Herr Kollege Kessel, wir sind uns einig, dass kultursensible Pflege die Wahlfreiheit in den Mittelpunkt stellt.
Betonen möchte ich von vornherein, wenn ich in diese Rede einsteige, dass wir mit dem Paradigmenwechsel ambulante Angebote schaffen wollen, damit am Ende wirklich eine Wahlfreiheit, eine Möglichkeit vorliegt, die uns am Herzen liegt und daran ausgerichtet sein wird.
Aktiv im Alter, gut leben im Alter, der demografische Wandel vollzieht sich in unserem Land. Gott sei Dank werden wir alle älter. Wir möchten dafür ein lebenswertes Rheinland-Pfalz gestalten, das alle Generationen mit einbezieht, unsere Kleinen, unsere Großen und auch unsere Hochbetagten, am besten in den Gemeinden, da, wo sie gelebt haben, wo sie gewirkt haben. Dort sollen sie bleiben, da sind sie zu Hause, und zwar bitte bis zu ihrem letzten Lebenstag. Dazu müssen wir unser Land umstellen und die Weichen dafür mit der Infrastruktur und mit vielem mehr stellen.
Deswegen ist es eine Querschnittsaufgabe in unserem Land, getragen von allen Häusern, aber ganz besonders von Frau Ministerin Malu Dreyer mit ganz vielen Aktivitäten, damit man am Ende selbstbestimmt durch das Alter geht und dafür viel Pflegebedarfe, Ehrenamtsbedarfe und viel mehr einbringen kann.
Das Statistische Landesamt sagt, 2035 können wir 1,37 Millionen Menschen sein, die über 60 Jahre alt sind. Das sind wunderbare Aussichten. Ich glaube, wir sind uns darin einig, dass niemand von den Menschen fragen wird: Wann darf ich endlich ins Heim, wann kann ich endlich dorthin?
Menschen, die Menschen pflegen, sind Dinge, die in Rheinland-Pfalz schon ganz lange propagandiert vorangetragen werden. Ungefähr 70 % unserer Menschen die gepflegt werden, leben zu Hause. Familienverhältnisse verändern sich. Wir brauchen mehr ehrenamtliche Menschen, die genau diese Tätigkeiten tun. Das sage ich noch einmal, getreu dem Leitsatz, „ambulant vor stationär“.
Herr Kessel, es ist keine Absage an die Pflegeheime. Diese schätzen wir sehr. Wir wissen, dass einige Menschen sich dort sehr wohl fühlen und das ihre Wahl ist. Aber es ist nicht unsere Aufgabe, diese Weichen dorthin zu stellen, sondern unsere Weichen sind im Moment, dass wir sagen, wir brauchen ergänzende Angebote. Dazu komme ich gleich.
Ich möchte an dieser Stelle, weil wir die Menschen bei ihrer Entscheidung abholen, auf das Angebot der Landeszentrale für Gesundheit aufmerksam machen. Ich
selbst war bei zwei Regionalforen „Gut leben im Alter“. Es gab viele gut besuchte Veranstaltungen, in denen die Menschen gefragt wurden: Was wollen sie denn eigentlich, wo wollen sie leben? –
Es war ganz klar, dass die Menschen gesagt haben: Wir möchten zu Hause leben, wir möchten mehr Generationenrespekt, wir möchten mehr Anerkennung haben. – Und es bleibt immer der alte Wunsch: Unseren Kindern soll es einmal besser gehen als mir. Man möchte gestalten.
Unsere Politik richtet sich an den Wünschen der Menschen aus. Dazu nenne ich nach wie vor immer wieder die gleichen: Betreuungsangebote, Betreutes Wohnen, Wohngemeinschaften, die sogenannten Senioren-WGs. Mehrgenerationenwohnen würde ich mir sehr wünschen – die Bundesmittel fehlen uns –, aber auch das wunderbare Genossenschaftsmodell, das wir kennen, oder das Schammatdorf in Trier, das ich immer wieder als besonders leuchtendes Vorbild sehe. Wir arbeiten schon lange daran, seit 1993, wahrscheinlich noch länger mit der Schaffung unserer Landesleitstelle „Älter werden“, aber auch mit neuen Instrumenten: Selbstbestimmt wohnen im Alter, mobil und fit im Alter, im Alter gut und sicher leben, in Solidargemeinschaft.
Ich möchte mein Petitum Richtung Berlin stellen, und ich möchte Sie als CDU-Fraktion herzlich bitten, überlegen Sie sich das noch einmal. Schauen Sie, vielleicht kann man es gerade mit Gesundheitsprävention gelingen lassen, dass Menschen nicht nur älter werden, sondern länger fit im Alter sind, damit sie keinen Pflegebedarf bekommen.
Dazu brauchen wir einen Paradigmenwechsel, eine andere Grundausrichtung unserer Gesundheitsversorgung. Wir brauchen mehr Reha-Maßnahmen, damit sich die Menschen länger selbst versorgen können.
Wir möchten die häusliche Pflege stärken. Dazu brauchen wir das ehrenamtliche Engagement. Ich habe schon darauf aufmerksam gemacht, dass sich die Familienverhältnisse ändern werden.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute über die Bevölkerungsgruppe der älteren Menschen, die schon in 20 bis 25 Jahren den Löwenanteil unserer Gesellschaft ausmachen wird. Damit will ich nur noch einmal die Wichtigkeit dieses
Themas unterstreichen. Vor diesem Hintergrund freut es mich natürlich sehr, wenn ich konstatieren kann, dass es durchaus eine gemeinsame Schnittmenge zwischen den Fraktionen gibt, wohin die Reise gehen sollte.
Ich meine, auch und gerade deshalb, weil es sich um ein wichtiges Thema handelt, ist es gut, dass wir uns heute mit dem Thema der sich verändernden Altersstruktur beschäftigen und darüber diskutieren, wie und mit welchen Rahmenbedingungen die Politik diesen sich verändernden Altersstrukturen begegnen kann.
Um die Vielzahl der Initiativen und Maßnahmen skizzieren zu können, die die Landesregierung in diesem Bereich ergriffen hat, haben wir als rot-grüne Fraktionen einen Alternativantrag eingebracht, in dem wir einen kurzen, prägnanten Abriss dessen vornehmen.
Zunächst einmal – das wurde schon von Frau Kollegin Anklam-Trapp erwähnt – ist es wichtig – in diesem Bereich ist die Landesregierung auch aktiv –, durch Angebote der Gesundheitsprävention dafür zu sorgen, dass Menschen so lange wie möglich im Alter gesund und fit bleiben und die Menschen – wie das der Titel unseres Alternativantrags intendiert – auch im höheren und ganz hohen Alter noch aktiv sind. Wir fordern dazu auf, dieses Engagement auf der Bundesebene auszuweiten und sich für ein Bundespräventionsgesetz stark zu machen.
Durch Teilhabe an der Gesellschaft, durch die aktive Mitwirkung am gesellschaftlichen und kulturellen Leben in Rheinland-Pfalz, können auch heute schon Menschen im höheren und ganz hohen Alter immer noch an der Gesellschaft mitwirken. Das möchten wir ausdrücklich weiter durch politische Rahmenbedingungen fördern und stärken.
Selbst wenn dann die Gesundheit irgendwann einmal nicht mehr so mitspielt, ist es der Wunsch vieler älterer Menschen – dem wird mit der rheinland-pfälzischen Seniorenpolitik Rechnung getragen –, so lange wie möglich selbstbestimmt leben zu können. Meine Damen und Herren, dazu gehört die Pflege und Versorgung von pflegebedürftigen Menschen zu Hause dem Leitsatz „ambulant vor stationär“ folgend. So ist gesichert, dass möglichst viele Menschen noch in ihrer vertrauten Umgebung, im gewohnten Umfeld mit den Nachbarinnen und Nachbarn, alt werden können.
Dazu gehört aber auch die Schaffung neuer Wohnformen und Alternativen zu den jetzigen Einrichtungen, um dem Wunsch- und Wahlrecht der Menschen Rechnung zu tragen. In diesem Bereich ist Frau Ministerin Malu Dreyer sehr engagiert tätig. Es gibt eine wachsende Zahl von Mehrgenerationenhäusern, von genossenschaftlichen Wohnformen oder von Haus- und Wohngemeinschaften in Rheinland-Pfalz.
Ich meine, man könnte an dieser Stelle noch viel zu den umfangreichen Aktivitäten in Rheinland-Pfalz in diesem Politikbereich sagen. Exemplarisch möchte ich davon zwei Aspekte hervorheben.
Zum einen wurde ziemlich genau vor einem Jahr die Servicestelle Pflegestrukturplanung und Sozialraumentwicklung geschaffen, um die kommunale Ebene bei der
Pflegestrukturplanung zu unterstützen. Ich meine, das ist eine wichtige Säule, um sich bei diesem Themenfeld auf den Weg zu machen, die Pflegestrukturplanung für die Kommunen besser zu begleiten.
Zum anderen möchte ich noch auf einen weiteren Aspekt gehen. In dem Zusammenhang möchte ich Herrn Kessel widersprechen. Die CDU schreibt in Ihrem Antrag, den Betroffenen dürfe nicht vorgeschrieben werden, welche Versorgung bei Pflegebedürftigkeit für sie die richtige ist. Dem widerspricht niemand. Auch in dem rot-grünen Alternativantrag wird noch einmal das Selbstbestimmungsrecht der Menschen an dieser Stelle unterstrichen. Das möchte ich noch durch die Forderung nach einem Hilfemix für die älteren Menschen in RheinlandPfalz unterstreichen. Wir fordern einen gut abgestimmten Hilfemix aus pflegenden Angehörigen, aus beruflich in der Pflege Tätigen und aus bürgerschaftlich engagierten Menschen, um möglichst individuell auf die Bedürfnisse von pflegebedürftigen Menschen eingehen zu können.
Wir wollen diesen Hilfemix durch weitere Maßnahmen, die Sie unserem Alternativantrag entnehmen können, weiter stärken, damit der Titel unseres Antrags „Aktiv im Alter – Gut leben im Alter“ für möglichst viele Menschen in Rheinland-Pfalz Wirklichkeit wird und bleibt.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Herren und Damen! Ich meine, ich kann mich heute sehr kurz fassen. Das Leitbild der Landesregierung ist hinlänglich von Frau Anklam-Trapp und von Frau Spiegel dargestellt worden. Der Alternativantrag zeigt sehr deutlich, dass wir seit vielen, vielen Jahren ein ganz konkretes Leitbild haben, das wir auf allen Ebenen umsetzen und das für uns maßgeblich ist. Das sind die Themen „Selbstbestimmung“, „Teilhabe“ und selbstverständlich auch „Wahlrecht für ältere Menschen“. Das ist der einzige Punkt, auf den ich in dieser Debatte noch einmal eingehen möchte.
Herr Kessel, es ist eine Selbstverständlichkeit, dass die Pflegestrukturplanung von uns erwünscht ist. Wir haben sie erfunden, und wir sind meines Wissens das erste Land gewesen, das sie gesetzlich verankert hat. Zuvor ist schon erwähnt worden, wir haben eine Servicestelle gegründet, um die Kommunen zu unterstützen, damit das noch besser läuft.
Das Wahlrecht der Betroffenen ist für uns ebenfalls eine absolute Selbstverständlichkeit. Ich sage an der Stelle etwas schärfer: Die Formulierung, dass wir den Men
schen vorschreiben würden – das suggeriert Ihre Formulierung im Antrag –, wie sie im Alter zu leben haben, ist wirklich ein Witz. Das wissen Sie ganz genau.
Kein Mensch hat jemals innerhalb der Landesregierung oder den Fraktionen gesagt, im Alter muss man so oder so leben. An die CDU richte ich die herzliche Bitte, diese Mär nicht ständig in unser Land zu tragen, auch nicht in Briefen der Fraktionsvorsitzenden an Einrichtungen, liebe Frau Klöckner. In diesen Briefen sind solche Formulierungen auch enthalten.
Sie können selbstverständlich alle Briefe der Welt an Einrichtungen schicken, aber wenn Sie in diesen Briefen den Eindruck erwecken, dass die Landesregierung und die Regierungskoalition möchten, dass stationäre Einrichtungen abgeschafft werden und die Menschen nicht mehr das Wahlrecht haben, liegen Sie falsch. Damit verbreiten Sie etwas im Land, was nicht stimmt.
Ich möchte auch keine Verunsicherung im ganzen Land. Auch das sage ich noch einmal sehr deutlich. Es ist selbstverständlich, dass ältere Menschen, die für sich entscheiden, sie möchten gerne in einer Alteneinrichtung leben, dort leben können.
Liebe Damen und Herren, wir haben doch keinen Mangel an Altenheimen in unserem Land. Im Gegenteil, wir haben Regionen, in denen wir einen Überhang an Altenheimen haben.
Wir möchten aber mit aller Macht, dass sich auch Alternativen entwickeln; denn das ist unser Problem im Land, und nicht die stationären Einrichtungen. Deshalb ist es die richtige Botschaft, deutlich zu machen, wir wollen das Wahlrecht der Betroffenen. Deshalb wollen wir dafür sorgen, dass sie das Wahlrecht wirklich haben. Das bedeutet, dass wir die alternativen Wohnformen und Wohngemeinschaften weiterentwickeln wollen.
(Frau Klöckner, CDU: Herr Hering hat etwas anderes gesagt! – Dr. Weiland, CDU: Das haben wir dann einmal richtiggestellt!)
In Ihrem Antrag steht das richtig mit den möglichen Alternativen. Es gibt nur eine Stelle, die fehlleitend ist. Das ist die Stelle, an der Sie suggerieren, dass wir als Land den Menschen vorschreiben, wo sie zu wohnen haben. Das tun wir nicht. Im Gegenteil, all das, was wir tun, geschieht unter der Rubrik „Wohnen, wo ich will“. Das meinen wir ernst. Das werden wir auch weiter so durchführen.
Ich meine, wir haben inzwischen im Land eine gute Dynamik im Hinblick auf die Entstehung von alternativen Angeboten. Gestern hatten wir wieder eine große Veranstaltung in Andernach. Dort haben wir uns gute Beispiele ansehen können, die es im ganzen Land gibt. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir damit auf dem richtigen Weg sind; denn wir wünschen uns Selbstbestimmung und Teilhabe in jedem Alter und möglichst mittendrin. Deshalb sagen wir in unserem LWTG auch nicht, stationäre Einrichtungen soll es nicht mehr geben – das ist völliger Quatsch –, sondern in ihm steht, dass wir möchten, dass sich unsere Einrichtungen ein Stück öffnen hin zur Gemeinschaft. Es kann nur in Ihrem Sinne sein, dass die Menschen, auch wenn sie sich in stationären Einrichtungen befinden, natürlich am Gemeindeleben usw. teilnehmen können.