Protocol of the Session on September 8, 2010

Das Thema der Aktuellen Stunde lautet: „Die Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten unter dem Aspekt der Klage der Dorint-Gruppe und die Gesamtverantwortung der Landesregierung beim NürburgringProjekt“.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich dazu zunächst einige verfassungsrechtliche Grundsätze in Erinnerung bringen.

(Pörksen, SPD: Sehr gut!)

„Der Ministerpräsident“ – so heißt es in der Landesverfassung – „bestimmt die Richtlinien der Politik und ist dafür dem Landtag verantwortlich. Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Minister seinen Geschäftsbereich selbstständig und unter eigener Verantwortung gegenüber dem Landtag.“ So steht es in Artikel 104 der Landesverfassung. Damit werden die beiden Artikel eingeleitet, die etwas über den politischen Gestaltungsauftrag im parlamentarischen Regierungssystem aussagen.

Trotz der unbestreitbaren Führungsfunktion des Regierungschefs zeigt der Satz über die Ressortverantwortlichkeit, dass die Verfassung vom Typ des selbstständigen und mit beträchtlichen Entscheidungs- und Gestaltungsmöglichkeiten ausgestatteten Ministers ausgeht. Danach hat jeder Minister das freie Entscheidungsrecht in allen Fragen seines Geschäftsbereichs, und zwar in politischer, fachlicher, organisatorischer und personeller Hinsicht, soweit nicht ausdrücklich politische oder rechtliche Vorgaben entgegenstehen.

(Staatssekretär Dr. Klär: Hört, hört!)

Meine Damen und Herren, für den Regierungschef verwendet die Verfassung dagegen den Begriff der Richtlinie, wie es dort heißt. Schon dieser Begriff ist ersichtlich nicht dazu bestimmt, schrankenlose Einflussmöglichkeiten des Ministerpräsidenten auf die Ressortpolitik der Minister zu schaffen. Das wäre auch mit dem soeben dargestellten Ressortprinzip nicht zu vereinbaren.

(Baldauf, CDU: Dies glaube ich auch!)

Im Interesse der von Artikel 104 Satz 2 der Landesverfassung ausdrücklich garantierten Ressortverantwortung der einzelnen Minister soll mit dem Begriff der Richtlinie jede Einflussnahme ausgeschlossen werden, die über den Rahmen einer politischen Führungsentscheidung hinausgeht.

(Baldauf, CDU: Ihr seid ja richtig gut drauf!)

Meine Damen und Herren, mit der Richtlinienkompetenz hat also der Ministerpräsident ein Gestaltungsinstrument an der Hand, mit dessen Hilfe er das politische Profil seiner Regierung prägen und mit dem er sozusagen Kurs halten kann. Hierfür, und nicht für die Einzelheiten, steht er in der politischen Verantwortung gegenüber dem Landtag.

Wenn auch ausnahmsweise die Entscheidung in einer Einzelfrage von erheblicher Bedeutung für die Regierungspolitik sein kann, darf es aber nicht Aufgabe der Richtlinienkompetenz sein, dem Ministerpräsidenten sozusagen das Hineinregieren in jeden von einem Minister zu entscheidenden Einzelfall möglich zu machen.

Meine Damen und Herren, die Ressortverantwortung und Ressortverantwortlichkeit fordert für die einzelnen Minister nicht irgendeinen schmalen Streifen eigener politischer Entscheidungsmöglichkeiten, sondern einen breiten Bereich.

Meine Damen und Herren, ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass die Landesverfassung von Rheinland-Pfalz die Ministerverantwortlichkeit eben anders ausgestaltet als das Grundgesetz und insoweit auch deutlich davon abweicht. Jeder Minister hat nicht nur dem Regierungschef, sondern auch dem Landtag gegenüber unmittelbar für die Leitung seines Geschäftsbereichs die Verantwortung. Die politische Verantwortlichkeit des Ministers korrespondiert mit der Möglichkeit des persönlichen Vertrauensentzugs durch den Landtag nach Artikel 99 Abs. 2 und dem Zustimmungsvorbehalt bei Entlassung nach Artikel 98 Abs. 2 der Landesverfassung.

Meine Damen und Herren, mit anderen Worten: Das Parlament hat erheblichen Einfluss auf die Frage, wer in concreto ein Ministerium politisch leitet. Umso mehr darf aber angesichts dieser besonderen Verantwortungslage der Bereich ministerieller Verantwortlichkeit nicht durch eine sehr weit verstandene zentrale Verantwortlichkeit überlagert werden. Wo bliebe die Verantwortlichkeit des einzelnen Ministers, wenn auch in Einzelfragen zugleich eine zentrale Verantwortlichkeit des Ministerpräsidenten bestünde?

Meine Damen und Herren, dass sich zwischen Regierungschef und Ressortminister Abgrenzungsprobleme ergeben können, liegt auf der Hand. Bis heute hat sich der Begriff der Richtlinien der Politik allen Bemühungen zum Trotz einer abschließenden Interpretation entzogen. Das ist eben einer jener Begriffe, die, wie es im Kommentar zur Landesverfassung heißt, eine Verfassung braucht, um ihrer Scharnierfunktion zwischen Verfassungsrecht und Politik gerecht zu werden.

Meine Damen und Herren, bei den Fragen der Auftragsvergabe durch die Nürburgring GmbH, die jetzt auch durch die Klage der Dorint-Gruppe thematisiert werden, handelt es sich um einen in der Ressortverantwortung des zuständigen Ministers liegenden Einzelfall. Die Dorint-Gruppe greift mit der Klage die Frage auf, ob der Abschluss des Betriebspachtvertrages zwischen der Nürburgring GmbH mit Tochtergesellschaften und der neuen privaten Betreibergesellschaft Nürburgring Automotive GmbH einer öffentlichen Ausschreibung bedurft hätte.

Nach der eingehenden Prüfung des Wirtschaftsministeriums – hier lag auch die Verantwortung für diese Prüfung – ist das nicht der Fall. Vor der notariellen Beurkundung der Verträge wurde diese Frage in dem Gutachten einer renommierten Rechtsanwaltskanzlei eingehend behandelt. Mein Kollege, Herr Minister Hering, hat Vorgehen und Ergebnis der Prüfung schon im Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr des Landtags eingehend dargestellt. Das zuständige Kabinettsmitglied hat also dem Parlament Rede und Antwort gestanden.

Meine Damen und Herren, schon die sich daraus ergebende Beschreibung der Rechtsproblematik zeigt, dass es um die Prüfung einer Einzelfrage geht, die zwar Gewicht hat, aber schon aufgrund der rechtlichen Komplexität schwerlich Gegenstand der Ausübung der Richtlinienkompetenz sein kann.

(Baldauf, CDU: Das ist ja wohl der Gag!)

Die sich insoweit stellenden Fragen werden vom zuständigen Ressort eingehend und verantwortungsbewusst geprüft. Ein Umstand, der den Ministerpräsidenten hätte zum Eingreifen veranlassen müssen, ist weder ersichtlich noch kann er durch gegenteilige politische Meinungsäußerungen sichtbar gemacht werden.

(Baldauf, CDU: Hätten wir gar nicht zulassen dürfen – – –)

Das Fachressort ist im Übrigen davon überzeugt, dass das Verwaltungsgericht in dem Klageverfahren die Einschätzung der von ihm beauftragten Rechtsanwaltskanzlei bestätigen wird.

Ich danke Ihnen.

(Anhaltend Beifall der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Licht das Wort.

Meine Damen, meine Herren! Das war die politischste Rede, die ich je in diesem Haus gehört habe.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU)

Herr Minister, ich sehe Ihnen nach, dass Sie noch nie auf diesen Bänken gesessen haben.

(Pörksen, SPD: Wie großzügig! – Unruhe bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wer in der Form bei diesem Thema den Ministerpräsidenten in seiner Verantwortung isoliert,

(Pörksen, SPD: Wie bitte?)

der hat das Thema nicht verstanden.

(Frau Spurzem, SPD: Sie haben die Rede nicht verstanden!)

Sie haben den Versuch unternommen zu vermitteln, dass in diesen Kabinettssitzungen nur palavert wird.

(Unruhe bei der SPD)

Da wird mehr nicht gemacht. Das ist eine Erzählstunde. Dienstags morgens werden sich dort immer Geschichten erzählt.

Beim Nürburgring war es so, dass in acht Kabinettssitzungen noch nicht einmal etwas aufgeschrieben wurde. Vielleicht hat das damit zu tun, weil sich nur Geschichten erzählt wurden. Deshalb musste man gar nichts notieren, weil jedes Ressort selbst und völlig isoliert von dem, was passiert, seine Arbeit macht.

Herr Minister, die Wirklichkeit sieht völlig anders aus. In einem Satz haben Sie die Wirklichkeit angesprochen.

(Baldauf, CDU: Das ist die 1002. Nacht!)

Es geht um das politische Profil. Meine Damen und Herren, es geht um die politische Gesamtverantwortung. Wenn ein Ministerpräsident einen Termin vorgibt, der zu halten ist und auf den alles auszurichten ist, damit dieser Termin im Sommer 2009 stattfinden kann,

(Glocke der Präsidentin)

und dem sich alles unterzuordnen hat, hat er die Gesamtverantwortung. Dieser ist er nicht gerecht geworden!

(Beifall der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Clemens Hoch das Wort.

(Ministerpräsident Beck: Ich bin der Termin- kalenderführer, habe ich jetzt gelernt!)

Herr Licht, es wird nicht dadurch besser, dass Sie öfter an dieses Pult treten. Jetzt haben Sie das zweite Mal den Quatsch von eben wiederholt. Wenn Sie gestern anwesend gewesen wären, wären Sie gar nicht mehr auf die Terminfrage eingegangen, sondern hätten gewusst, dass es sich um die Formel 1 und nicht um die Richtlinienkompetenz handelt. Da sind Sie aber nicht lernfähig.

Zum Zweiten haben Sie jetzt die Chance verpasst, auch etwas zur Richtlinienkompetenz zu lernen. Wenn Sie einen solchen Titel für Ihre Aktuelle Stunde wählen, sollten Sie zumindest zuhören, was dazu gesagt wird. Trotz der brillanten Ausführungen des Herrn Ministers haben Sie es nicht verstanden.

(Beifall der SPD – Heiterkeit bei der CDU)

Herr Licht, ich übersetze Ihnen das jetzt für Ihr Verständnis,

(Baldauf, CDU: Die lachen Sie aus!)