Protocol of the Session on September 9, 2010

Was soll damit gemacht werden?

Ich denke, das, was Frau Ministerin Malu Dreyer gesagt hat, entspricht genau dem, was wir uns vorstellen, dass es nämlich nicht möglich ist, mit einer solch kleinen Maßnahme – Chipkarte, durchaus für bestimmte Bereiche sinnvoll – dieses Problem zu lösen. Das Problem, das wir haben, lässt sich nur lösen, wenn wir alle miteinander wirken, und da vermisse ich bisher von der Bundesregierung das geringste Signal, dass wir miteinander, was die Infrastruktur, die Möglichkeiten, diskriminierungsfreie Angebote für die Kinder in den Familien, die von den Transfermaßnahmen abhängig sind, angeht, etwas tun.

Wir sind uns damals darüber einig gewesen, dass Hartz IV, nämlich die Umstellung, eine sinnvolle Sache war. Wir sind uns auch einig darüber, dass man das an vielen Stellen korrigieren muss. Die Wege, die Sie vorschlagen, bleiben im Moment im Vagen, im Ungenauen. Ich denke, dass wir noch einen erheblichen Klärungsbedarf haben, und die Zeit wird knapp.

Ich kann Ihnen nur empfehlen, sich mit unseren Gedanken auseinanderzusetzen. Vielleicht macht das Frau von der Leyen auch. Ich kann nur das, was Frau Ministerin Malu Dreyer gesagt hat, voll unterstützen. Ich denke, wir werden an dieser Stelle den Finger darauflegen, dass etwas Vernünftiges passiert. Das werden wir fordern.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Ich erteile Herrn Dr. Schmitz von der FDP-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dankbar, dass zumindest zwischen den Zeilen durchklingt, dass die Diskussion im Grunde ohne entsprechende Faktengrundlage geführt wird. Ich halte die Diskussion von daher als Appell für in Ordnung. Ob das bis nach Berlin durchdringt, ist die Frage. Aber ich wiederhole mich zu meinem ersten Redebeitrag, wir stochern noch arg im Nebel.

Frau Ministerin, noch einmal zu dem Unterschied zwischen dem, was Sie als ideal beschreiben, und dem, was uns umtreibt. Es ist nicht so, dass Infrastrukturmaßnahmen versus Individualförderung stehen. Selbstverständlich braucht man beides. Selbstverständlich braucht man eine vernünftige Infrastruktur als Grundlage.

Aber ich nenne Ihnen ein konkretes Beispiel, bei dem ich der Meinung bin, dass Sie, wenn Sie immer nur Infrastruktur und immer nur für alle gleich sagen, auf Dauer das Ziel nicht erreichen, das Sie selbst formuliert haben. Sie tun so, als ob alle Kinder im Hartz IV-Bereich die gleichen Fähigkeiten im Schulbereich haben, alle gleich schlecht in Mathe und alle gleich gut in Deutsch sind.

(Frau Spurzem, SPD: Eben nicht!)

Aber eben nicht, Frau Spurzem.

Warum soll ich jemanden am Schluss in der Regelleistungsberechnung oder in der On-Top-Berechnung mit 4,70 Euro pro Monat pauschal fördern, wofür er noch nicht einmal zehn Minuten Nachhilfe organisiert bekommt, und demjenigen das Geld auch zukommen lassen, der es gar nicht braucht? – Es ist viel klüger und viel vernünftiger, die Mittel so konzentriert einzusetzen, dass sie bei denen ankommen, die sie wirklich benötigen.

Der zweite Punkt, bei dem wir vielleicht einer Meinung, vielleicht auch unterschiedlicher Meinung sind: Sie stellen immer auf das Materielle ab, dabei ist die Frage der transparenten Regelsatzerhöhung unstrittig. Es geht wirklich um das „on top“. Sie stellen immer auf das Materielle ab, als ob wir nicht wüssten, dass gerade in der Zielgruppe, von der Sie sprechen, ganz große Versäumnisse darin liegen, dass man Infrastruktur, die da ist, gar nicht wahrnimmt, weil man davon nichts weiß, weil man es den Kindern nicht mitteilen kann.

(Beifall der Frau Abg. Morsblech, FDP)

Sie geben ihnen nachher 7,50 Euro, und die sitzen wieder vor dem Fernsehen. Das ist nicht das Problem der gesamten Hartz-IV-Bevölkerung, aber es ist ein großes Problem in dem Bereich, um den es Ihnen angeblich auch zuvörderst geht. Ich glaube, da sollten wir gemeinsam noch etwas nachdenken.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD)

Das Wort hat Frau Staatsministerin Dreyer.

Frau Thelen, das habe ich jetzt selten erlebt zwischen uns, ehrlich gesagt, aber Sie drehen mir wirklich das Wort im Mund herum, und zwar wirklich extrem.

(Frau Thelen, CDU: Das kam so rüber!)

Herr Dr. Schmitz, Frau von der Leyen ist im August ganz offensiv an die Presse gegangen. Es gab dieses Gespräch unter den Ministern und Ministerinnen, und auch auf der Fachebene gibt es Gespräche.

Wenn es eine Person gibt, die das Thema „Sachleistung“ wirklich gepuscht hat, dann ist das Frau von der Leyen, das bin nicht ich. Ich bin nicht die Vertreterin von Sachleistungen. Im Gegenteil, ich bin an dieser Stelle total klar.

(Frau Thelen, CDU: Haben wir gehört!)

Frau Thelen, es ist nicht meine Idee, dass wir heute über Sachleistung diskutieren.

(Zuruf der Frau Abg. Thelen, CDU)

Ich möchte auch noch einmal sagen, Frau von der Leyen ist nach diesem Treffen aus der Sitzung rausgegangen und hat festgestellt, dass es eine große Übereinstimmung der Minister und Ministerinnen darüber gibt, dass alle zusätzlichen Leistungen über Sachleistungen erfolgen. Das stimmte überhaupt nicht.

(Dr. Schmitz, FDP: Sie wiederholen sich!)

Das hat uns genötigt, dass mehrere Länder Frau von der Leyen Briefe geschrieben haben, dass wir nicht der Auffassung sind und das überhaupt nicht so festgestellt worden ist.

Ich möchte auf das Beispiel Mittagessen noch einmal eingehen, weil Frau Thelen das sozusagen indirekt angesprochen hat. Natürlich muss das Mittagessen im neuen Regelsatz abgebildet werden, selbstverständlich. Aber wir wissen doch, dass dort, wo in der Ganztagsschule jeden Tag Mittagessen angeboten wird, die Kinder mit dem normalen Regelsatz, wenn das Mittagessen zu Hause in einer größeren Familie gekocht wird, nicht auskommen können. Das ist keine neue Erkenntnis.

Es geht um die Differenz zwischen dem künftigen Regelsatz beim Mittagessen und der Frage, wie das an der Schule bezahlt wird. Frau von der Leyen hat selbst formuliert, dass im Teilhabe- und Bildungspaket ein Block das Thema „Mittagessen“ ist. Da sind wir auch absolut konsensfähig an dieser Stelle, dass jemand für die Differenz eintreten muss. Das ist der Bund über die Sozialhilfe.

Wir sagen, das Mittagessen gibt es sowieso nur an Ganztagsschulen und in Kitaangeboten. Deshalb ist es doch sinnvoll, es diskriminierungsfrei auch über die Schule usw. abzuwickeln, wie das zurzeit in RheinlandPfalz der Fall ist. Das ist keine Sachleistung in unserem Sinne. Vielleicht ist es eine Definitionsfrage. Aber das ist ein Bestandteil einer Infrastruktur, den wir allen Kindern zur Verfügung stellen, und keine Sachleistung, die wir explizit Hartz-IV-Kindern zur Verfügung stellen, sondern das Mittagessen ist für alle Kinder da, völlig egal, ob sie arm, reich oder sonst etwas sind. Das ist auch der entscheidende Unterschied.

(Beifall der SPD)

Ich denke, wir werden noch genügend Möglichkeiten haben, über diese Thematik zu debattieren. Es ist kein einfaches Thema, das sage ich auch noch einmal sehr deutlich, aber ich will schon auch klarmachen, dass es nicht darum gehen kann, dass man mit einem solchen Ausweichmanöver wie mit der Chipkarte – das hat man sich am Anfang etwas anders vorgestellt, glaube ich – das Problem in den Griff bekommt.

Es geht uns natürlich immer auch um die bildungsfernen Kinder, aber mir geht es im Übrigen um alle Hartz-IVEmpfänger, Herr Dr. Schmitz. Ich traue es den meisten Hartz-IV-Empfängern zu, dass sie mit dem angemessenen Regelsatz sehr gut entscheiden können, ob das Kind in den Sportverein oder sonst wo hingeht.

Ich sage, wir haben eine Gruppe – das habe ich vorhin schon einmal gesagt –, um die wir uns besonders kümmern müssen. Da geht es eben nicht anders, als dass wir uns auf diese Kinder zubewegen, wir dort hingehen, wo die Kinder sind, weil sie weder mit einem Gutschein noch mit einem Bildungschip noch mit sonst irgendetwas den Weg dorthin finden, wo wir gerne hätten, dass sie sind.

(Beifall der SPD)

Das ist unsere Antwort hier in Rheinland-Pfalz, dass das nur entsprechend über die Infrastruktur geht.

(Beifall der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, wir sind am Ende der Aussprache zu der Fragestunde.

Ich darf zunächst einige Gäste bei uns auf der Zuschauertribüne begrüßen, und zwar Herrn Kirchenrat Dr. Thomas Posern, Beauftragter der Evangelischen Kirchen und der Diakoniewerke im Land Rheinland-Pfalz, Nachfolger von Herrn Dr. Buchter. Er ist zum ersten Mal in dieser Funktion bei uns. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag, Herr Dr. Posern!

(Beifall im Hause)

Ich darf vielleicht noch anmerken: Wir wünschen uns die gute Zusammenarbeit, die wir mit Ihrem Vorgänger

hatten, natürlich auch mit Ihnen. Ich glaube, da sind wir auf gutem Weg. Herzlichen Dank!

Ich darf dann weiterhin Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Mainzer Landtagsseminar begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Des Weiteren begrüße ich Mitglieder der ElisabethStiftung Birkenfeld. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Last but not least begrüße ich das Dienstagsforum e. V. aus Bad Kreuznach. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Wir kommen zu Punkt 12 der Tagesordnung mit dem ersten Thema: