Herr Dröscher, ich will noch einmal auf die von Ihnen bereits erwähnten drei Vorschläge näher eingehen. Das ist als erstes die von Ihnen schon genannte Zuschussrente, zweitens die verbesserte Erwerbsminderungsrente und drittens die sogenannte Kombirente.
Die Zuschussrente ist ein garantiertes monatliches Alterseinkommen in Höhe von 850 Euro. Es muss einen Unterschied machen, ob jemand Beiträge gezahlt und vorgesorgt hat oder nicht. Die Zuschussrente stellt deshalb Menschen besser, die wenig verdient, aber lange gearbeitet und zusätzlich vorgesorgt haben. Die Zuschussrente honoriert die Lebensleistung von Menschen im Niedriglohnbereich und motiviert zur ergänzenden Altersvorsorge. Das gilt auch für diejenigen, die Kinder erzogen oder Menschen gepflegt haben. Davon profitieren ganz besonders die Frauen; denn sie steigen häufiger als Männer für Kinder oder Pflege aus dem Beruf aus, arbeiten in Teilzeit, sind geringfügig beschäftigt und verdienen meist weniger. Durch die Anrechnung von Erziehung, Pflege und Arbeit, auch Arbeit in Teilzeit, oder mit eigenen Rentenversicherungsbeiträgen aufgestockte Minijobs und Versicherungszeiten, zu denen auch die Ausbildung, Schwangerschaft und Arbeitslosigkeit zählen, sowie die private Vorsorge bei rentennahen Jahrgängen ab fünf Jahren – sogenanntes Riestern – ist die Zuschussrente für alle gut erreichbar.
Ich möchte hier anmerken, dass man auch schon für 5 Euro im Monat „riestern“ kann. Das sind knapp zwei Bier oder eine Packung Zigaretten. Also auch dafür kann man schon „riestern“.
Die verbesserte Erwerbsminderungsrente möchte ich auch kurz vorstellen. Wer krank ist und nicht mehr arbeiten kann, wird aktuell so gestellt, als habe er bis zum 60. Lebensjahr gearbeitet. Die Differenz zwischen dem Eintritt der Erwerbsminderung und dem Alter 60 Jahre ist die sogenannte Zurechnungszeit. Diese Zurechnungszeit soll stufenweise auf das 62. Lebensjahr angehoben werden. Erwerbsgeminderte bekommen dann langfristig eine Rente, als hätten sie noch bis 62 mit dem bis zur Erwerbsminderung erzielten Einkommen weiter gearbeitet. Die Verlängerung soll parallel zur Rente mit 67 stufenweise erfolgen. Profitieren werden davon langfristig alle Rentenzugänge in der Erwerbsminderungsrente im Alter von unter 62 Jahren.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Da bin ich schon wieder. Es tut mir leid, dass ich mich so oft zu Wort melden muss, aber ich mache es gern. Ich hoffe, Sie hören mir einigermaßen gern zu, obwohl ich Herrn Kessel jetzt tatsächlich widersprechen muss.
Aber dafür bin ich jetzt auch da. Herr Kessel, Sie haben jetzt gesagt, dass die Erwerbsminderungsrente stufenweise den Deutschen zugutekommt. Das stimmt. Stufenweise heißt, dass das mehrere Jahrzehnte dauert, bis sich das auswirkt. Die jetzigen Rentner haben davon zunächst einmal nichts. Das gilt genauso für die Zuschussrente und was die Beitragsjahre angeht. Sie haben die unterbrochenen Erwerbsbiografien und gerade die Frauen angesprochen. Das ist ein ganz wichtiges Thema dabei; denn Frauen sind viel häufiger von Altersarmut betroffen.
Da hat Herr Professor Schmäh von der Universität Bremen vorgerechnet, dass im Jahr 2030 37 Jahre notwendig sind, um mit einem Durchschnittsverdienst eine Rente oberhalb des Grundsicherungsniveaus zu erreichen. Heute geht das schon nach 25 Jahren. Das ist auch ein Grund für Ihre Bundesarbeitsministerin. Die stellt sich nicht hin und entwickelt ein Konzept, weil es ihr Spaß macht, sondern sie entwickelt ein Konzept, weil bereits längst klar ist, dass die Altersarmut wieder zunehmen wird.
Natürlich ist der Krieg – das haben wir eben gehört – lange her, und die Altersarmut, die vor der Jahrtausendwende ein Riesenproblem in Deutschland war, ist über die Jahrzehnte weniger geworden, aber Sie haben natürlich recht, dass dazu ein Konzept gefunden werden muss. Da hat die Frau Bundesarbeitsministerin jetzt für den „Regierungsdialog Rente“, wie sie es nennt, Vorgaben gemacht. Mit diesen Vorgaben sind wir nicht einverstanden und nicht zufrieden. Als Land müssen wir uns auch darum wieder kümmern; denn es geht auch um die Grundsicherung. Wie Sie wissen, fällt die Grundsicherung den Kommunen zur Last.
Ich kann dazu sagen, dass pro Einwohner ab 18 Jahren in den kreisfreien Städten in Rheinland-Pfalz rechnerisch pro Jahr 83 Euro und in den Landkreisen 43 Euro aufgewendet wurden. Im Rhein-Pfalz-Kreis waren es nur 26 Euro, aber in Trier beispielsweise – pro Einwohner, das ist leicht zu rechnen, Trier hat etwa 100.000 Einwohner – 107 Euro. Das macht eine gute Million Euro für die Stadt Trier. Jetzt kann man natürlich sagen, angesichts der hohen Schulden der Gemeinden ist das noch nicht die große Belastung. Sie wissen aber, die Grundsicherungsaufwendungen werden zunehmen. Deshalb muss man dagegen vorgehen.
Die Zuschussrente ist sicherlich ein Modell; denn die Rente muss aus Steuermitteln ergänzt werden. Ohne zusätzliche Steuermittel im System wird ein Niveau oberhalb der Grundsicherung nicht zu erreichen sein. Sie haben aber natürlich unrecht, wenn Sie jetzt sagen, die Menschen, die über Jahre Beiträge gezahlt haben und Leistungen erbracht haben, müssen sich besserstellen. Wir müssen natürlich auch auf die Ursachen sehen. Zum Beispiel haben Frauen, die wegen der Familienarbeit aus dem Beruf ausgeschieden sind, eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe übernommen. Die müssen wir auch entsprechend alimentieren.
Das gilt – das muss ich als GRÜNER natürlich dazusagen – nicht nur für die Frauen, die Familienarbeit übernehmen, sondern natürlich auch für die Männer.
Sie werden feststellen, dass jetzt schon zwei Drittel der Betroffenen, die Grundsicherung beantragen müssen, Frauen sind. Die Grundsicherung war dafür da und dafür konzipiert, dass die Leute nicht mehr in der versteckten Armut sind. Man kann schon fast sagen, Millionen Frauen haben die letzten Jahrzehnte in verschämter Armut verbracht, damit ihre Angehörigen nicht für sie einstehen müssen.
Unser Konzept ist natürlich ein anderes als Ihres. Es gilt, sich damit auch auseinanderzusetzen. Wir wollen eine Garantierente, die eine gewisse Höhe hat. Wir wollen weniger Anrechnung. Wir wollen vor allem weniger Beitragsjahre, die dafür notwendig sind. Deswegen nennen wir es auch nicht Zuschussrente, weil diese Zuschuss
Ich bin überzeugt davon, dass Sie diese Elemente, die auch die Kommunen in Rheinland-Pfalz direkt betreffen, in die Diskussion einbringen werden. Denn der Anteil der Menschen, die sich oberhalb des Grundsicherungsniveaus absichern können, muss zunehmen. Da haben wir Konsens. Der Weg dahin muss aber der sein, dass wir nicht schon wieder mit viel zu hohen Beitragsjahren argumentieren und von den Leuten zu viele Beitragsjahre verlangen. Denn gerade die Problemgruppen brauchen eine frühere Absicherung. Das sind die Gruppen, die ich eben genannt habe, Menschen, die vielleicht aus familiären Gründen oder auch wegen Arbeitslosigkeit ihre Beitragsjahre nicht in der Weise erbringen konnten.
Lieber Herr Präsident, meine sehr geehrten Herren und Damen! Ich möchte vorausschicken, es ist eigentlich auch alles angedeutet gewesen. Heute kann man feststellen, dass es den meisten Rentnern und Rentnerinnen nach wie vor relativ gut geht. Es gibt natürlich einen Anteil von Rentnern und Rentnerinnen, die eine sehr niedrige Rente haben, insgesamt jedoch kann man davon ausgehen, dass zurzeit das Thema „Altersarmut“ nicht das alles dominierende Thema ist.
Herr Konrad hat zu Recht darauf hingewiesen – ich glaube, Frau Ebli auch –, dass wir alarmiert sein müssen, weil wir ganz deutliche Hinweise darauf haben, dass sich das Thema „Altersarmut“ in absehbarer Zukunft anders darstellen kann als zur Zeit, wenn wir nicht in der Lage sind, dem ganz entschlossen entgegenzusteuern.
Darum geht es heute. Ist das, was Frau von der Leyen vorschlägt, das, was wir erwarten müssen, um Altersarmut wirklich zu bekämpfen oder dieser Gefahr seriös und ernsthaft entgegenzusteuern? Wenn man hinschaut, zeigt sich leider sehr schnell, dass es eher um ein „Reförmchen“ als um eine Reform geht. Jemand anderes hat gesagt – ich glaube, es war Herr Dröscher –, dass es eher eine kosmetische Korrektur ist als die Lösung des Problems.
Das Allerwichtigste fehlt total – darüber haben wir noch gar nicht ausreichend gesprochen –, nämlich die Prävention. Es ist in einigen Beiträgen angesprochen worden. Aber es ist aus meiner Sicht das Wesentlichste. Wer Altersarmut wirklich wirksam bekämpfen will,
braucht vor allem eine vorausschauende Strategie, die die Erwerbsverläufe und die Versicherungsbiografien stark macht. Die Abgeordneten vor mir haben darauf hingewiesen, dass es gerade das Problem der zukünftigen Rente ist, dass die Erwerbsbiografien und die Versicherungsbiografien eben brüchig sind.
Was heißt das? Das betrifft Themen, die wir in diesem Landtag schon hundertmal debattiert haben. Das heißt natürlich, dass es dazu gehört, dass endlich der Abbau von Lohndiskriminierungen von Frauen erfolgt. Es heißt auch, dass wir endlich einen flächendeckenden Mindestlohn einführen und die prekären Beschäftigungsverhältnisse eindämmen. Natürlich gehört dazu, dass man sich als Bundesregierung eingestehen muss, dass es ein Fehler war, die Absicherung von Langzeitarbeitslosen in der Rentenversicherung abzuschaffen,
und es auch ein Fehler ist, dass wir eine massive Streichung von Mitteln der aktiven Arbeitsmarktpolitik zurzeit erleben. Dazu gehört auch, gegen die Auswüchse bei der geringfügigen Beschäftigung etwas zu tun. Gerade in dem Bereich sind Frauen überdurchschnittlich betroffen.
Deshalb sind sie die Gruppe, die überdurchschnittlich von den Problemen der zukünftigen Altersarmut betroffen ist. Es gehört im Übrigen auch dazu, dass wir über eine Ausweitung der Versicherungspflicht für Personen, die im Moment nicht versichert sind, sprechen müssen.
Last but not least will ich ansprechen, dass wir in dem Zusammenhang auch noch einmal darüber sprechen müssen, wie die Rente mit 67 zu einem wirklichkeitstauglichen Projekt werden kann. Frau von der Leyen hat natürlich ein Problem, das ich hier auch nicht verschweigen möchte. Der Bundesfinanzminister überlegt zurzeit die Option einer Rente mit 69. Jetzt können Sie wieder sagen, das sind Gespenster, aber es stand oft genug in der Zeitung.
Er hat auch gesagt, die Rentenreform darf möglichst nicht viel kosten. Frau von der Leyen hat das Problem, dass die FDP natürlich immer wieder Druck macht, was die Senkung von Beitragssätzen und Steuern betrifft, möglicherweise auch zulasten der Rentenleistungen. Wer weiß?
Es wird also schwierig werden, aus diesen Reformen im Rentendialog etwas zu produzieren, was Hand und Fuß hat und am Ende tatsächlich eine Antwort auf die anstehenden Probleme ist. Das ist der eine Punkt.
Der zweite Punkt – das ist von allen Abgeordneten angesprochen – ist: Frau von der Leyen stellt die sogenannte Zuschussrente in den Mittelpunkt ihrer Vorschläge. Ich will die systematische Frage überhaupt nicht
erörtern, ich will nur am Rande sagen, dass natürlich diese Art der Zuschussrente den Charakter der Rentenversicherungen in eine Richtung verschiebt, was man zumindest registrieren muss, nämlich den Weg von der grundgesetzlich vor Eingriffen gut geschützten eigenen Altersrente hin zu einer einkommensabhängigen zusätzlichen Leistung. Die Zuschussrente ist sicherlich keine Sozialhilfeleistung im eigentlichen Sinn. Man darf sich aber auch nicht täuschen. Sie rückt natürlich die Rentenversicherung ein ganzes Stück näher an das Sozialamt heran, als es eigentlich der Rente oder dem verdienten Lohn am Ende eines Arbeitslebens ansteht.
Unabhängig von dieser systematischen Einordnung wirkt viel weiter, dass die Bedingungen extrem eng geschnürt sind. Deshalb bezweifle ich auch, was Sie, Herr Kessel, gesagt haben, dass die Menschen, von denen Sie gesprochen haben – um die, die Sie genannt haben, geht es natürlich –, letztendlich die Gruppe sind, die tatsächlich erreicht wird.
Voraussetzung für die Zuschussrente ist – ich glaube, das ist auch schon gesagt worden –, dass über eine bestimmte während der Einführungsphase ansteigende Zeitdauer ergänzende Altersvorsorge betrieben wurde und ein bestimmtes Quantum an rentenrechtlichen Zeiten vorlegt. Voraussetzung ist auch, dass in den ersten zehn Jahren nach Einführung 30 Jahre mit Pflichtbeitragszeiten vorliegen müssen, später dann 34 Jahre.
Ich frage mich: Was bedeutet es, wenn Frauen massenhaft über viele Jahre hinweg nur einen versicherungsfreien Minijob ausgeübt haben? Wie ist es zu beurteilen, wenn für Langzeitarbeitslose keine Pflichtbeiträge mehr bezahlt werden oder Menschen deshalb am Ende ihres Erwerbslebens arbeitslos sind, weil die Anhebung der Altersgrenzen auf ihre Lebenswirklichkeit keine akzeptable Antwort ist?
Die Menschen sind sicherlich nicht daran schuld, dass sie zukünftig nicht Empfänger dieser Zuschussrente sein können, sondern es sind ihre Lebensbiografien und auch die Umstände auf dem Arbeitsmarkt, die dazu beitragen, dass sie dann nicht zukünftige Leistungsempfänger sein werden.