Protocol of the Session on March 7, 2013

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir können mit der Sitzung fortfahren; es ist 13:30 Uhr.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung mit dem ersten Thema auf:

AKTUELLE STUNDE

„Schüler brauchen individuelle Fördermaßnahmen und die Chance zum Anschluss – Möglichkeit der Klassenwiederholung beibehalten“ auf Antrag der Fraktion CDU – Drucksache 16/2098 –

Für die Fraktion der CDU hat Herr Abgeordneter Ernst das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In Niedersachsen soll die Möglichkeit, eine Klasse zu wiederholen, abgeschafft werden. Rot-Grün in Rheinland-Pfalz fehlt dafür vielleicht noch der Mut. Sie wählen deshalb den Umweg über einen Modellversuch. Hier soll dann schrittweise dieses pädagogische Instrument ausgehöhlt werden.

Meine Damen und Herren, um es deutlich zu sagen, niemand will, dass ein Schüler aufgrund schlechter Leistungen eine Klasse wiederholen muss. Niemand will das. Eine bestmögliche Förderung muss frühzeitig ansetzen, um das soweit wie möglich zu verhindern.

(Beifall bei der CDU)

Die Horrorszenarien, die hier häufig gezeichnet werden, dass man wegen schlechter Leistungen in einem Fach die Klasse wiederholen muss, sind wirklich aus der Luft gegriffen. Es gibt vielfältige Ausgleichsmöglichkeiten. Die allermeisten Lehrer helfen und fördern, wo sie können. Leichtfertig wird heute kein Schüler mehr eine „Ehrenrunde“ drehen müssen.

(Beifall bei der CDU)

Mittlerweile wiederholen deshalb auch nur noch weniger als 2 % eine Klassenstufe. Im Umkehrschluss jedoch zu glauben, auf Klassenwiederholung ganz verzichten zu können, ist grundfalsch und eine unzulässige Vereinfachung der Wirklichkeit.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt Situationen, in denen die Lage verfahren ist und sich der Lernerfolg einfach nicht einstellen will. In diesen Fällen kann ein Klassenwechsel auch ein positiver Neustart sein; denn es ist belastend, immer der Letzte zu sein. Da spreche ich aus eigener Erfahrung im Umgang mit Schülern. Das Abschaffen des Sitzenbleibens löst keine Probleme, sondern verschärft und verschiebt sie nur in die Zukunft. „Ehrenrunden“ können den Sinn für Eigenverantwortung schärfen, weil der Schüler weiß, es geht um etwas; denn Schule muss auch auf die Spielregeln unserer Gesellschaft vorbereiten. An der Werkbank, im Büro oder in der Universität muss ich die Konsequenzen meiner erbrachten Leistungen stets tragen.

Wer aber Klassenwiederholungen abschafft, muss als nächstes die Notengebung abschaffen; denn das Nichterreichen von Lernzielen hat keinerlei Konsequenzen mehr. Deshalb sind in Ihrem Modellversuch auch Möglichkeiten zur Relativierung der Noten in den Zeugnissen der Mittelstufe vorgesehen. Noten sind aber bei allen Schwächen und Ungenauigkeiten immer noch das verständlichste und transparenteste Instrument, den eigenen Lernstand einzuschätzen.

(Frau Thelen, CDU: So ist das!)

Wie passt es aber dann zusammen, dass nun in den Grundschulen die unverständlichen Verbalzeugnisse in den Klassen 3 und 4 abgeschafft sind und in der Mittelstufe eingeführt werden sollen? Ihr Versprechen, man könne durch individuelle Forderung auf das Sitzenbleiben verzichten, hält dem Schulalltag nicht stand.

(Beifall der CDU)

Lehrer fördern jetzt schon so gut sie können.

Sie allerdings gaukeln den Eltern und Schülern etwas vor, wenn Sie versprechen, jede 5 könnte im Klassenverband einfach durch noch mehr individuelle Förderung kompensiert werden.

Meine Damen und Herren, schauen wir uns die Wirklichkeit an den rheinland-pfälzischen Schulen an. Die Klassengrößen liegen in der Mittelstufe bei 30 Schülern. Der Unterrichtsausfall ist vorhanden. Bis 2016 werden rund 2.000 Lehrerstellen gestrichen.

(Beifall bei der CDU – Pörksen, SPD: Sie halten die Rede 20 Jahre zu spät!)

Ein Gutachten – der Name Klemm ist bekannt – im Auftrag der rot-grünen Landesregierung hat ergeben, dass durch eine weitere Reduzierung der Klassenwiederholungen rund 80 Lehrerstellen eingespart werden können. Dieser Auffassung folgt die Landesregierung und plant diese Stellen nicht für individuelle Förderung ein, nein, diese Stellen fallen weg. Bisher haben wir auch noch nicht allzu viel von der Ministerin dazu gehört.

Wir stellen hier an dieser Stelle die Frage: Frau Ministerin, distanzieren Sie sich von den Plänen in Niedersachsen, die Klassenwiederholung abzuschaffen? Was sind Ihre Ziele hinsichtlich des Sitzenbleibens und der Notengebung in der Mittelstufe? –

Von den GRÜNEN wissen wir zumindest vom Programm her, wo Sie stehen. Ich will das nicht im Einzelnen weiter zitieren, aber hier soll mittelfristig durch Lernentwicklungsberichte das Notensystem ergänzt und schrittweise ersetzt werden. Wir fragen die Landesregierung: Wie sieht Ihr Ziel aus? Wie sieht Ihre Perspektive hierzu aus? – Ich denke, diese Aktuelle Stunde bietet die Gelegenheit dazu, sich klar und eindeutig zu positionieren.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Brück das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Ernst, im Punkt Lesen und Verstehen kann man der CDU getrost die Note 6, ungenügend, geben.

(Frau Klöckner, CDU: Oh, wie witzig!)

Kompetenzstufe null, wenn es das gäbe! Hier brauchen die Damen und Herren der CDU sicher noch viel individuelle Förderung. Wenn ich Ihre eigenen Ausführungen zur heutigen Aktuellen Stunde höre, könnte man noch hinzufügen: Thema der eigenen Aktuellen Stunde verfehlt! Setzen!

(Vereinzelt Beifall bei der SPD – Frau Huth-Haage, CDU: Wie abgedroschen!)

Es geht der CDU auch gar nicht um die Sache an sich. Es geht Ihnen einzig und allein um die dicke Schlagzeile und um die Aufmerksamkeit in den Medien. Im Koalitionsvertrag steht – übrigens seit zwei Jahren; das haben Sie jetzt erst gemerkt –: „Wir werden einen Modellversuch für mehr Selbstständigkeit von Schulen starten, in den die Erfahrungen des bisherigen Schulversuchs einfließen. Auf Antrag der Schule und mit Zustimmung der Eltern und des Schulträgers erhalten die Schulen in diesem Rahmen die Möglichkeit, die Noten durch Lernentwicklungsberichte zu ergänzen, Sitzenbleiben überflüssig zu machen und auf Abschulung zu verzichten. Im Rahmen dieses Modellversuchs soll den Schulen zudem mehr Budgetverantwortung übertragen und stärkere Mitsprache bei der Personalauswahl gewährleistet werden.“

(Frau Thelen, CDU: Vorgelesen!)

Dann hat Ihre Aktuelle Stunde mit den Tatsachen wohl nichts zu tun. Das ist auch keine seriöse Politik;

(Beifall bei der SPD)

denn wie sonst kann man aus der Tatsache, dass wir einen Modellversuch machen wollen, bei dem es den teilnehmenden Schulen ermöglicht werden soll, so indi

viduell zu fördern und so intensive Maßnahmen auszuprobieren, dass das Sitzenbleiben überflüssig gemacht wird, nach Pressemitteilung von Herrn Bracht gleich einen generellen Verzicht auf die Möglichkeit der Wiederholung einer Klasse machen? Das ist in der Pressemitteilung so formuliert. Das ist echt das Thema verfehlt. Richtig lesen und verstehen hat bei Ihnen wohl trotz intensiver Bearbeitung des Themas noch nicht ausgereicht. Wenn ich Ihren Titel der Aktuellen Stunde wiederhole, hat bei Ihnen das Wiederholen nicht zum Anschluss gereicht.

(Frau Brede-Hoffman, SPD: Genau! Sinnlos!)

Sie versuchen es immer wieder nach dem alten Muster. Ich sage das jetzt einmal ein bisschen platt. Sie versuchen es nach dem Muster: Wir werfen einmal mit ein bisschen Dreck, irgendetwas wird schon hängen bleiben.

(Pörksen, SPD: Genau so ist es!)

Sie schüren bewusst Emotionen und verschleiern die Tatsachen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Aber ernst nehmen wird Sie dafür niemand mehr. Zu unserem Antrag „Mehr Selbstverantwortung in rheinlandpfälzischen Schulen“ haben Sie als CDU eine Anhörung beantragt. Dumm nur, dass die Anhörung erst nach der Plenarsitzung in der nächsten Woche stattfindet. Was nun? Sie wissen ja schon alles. Vor allen Dingen wissen Sie alles besser.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Ja!)

Fällt die Anhörung jetzt aus? Ist Ihnen der Populismus zu diesem Thema wichtiger als eine inhaltliche und sachliche Auseinandersetzung? Wenn man sich wirklich inhaltlich und sachlich auseinandersetzen wollte, dann hätte die CDU längst gemerkt, dass es uns um die Fragen von mehr Selbstverantwortung in den rheinlandpfälzischen Schulen, die Budgethoheit für die Schulen und mehr Eigenverantwortung bei Personalfragen geht.

(Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU – Pörksen, SPD: Hören Sie doch einfach einmal zu! Immer schwätzen!)

Das ist das, was die Schule umtreibt. Diese Sitzenbleiber-Debatte, die Sie angezettelt haben, ist doch von Ihrer Seite her bloß eine Scheindebatte. Das ist ein kläglicher Versuch, falsche Informationen nach Stammtischmanier zu verbreiten. Man hört mitunter einmal von Kolleginnen und Kollegen in der Diskussion, wir würden jetzt planen, Schülerinnen und Schülern die Schulabschlüsse hinterherzuwerfen. Das ist doch entlarvend.

Wir sprechen von einem Modellversuch. An dem bisherigen Modellversuch „Selbstverantwortliche Schule“ haben zehn Schulen teilgenommen. Wahrscheinlich wird sich der kommende Modellversuch nach meiner Einschätzung in einer ähnlichen Größenordnung bewegen. Ich sage es ganz ausdrücklich: Mich würde es außeror

dentlich freuen, wenn sich dafür auch Gymnasien bewerben würden.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Ja, vielleicht einmal!)

Die CDU lebt einzig und allein von der täglichen Schlagzeile. Seit Mai 2011 steht dieser Modellversuch in unserem Koalitionsvertrag. Jetzt haben Sie es erst gemerkt, weil eine bundesweite Debatte geführt wird. Sie springen auf den Zug auf, damit Sie in den Schlagzeilen sind. Dabei haben wir längst Stellen in unserem Bildungssystem, die individuelles Fördern durchaus intensiv durchführen. Darüber brauchen Sie nicht zu staunen. Das ist in der Grundschule schon so.