Protocol of the Session on September 15, 2011

Die Redezeit ist schon abgelaufen, aber ich will zusammenfassend sagen, dass aus meiner Sicht vor allem zwei Dinge zu tun sind. Das eine ist, Schluss zu machen mit den Bedingungen am Arbeitsmarkt, die Menschen arm machen. Das diskutieren wir in ganz vielen Zusammenhängen. Es ist egal, ob wir über Migrationspolitik, Frauenpolitik oder über was auch immer diskutieren, es geht immer darum, dass wir zurzeit einen Arbeitsmarkt in einer Struktur haben, der Menschen arm macht. Wenn wir das weiterhin dulden, werden wir das Thema „Altersarmut“ nicht in den Griff bekommen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das Zweite, das zu tun ist – das ist tendenziell schon die richtige Sichtweise –, ist, jetzt wirklich zu schauen: Was müssen wir heute an der Rente gestalten? – Denn selbst wenn wir es täten, was bei der jetzigen Bundesregierung nicht zu erwarten ist, den Arbeitsmarkt so umzugestal

ten, dass Menschen nicht arm werden, müssen wir für diejenigen sorgen, die jetzt gebrochene Erwerbsbiografien haben und demnächst in Rente gehen, sodass sie einigermaßen auskömmlich leben können, wenn sie 30, 40, 45 Jahre gearbeitet haben.

Dazu gehört aus meiner Sicht, noch einmal die Anhebung des Renteneintrittsalters auf seine Wirklichkeitstauglichkeit zu überprüfen. Es gehören natürlich flexiblere Übergänge in die Rente und Teilrente dazu. Es gehört eine richtige Verbesserung der Erwerbsminderungsrente hinzu. Der Abgeordnete Konrad hat das angesprochen. Es nutzt nichts, wenn die Zurechnungszeiten schrittweise parallel zur Anhebung der Altersgrenze vollzogen werden – das tritt letztendlich am Sankt-NimmerleinsTag ein –, sondern eine solche Maßnahme müsste man sofort angehen. Natürlich gehört auch die Erweiterung des Versicherungskreises vor allem mit dem Schwerpunkt Selbstständige dazu.

Ich will es dabei belassen.

Herzlichen Dank fürs Zuhören.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dröscher das Wort.

Wir Sozialdemokraten wollen eine nachhaltige Politik zur Vermeidung von Altersarmut, und die darf nicht nur bei den Symptomen ansetzen. Wir sind der Meinung, dass der bisher vorliegende Vorschlag der Bundesregierung diese Nachhaltigkeit nicht vertritt.

Dazu gehört vor allem auch, dass wir Entscheidungen über die Zukunft der gesetzlichen Altersvorsorge nicht von der Zukunft der Arbeit und des Arbeitsmarktes abkoppeln.

Das ist ganz wichtig. Die Ministerin hat es gesagt. Dazu gehören zum Beispiel auch Anstrengungen zur Erhöhung der Beschäftigungsquote älterer Menschen. Es gehört die Diskussion über eine Differenzierung und Flexibilisierung des Renteneintrittsalters dazu. Es wurde gesagt, dass wir darüber nachdenken, dass man nach einer Lebensleistung ohne Abzüge in Rente gehen kann.

Dazu gehört – das halte ich für sehr wichtig – die Stärke der Tarifbindung und ein gesetzlicher Mindestlohn, der den Aufbau einer Alterssicherung oberhalb der Grundsicherung ermöglicht. Die Verbesserung von Zurechnungszeiten bei Erwerbsminderungen ist Inhalt des Konzepts der Bundesministerin. Das sehen wir auch so.

Aber auch ein kurzfristiges Instrument steht uns zur Verfügung. Bereits in der Rentenreform 1972 wurde die Rente nach Mindesteinkommen bzw. nach Mindestent

geltpunkten eingeführt. Sie wurde bis 1992 schlussendlich befristet. Zuerst sollte sie nur kurz gelten. Diese Rente nach Mindesteinkommen halten wir für die bessere Lösung, um kurzfristig Erfolge zu erzielen. Dort werden die Entgeltpunkte von Menschen, die ein geringes Einkommen haben, mit einem Faktor von 1,5 multipliziert bei einer Kappungsgrenze von 75 % des Durchschnittsverdienstes.

Wir haben eine Reihe von kurzfristigen Instrumenten. Aber wir sehen als Sozialdemokraten vor allem die längerfristigen Instrumente, die Nachhaltigkeit, die Verbindung mit dem Arbeitsmarkt und auch

(Glocke des Präsidenten)

damit schließe ich dann auch –, dass wir darauf achten, dass die solidarischen Rentensysteme das Rückgrat unserer Alterssicherung bleiben. Ohne dieses Rückgrat ist das nicht zu schaffen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Kollegen Kessel das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, Frau Ministerin! Herr Kollege Konrad, Sie hatten noch einmal das Problem angesprochen gehabt – Frau Ministerin hat es auch angesprochen gehabt –, die Zeiten alle erfüllen zu können, die jetzt angedacht sind. Ob die letztendlich so herauskommen, müssen wir abwarten.

Ich denke, ein Stück weit wird die Diskussion eine Rolle spielen, wobei wohlgemerkt die Zeiten der Kindererziehung und der Pflege mitzählen, auch die Minijobs, wenn die eigenen Rentenbeiträge von 19 Euro und noch etwas in der Zeit gezahlt werden. Auch das zählt alles mit und ist sehr wohl erreichbar.

Sie haben auch den Mindestlohn angesprochen, es war mit herauszuhören. Mit einem Mindestlohn von 8,50 Euro und 45 Versicherungsjahren erreiche ich die 850 Euro der Zuschussrente nicht. Die Zuschussrente geht darüber hinaus.

Ich möchte noch ein Wort sagen. Herr Kollege Dröscher hat den flexiblen Renteneintritt angesprochen. Genau das soll mit der Kombirente erreicht werden. Die sogenannte Alterseilzeit, wobei wir heute meist von einer passiven/aktiven Phase ausgehen, wird der Sache an sich nicht gerecht, nämlich auch dann kommt der Übergang in die Rente von jetzt auf gleich. Mit der Kombirente soll zukünftig möglich sein, dass vereinbart wird, dass zwischen dem 63. und dem 67. Lebensjahr der Hinzuverdienst für den Rentenbezug nicht schädlich ist. In diese Richtung will man gehen.

Insgesamt ist anzumerken, was der Rentenversicherung am stärksten hilft, ist eine gute Wirtschaftspolitik. Mit jetzt unter 3 Millionen Arbeitslosen sind wir da auf einem sehr guten Weg.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Konrad das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Altersarmut ist ein Spiegel der Armut vor Eintritt in das Rentenalter. Das haben wir alle gemeinsam festgestellt; denn die Ausstattung der Menschen mit Transferleistungen im Alter ist davon abhängig, was sie vorher verdient haben und welchen Zugang sie zu Einkommen hatten. Da kann es nicht sein, dass wir das sozusagen auf die Leute zurückspiegeln.

Herr Kessel, ich hatte an ein paar Stellen schon den Eindruck, vor allem als diese Kiste mit den Zigaretten kam, es wird ein bisschen auf die Leute draufgehauen, die weniger Geld haben.

Nehmen wir uns einmal die Frauen vor. Das ist ein sehr schönes Beispiel. Erstens sind es die meisten Betroffenen, und zweitens – – –

(Zuruf der Abg. Frau Thelen, CDU)

Lassen Sie mich doch einmal gerade. Sie wissen doch gar nicht, was ich sagen will.

Sie sind nicht nur deshalb häufiger und stärker betroffen, weil sie meist die Familienphase in Anspruch nehmen, sondern auch wegen der ungerechten Einkommensverteilung zwischen den Geschlechtern, der häufigeren Angewiesenheit auf den Niedriglohnsektor, übrigens auch beim dem Wiedereintritt in den Beruf, und weil sie insgesamt eine niedrigere Beschäftigungsquote aufweisen. Das alles zusammen bedeutet zum Beispiel für diese Gruppe, also für die Frauen, die später in Altersarmut fallen, dass sie überhaupt nichts mit der Gruppe zu tun haben, die Sie angesprochen haben, die keine Lust hat vorzusorgen, die nicht weit genug denkt, sondern dass sie gar nicht diese Möglichkeit hat.

Wir müssen auch an Menschen denken, die aus anderen Gründen nicht an der Gesellschaft teilhaben können, an Menschen mit Behinderungen, und – das wird die CDU sehr interessieren – wir müssen auch an Menschen denken, die nicht den finanziellen Spielraum haben wie beispielsweise Selbstständige; denn auch die sind überproportional davon betroffen. Das heißt, Solidarität muss vor der Rente anfangen und sich in der Rente fortsetzen. Da hoffen wir, dass uns der Dialog dahin gehend weiterbringen wird.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zum dritten Thema der

AKTUELLEN STUNDE

„Aktuelle Debatte um die Justizstrukturreform“ auf Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 16/325 –

Herr Abgeordneter Baldauf hat das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben als Fraktion dieses Thema unter anderem deshalb heute auf die Tagesordnung gesetzt, weil sich in dieser Woche gezeigt hat, als wir uns im Rechtsausschuss mit diesem Thema befasst haben, dass dieses Thema aus unserer Sicht nach wie vor der Landesregierung nicht ernst genug ist, um diejenigen zu hören, die es betrifft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf zunächst damit einsteigen, dass Frau Kollegin Fraktionsvorsitzende Julia Klöckner bereits am 16. August 2011 einen Brief an Sie, Herr Köbler, und an Sie, Herr Hering, mit der Bitte geschrieben hat, dass die CDU wünscht, die Große Anfrage, die wir zur Justizreform gestellt hatten, die im Übrigen von Ihnen, Herr Hartloff, so gelobt wurde, dass Sie daraus noch viele neue Erkenntnisse ziehen könnten, zur Anhörung zu bringen. Daraufhin ruhte der See. Still ruhte der See bis zum Tag dieser Ausschusssitzung, als wir völlig überrascht plötzlich von Herrn Kollegen Hoch hörten, dass es einen Brief von Ihnen beiden geben solle, den ich hier habe, ohne Datum, aber glücklicherweise mit Eingangsstempel, aus dem sich plötzlich ergab, dass Sie eher der Meinung seien, dass dies nicht so sinnvoll sei.

Herr Hering, Herr Köbler, ich darf Ihnen an dieser Stelle offen sagen,

(Zuruf des Abg. Köbler, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

wenn Sie dieses Interesse haben, das vor allem Sie, Herr Hering, vor Ort immer wieder bekunden, dass diese Justizreform unter Beteiligung derjenigen, die betroffen sind, ordentlich durchgeführt wird, dann ist es schlechter Stil, wenn man in einem Monat nicht antwortet und im Ausschuss noch eine Verzögerungshaltung an den Tag legt.

(Beifall der CDU)

Meine sehr geehrte Damen und Herren, ich kann hierzu noch eines in Richtung der GRÜNEN-Fraktion und der

SPD-Fraktion bemerken. Wenn Sie tatsächlich daran interessiert sind, dass es ergebnisoffen besprochen wird, dann gehen Sie zügig mit uns in diese Anhörung. Mehr kann man an dieser Stelle nicht erwarten.