Die CDU lebt einzig und allein von der täglichen Schlagzeile. Seit Mai 2011 steht dieser Modellversuch in unserem Koalitionsvertrag. Jetzt haben Sie es erst gemerkt, weil eine bundesweite Debatte geführt wird. Sie springen auf den Zug auf, damit Sie in den Schlagzeilen sind. Dabei haben wir längst Stellen in unserem Bildungssystem, die individuelles Fördern durchaus intensiv durchführen. Darüber brauchen Sie nicht zu staunen. Das ist in der Grundschule schon so.
Dann gibt es in Rheinland-Pfalz die Integrierte Gesamtschule, mittlerweile 54 Stück an der Zahl. Viele Kommunen, gerade auch CDU-regierte Kommunen, haben in den letzten Jahren zu unserer großen Freude vehement die Integrierte Gesamtschule gefordert und eingeführt.
Ich möchte ein paar nennen: der Landkreis CochemZell, CDU-geführt, der Landkreis Bernkastel-Wittlich, CDU-geführt, der Landkreis Trier-Saarburg, CDUgeführt, der Landkreis Germersheim, CDU-geführt, der Landkreis Mayen-Koblenz, CDU-geführt,
der Landkreis Rhein-Hunsrück, CDU-geführt, der Landkreis Südwestpfalz, CDU-geführt. – Man könnte so weitermachen.
Wir freuen uns, dass Sie diese innovative und moderne Schulform bevorzugen. Dort finden das Aufrücken im Klassenverband und die erste Versetzung nach Klasse 9 statt.
Herr Vorsitzender, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste, meine Damen und Herren! Das ist eine Debatte, die wir schon öfter hatten. Man darf sich etwas verwundert zeigen;
denn sie geht von Annahmen aus, die man schon mit der pädagogischen Argumentation, den wissenschaftlichen Erkenntnissen der 70er-Jahre widerlegen kann,
nämlich dass man mit der sogenannten „schwarzen Pädagogik“, Herr Schreiner, möglicherweise so viel Druck ausüben könnte, dass Kinder zum Lernerfolg gebracht werden. Genau das ist nicht der Fall.
Gerald Hüther hat das in einem Zeitungsartikel in der „WELT“ vom 3. Februar 2013 – das ist schon eine Weile her – eindrucksvoll bestätigt – ich zitiere nicht, weil die paar Minuten sowieso viel zu kurz sind –, in dem er mit zwei Vorurteilen in der Gesellschaft aufräumt, indem er sie auflöst. Das eine ist, dass Kinder grundsätzlich alles lernen könnten. Dem ist nicht so. Kinder können nur lernen, was sie interessiert, was ihnen Spaß macht, woran sie Freude haben und was für sie bedeutsam ist.
Die Bedeutsamkeit des Lerngegenstandes hängt aber noch von einem anderen Faktor ab, nämlich dass sie sich in ihrer Lernumgebung wohlfühlen. Wenn sie dann durch ihre Peergroup oder den Raum, der möglichst gut gestaltet ist, motiviert sind
und die Angst keine Rolle spielt, sind die Lernerfolge, Herr Schreiner, sehr viel größer, als wenn der Druck im Vordergrund steht. Es tut mir leid, wenn Sie eine andere Erfahrung in der Schule haben machen müssen.
Herr Schreiner, Lehrer werden nur diejenigen, die sich als Schüler wohlgefühlt haben. Ich gehöre zu denen und habe das Glück gehabt, in der Schule Lehrer zu haben, die eine Atmosphäre geschaffen haben, in der man nicht damit rechnen musste, dass man beschämt wird oder letzten Endes in die Ecke gestellt wird oder andere Maßnahmen, die ich an der Stelle nicht noch einmal erwähnen möchte, zum Tragen kommen. Sie wissen, was ich meine.
„Kinder können immer lernen.“ Auch das ist ein Irrtum. Kinder können nämlich keineswegs immer lernen. Wenn es ihnen nicht gut geht, haben sie dazu keine Chance.
Das hat mit dem Beispiel an der Stelle wenig zu tun. Ich bin sicher, dass wir in der nächsten Haushaltsdebatte Ihrer Rede entnehmen, dass der Bildungshaushalt aufgestockt werden soll. Sie können gern dazu einen Änderungsantrag für den Doppelhaushalt 2014/2015 stellen. Das käme uns sehr gelegen.
Wenn es einem nicht gut geht, dann lernt man nur, um aus diesem schlechten Zustand wieder herauszukommen und die Mathearbeit am nächsten Tag zu bestehen.
Ich habe schon erlebt, dass Schülerinnen und Schüler „abgeschult“ werden – das ist ein komisches Wort; ich frage mich, warum man das überhaupt erfunden hat –, das heißt, auf eine andere Schulart gesetzt werden, und dann aber den Lernerfolg haben, weil plötzlich die Umgebung und das Lernprogramm stimmen, und durch die andere Umgebung so gute Leistungen erzielen, dass sie wiederum an der Oberstufe ihrer alten Schule andocken können. Es ist merkwürdig, dass man solche Umwege gehen muss. Ich glaube nicht, dass es notwendig ist.
Herr Ernst, dennoch kann ich einem Teil Ihrer Ausführungen sehr wohl zustimmen; denn Sie schreiben selbst in Ihrer Presseerklärung, dass es wichtig ist, individuell zu fördern und zu fordern. Da kann es sehr wohl möglich und sinnvoll sein, dass es auch zu Wiederholungen kommt. Wir wollen nicht die Noten abschaffen, wie Sie uns das jetzt unterstellen, wenn auch erst in einem zweiten Schritt. Wir wollen auch nicht das Wiederholen abschaffen, sondern die Möglichkeit eröffnen, andere Formen der Lernfortschrittsbeurteilungen in die Bewertung der Schülerinnen und Schüler aufzunehmen. Die Noten sind nicht alles. Die Noten sagen nichts über die Persönlichkeit des Schülers aus.
Es geht aber in der Schule nicht mehr darum, wie vielleicht in den 50er-Jahren Disziplin zu lernen, was Ihnen im Moment anscheinend abgeht.
Es geht auch nicht darum, Wissen anzuhäufen; denn Wissen hat eine Halbwertzeit, die kaum noch zu untertreffen ist. Es geht darum, die Kinder auf das Leben vorzubereiten. Dazu gehören Persönlichkeitsbildung und auch ein individualisiertes Lernen, das sehr wohl in der Klassengemeinschaft sinnvoll unterstützt werden kann.
Der Schulversuch „Selbstverantwortliche Schule“ – das hat schon Bettina Brück ausgeführt – zielt darauf ab, den Schulen mehr Möglichkeiten zu eröffnen. Er zielt darauf ab, die Noten zu ergänzen und mögliche andere Maßnahmen als das Wiederholen in Gang zu bringen. Wir haben in den letzten Jahren auch Erfahrungen mit Nachprüfungen gesammelt,
die durchaus Hoffnung machen, dass es sehr wohl möglich ist, mit individualisierter Nachbetreuung Schülern das Weiterkommen zu ermöglichen, damit sie im Klassenverband bleiben.
Das schließt nicht aus, dass es Situationen gibt, in denen ein Wiederholen angesagt sein kann und sinnvoll ist.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wenn Sie schauen, wie man das Wort „Phantom“ übersetzt, finden Sie als Synonym dafür Trugbild, eine unwirkliche Erscheinung, eine Einbildung. Als ich mir das alles noch einmal angeschaut hatte, war ich noch mehr als vorher davon überzeugt, dass wir hier eine Phantomdebatte führen.
So etwas ist in politischen und schon gar nicht in schulpolitischen Debatten nie gut. Eigentlich dürfte man auch hoffen, dass Sie an der Stelle dazugelernt haben, weil Ihre Phantome der Vergangenheit nie in Rheinland-Pfalz so eingetreten sind. Bei der Ganztagsschule ist das Phantom des Untergangs des Familienlebens nicht eingetreten. Dann hat einmal eine kleinere Oppositionspartei vor der letzten Landtagswahl gemeint, sie könne das Phantom der Abschaffung des Gymnasiums zum Thema machen. Das ist nicht eingetreten. Aktuell wird auch das Phantom der Abschaffung der Förderschulen nicht eintreten. Auch das Sitzenbleiben wird nicht abgeschafft. Das ist eben in aller Deutlichkeit gesagt worden.
Ganz klar ist, wir wollen die Zahl der Klassenwiederholerinnen und -wiederholer weiter reduzieren und in einem Modellversuch an einer überschaubaren Zahl von Schulen neue Wege entwickeln, damit in der Konsequenz von noch besserer Förderung das Sitzenbleiben überflüssig wird.
Das wiederum kann als Ziel eigentlich überhaupt nicht umstritten sein. Eigentlich ist das alles sehr klar. Im Übrigen ist das in der Koalitionsvereinbarung gut nachzulesen; es ist ein zusammenhängender Absatz. Auch im Ausschuss haben wir schon dreimal darüber diskutiert.
Man kann das also nachlesen. Wenn man das nachgelesen hat, stellt man fest, dass die Sache an sich sehr unaufgeregt ist. Dass Sie das genauso empfunden haben, kann man im Übrigen daran merken: Die Koalitionsvereinbarung liegt jetzt sei knapp zwei Jahren vor. Bis vor zwei Wochen hat Sie das auch nicht weiter aufgeregt. Ich gehe davon aus, dass Sie auch vorher schon einmal einen Blick in die Koalitionsvereinbarung geworfen haben.