Protocol of the Session on September 27, 2012

Sie vermischen Zahlen, die offensichtlich auf völlig unterschiedlichen Voraussetzungen zu verschiedenen Themen eruiert wurden, und Sie kommen dann zu Schlussfolgerungen, die überhaupt keinen Boden haben, für die es keine Begründung gibt.

Wenn Sie nur auf Baden-Württemberg und die Zeit vor dem Regierungswechsel rekurrieren, kann ich darin auch keine Aktualität sehen. Selbst wenn es so ist, dass in Baden-Württemberg andere Berechnungen herauskommen, sollten Sie bedenken, dass das klar ist, weil in Baden-Württemberg das Thema „Inklusion“ in den letzten 40 Jahren nicht die entscheidende Rolle gespielt hat.

Ich komme noch einmal zum Wahlrecht. Die Aktualität ist auch nicht darin zu sehen, dass es Schulen gäbe, die schließen würden. Ich weiß, dass es im Land sehr wohl Elterninitiativen gegeben hat, Schulen im Förderschulbereich möglicherweise überflüssig zu machen. Das mag es geben. Umgekehrt gibt es aber auch Eltern, die weiterhin darauf pochen, dass ihr Kind die Förderschule besucht. Beides soll möglich sein.

In beiden Bereichen sind wir lernfähig, und zwar nicht nur wir als Koalitionäre, sondern auch die gesamte rheinland-pfälzische Gesellschaft. Das ist wichtig und notwendig; denn keiner von uns kann de facto wissen, an welcher Stelle wir in diesem Bereich in vier oder fünf Jahren stehen werden. Von daher haben wir Aussagen, die prognostisch sind und die Klemm unter anderem in seinem Gutachten formuliert hat.

Das, was Sie unterstellen, ist in meinen Augen Kaffeesatzleserei; denn es kann keiner von uns wissen, wie sich die Eltern im kommenden Schuljahr oder in zwei, drei oder vier Jahren entscheiden. Ich habe aus meinem Herzen nie eine Mördergrube gemacht. Ich stehe für das

längere gemeinsame Lernen. Jedes Kind sollte an diesem längeren gemeinsamen Lernen Teilhabe haben.

Wenn es nicht möglich sein sollte, Förderschulen weiterhin aufrechtzuerhalten, die weniger als 25 Kinder haben, wenn irgendwann eine Kommune sagen wird, wir legen zwei Schulen zusammen, wenn Eltern sagen, unsere Kinder fühlen sich in der Schwerpunktschule oder in der Einzelintegration in der Regelschule deutlich besser, weil sie wohnortnäher beschult werden, und wenn die Schwerpunktschule irgendwann einen solchen Erfolg haben wird, dass sie tatsächlich die Regel sein wird, dann – das gebe ich ehrlich zu – bin ich sehr froh darüber.

Ich weiß ganz genau – ich halte mich an den Koalitionsvertrag wie beide Fraktionen –, dass dies in den nächsten vier Jahren nicht der Fall sein wird. Deshalb bitte ich Sie: Lassen Sie diese Kampagne. Anders kann ich es nicht nennen.

(Zuruf des Abg. Baldauf, CDU – Pörksen, SPD: Das ist Ihnen völlig egal!)

Denken Sie an die Kinder und an das Recht der Kinder auf Teilhabe in dieser Gesellschaft. Lassen Sie uns gemeinsam dazu kommen, dass Kinder nicht länger behindert werden.

(Glocke des Präsidenten)

Kinder sind nicht behindert. Sie werden behindert.

(Glocke des Präsidenten)

Die Eltern als ihr Anwalt müssen das Recht auf die Wahl der Schule haben, damit diese Behinderung nicht weiter stattfindet.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind am Ende der Aktuellen Stunde.

Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:

Qualität frühkindlicher Bildung sichern – Mangel an Fachkräften aktiv begegnen Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 16/1585 –

Die Grundredezeit beträgt fünf Minuten je Fraktion.

Für die CDU-Fraktion erteile ich Frau Kollegin HuthHaage das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste! In den Kindergärten, Kindertagesstätten und Kinderkrippen in unserem Land wird großartige

Arbeit geleistet. Zuallererst möchten wir vonseiten der CDU-Fraktion den Erzieherinnen und Erziehern für diese wichtige Arbeit danken, die sie tagtäglich unter schwierigen Bedingungen leisten.

(Beifall der CDU)

Meine Damen und Herren, wir wissen um die schwierigen Bedingungen. Wir bekommen es immer wieder geschildert. Wir wissen, dass einzelne Angebote nicht mehr aufrechterhalten werden können, etwa im Bereich der Bewegungsförderung. Mir hat letzte Woche eine Mutter geschildert, dass sie immer häufiger erlebt, dass in ihrem Kindergarten ein Schild hängt, auf dem steht: Bitte am nächsten Tag Kinder nur im äußersten Notfall bringen, weil in der Notfallbesetzung eine Kollegin erkrankt ist. – Man bittet darum, Kinder, wenn es irgendwie möglich ist, zu Hause zu lassen.

Meine Damen und Herren, das ist die Realität in unseren Kindertagesstätten.

(Beifall der CDU – Zurufe von der SPD: Wo?)

Meine Damen und Herren, Sie sind so entsetzt. Ich frage einmal: Erleben Sie es nicht? Haben Sie die Studie der GEW nicht gelesen? Darin wird genau das bestätigt.

Meine Damen und Herren, ein Viertel der Kindertagesstätten hat sich beteiligt. Drei Viertel der Kindertagesstätten sagen, sie haben einen akuten Fachkräftemangel. 83 % geben an, dass die Bewerberzahlen gesunken seien. Die meisten Kitas weisen darauf hin, dass sie Menschen ohne pädagogischen Hintergrund einstellen müssen. Viele bestätigen auch, dass die pädagogische Arbeit und die pädagogischen Angebote zurückgefahren werden.

Meine Damen und Herren, damit müssen Sie sich doch auch auseinandersetzen. Das müssen wir doch ansprechen. Sie können doch nicht so tun, als hätten Sie das noch nie gehört. Das ist doch die Realität in den Kindertagesstätten.

(Beifall der CDU – Frau Fink, SPD: Nein, das ist nicht die Realität! Das stimmt nicht!)

Entschuldigen Sie, ich beziehe mich unter anderem auf eine Studie der GEW. Das zum Hintergrund.

Meine Damen und Herren, der häufige Personalwechsel in den Gruppen ist natürlich nicht für die ErzieherinnenKind-Bindung förderlich. Stellen bleiben länger vakant. Wir wissen, dass das auch zum Zusammenlegen von Gruppen führt. Wir wissen, dass der Druck auf die verbleibenden Erzieherinnen und Erzieher so stark wird, dass sie auch die Tendenz haben, zur Teilzeitarbeit oder früher in den Ruhestand zu gehen. Das ist das, was wir nicht möchten.

Meine Damen und Herren, der Erzieherinnenmangel ist nicht von heute auf morgen über das Land gekommen. Hier hat die Landesregierung in den letzten Jahren mas

siv versagt. Die Ausbildungskapazitäten sind heruntergefahren worden.

Frau Ministerin, Sie werden sicher wieder sagen, wir bilden jetzt mehr aus. Das stimmt. Die Quote ist jetzt hochgegangen. Sie ist aber in den vergangenen Jahren gesenkt worden. Das ist doch das Entscheidende. 2005 hatten wir 4.600 Ausbildungsplätze. 2008 waren es noch 3.600. Wir haben heute im Jahr 2012 gerade einmal 4.200 Ausbildungsplätze. Das heißt, wir haben heute noch nicht einmal das Niveau von 2005 erreicht. Andere Bundesländer haben gegengesteuert und rechtzeitig die Ausbildungskapazitäten erhöht. In Rheinland-Pfalz haben wir viele Jahre verstreichen lassen. Das rächt sich jetzt.

(Beifall der CDU)

Meine Damen und Herren, ich verweise noch einmal auf unsere Große Anfrage aus dem Jahr 2009. Das Ministerium, das damals noch unter der Federführung der SPD war, hat damals gesagt, der Fachkräftemangel sei kein Problem. Es gebe genug Erzieherinnen und Erzieher. Im Übrigen gingen auch die Kinderzahlen zurück. Das war die Aussage der SPD. Vielleicht denkt man darüber noch einmal nach. Selten hat man in einer Einschätzung so falsch gelegen wie damals.

(Beifall der CDU)

Wir haben zwar heute neue Fachschulen, die auch geöffnet werden. Das ist richtig. Wir müssen aber auch überlegen, wie wir neue Berufe in die Kindertagesstätten bringen und Kindertagesstätten für die Berufsgruppen der Psychologinnen und Psychologen, Lehrerinnen und Lehrer und Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen interessant machen.

Wir müssen auch überlegen, wie wir die Erzieherinnenausbildung strukturell verändern. Wir haben den Vorschlag gemacht, verstärkt in eine duale Ausbildung zu gehen, weil wir glauben, dass diese zur Attraktivität beiträgt. Dieser Vorschlag ist von den Trägern, aber auch von der GEW sehr konstruktiv aufgenommen worden. Wir würden gern im Ausschuss in einer Anhörung weiter mit Ihnen darüber diskutieren.

Meine Damen und Herren, wir müssen gemeinsam arbeiten. Wir appellieren an Sie, diesen Antrag an den Ausschuss zu überweisen, weil wir glauben, dass die Qualität unserer Kindertagesstätten zur Disposition steht. Die Expertise von Professor Sell, die Sie, Frau Ahnen, noch in Auftrag gegeben haben, hat einiges aufgezeigt. Wichtige Anregungen aus dem Gutachten sind aber bis heute ignoriert worden. So warnt Professor Sell beispielsweise ausdrücklich vor der Gefahr, dass akademisch ausgebildete Fachkräfte nur eine ganz kurze Verweildauer in den Kindertagesstätten haben.

Frau Ministerin Alt, Sie nennen als Maßnahme gegen den Erziehermangel genau diesen Studiengang an der FH Koblenz/Remagen. Sie sehen schon, hier muss strukturell etwas geschehen. Wir müssen uns überlegen, wie wir es schaffen, dass auch akademisch ausgebildete

Erzieherinnen in den Kindertagesstätten und Kindergärten verbleiben.

Meine Damen und Herren, Sie wissen, dass das Gutachten auch aufgrund der Beitragsfreiheit eine höhere Bedarfsquote voraussieht, die weit über den 35 % liegt. Auch hier müssen wir gemeinsam überlegen, wie wir der Anforderung Rechnung tragen.

Meine Damen und Herren, wir können uns ein „Weiter so“ nicht leisten. Auch deswegen möchten wir im Ausschuss in einer Anhörung gemeinsam nach tragfähigen Lösungen suchen. Wir sind einen beträchtlichen Teil des Weges gegangen. Wenn Sie unseren Antrag lesen, werden Sie viele Vorschläge finden. Wir haben sie gemeinsam mit den betroffenen Verbänden erarbeitet.

Wir fordern beispielsweise auch eine regionalisierte Bedarfsanalyse, wie sie in Hessen erfolgt ist; denn wir müssen schauen, wo wir ausbilden und die Erzieherinnen und Erzieher brauchen. Eine der ganz wichtigen Erkenntnisse aus dem Gutachten von Professor Sell ist, dass er sagt, die jungen Menschen – in der Regel sind es junge Frauen – sind nicht sehr mobil. Wir müssen schauen, dass wir die Ausbildungsstätten in der Nähe der Wohnorte bekommen. Das ist ganz entscheidend. Das fehlt im Land. Hier müssen wir nachsteuern. Wir bitten um Ihre Unterstützung.

(Beifall der CDU)

Meine Damen und Herren, ein uns wichtiges Anliegen ist – das wissen Sie – die Kindertagespflege. Wir möchten, dass die Kindertagespflege weiter gefördert wird. Sie ist ein wichtiger Baustein im Kampf gegen den Fachkräftemangel.

Meine Damen und Herren, wir müssen über Ideen nachdenken, wie wir Erzieherinnen und Erzieher von Bürokratie entlasten. Auch hier braucht es Anstöße des Landes. Frau Ministerin, hier warten wir auf Ihre Vorschläge.

Meine Damen und Herren, wir tun es, um die Menschen, die Erzieherinnen und Erzieher, in ihrer Arbeit zum Wohle unserer Kinder zu unterstützen.