Protocol of the Session on October 20, 2011

Bei den Menschen, die möglicherweise Ängste und Befürchtungen haben, schürt man nämlich genau diese. Es ist unsere Aufgabe – auch Ihre Aufgabe –, Ruhe zu bewahren und mit Fakten an die Öffentlichkeit zu gehen und nicht Ängste bei den Bürgerinnen und Bürger zu schüren, die in einem sicheren Land leben, und den Leuten nicht ein Problem vor Augen zu führen, das gar nicht besteht, sondern das Sie nur politisch darstellen wollen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit, und bleiben Sie ruhig.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin Schellhammer hat das Wort.

Diesem Appell an die CDU-Fraktion, ruhig zu bleiben, kann ich mich nur anschließen.

(Dr. Mittrücker, CDU: Was denn sonst!)

Ich glaube, auch die historische Verantwortung verlangt es von uns, dass wir uns bei solchen Diskussionen genau die Fakten anschauen. Die Ergebnisse des Verfassungsschutzberichts wurden benannt. Wenn Sie nicht immer hineinrufen würden, dann würden Sie es vielleicht nachvollziehen können. Ich betone noch einmal – da

haben Sie mir wahrscheinlich auch nicht zugehört –, dass Gewalt in jeder Form – – –

(Zuruf des Abg. Dr. Mittrücker, CDU)

Es scheint so, der Redebeitrag von vorhin wirkte so, als hätten Sie mir nicht zugehört. Deshalb betone und wiederhole ich es noch einmal: Gewalt in jeder Form ist abzulehnen. Das ist ganz klar. Das betrifft auch die Brandanschläge in Berlin.

Aber deswegen eine konstruierte Debatte von linksextremistischer Bedrohung in Rheinland-Pfalz vom Zaun zu brechen, halte ich für absurd. Dazu würde ich mir ein bisschen mehr Faktenlage von Ihnen wünschen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Mittrücker, CDU)

Der RAF-Bezug – das sage ich jetzt als inzwischen mit einem Abschluss versehene Historikerin – ist Geschichtsklitterung und einfach absurd. Wir haben ein ganz anderes gesellschaftliches Klima, in dem wir uns derzeit befinden. Deswegen einen Linksterrorismus in den Anschlägen in Berlin zu sehen, der dann auch Rheinland-Pfalz bedroht, das sind Vermutungen, mit denen Sie nur die Ängste der Menschen schüren. Das ist im Sinne von niemandem. Es ist so absurd, was Sie hier veranstalten.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Frau Brede-Hoffmann, SPD: Genau das ist es!)

Wenn man sich allein in meiner Region Rheinhessen anschaut, was es in den letzten Jahren für Aufmärsche von Rechtsextremen gegeben hat, in Saulheim, in Mainz und in Alzey, dann kann man nur sagen, in dieser Richtung tut sich einiges. Das zieht natürlich autonome Kräfte, auch von außerhalb, nach Rheinland-Pfalz. Wir müssen entschieden gegen jede Form von Extremismus vorgehen. Das habe ich vorhin erläutert, dass man den extremen Rändern den Nährboden entziehen muss.

Dabei können wir handeln, ohne dass wir Ängste schüren, nämlich mit Aufklärung und einer klaren demokratischen und toleranten Haltung.

(Glocke der Präsidentin)

Hier diese absurden Formulierungen vorzubringen, uns irgendetwas zu unterstellen oder hineinzurufen, wir wären nicht verfassungstreu oder Ähnliches, das empfinde ich als absurd. Ich finde, das wird der Sache nicht gerecht, für die wir uns hier einsetzen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das Wort hat Herr Innenminister Lewentz, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir noch einige wenige Bemerkungen.

Herr Schneiders, als Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission und der G 10-Kommission wissen Sie, dass bei uns die Analyse eine wichtige Aufgabe des Verfassungsschutzes ist. Für uns ist klar, dass es ein Wesensmerkmal extremistischer Bestrebungen ist, sich vermeintlich die Sorgen und Nöte von Teilen der Bevölkerung zu eigen zu machen und damit den Versuch zu starten, Vermittelbarkeit von unredlichen Zielen zu erreichen. Da müssen wir sehr genau hinschauen; denn unsere Aufgabe ist es nicht nur, sich auf rechts oder links zu fokussieren, wir müssen gegen Gewalt und Kriminalität aus jeder Richtung in diesem Land sehr aufmerksam aufgestellt sein. Das sind wir. Wir bekämpfen das auch.

Natürlich haben wir auch die Aufgabe – das geht weit über das Innenministerium hinaus –, extremistischem Nährboden die Grundlagen zu entziehen. Das ist vollkommen klar. Allerdings warne ich davor, in einer solchen Diskussion, rechts und links in Terrorismus- und Extremismusbereiche einzuteilen und mit einer politischen Aufstellung in einem Parlament zu verwechseln. Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Genau!)

Von daher glaube ich, wir müssen auf beiden Augen sehr wachsam sein. Das kann ich für die rheinlandpfälzische Landesregierung absolut in Anspruch nehmen. Das gilt auch für unsere Sicherheitsbehörden und einrichtungen wie die Polizei und den Verfassungsschutz.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir kommen zum zweiten Thema der

AKTUELLEN STUNDE

„Die Steuervereinfachungsvorschläge der Länder Hessen, Bremen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz und die aktuellen Herausforderungen der Steuerpolitik für die Länder“ auf Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 16/460 –

Für die Fraktion der SPD spricht Herr Kollege Ramsauer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Gestern Nachmittag hatte ich mir überlegt, ob ich als ersten Satz sage, dass die finanzpolitische Situation in der Bundesrepublik und in der EU wenig überschaubar ist. Nach

den Abendnachrichten gestern muss man sagen, sie gibt Anlass zu größter Sorge.

Sie gibt deshalb zu größter Sorge Anlass, weil sich weder die Bundesregierung noch die wichtigen Wirtschaftsnationen in der Europäische Union einig sind. Das hat seinen Ursprung darin, dass die Finanzpolitik der schwarz-gelben Bundesregierung ohne Linie und wenig zielführend ist und man nichts anderes zu tun hat, als in wichtigen Fragen den Bundesfinanzminister häufig im Stich zu lassen.

Meine Damen und Herren, in Zeiten der Schuldenbremse fabulieren nach wie vor Teile der Bundesregierung von bedeutenden Steuersenkungen, die sich kein Mensch in der Bundesrepublik und in den Bundesländern leisten kann.

Vermutlich werden wir bei den sehr schwierigen Haushaltsberatungen in diesem Hohen Hause in wenigen Wochen erleben und nachvollziehen können, wie knapp die Einnahmen für die Bundesländer, speziell auch für unser Bundesland, bemessen sind. Deshalb müssen alle Überlegungen zur Steuerreform davon ausgehen, dass es nicht um Steuersenkungen gehen kann, sondern um Steuergerechtigkeit und – wie es auch in diesem Fall ist – um Steuervereinfachungen.

Es muss gelten, der Staat muss so viel einnehmen, dass er seine Aufgaben erfüllen kann. Meine Damen und Herren, weder für die Bundesländer allgemein, noch für unser Land oder für die Kommunen ist das im Augenblick in der Bundesrepublik uneingeschränkt so gegeben.

Das heißt in der heutigen Lage, dass Reformen intelligent sein müssen. Man kann sagen, darum haben sich unser Finanzminister und seine drei Kollegen aus Hessen, Schleswig-Holstein und Bremen erfolgreich bemüht, und dies auf der Grundlage eines der kompliziertesten Steuersysteme der Welt.

Ich leiste mir jedes Jahr den Luxus, meine Einkommensteuererklärung selbst zu verfassen. Meine Damen und Herren, dabei kann ich erleben, wie schwierig das ist, und nachvollziehen, wie schwierig das insbesondere für Arbeitnehmerinnen und -nehmer sein muss. Ich kann erleben, wie schwierig das systembedingt ist und wie schwierig es ist, ein solches System unter dem Aspekt der Steuergerechtigkeit und -vereinfachung zu reformieren.

Meine Damen und Herren, man merkt dann auch, dass die Zeiten vorbei sind – man hört es auch nirgendwo mehr, wohl weil Herr Merz nicht mehr aktiv ist –, dass gerufen wird, man müsse die Steuererklärung auf einem Bierdeckel abgeben können. Das hat man wohl inzwischen auch in der Union erkannt, dass das so einfach nicht gehen und vor allen Dingen nicht zur Steuergerechtigkeit führen kann.

Insbesondere für die Arbeitnehmerinnen und -nehmer ist das Ausfüllen der Einkommensteuererklärung kaum noch fehlerfrei und mit vermeidbarem großen Aufwand zu schaffen. Das Regelwerk verursacht eine unglaublich umfangreiche Belegsammelwut. Es führt auf der ande

ren Seite zu einem großen Aufwand der Finanzämter. Noch dazu gibt es unendliche Möglichkeiten des Steuermissbrauchs, insbesondere bei den außergewöhnlichen Belastungen und im Unternehmensbereich.

Leider ist der Bundesregierung mit dem sogenannten Steuervereinfachungsgesetz 2011 nur – ich will einmal sagen – ein Reförmchen gelungen. Die Auswirkungen sind zum Beispiel für die Arbeitnehmerinnen und -nehmer kaum spürbar. Jemand hatte einmal ausgerechnet, bei der Arbeitnehmerpauschale macht das maximal 2,50 Euro aus.

Meine Damen und Herren, umso wichtiger ist die Arbeit der vier Finanzminister, die sich zusammengetan haben, um endlich etwas in Bewegung zu setzen. Es ist zu hoffen, dass diese gute Arbeitsgrundlage zu einer erfolgreichen Bundesratsinitiative aller Länder führt. Von der derzeitigen Bundesregierung ist wahrhaftig nichts mehr zu erwarten.

Eigentlich müssten diese Vorschläge jedem vernünftigen Menschen einleuchten, eigentlich müssten Sie alle zustimmen; denn sie enthalten kleine, aber hochwirksame Schritte zur Vereinfachung. Sie helfen bei der Pauschalierung insbesondere den Arbeitnehmerinnen und -nehmern bei der Drittelung des Arbeitnehmerpauschbetrags, den Finanzbeamten, und vor allen Dingen helfen sie, ungerechtfertigte Steuersparmöglichkeiten bei der Steuerfreiheit von Arbeitgeberleistungen zu vermeiden, und reduzieren die Möglichkeit im Unternehmensbereich, ungerechtfertigte Steuersparbeträge einzustreichen.

Ein Sockelbetrag bei der Absetzung von Handwerkerleistungen trägt gleichermaßen zur Vereinfachung bei.

(Glocke der Präsidentin)

Die stärkere Belastung bei Private Equity Fonds sowie die Veränderung bei Verlustabzug tragen dazu bei, das auch gegenzufinanzieren. Welche politischen Auswirkungen das dann hat, werde ich in der zweiten Runde darstellen.

Danke schön.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Bevor ich Herrn Abgeordneten Schreiner das Wort erteile, darf ich weitere Gäste auf der Zuschauertribüne begrüßen, und zwar Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Landtagsseminar für Zeitungsvolontäre sowie Auszubildende im Projekt „ZeiLe – Zeitung lesen macht Azubis fit“ des RHEINPFALZ-Verlags und Druckerei Ludwigshafen. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)