Umgekehrt ist es so, dass die Kinderschutzdebatte zu Recht auch auf der Bundesebene sehr intensiv geführt worden ist. Meines Erachtens muss auf Bundesebene auch unbedingt dafür gekämpft werden, dass es den Kommunen gegenüber eine Bundesbeteiligung bei der Inanspruchnahme des Auftrags gibt.
Wir haben zum ersten Mal einen Bericht vorliegen, der sehr deutlich zeigt, mit welchen Kosten der Kinderschutz tatsächlich verbunden ist. Das konnten wir vorher nur erahnen. Inzwischen wissen wir das ganz genau. Deshalb ist beim neuen Bundeskinderschutzgesetz, das von der Bundesebene angestrebt wird, unbedingt darauf zu achten, dass eine Beteiligung finanzieller Art den Kommunen gegenüber erbracht wird. Wir haben bereits auf der Familienministerkonferenz sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es an dieser Stelle diese Erwartung gibt.
Frau Ministerin, wie hoch sind die Anteile der ausländischen Familien und der von Ihnen schon erwähnten Alleinerziehenden, vor allem Mütter, und wie ist die Entwicklung dieser Fallzahlen und der Prozente?
In dem Bericht gibt es den schönen Satz, Migranten und Migrantinnen sind in den Hilfen der Erziehung angekommen. Daran merkt man, dass es ein wissenschaftlicher Bericht ist. Das bedeutet nichts anderes, als dass wir im Landesdurchschnitt rund 17 % Migrantenfamilien haben, die inzwischen tatsächlich Hilfen zur Erziehung in Anspruch nehmen.
Das entspricht im Durchschnitt auch dem Anteil der Migrationsfamilien in Rheinland-Pfalz. Man sieht im Bericht auch die Differenzierung. Dort, wo mehr Migranten und Migrantinnen wohnen, sind diese entsprechend höher bzw. niedriger.
Das ist an sich ein gutes Signal; denn wir haben vor vielen Jahren damit gekämpft, dass Migrantenfamilien überhaupt nicht den Zugang in die Jugendhilfe finden. Das heißt, die Inanspruchnahme entspricht eigentlich der jetzigen Situation, wie Migrantenfamilien in der Bevölkerung vertreten sind. Für sie gelten die gleichen Problematiken, wie sie für deutsche Familien gelten.
Ich habe die Zahl der Alleinerziehenden nicht im Kopf. Die Alleinerziehenden sind die Gruppe, die im Bereich der Hilfen zur Erziehung absolut überrepräsentiert ist. Ich habe versucht, es in der Antwort zu sagen.
Nicht die Tatsache allein, dass man alleinerziehend ist, ist das Problem, sondern dass Alleinerziehende – das wissen wir auch aus der Armutsberichterstattung aus allen möglichen Bereichen – häufig schnell in die Situation kommen, in prekäre Lebenslagen zu geraten, seien es Arbeitslosigkeit, kein Verdienst, keine zusätzlichen Betreuungsmöglichkeiten durch Familienmitglieder oder was auch immer.
Dadurch kommt es häufig zu dem Problem, dass in der Erziehung Unterstützung gebraucht wird. In diesem Bericht sieht man sehr deutlich, dass die alleinerziehenden Mütter und Väter sehr stark davon betroffen sind.
Frau Ministerin, wie schätzen Sie die Relation der rheinland-pfälzischen Bildungspolitik „Bildung von Anfang an“ auf die Entwicklung der Hilfen zur Erziehung ein?
Aus meiner Sicht ist die Bildungspolitik in RheinlandPfalz unumgänglich. Es ist ein ganz großes Plus in der Entwicklung, was das Thema „Benachteiligte Kinder und Jugendliche“ betrifft. Wir haben die Hoffnung, nachdem die Beitragsfreiheit ab zwei Jahren im August beginnt und die Steigerung an der Kindergartenteilnahme der unterschiedlichen Kinder unterschiedlicher Altersstufen sehr hoch liegt, dass wir über diese institutionelle Betreuung und Förderung vieles auffangen können.
Es gibt allerdings – dies muss man sich klarmachen – komplexe familiäre Problematiken, die auch nicht über Kindertagesstätte und Schule allein aufgefangen werden können. In diesem Bericht sieht man sehr deutlich, dass man immer wieder Situationen hat, in denen die Jugendämter mit ihren begleitenden und unterstützenden Aufgaben oder Maßnahmen die Kinder unterstützen müssen, damit das Leben gut gelingt.
Frau Ministerin, Sie haben ausgeführt, dass der Anteil des Landes bei den Kosten sich von anfänglich 25 % Festkosten dann über den Festbetrag auf jetzt unter 18 % reduziert hat, obwohl es jedes Jahr eine 2%ige Steigerung des Landesanteils gibt. Damit wird deutlich, dass die Belastung der Kommunen an dieser Stelle in den letzten fünf Jahren deutlich höher geworden ist.
Wie beurteilen Sie die zukünftige Entwicklung der Kosten für die kommunalen Haushalte bei einem weiter ansteigenden Anteil dieser Kosten in den Kreishaushalten?
Die Hilfen zur Erziehung sind neben den Kindertagesstätten eigentlich der Ausgabeposten in der Jugendhilfe in den Kommunen. Das kann man sehr deutlich beschreiben. Wir tun mit den Kommunen gemeinsam sehr viel, um die Steuerung entsprechend gut hinzubekommen.
Man liest in dem Bericht sehr gut ab, dass 75 % der Kosten in den stationären Bereich laufen. Also eine Heimunterbringung kostet ein Vielfaches von ambulanten Hilfen. Deshalb muss die Bemühung auch in Zukunft sein, dass die vorgeschalteten Hilfen weiter ausgebaut werden. Man muss sagen, die Jugendämter sind da sehr gut.
Es gibt überhaupt gar keinen Jugend- und Sozialbereich, bei dem man sagen kann, die Kommunalisierung ist so gut gelungen wie in diesem Bereich. Die Jugendämter haben extrem umgesteuert. Angefangen bei der Heimerziehung, die am Anfang dominant war, gibt es jetzt eine Vielzahl von ambulanten Angeboten.
Dies wird nach wie vor auch in Zukunft ein hoher Kostenfaktor bleiben. Was aus unserer Sicht auch ein bisschen erschreckend war: Wir haben eine demografische Entwicklung. Wenn ich es richtig im Kopf habe, sind es 8 % weniger Kinder und Jugendliche als noch vor zehn Jahren. Es bildet sich nicht ab, also die Fälle werden nicht weniger, die Fälle werden mehr.
Aus meiner Sicht ist das ein grundsätzliches gesellschaftspolitisches Problem. Deshalb habe ich auch noch einmal das Sparpaket angesprochen; denn es ist mir an der Stelle ernst.
Es gibt in unserer Gesellschaft bestimmte Gruppen, die sind in gewisser Weise in einer außerordentlich prekären Situation, und sie kosten den Staat unheimlich viel Geld, weil sie im ersten Moment nicht das haben, was sie brauchen.
Wenn man jetzt nicht die Alleinerziehenden stabilisiert, sondern ihnen als Hartz-IV-Empfänger das Elterngeld oder das Wohngeld wegnimmt, dann ist das das absolut falsche Signal. Ich garantiere Ihnen, das wird an dieser Stelle zurückkommen. Die Kommunen werden es auch merken.
Auch wenn ich alleinerziehend bin und das Elterngeld habe, dann tue ich das zugunsten meines Kindes und habe die Möglichkeit zu schauen, wie ich mich auf dem Arbeitsmarkt orientiere, um die Situation zu verändern. Aber das ist absolut das falsche Signal, und es wird uns am Ende mehr kosten, als die Bundesregierung jetzt spart.
Meine Damen und Herren, vor 10:30 Uhr, also vor dem Ablauf der Fragestunde, haben sich noch Frau Thelen und Herr Schmitz gemeldet.
Sehr geehrte Frau Ministerin, der Zweite Jugendhilfebericht hat zum ersten Mal ein Stück Beleg dafür gegeben, dass Jugendämter, die sich personell besser ausstatten, unter dem Strich bei den Gesamtkosten besser dastehen. Jetzt entwickeln sich die Erziehungshilfen wieder in einem Maße, dass diese Erkenntnis ein Stück infrage gestellt wird.
Wie wird dies in den Fachkreisen diskutiert, und erwartet man so eine Art Ende der Kurve oder dass es sich letztendlich in den Erziehungshilfen positiv niederschlägt?
Das weist der Bericht immer noch aus. Die Jugendämter, die sich personell besser aufgestellt haben, haben ihre Feinsteuerung viel besser im Griff. Das kann man auch jetzt in dem Bericht wieder ablesen. Fallzahlen von 150, 170 sind einfach zu viel.
Dort, wo die Kommunen mehr Personal einsetzen, um die Feinsteuerung besser anzugehen, kann man die Kosten reduzieren. Das kann man auch hier sehr gut ablesen. Trotzdem ist es immer auch eine Entscheidung für die Kommunen zu sagen, wir stellen noch zusätzliches Personal ein. Rein finanziell, aber auch zugunsten der Betroffenen wäre das absolut wünschenswert.
Vielleicht noch eine Anmerkung, ich habe nämlich die Zahl gefunden. 65 % aller Fälle sind Fälle bei alleinerziehenden Müttern und Vätern. Es ist wirklich schon eine erhebliche Anzahl.
Frau Ministerin, welche Möglichkeiten sehen Sie, stärker als bisher die Erziehungsverantwortung und -verpflichtung der Eltern oder Elternteile einzufordern?
Ich drücke es einmal so aus: Bei den Familien, mit denen wir es zu tun haben, kann man nicht generell sagen, da gibt es keinen Willen, gut mit den Kindern umzuge
Wenn es uns gelingt, in den Geburtskliniken bei risikogefährdeten Familien mit guten Angeboten sofort zu intervenieren, gibt es eine riesige Bereitschaft der Eltern zu sagen, ja, wir machen das gerne mit. Es ist eher das Thema „Überforderung“ als Unlust, sich um Kinder zu kümmern. Davor will ich auch ein bisschen warnen.
Die Eltern brauchen tatsächlich Unterstützung, um ihre Erziehungskompetenz gut ausüben zu können. Das ist eigentlich das, was uns bewegt. Es ist nicht so, dass der große Anteil der Eltern sagt, ich habe keine Lust, ich produziere permanent Kinder und habe keine Lust sie zu erziehen, sondern es ist tatsächlich die Überforderungssituation, die beim Kinderschutz sehr oft eine riesige Rolle spielt.
Frau Thelen, einen Satz noch zum Personal. Die Bundesregierung hat jetzt vor, im Zusammenhang mit Vormundschaft die Fallzahlen zu reduzieren. Ich sage es wirklich noch einmal ganz dezidiert und warnend in den Raum, natürlich haben wir auch dort viel zu hohe Fallzahlen. Aber wenn das umgesetzt wird, dann kann das nur mit einer Kostenerstattung gegenüber den Kommunen umgesetzt werden. Man kann von den Jugendämtern durch die Justizministerin nicht verlangen, dass sie bei dem Thema „Vormundschaft“ eine Fallzahl von 1 : 50 aufbauen und dann nicht sagen, wie es bezahlt werden soll. Das geht nicht.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die SPD-Fraktion beantrage ich die Aussprache zur Mündlichen Anfrage Nummer 1, Verkürzung des Wehr- und Zivildienstes betreffend.
Herr Präsident! Die CDU-Fraktion beantragt die Aussprache zur Mündlichen Anfrage Nummer 2 der Abgeordneten Christine Schneider und Alexander Licht zum Thema „Kündigung des Staatsvertrages betr. die Forschungsanstalt Geisenheim“.
Wir kommen zunächst zur Aussprache über die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Jochen Hartloff, Hans Jürgen Noss, David Langner und Peter Wilhelm Dröscher (SPD), Verkürzung des Wehr- und Zivildienstes – Nummer 1 der Drucksache 15/4731 – betreffend.
Ich will Ihnen noch einmal sagen, Sie haben bei einer Aussprache zu zwei Mündlichen Anfragen jeweils zweimal fünf Minuten Redezeit je Fraktion.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Verkürzung des Wehrdienstes und die Verkürzung des Zivildienstes haben erhebliche Auswirkungen auch für das Land Rheinland-Pfalz, für die Standorte bei der Bundeswehr und natürlich – wie Frau Kohnle-Gros vorhin gesagt hat – für die Wehrpflichtigen als solche, für den Ausbildungsstand bei der Bundeswehr und für die zivildienstleistenden Organisationen, die erheblich betroffen sind.