Protocol of the Session on June 23, 2010

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Da stellen sich mir zwei Kernfragen. Erstens – wir wissen es –, sie werden die Studienbeiträge abschaffen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Wir werden das genau beobachten, meine Damen und Herren. Dann stelle ich in Nordrhein-Westfalen die Frage: Wie wird diese Finanzierungslücke vom Land Nordrhein-Westfalen geschlossen werden? – Da passen Sie einmal ganz genau auf.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Wenn dies nicht geschieht, dann schwächt man in Nordrhein-Westfalen die Hochschulen auf ganz massive Art und Weise. Das darf nicht sein.

(Beifall der FDP)

Ich sehe das auch vor dem Hintergrund der Schuldenbremse. Ich bin einmal gespannt, wie Sie diese Frage dort lösen werden.

Meine Damen und Herren, das Zweite: Ich bin einmal gespannt, ob diese neue Landesregierung den Mut aufbringt, den Status der Hochschulen retropolitisch wieder zu verändern. Da bin ich einmal gespannt.

Es ist bekannt, dass die Hochschulen mit diesem neuen System hoch zufrieden sind. Die Zustimmung ist ständig gewachsen. Ich bin einmal gespannt, ob sie darangehen oder bei diesem System bleiben.

Meine Damen und Herren, wenn Sie dabei bleiben, dann bin ich einmal gespannt, ob nicht möglicherweise Frau

Ministerin Ahnen ihre Meinung vielleicht doch noch einmal ändern könnte.

(Beifall des Abg. Eymael, FDP)

Meine Damen und Herren, ich möchte einige Beispiele nennen, die uns Sorgen bereiten. Wir begrüßen zum einen die Einrichtung von Forschungskollegs. Das ist ohne Frage. Aber wir sind immer noch nicht überzeugt davon, dass dies so geregelt wird, dass die Lehre darunter nicht leidet. Im Gesetz gibt es dazu keinen Anhaltspunkt. Das heißt also, wenn da Deputate wegfallen, brauchen wir gleichwertigen Ersatz. Es kann nicht sein – ich weiß, dass Sie das auch nicht wollen –, dass das der Beginn einer Entwicklung zur Zweiklassenhochschule ist. Das wollen wir wohl alle nicht. Also da muss man achtgeben, dass dies nicht so geschieht.

Das Zweite ist, die Öffnung der Hochschulen – auch schon zu unseren Koalitionszeiten begonnen – ist in der Tat der richtige Weg. Es ist sehr positiv, dass aus der dualen Ausbildung Menschen zusätzliche Bildungschancen bekommen. Bildungsaufsteiger brauchen wir in Deutschland. Dann muss man aber auch mehr tun, meine Damen und Herren. Es reicht nicht, die Tür zu öffnen. Das ist gut so. Das ist ja im Gesetz festgeschrieben. Dann muss man diese Menschen auch an der Tür abholen. Da brauchen wir auch in dieser Situation bessere Betreuungsverhältnisse, um die Erfolgschancen dieser Menschen zu steigern.

Im Übrigen wird – das sage ich voraus – die Diskussion um die offene Hochschule in Deutschland Raum gewinnen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir nicht bei 1, … % stehen bleiben dürfen, die auf diesem Weg zur Hochschule kommen. Ich bin der festen Überzeugung, dass im Laufe der Jahre oder mittelfristig gesehen wir diesen Anteil sogar auf insgesamt 10% steigern können. Dazu braucht man aber auch ein entsprechendes Konzept. Die Defizite dualer Studiengänge wurden von meiner Kollegin eben auch schon erwähnt.

Korrekturbedarf sehen wir alle, aber auch hier sage ich: Dieser Korrekturbedarf allein reicht nicht aus, sondern wir brauchen in vielen Fachbereichen bessere Betreuungsverhältnisse. Das wird von den Studierenden massiv kritisiert. Herr Dr. Krell hat den Eindruck erweckt, als würde man in diesem Fall den Studierenden folgen. Diese massive Kritik der Studierenden an unseren Hochschulen haben Sie nicht erwähnt. Wenn wir Bachelor und Master zum Erfolg führen wollen, brauchen wir bessere Betreuungsverhältnisse.

Weiter fehlt für uns ein Konzept zur Weiterentwicklung dualer Studiengänge. Sie erinnern sich an die Anhörung. Ich hatte den Eindruck, dass die Landesregierung im Hinblick auf unsere Große Anfrage etwas in sich gegangen ist und Defizite eingeräumt hat. Zu diesem Bereich brauchen wir auch neue Impulse. Im Hochschulgesetz sehe ich dazu nichts.

Last but not least komme ich zu dem Thema, das schon zweimal angesprochen worden ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch ich war verblüfft, als in der Anhörung eine hoch qualifizierte Professorin – das habe ich übrigens nicht nur in der Anhörung gehört, sondern das

wurde mir später von vielen Professorinnen bestätigt – zu ihrer paritätischen Einbeziehung in die Gremien erschrocken war. Sie hat gesagt: Wir wollen in erster Linie forschen und gute Lehre machen. Wir wollen nicht, dass uns diese Zeit durch überproportionalen Einsatz in den Gremien weggenommen wird. – Sie sagen, wir wollen ein Zeichen setzen. Das ist eine Aussage à la Hopp. Man kann Frauenpolitik nicht gegen den Widerstand von Frauen durchsetzen.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Das ist wahr! – Eymael, FDP: Das geht nicht!)

Das ist ein widersinniges Vorgehen.

Meine Damen und Herren, ich komme zu den Änderungsanträgen. Zu dem CDU-Änderungsantrag sind wir der Meinung, dass wir die Kuratorien nicht abschaffen sollen. Das ist keine echte Dopplung, und die Öffnung der Hochschulen über die Kuratorien halten wir weiter für sinnvoll. (Glocke des Präsidenten)

Ja, noch einen Satz, Herr Präsident.

Auch im Hinblick auf die Akkreditierung können wir Ihnen nicht folgen.

(Glocke des Präsidenten)

Beim Änderungsantrag der SPD stört uns, dass wieder der Wegfall des Freiversuchs thematisiert wird.

(Glocke des Präsidenten)

Aus diesem Grund werden wir uns bei den Änderungsanträgen der Stimme enthalten und insgesamt das Gesetz ablehnen.

(Beifall der FDP)

Das Wort hat Frau Staatsministerin Doris Ahnen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Sie alle wissen durch die vorausgegangenen Beratungen und auch durch die Beratungen im Ausschuss, ich halte diesen Gesetzentwurf, dieses Gesetzesvorhaben für eines der ganz zentralen in dieser Legislaturperiode, weil es um nicht weniger geht, als unseren Hochschulen einen zeitgemäßen Rahmen zu geben, damit sie im schärfer gewordenen nationalen und internationalen Wettbewerb bestehen können. Ich bin der festen Überzeugung, dass dieser Gesetzentwurf dazu einen entscheidenden Beitrag leisten wird.

Gleichwohl akzeptiere ich, dass die Zeit weit fortgeschritten ist. Deshalb will ich nicht mehr alle Punkte ansprechen, sondern nur noch einige wenige Anmerkungen machen.

Ein wichtiger Punkt in diesem Gesetzentwurf ist die Weiterentwicklung des Bologna-Prozesses. Ich gestehe an dieser Stelle, der Gesetzentwurf enthält mehr Regelungen, als ich zu Anfang der Beratungen gedacht habe, dass sie notwendig wären. Das ist aber eine eindeutige Konsequenz aus den vielen Diskussionen mit den Studierenden und den Hochschulen, die wir aufgenommen haben.

Deshalb haben wir uns entschieden, doch wieder Regelungen im Gesetzentwurf zu treffen. Sie wissen, es geht um die Frage von Teilprüfungen im Anschluss an ein Modul, die Verknüpfung von Modulen, die Vereinfachung der gegenseitigen Anerkennung. Das sind Punkte, die wir aufgenommen haben, um Ernst damit zu machen, dass Bologna so umgesetzt werden muss, dass es studierbar ist. Das tun wir mit diesem Gesetzentwurf.

Ein zweiter Punkt, der schon vielfach angesprochen wurde, ist die Öffnung der Hochschulen für qualifizierte Berufstätige. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden, wenn wir diese Regelungen zur Öffnung unserer Hochschulen für qualifizierte Berufstätige verabschieden, bundesweit wieder ganz an der Spitze stehen. Das ist unser ganz zentrales Anliegen.

(Beifall der SPD)

Ich bedanke mich ausdrücklich – Herr Krell hat das ausgeführt – für die zusätzliche Initiative, bei den dualen Studiengängen eine noch weitere Öffnung vorzusehen. Ich halte das für eine gute Initiative, die diesem Grundgedanken Rechnung trägt. Ich darf darauf hinweisen, dass wir bereits über die Experimentierklausel, die im Gesetz vorgesehen ist, mit der es möglich sein soll, unter bestimmten Bedingungen die Berufstätigkeit ersetzen zu können, in konkreten Verhandlungen mit den Hochschulen stehen.

Auch das wäre noch einmal ein weiterer Schritt. Da stehen wir wirklich bundesweit an der Spitze. Ich bin froh, dass dieser Gedanke – das weiß ich – von allen Fraktionen in diesem Haus getragen wird.

Über die Frage der Forschungskollegs haben wir viel miteinander diskutiert. Ich will es nur noch einmal klarstellen: Das Forschungskolleg wird nicht dazu führen, dass Lehre ausfällt, sondern das Forschungskolleg wird dazu führen, dass interdisziplinär exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in besonderen Rechtsformen zusammenarbeiten können. Das wollten wir erreichen. Einen erfolgreichen Beleg haben wir an der Universität Mainz mit dem GutenbergForschungskolleg. Wir wollen diese Möglichkeit weiteren Hochschulen im Land eröffnen.

Lassen Sie mich noch auf einen Punkt hinweisen, der heute noch gar nicht angesprochen worden ist. Das ist für mich ein wichtiger Punkt, weil sich auch der Wissenschaftsrat in der nächsten Woche mit dieser Frage befassen soll. Das ist die Frage des Zusammenwirkens von Fachhochschulen und Universitäten bei Promotionsverfahren.

Wir gehen in dem Gesetzentwurf in diesem Bereich weitere Schritte. Wir greifen damit auch einer bundes

weiten Debatte vor. In dieser Art und Weise wird sich das wohl auch in den Empfehlungen des Wissenschaftsrats niederschlagen.

Lassen Sie mich einen fast letzten Punkt ansprechen. Das ist die Frage der Autonomie der Hochschulen. Ich will an dieser Stelle noch einmal sagen: Es gibt nicht einen Punkt, bei dem ich als Ministerin Angst habe, ich müsste etwas abgeben oder ich dürfte etwas nicht mehr tun. Glauben Sie es mir, ich habe genug zu tun. Ich habe auch tagtäglich das Gefühl, dass ich genug entscheiden könnte. Bei der Frage der Autonomie habe ich mich von einem einzigen Gedanken leiten lassen. Ich finde, das ist in der Anhörung sehr klar zum Ausdruck gekommen.

Autonomie entwickelt man nur dann sinnvoll weiter, wenn sie nicht zu Konfrontationsstellungen zwischen den Gruppen führt. Das Autonomieverständnis unter den Mitwirkenden an der Hochschule ist eben sehr unterschiedlich. Im Rahmen des Konsenses, den wir in den Hochschulen bilden können, gehen wir an die Grenze der Autonomie. Das war auch die einzige Begrenzung, die für mich eine Rolle gespielt hat. Deshalb haben wir uns für diesen Weg entschieden. Deswegen meine ich, dass wir einen Weg gefunden haben, der ziemlich genau dem gegenwärtigen Interessengefüge in den Hochschulen entspricht.

Herr Kuhn, bei aller Liebe für Ihre grundsätzlichen, immer sehr Ihrer Grundlinie treuen Vorschläge, der Vorteil einer neuen Rechtsform ist mir in der bisherigen Debatte noch nicht hinlänglich bewusst geworden. In einer Hinsicht bitte ich um Verständnis: Ich fühle mich in Rheinland-Pfalz so wohl, dass ich nicht noch zu nordrheinwestfälischen Vorhaben an dieser Stelle Stellung beziehen möchte. Ich meine, auch da haben Sie mehr Ihren grundsätzlichen Einstellungen Rechnung getragen.

(Beifall der SPD)

Jetzt muss ich doch noch einen Punkt ansprechen, weil Sie, Frau Huth-Haage, sagen, die Qualitätssicherung sei ziemlich bürokratisch und man müsse doch gar nicht mehr die Studiengänge akkreditieren, wenn die Qualitätssicherung akkreditiert sei. Zu Ihrer Information: Das geht nur dann, wenn sie systemakkreditiert sind. Im Moment streben noch keine zehn Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland – erfreulicherweise befindet sich die Universität Mainz darunter – die Systemakkreditierung an. Insofern sind wir davon, dass die Qualitätssicherungssysteme generell akkreditiert sind, in der Bundesrepublik Deutschland noch meilenweit entfernt. Ich hoffe aber, dass wir mit der Universität Mainz an dieser Stelle Erfahrungen gewinnen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, heute kommt ein wichtiges Gesetz auf den Weg. Ich bedaure ausdrücklich, dass die Fraktionen von CDU und FDP dem hier vorliegenden Gesetzentwurf offensichtlich nicht zustimmen können.

Meines Erachtens ist darin vieles enthalten, was wir gemeinsam hätten auf den Weg bringen können. So werden wir ihn mit einer nicht ganz so breiten Mehrheit in diesem Parlament beschließen müssen. Nach meiner

festen Überzeugung wird dieses Gesetz im Anschluss in den Hochschulen erfolgreich umgesetzt werden können.