Das ist die Frage der Staatsferne und der staatlich festgelegten Mindestlöhne. Wir haben uns in Großbritannien ein Vorbild, nämlich die Low Pay Commission, angeschaut. Großbritannien steht nun wirklich nicht als Vorbild für den bürokratischen Sozialismus. Das ist eine Kommission, die aus Gewerkschaften, Arbeitgebervertretern und der Wissenschaft besteht, und die auf der Grundlage von Datenerhebungen einen Vorschlag für einen Bruttomindestlohn in der Stunde macht. Das zuständige Bundesministerium, welches es auch immer sein mag, hat sodann festzulegen, dass es als Verordnungsgeber diesen Mindestlohn in eine Verordnung fließen lässt. Dann hat der Entwurf Gesetzesrealität.
Lieber Herr Kessel, ich verstehe wirklich nicht, wie Sie auf der Grundlage dieses Modells Ihren Vorwurf festmachen können, dass wir staatlich und politisch festgelegte Mindestlöhne haben. Ich verstehe auch Ihren Einwand nicht. Wo ist die Staatsferne bei dem, was die Folge Ihres Pseudomindestlohns – so will ich es einmal nennen – ist?
Ihr Pseudomindestlohn hat zur Folge, dass wir überall dort, wo wir tarifvertragliche Lösungen haben, die auf der Grundlage von schwächer gewordenen Gewerkschaften und Arbeitgebervertretungen, die sich auch öfter dadurch auszeichnen, dass sie an Mitgliedsverlust leiden, zustande gekommen sind, erleben müssen, dass genau das, was ich geschildert habe, passiert, nämlich dass Menschen, die vollschichtig arbeiten, am Ende des Monats zu einer staatlich installierten Stelle gehen müssen und von einem staatlich finanzierten Mitarbeiter einen staatlich festgelegten Aufsatz auf das, was sie verdienen, bekommen. Wo ist denn Ihre Staatsferne in Ihrer Lösung? Das ist in sich widersprüchlich, um nicht etwas anderes zu formulieren.
(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Frau Kohnle-Gros, SPD: Fragen Sie einmal, woher das alles kommt!)
Meine Damen und Herren, Ihr Mindestlohnmodell ist ausschließlich dem Wahlkampf geschuldet. Es hilft den Menschen nicht. Es ist sozusagen der Zwillingsbruder des Betreuungsgeldes. Keiner kann erklären, was damit passieren und warum es dieses geben soll. Es ist fachlich überhaupt nicht zu rechtfertigen. Es kostet einen Haufen Geld, weil Ihr Mindestlohnmodell weiter dazu führen wird, dass aus den sozialen Sicherungssystemen Geld obendrauf gelegt werden muss, damit Menschen existieren können.
Lieber Herr Kessel und meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, packen Sie das Ding wieder ein, oder nähern Sie sich unserer Position, die international, aber
auch in fachlich gebundenen Kreisen Anerkennung findet und die – es wird Sie nicht überraschen; ich will es Ihnen doch noch einmal präsentieren – auch bei den Gewerkschaften, die Sie für Ihr Modell brauchen, mehr Anerkennung findet als alles das, was Sie formuliert haben.
Meine Damen und Herren, deshalb sind wir mit einigem Selbstbewusstsein mit diesem Gesetzentwurf unterwegs. Es wird dazu führen, dass die gesellschaftliche Debatte in den nächsten Wochen und Monaten auch einen Fokus bekommt und Unterschiede deutlich werden, wie es diese Debatte hoffentlich zur Folge hat, und die Menschen erkennen, dass es im September eine Bundestagswahl geben wird, bei der es nicht nur Abstimmungen über Wahlkreise und Mehrheiten, sondern auch eine Abstimmung darüber gibt, ob es in Deutschland einen vernünftigen festgelegten flächendeckenden Mindestlohn geben oder etwas kommen wird, was Sie versucht haben, hier zu vertreten.
Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion hat noch 6 Minuten und die beiden anderen Fraktionen noch jeweils 3 Minuten Redezeit.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Prinzip hat der Minister alles ausführlich dargelegt. Ich möchte aber auf den einen oder anderen Punkt noch einmal zusätzlich eingehen.
Herr Kessel, ich habe mich vorhin auch gefragt. Das was Sie zum Thema „Mindestlöhne in Branchen“ gesagt haben, hat auch Frau Thelen genauso erzählt. Sie haben es im Prinzip wirklich nur noch einmal herausgesucht und vorgelesen. Neu war das an der Stelle für uns nicht.
Es ist widersprüchlich, wenn Sie sagen, wir wollen, dass das die Tarifpartner machen. Natürlich wollen wir auch, dass die Tarifpartner ordentliche Löhne aushandeln. Ich wundere mich immer wieder ein bisschen darüber, dass sich gerade die CDU und die FDP als Vorkämpfer für die Tarifautonomie und die Stärke der Tarifvertragsparteien gerieren. Ich kann mich noch sehr gut an Zeiten erinnern, als damals Helmut Kohl noch Bundeskanzler war, in denen die CDU massiv für die Abschaffung von Flächentarifverträgen gekämpft hat. Das zur Richtigkeit.
Bestimmt auf Seminaren. Herr Baldauf, vielen Dank für diesen qualifizierten Beitrag an dieser Stelle.
Wenn wir heute sagen, die Gewerkschaften sind dort, wo sie viele Frauen vertreten, zu schwach, um existenzsichernde Löhne auszuhandeln, dann heißt das für uns nicht, wir lassen die einfach einmal machen, und das, was die aushandeln, soll schon irgendwie reichen.
Wir sagen ganz klar, wir brauchen einen festgesetzten und benannten Lohn, damit man sagen kann, das ist etwas, wovon man ansatzweise leben kann. Etwas vermisse ich noch von Ihrer Partei. Sie nennen keinen Euro-Betrag. Wie hoch sind denn für Sie Löhne, von denen man leben kann?
Frau Klöckner, vielleicht verstehen Sie unter einem Lohn 900 Euro netto im Monat, von denen man leben kann. Sie können das vielleicht bei ihrem Lebenswandel nicht mehr.
(Frau Klöckner, CDU: Was habe ich denn für einen Lebenswandel? Was soll denn das? Sagen Sie einmal, welchen Lebens- wandel ich habe!)
Sie haben als Fraktionsvorsitzende sicher einen anderen Lebenswandel als eine Verkäuferin bei Aldi. Das können Sie sicher bestätigen. Wir wollen auch von Ihnen einmal eine klare Ansage. Was verstehen Sie unter einem existenzsichernden Lohn? Dann können wir uns darüber unterhalten.
Wenn Sie bereit wären, zuzuhören, würde ich es Ihnen gern erklären: Wir haben vereinbart, dass keine dauerhaften Zwischenrufe gemacht werden. Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sie sehen, das ist ein emotional besetztes Thema. Man kann es verzeihen, wenn jemand mit viel Herzblut für ein Thema eintritt, aber man sollte die Grenzen des persönlichen Miteinanders und der gegenseitigen Wertschätzung auch hier respektieren.
Ich glaube, es ist wichtig, dass wir heute noch einmal deutlich machen, wo der Unterschied liegt. Frau Dr. Machalet, daher bin ich für die letzte Frage, die Sie gestellt haben, eigentlich sehr dankbar. Wir, die CDU, maßen uns nicht an zu wissen, was der richtige Mindestlohn für die eine oder die andere Branche ist.
Wir respektieren die Tarifautonomie. Wir respektieren, dass Gewerkschaften zusammen mit den Arbeitgebern ihrer Branchen den richtigen Lohn finden.
Sehr geehrter Herr Minister Schweitzer, Sie sind jetzt ein Stück weit in der Ecke, in der es für Sie und für Ihr Modell durchaus schwierig wird. Wenn ich über die Debatte im Bundesrat richtig informiert bin – es sind hier Teilnehmer anwesend; die können uns aufklären –, haben die Dunkelroten, nämlich die LINKEN, die mitgestimmt haben, weil Rot-Grün nur mit den LINKEN die entsprechende Mehrheit im Bundesrat hat, woran man mal wieder erinnern muss,
in der Debatte großen Wert darauf gelegt zu betonen, dass die 8,50 Euro – ich frage mich, wie Sie auf diesen Betrag kommen; das hätte ich gern einmal gehört –
nur ein Mindest-Mindestlohn seien, quasi der Einstieg in den Mindestlohn, und dass man eigentlich 10 Euro für richtiger halte. Dann haben sich auch die SPD-Vertreter bemüßigt gefühlt, zu erklären, das sei nur der Anfang.
Ich frage Sie jetzt einmal: Welche Pläne haben Sie denn? Wann geht es mit der Erhöhung los? Welche Halbwertzeit soll der Betrag von 8,50 Euro haben? Wann haben Sie die festgelegt? Kalkulieren Sie schon die Inflation ein? Wird das dynamisiert? – Genau an der Stelle bleiben Sie bislang Antworten schuldig. Die hätten Sie hier geben können, damit die Menschen darüber Bescheid wissen, worauf sie sich einlassen.
Lieber Herr Köbler, ich halte Stundenlöhne von unter 5 Euro, die in Tarifverhandlungen vereinbart worden sind, für eine ganz schlimme Entwicklung. Das ist – damit wir da ganz klar sind – nicht in Ordnung.
Ich baue darauf, dass sich das ändert. Aber dann muss sich auch in unserer Gesellschaft etwas ändern. Sie haben die Situation der Friseurinnen angesprochen. Ein Stück weit gehört auch das Abschaffen unserer „Geiz ist geil“-Mentalität dazu.
Wenn ich für einen Friseurbesuch mit allem Drum und Dran 10 Euro bezahle, kann etwas nicht stimmen. Dann bleibt bei der Friseurin nichts hängen, und dann nützen auch die 1 oder 2 Euro Trinkgeld nichts.