich des Ausbaus der Windenergie ausgeschlossen. Das gilt beispielsweise für die Pflegezonen im Pfälzerwald und den Konkretisierungsauftrag an die Planungsgemeinschaften bezüglich der Ausschlüsse für die Windenergienutzung in den landesweit bedeutsamen historischen Kulturlandschaften.

Allerdings möchte ich auch betonen, dass unter Berücksichtigung der Erfordernisse der Energiewende darüber hinaus ein genereller Ausschluss weiterer Flächen nicht in Betracht kommen konnte. Im Übrigen wurden bisher alle Projekte auf der Grundlage der Regelungen für die Regionalplanung oder der Privilegierung im Baugesetzbuch und nicht aufgrund der neuen Regelungen im Landesentwicklungsprogramm genehmigt.

(Pörksen, SPD: Genauso ist das! - Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)

Insgesamt bleibt festzustellen, dass wir mit dem aktuellen LEP IV ein ausgewogenes Planungsinstrument besitzen, das sowohl den Regionalen Planungsgemeinschaften als auch den Kommunen umfangreiche Steuerungen einräumt.

Sie haben ferner nach einer Bewertung gefragt. Ich möchte das gern tun.

Herr Baldauf, wenn wir davon ausgehen, dass die Abstände, wie von den Bürgerinitiativen gefordert, auf 3.000 bis 8.000 Meter erhöht werden würden, und man sich auch in der CDU dieser Forderung anschließen würde, würde das das faktische Aus der Windkraft bedeuten. Meine abschließende Bewertung ist, dass ich dieses unter dem Ziel, das sich die Landesregierung gegeben hat, nämlich die Energiewende voranzutreiben, und den Zahlen, die ich bereits genannt habe, nicht befürworte. Dies teilen wir nicht.

Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Baldauf.

Herzlichen Dank. Frau Ministerin, Sie haben ausgeführt, dass sich die Bürger in die Entscheidungsfindung einbringen wollen. Das ist sehr löblich. Wie haben Sie denn die Bürgerinitiativen und die Bürger in die Entscheidungsfindung eingebunden? Wann haben Sie mit wem welche Gespräche geführt? Haben Sie vor, mit diesem Bündnis in naher Zukunft ein Gespräch zu führen, oder haben Sie dieses vielleicht sogar schon eingeladen?

Herr Baldauf, wir haben diverse Gespräche geführt und sogar hier über die Bürgerbeteiligungsverfahren berichtet. Ich denke, diese Frage ist bereits ausreichend beantwortet worden.

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Kollegen Baldauf.

Die Antwort lassen wir einmal so stehen. Wir diskutieren nicht.

Frau Ministerin, wie kommen Sie auf die 7.000 bzw. 8.000 Meter Abstand, wenn in den Positionspapieren und den Grundlagen der Gründung des Bündnisses ein Abstand von 2.000 Metern vorgesehen ist?

Das sind ebenfalls Aussagen, die die Bürgerinitiative in der Öffentlichkeit getätigt hat. Wie Sie meinen Ausführungen entnommen haben, habe ich diese im Konjunktiv formuliert; denn da sind auch Ihre Positionen offenbar nicht ganz eindeutig.

Ich habe auch einen Blick nach Bayern geworfen, wo Herr Seehofer auch von Bürgerinitiativen diese Forderung aufgegriffen hat, die zunächst mit 2.000 Meter Abstand begann und bei einer Verzehnfachung endete. Schließlich endete sie so, dass gar keine Windkraftanlagen genehmigt werden. Diesem Verfahren folgend ist zu entnehmen, dass das faktische Aus einer Windenergienutzung damit einhergehen würde. Dieses teile ich in meiner Bewertung nicht.

Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Konrad.

Vielen Dank. Frau Ministerin, es ist bei etwa 20 Gruppen, die sich zusammengeschlossen haben, fast von einer flächendeckenden Ablehnung der Energiegewinnung aus Windkraft auszugehen. Herr Kollege Baldauf persönlich und die CDU haben diesen Zusammenschluss auch unterstützt. Halten Sie einen Ausstieg aus der Atomkraft für möglich, wenn in Rheinland-Pfalz zum Beispiel keine Windenergie mehr gewonnen wird? Wie viele Atomkraftwerke werden derzeit in Rheinland-Pfalz durch Windenergie ersetzt?

Vielleicht beantworte ich durch die Darstellung der reinen Fakten zunächst einmal, wie es mit der installierten Leistung und den Stromerträgen aus erneuerbaren Energieanlagen in Rheinland-Pfalz aussieht. Ich kann das in zwei Sätzen zusammenfassen. Die in RheinlandPfalz installierte Leistung aller erneuerbaren Energieträger ersetzt rechnerisch die Leistung von drei großen deutschen Atomkraftwerken.

Herr Kollege Konrad, wenn wir die Energiewende weiter vollziehen wollen, können wir nicht auf den weiteren Ausbau der Windenergie verzichten. Wie bewerte ich, dass sich 300 Bürgerinnen und Bürger in diesen Initiativen zusammengetan haben? Das ist Bürgerwille und Bürgerdarstellung der Meinung.

Eine Enquete-Kommission des Landtags befasst sich auch mit Fragen der Bürgerbeteiligung und den Fragen, wie man die Bürgerstimmen über die bestehenden Bürgerbeteiligungsverfahren und Mechanismen sowie die repräsentative Demokratie, wie wir sie bereits vorfinden, aufnehmen kann.

Es ist immer wieder die Frage zu stellen, ob es um den Willen eines einzelnen Bürgers geht. Wie groß ist eine Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern, wenn sie ihren Willen äußert? Ich habe eingangs erwähnt, es gibt genauso Bürger, die am gleichen Tag eine Vielzahl von Aktionstagen und Aktivitäten durchgeführt und sich für die Energiewende und die Windkraft ausgesprochen haben. Auch an diesem Tag war die Zahl der Bürgerinnen und Bürger mindestens gleich groß.

Eine Umfrage des Vereins Erneuerbare Energien e. V. zeigt, dass 93 % der Menschen in der Bundesrepublik Deutschland die Energiewende und auch den Ausbau der Windkraft weiter unterstützen und drei Viertel der Menschen in der Republik ebenso an einer weiteren Förderung erneuerbarer Energien festhalten wollen. Ich finde, das sind ziemlich eindeutige Zahlen, die belegen, dass hier ein breiter Bürgerwille für unser politisches Handeln besteht.

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Kollegen Baldauf.

Vielen Dank. Herr Präsident! Herr Kollege Konrad, vielen Dank an Sie. Ich wusste gar nicht, dass es mir gelingt, 7.000 bis 8.000 Menschen von einer Idee so zu begeistern, dass Sie das auch noch verfolgen.

Frau Ministerin, ich komme zu meiner Frage. Nehmen Sie die Anliegen dieses Bündnisses, das zwischenzeitlich aus 7.000 bis 8.000 Leuten besteht, ernst? Sind Sie, wenn Sie es ernst nehmen, der Meinung, dass dieses Bündnis die Energiewende verhindern oder eher dafür sorgen will, dass ein planvoller, sozialökologisch und ökonomisch abgewägter Prozess durchgeführt wird?

(Beifall bei der CDU)

Sehr geehrter Herr Kollege Baldauf, nach den Gesprächen, die wir geführt haben, und den Stellungnahmen und Kontakten, die uns bekannt sind, ist es so, dass diese Bürgerinitiativen ihre Blickrichtung in der Regel auf einzelne Windkraftstandorte gerichtet haben, von denen

sie sich persönlich betroffen fühlen. Um ihre Kraft zu bündeln, haben sie sich in diesem Verbund zusammengeschlossen.

Ich finde, dass es das Recht eines jeden Bürgers ist, dies zu tun. Insofern hören wir genau hin und sind sehr genau im Gespräch. Wir begrüßen sehr, dass die Bürgerinnen und Bürger einen sozialverträglichen ökologischen Ausbau der Energiewende auch in diesem Land unterstützen. Insofern hat die Politik die Aufgabe, den Ausgleich der Interessen zwischen den beiden Seiten immer wieder herbeizuführen. Genau darum bemühen wir uns auch im Gespräch mit den Bürgerinitiativen.