Fürs Protokoll: Der Bierdeckel ist nach wie vor ein Bestandteil einer visionären Steuerpolitik. – Das waren noch Zeiten.
Die CDU steht für ein gerechtes und handhabbares Steuerrecht, und deshalb gelten die Beschlüsse von Leipzig fort.
Wir mussten allerdings 2005 bitter lernen, dass RotGrün dafür nur Polemik übrig hatte. Deshalb haben wir gelernt, kleinere Brötchen zu backen, weil die Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch auf konkrete Verbesserungen haben. Herr Kühl, so ist die Initiative aus Hessen von Ihrem Kollegen, dem hessischen CDUFinanzminister Thomas Schäfer, zu verstehen, der Sie sich dankenswerterweise mit zwei weiteren Kollegen angeschlossen haben. Es geht eben nicht um Steuererhöhungen. Das war in den Ausführungen von Herrn Ramsauer ein bisschen misszuverstehen. Es soll unterm Strich eben gerade zu keinen Steuererhöhungen kommen. Das Ziel ist ein einvernehmlicher Beschluss der Finanzministerkonferenz zu zehn guten Vorschlägen zur Steuervereinfachung.
Das heißt, in der Sache sind wir uns über alle Parteigrenzen hinweg einig. Die Vorschläge sind gut und richtig. Sie reichen von der Neufestlegung der Pauschalbeträge für behinderte Menschen, damit Menschen mit diesen außergewöhnlichen Belastungen nicht noch zusätzlich das ganze Jahr über ihre Belege sammeln müssen, wenn sie den Pauschbetrag in Anspruch nehmen müssen, bis hin zu der Vereinfachung des Verlustabzuges, damit endlich diese ungute Doppelung von Regelungen aus dem Handelsrecht und dem Steuerrecht vereinfacht wird.
Gut und richtig sind diese Vorschläge, und gut und richtig ist auch, dass wir es gemeinsam versuchen wollen. Da wir es, auch was die grundsätzlichen Fragen angeht, nach wie vor gern mit Rot und Grün gemeinsam versuchen wollen, weil wir der Auffassung sind, dass ein einfaches Steuerrecht gerade auch für die Geringverdiener gerecht ist, möchte ich doch noch einmal einen grundsätzlichen Gedanken einfügen, den Sie auch genannt haben, Herr Ramsauer. Das ist die Überlegung, dass die Sicherheit im Recht die Grundbedingung ist für die Freiheit. Sie haben berichtet, dass Sie, wie wir alle auch, jedes Jahr nach bestem Wissen und Gewissen Ihre Steuererklärung machen.
Herr Ramsauer, aber wer von uns ist sich hundertprozentig sicher, dass er alles richtig gemacht hat? – Es gibt einfache Regeln: Die Ampel ist rot, dann weiß ich, ich darf nicht über die Straße gehen. Daran kann ich mich halten. Ich habe diese Regel verstanden, und ich kenne sie.
Im Steuerrecht ist das anders. Das Steuerrecht ist viel zu unüberschaubar, und es ist – zu Recht – strafbewehrt. Herr Ramsauer, einmal unterstellt, wir würden alle unsere Steuererklärungen richtig machen, welcher Finanzbeamte in diesem Land, in dieser Republik kann sich hundertprozentig sicher sein, dass er immer jeden Steuerbescheid richtig erlässt?
Das Steuerrecht ist mit seinen sieben Einkunftsarten, mit den unzähligen Subventionsvorschriften, mit Regelungen wie Umsatzsteuervorabzug usw. so kompliziert, dass es selbst für den Fachmann nicht mehr beherrschbar ist.
Wenn wir als Abgeordnete – dies betrifft insbesondere die Bundestagsabgeordneten, aber wir führen diesen Diskurs gesamtstaatlich – Gesetze machen über alle Parteigrenzen hinweg, die für Fachleute und erst recht für den Bürger nicht handhabbar sind, dann verweigern wir als Parlament den Diskurs mit den Bürgern. Das ist das Schlimmste, was Politik überhaupt tun kann.
Regeln müssen einfach sein. Sie müssen verständlich sein, und sie müssen für den Bürger einzuhalten sein; denn eigentlich ist es, was Steuerpolitik angeht, ganz einfach: Wir als Gesellschaft verlangen einen gerechten Teil am wirtschaftlichen Erfolg des Einzelnen. Der Einzelne hat Vorteile aus der Gemeinschaft. Wir regeln beispielsweise den wirtschaftlichen Handel und Wandel zu seinem Vorteil. Er kann in Friedenszeiten leben, aber dafür will die Gesellschaft auch einen Teil vom wirtschaftlichen Erfolg bekommen.
Das Ziel ist, dass die Menschen in diesem Land Steuern bezahlen, dass sie aber auch verstehen, warum sie Steuern zahlen, und sie deshalb die Steuern auch gern zahlen. Dies werden wir als Politik nur mit einem einfachen und gerechten Steuersystem erreichen. Ob es nachher auf einen Bierdeckel passt, weiß ich nicht. Aber der Weg ist richtig.
Aber wichtig ist, dass die Menschen verstehen, dass wir über alle Parteigrenzen hinweg die richtigen Partner sind, wenn es darum geht, ihnen ein einfaches und gerechtes Steuersystem zu beschaffen.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste! Wenn man Herrn Schreiner soeben zugehört hat, konnte man den Eindruck gewinnen, da spricht jemand, der seit 30 Jahren in der Opposition ist und die Regierung auffordert, endlich ordentliche Steuergesetze zu machen. Meine Damen und Herren von der CDU, Sie regieren doch in Berlin. Machen Sie ordentliche Steuergesetze, und zur Not auch auf dem Bierdeckel, meine Damen und Herren!
Ich würde an dieser Stelle lieber über einen geeigneten, vorbereiteten und abgestimmten Vorschlag debattieren, als über dieses ständige Hin und Her der Bundesregierung oder von Mitgliedern der Bundesregierung, was die steuerpolitischen Vorstellungen anbelangt. Wir reden über ungelegte Eier, Gerüchte und Spekulationen und ständig über miteinander unvereinbare Vorschläge. Je nachdem, von welchem Regierungspartner sie kommen, CDU, CSU oder auch gerne die FDP, fällt es so oder so oder so aus. Diese gesamte, von der Bundesregierung losgebrochene steuerpolitische Debatte gewinnt den Anschein, als sei sie ein einziger Rettungsschirm für die Not leidende FDP, meine Damen und Herren.
Als Gipfel kommt diese Woche nun noch die völlige Konzeptlosigkeit, nun auch noch den Solidarzuschlag gestaffelt abzutragen, und das Ganze nur deswegen, damit die Bundesländer bei der Neufassung der Steuergesetzgebung möglichst umgangen werden. In diesem Punkt ist es genau nicht richtig, was Sie sagen, Herr Schreiner, man könne zusammen und gemeinschaftlich gute Vorschläge entwickeln. Wenn Sie gemeinschaftlich mit den Bundesländern reden würden, würden Sie auf uns zukommen. Aber die Initiative kommt aus den Ländern, und sie kommt nicht von der Bundesregierung, die im Wesentlichen für die Steuergesetzgebung verantwortlich ist. Daran sieht man doch Ross und Reiter. Daran sieht man doch die Wahrheit.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben für die Frage der steuerpolitischen Gerechtigkeit eine relativ klare Vorstellung. Wir wollen unter anderem die Anhebung des Spitzensteuersatzes von 42 % auf 49 %, und dieser Satz greift bei einem Jahreseinkommen ab 80.000 Euro. Zudem wollen wir GRÜNE auch den Anteil vermögensbezogener Steuern deutlich erhöhen, und schließlich stehen wir GRÜNE auch für die Wiedereinführung einer Vermögensteuer, meine Damen und Herren.
Für uns GRÜNE gilt der steuerpolitische Gerechtigkeitsgrundsatz, dass starke Schultern mehr tragen sollen als schwache Schultern. Dies wollen wir im Tarif der Einkommensteuer abbilden, und dies wollen wir auch durch vermögensbezogene Steuern abbilden.
Damit die Staatshaushalte wieder in Ordnung kommen, damit die Konsolidierung gelingen kann, müssen die Steuern nicht gesenkt, sie müssen bezahlt werden, meine Damen und Herren. Herr Schreiner, wenn es Ihnen um eine ernsthafte Auseinandersetzung in steuerpolitischen Fragen geht, empfinde ich den Vorschlag, den jetzt die Länderfinanzminister gemacht haben, tatsächlich als geeignet. Das sind viele kleine Maßnahmen. Es ist zäh, und es ist mühevoll, sich über diese hinweg zu verständigen. Aber das ist genau das Problem, das wir mit dieser Bundesregierung haben.
Wir müssen nämlich den Eindruck gewinnen, dass die Bundesregierung dazu überhaupt nicht in der Lage ist. Die Bundesregierung ist eben nicht in der Lage, sich mit den Ländern auseinandersetzen zu können und zu wollen, und deshalb treibt diese Bundesregierung, deshalb treibt Schwarz-Gelb auch jeden Tag, jede Woche eine neue steuerpolitische Sau durchs Dorf, anstatt sich auf eine konkrete Debatte einzulassen. Meine Damen und Herren, dies ist Steuerpolitik zum Abgewöhnen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Steuerrecht ist kompliziert. Warum ist es kompliziert? – Dafür gibt es gute Gründe, und dafür gibt es schlechte Gründe. Ein guter Grund, weshalb ein Steuersystem manchmal kompliziert ist, ist darin zu sehen, dass der Anspruch der Gerechtigkeit manchmal nicht einzulösen ist, wenn man es nicht an der einen oder anderen Stelle etwas schwieriger macht. Herr Schreiner, deswegen wird der Bierdeckel nie ein gerechtes Steuersystem produzieren können, und deswegen wird der Bierdeckel auch untauglich bleiben.
Allerdings gibt es auch schlechte Gründe; denn – das wissen wir – viele Dinge im Steuerrecht sind lobbyistisch determiniert. Manche Dinge sind einmal mit gutem Grund eingeführt worden, und dann hat man es verabsäumt oder verabsäumen wollen, die Dinge wieder aus dem Steuerrecht herauszunehmen, und es sind neue Tatbestände hinzugekommen, die mit dem, was eigentlich schon im Steuerrecht steht, nicht kompatibel waren.
Davon ausgehend eine Steuervereinfachung herbeiführen zu wollen, ist schwer. Es ist nicht zuletzt deswegen schwer, weil jede Veränderung im Steuerrecht auch eine Veränderung in den Belastungswirkungen nach sich zieht:
Es wirkt entweder steuerentlastend. Das ist die einfachste Art, Steuern zu vereinfachen, indem ich Pauschalierungen einführe oder bestehende Pauschalierungen nach oben verändere. Das ist immer eine Erleichterung. Habe ich aber ein Steuerminderaufkommen, dann habe ich eine Schwierigkeit – Stichwort „Schuldenbremse“ –, oder ich gehe hin und nehme Ausnahmetatbestände aus dem Steuerrecht heraus. Das führt zu einem Steuermehraufkommen, ist aber – machen wir uns nichts vor – im Ergebnis das, was politisch am schwierigsten durchsetzbar ist.
Man kann Steuervereinfachungen auf zwei Wegen machen. Man kann den Kirchhofschen Weg wählen und kann sozusagen alle Uhren auf den Zeitpunkt null zurückdrehen und so tun, als gäbe es nichts. Wenn wir heute in der Stunde null wären, würden wir natürlich alle ein anderes Steuerrecht als das erfinden, was wir heute haben.
Aber das ist ein Stück weit illusorisch. Dieser vermeintlich revolutionäre Weg, den Kirchhof in seinem Steuergesetzbuch aufgeschrieben hat, bei dem manches theoretisch ganz schön ist, ich anderes nicht teile, lässt sich in der Praxis aus einem ganz einfachen Grund nicht durchsetzen. Übernehmen Sie es 1 : 1, haben Sie individuelle Belastungsverschiebungen, die kein Mensch durchhält, weder Sie noch wir. Das werden Sie in einer Gesellschaft, in der es Leute nicht gewohnt sind, aufgrund von Tatbeständen, die sie nicht zu verantworten haben, von einem auf den anderen Tag eine Mehrbelastung entgegenzunehmen, nicht durchbekommen. Es wird leichter bei denen sein, die eine Entlastung erfahren.
Der übliche Weg ist, dass man dann Übergangsregelungen schafft. Wenn man aber diese Übergangsregelungen schafft, dann garantiere ich Ihnen – das bestreitet niemand, auch nicht Herr Kirchhof, mit dem ich mich darüber unterhalten habe –, dass das Steuerrecht dann von diesem Tag an komplizierter ist als der Status quo, und es ewig lange dauern wird, bis man das vermeintlich einfache Steuerrecht realisiert hat.
Ich finde, deswegen ist der mühsame und schwere Weg der richtige Weg, nämlich sukzessive das bestehende Steuersystem aus dem Status quo heraus zu verbessern. Das ist der evolutionäre Weg. Das ist der realistische Weg.
In diesem Sinne ist die Steuervereinfachung eine Daueraufgabe. Natürlich ist sie nicht mit den zehn Vorschlägen beendet, die wir vorgelegt haben. Aber nur so kann es gehen, dass man sukzessive versucht, das Steuerrecht zu verbessern und zu verändern und Dinge, die einem auffallen, zu nehmen und zu versuchen, sie politisch durchzusetzen.
Das hat auch die Bundesregierung in ihre Koalitionsvereinbarung hineingeschrieben. Es steht dort ganz groß und dick, es soll nicht nur Steuersenkungen geben – wir wissen alle, was daraus geworden ist –, sondern auch Steuervereinfachung.
Was ist passiert? – Es ist das passiert, was bei allem passiert ist, was die Bundesregierung sich in steuerpolitischen Fragen vorgenommen hat. Es ist nichts herausgekommen, oder wenn etwas herausgekommen ist, haben wir die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und gesagt, wäre es doch besser nicht passiert, Stichwort „Hoteliers“.
Die Finanzministerkonferenz hat es sich im Jahre 2010 – ich sage es einmal so – nicht mehr mit anschauen können und hat 13 Vorschläge gemacht. Diese hat sie dem Bund herübergereicht und gesagt: Macht etwas daraus. – Der Bund hat etwas daraus gemacht. Er hat zehn Vorschläge übernommen, hat dieses Paket aber an zwei Stellen so verschlimmbessert, dass es über ein Jahr gedauert hat, bis wir es jetzt nach langen mühsamen Verhandlungen in das Bundesgesetzblatt bekommen haben.