Protocol of the Session on March 21, 2012

Was hilft es uns, wenn ihre Kinder hier in unseren Schulen nichts mehr lernen können, weil sie aufgrund von Lärm nicht mehr konzentrationsfähig und nicht mehr lernfähig sind?

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, an dieser Stelle danke ich den Bürgerinitiativen, die kämpfen und sich wehren.

(Glocke des Präsidenten)

Wer weiß, wie wir ohne den Kampf dieser Bürgerinitiativen heute nach Leipzig schauen würden?

Danke schön.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Kollege Reichel.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der letzte Dienstag und Mittwoch waren – so möchte ich als jemand, der im Gerichtssaal anwesend war, mit vorsichtigem Optimismus sagen – gute Tage für die Menschen in Mainz und Rheinhessen, aber auch für die Menschen, die sich auf der anderen Rheinseite in Hessen ebenfalls stark gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens engagieren und Montag für Montag im Terminal 1 protestieren; denn nicht zum ersten Mal haben deutsche Gerichte deutlich auf die Grenzen der Belastbarkeit der Menschen durch Fluglärm aufmerksam gemacht. Mit dem vorläufigen Nachtflugverbot von 23:00 Uhr bis 05:00 Uhr für den Frankfurter Flughafen durch den Hessischen Verwaltungsgerichtshof oder auch mit dem endgültigen Nachtflugverbot für den Berliner Flughafen durch das Bundesverwaltungsgericht wurden bereits neue Wege in der Bewertung von Fluglärm eingeschlagen. Das ist gut so.

Auch wenn wir das endgültige Urteil zum Frankfurter Flughafen erst in wenigen Wochen erwarten, so besteht bereits heute die Hoffnung, dass dem Lärmschutz in Zukunft auch am Frankfurter Flughafen deutlich mehr Beachtung geschenkt werden wird, da dies das höchste deutsche Verwaltungsgericht festlegen wird. Gleich welche genauen Regelungen für den Frankfurter Flughafen zukünftig dauerhaft gelten, es ist allemal ein positives Signal, das die Richter am Bundesverwaltungsgericht bereits in der vergangenen Woche ausgesendet haben. Sie haben deutlich gemacht, dass bei der Genehmigung von 17 Nachtflügen durch das Land Hessen eine erneute öffentliche Anhörung erforderlich gewesen wäre.

Die Nichtdurchführung der erneuten Anhörung sieht das Bundesverwaltungsgericht als schweren, nicht heilbaren formalen Fehler an. Damit weisen die Richter die Politik deutlich in die Schranken. Sie zeigen in aller Deutlichkeit, dass es nicht möglich ist, über die Köpfe der Menschen hinweg nach Gusto Nachtflüge zu genehmigen, zumal diese von der Fraport im Jahr 2003 auch nicht beantragt worden waren und es die politische Zusage der Hessischen Landesregierung gab: Ausbau nur mit Nachflugverbot, ohne Nachtflugverbot kein Ausbau. –

Meine Einschätzung als Prozessbeobachter in Leipzig ist, im Ergebnis wird es wohl darauf hinauslaufen, dass das Land Hessen aufgefordert wird, die Genehmigung der Nordwestlandebahn zu ergänzen und vorher eine erneute Anhörung durchgeführt werden muss.

Positiv sehe ich auch, dass das Gericht nach vorläufiger Einschätzung das erlaubte Kontingent von 150 Flügen in den sogenannten Nachtrandzeiten infrage stellt. Der Vorsitzende Richter sprach von der Notwendigkeit eines langsamen Hineingleitens in die Mediationsnacht und eines langsamen Herausgleiten aus dieser. Damit würde einer Ballung von Flügen zwischen 05:00 Uhr und 06:00 Uhr sowie zwischen 22:00 Uhr und 23:00 Uhr Einhalt geboten, wie sie von der Fraport und der Luftverkehrswirtschaft gewünscht waren.

Wir können also bereits heute die nicht unberechtigte Hoffnung haben, dass es neben einem endgültigen Nachtflugverbot auch eine Reduzierung der Lärmbelästigung in den Nachtrandzeiten geben wird. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt in diesem Punkt seine Rechtsprechung zum Flughafen Berlin-Brandenburg vom letzten Jahr.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass damit die Proteste der Bürgerinnen und Bürger, die sich in den vielen verschiedenen Initiativen engagieren, endlich nach mehr als zehn Jahren erste vielversprechende Früchte tragen, auch wenn wir wissen, dass einige Bürgerinitiativen noch viel weitergehende Forderungen hatten, wie zum Beispiel die Schließung der Nordwestlandebahn.

Meine Damen und Herren, dennoch waren es in erster Linie diese Menschen, die sich so unnachgiebig für die Zukunftsfähigkeit einer ganzen Region und damit für uns alle und für ein Mehr an Lebensqualität eingesetzt haben. Klar wird damit aber auch, dass weitere Belastungen schon heute nicht mehr tragbar sind. Diese Bewertung zeichnet sich auch in Leipzig ab.

Hinterfragt wurde vom Gericht auch, ob das Fluglärmschutzgesetz mit zu hohen Lärmgrenzwerten seine Schutzfunktion für die Gesundheit der Menschen überhaupt entfalten kann. Ob damit auch einer weiteren Expansion des Frankfurter Flughafens Einhalt geboten werden kann, bleibt noch fraglich.

Ich habe die Diskussion in der Fluglärmkommission über viele Jahre intensiv mit begleitet und habe beim Versuch der Umsetzung des Mediationsergebnisses im Regionalen Dialogforum die Interessen der Rheinpfälzerinnen und Rheinlandpfälzer vertreten und habe immer wieder den hessischen Wirtschaftsminister Posch für seine unnachgiebige und einseitige Politik, die die Interessen der Menschen vernachlässigt, kritisiert. Auch sein Auftreten in Leipzig und des Vertreters des Landes, Rechtsanwalt Gronewald, waren unterirdisch und mündeten letztendlich in massiver Richterschelte durch besagten Rechtsanwalt.

(Glocke des Präsidenten)

Ich sage heute aber auch – sehr geehrter Herr Ministerpräsident Beck, dies haben Sie zu vertreten –, es wäre schon früher erforderlich gewesen, dass die rheinland

pfälzische Landesregierung ihre Stimme lautstark erhebt. Das war leider nicht der Fall.

(Glocke des Präsidenten – Beifall bei der CDU – Ministerpräsident Beck: Unglaublich!)

Ich bin sofort fertig.

In der Zwischenzeit haben sich die Zeiten zum Glück geändert. Das heißt, Regierung und Opposition in Rheinland-Pfalz ziehen mittlerweile an einem Strang. Das ist gut für die Region und gut für die Menschen.

(Beifall der CDU – Zuruf des Ministerpräsidenten Beck)

Herr Köbler, ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Gäste, liebe Netzgemeinde! (Pörksen, SPD: Wer ist das denn?)

Wer die Verhandlungen des Bundesgerichtshofs in Leipzig verfolgt und die Berichterstattung gelesen hat, wird zu dem Schluss kommen, dass das, was wir gehört haben, schon heute eine Blamage für die schwarz-gelbe Landesregierung in Hessen ist. Das muss man ganz deutlich aussprechen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Dass das so ist, haben wir den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern, die protestiert haben, den betroffenen Kommunen, die nicht locker gelassen haben, und auch der rheinland-pfälzischen Landesregierung zu verdanken, die ihre Aktivitäten immer weiter verstärkt hat. Dies führt heute dazu, dass wir wieder einen Lichtblick haben, wenn wir auf das Urteil in Leipzig warten.

Ich möchte beispielhaft das jahrelange Engagement der Stadt Mainz erwähnen. Umweltdezernentin Katrin Eder war zwei Tage vor Ort.

Herr Reichel, auch Sie als Ihr Vorgänger waren dort. Sie haben sich lange dafür engagiert. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie sich auch in Ihrer CDU in Rheinland-Pfalz durchgesetzt haben; denn Ihre Landesvorsitzende hat noch im Wahlkampf den Ausbau des Frankfurter Flughafens ohne Wenn und Aber begrüßt. Das ist gut so. Wir sind auf dem richtigen Weg. Machen Sie weiter so!

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Schwarz-gelb in Hessen hat gelogen, als der Ausbau des Frankfurter Flughafens mit dem Versprechen des

Nachtflugverbots durchgesetzt worden ist. Man täuscht die Bürgerinnen und Bürger weiter, wenn man jetzt gegen das Nachtflugverbot weiter gerichtlich vorgeht und behauptet, man wollte nur Rechtssicherheit für das Gleiche. Das ist wie ein Fähnlein im Wind.

Nach der Oberbürgermeister-Stichwahl am Sonntag in Frankfurt werden wir sehen, wie es ist. Dann werden wieder die Fraport- und die Lobbyinteressen der Wirtschaft einseitig regieren. So war es bei Schwarz-Gelb in Hessen immer. Das ist jetzt nur Wahlkampfmanöver. Das ist eine Täuschung der Wählerinnen und Wähler auf dem Rücken der Menschen in der Rhein-Main-Region. Deswegen wollen wir das heute klarstellen. Hier machen wir nicht mit.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Es ist nicht nur eine politische Blamage, wenn sich Dinge bewahrheiten, die sich in der Verhandlung angedeutet haben.

Dann reden wir über die Frage, ob die Hessische Landesregierung einen Rechtsbruch begangen hat; denn im Landesentwicklungsplan in Hessen ist ein Nachtflugverbot für den Frankfurter Flughafen verankert. Das bedeutet, es gab eine planfestgestellte Genehmigung, die gegen eigenes Planungsrecht verstoßen hat. Es ist schon ein Treppenwitz, dass Sie von der CDU heute über das rheinland-pfälzische Planungsrecht reden wollen, während ihre Kolleginnen und Kollegen in Hessen das eigene Recht nicht umsetzen. Das hat schon ein besonderes Geschmäckle.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich bin einmal gespannt, ob die Klage der Stadt Mainz gegen den Planfeststellungsbeschluss wieder an neuer Aktualität gewinnt. Ich weiß, dass einige Menschen in der Stadt Mainz bereit sind, für ihre Rechte bis vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zu gehen. Wenn es Wirklichkeit wird, dass die Genehmigung rechtswidrig war, ist das nicht nur eine Blamage, sondern eines der größten politischen Desaster der Nachkriegszeit, das die Hessische Landesregierung mit einem unrechtmäßig genehmigten Flughafenausbau zu verantworten hat. Das will ich sehen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Lassen Sie mich noch eines deutlich machen. Die Belange der Anwohnerinnen und Anwohner haben für uns als rot-grüne Landesregierung absolut höchste Priorität, während die Kolleginnen und Kollegen in Hessen ausschließlich die wirtschaftlichen Interessen vor Augen haben.

Deshalb ist es gut, dass das Gericht schon in der Verhandlung zu erkennen gegeben hat, dass es nicht ausreicht, ein Nachtflugverbot anzugreifen, um den Fluggesellschaften möglichst optimale Entfaltungsmöglichkeiten zu geben, und dass es offenbar so ist, dass auch die Belange von Zigtausenden Anwohnerinnen und Anwoh

nern bei solchen Entscheidungen zukünftig mehr Berücksichtigung finden müssen. Ich glaube, dass uns Leipzig einen ganz wichtigen Fingerzeig gibt, was insbesondere den Lärmschutz gerade bei stadtnahen Flughäfen angeht.

Wir müssen handeln. Ich bin froh, dass die rheinlandpfälzische Landesregierung handelt. Frau Höfken war wegen der EU-Verordnung in Brüssel. Wir haben die Anzahl der Lärmmessungen erhöht und in guter Abstimmung zwischen dem Infrastrukturminister und der Umweltministerin ein entsprechendes Engagement im Bundesrat gelten lassen, weil wir dafür das Bundesrecht ändern müssen. Rheinland-Pfalz setzt sich dafür ein, dass es entsprechende Regelungen zur Begrenzung des Fluglärms gibt. Wer steht auf der Bremse? Das ist die schwarz-gelbe Bundesregierung. Das sind Ihre Kolleginnen und Kollegen in Berlin.

Herr Reichel, ich wünsche Ihnen eines. Kämpfen Sie auch in Ihrer Bundespartei weiter! Drehen Sie den Spieß um! Für die Menschen in dieser Region wäre es besser. Rot-grün ist schon einen ganzen Schritt weiter. Wir laden Sie herzlich ein, am nächsten Samstag um 14:00 Uhr an der Großdemonstration in Frankfurt teilzunehmen. Wir werden da sein. Ich hoffe, Sie auch. Dann erwarten wir den Richterspruch aus Leipzig.

(Glocke des Präsidenten)

Ich bin guter Dinge, dass es ein erster Erfolg für die Menschen in dieser Region und für mehr Schutz vor Fluglärm wird.

Herzlichen Dank.