Protocol of the Session on June 23, 2010

Wir haben morgen in der Aktuellen Stunde genug Gelegenheit, uns über den Nürburgring auszutauschen. Ich möchte nur einen Satz zu diesem Konto sagen, das neu erfunden worden ist. Die Landesregierung hat Strafantrag gegen die Nürburgring GmbH gestellt. Die Staatsanwaltschaft hat das ausermittelt. Der Verdacht, den die Landesregierung und auch wir hatten, ist betätigt worden. Nicht mehr und nicht weniger. Das ist schmerzhaft, aber es ist auch nichts Neues.

(Beifall der SPD – Baldauf, CDU: Aber ansonsten wollten Sie von der Nürburgring GmbH nichts wissen!)

Wir kommen zum dritten Thema der

AKTUELLEN STUNDE

„Massiver Erzieherinnenmangel in Rheinland-Pfalz aufgrund verfehlter Rahmensetzungen durch die Landesregierung“ auf Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 15/4735 –

Das Wort hat Frau Kollegin Bettina Dickes von der CDUFraktion.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Schulden und der Versuch, damit umzugehen, belasten unsere Kinder. Gute Bildung versetzt sie vielleicht in die Lage, diese Schulden einmal zurückzuzahlen. Deswegen brauchen wir sowohl in unseren Schulen als auch in unseren Kindertagesstätten gute Rahmenbedingungen.

Lehrer- und Lehrerinnenmangel und Erzieher- und Erzieherinnenmangel gehören nicht zu diesen Rahmenbedingungen.

Ich möchte mit einem Zitat der Leiterin des Referats Kinderbetreuung im Bildungsministerium beginnen, das sehr positiv stimmt. Ich hoffe, dass es auch Gehör findet. Es ist von Xenia Roth, die sagt: „Eine qualifizierte Debatte zur Überwindung des Fachkräftemangels setzt eine Verständigung über die Zukunft der Kindertagesbetreuung voraus. Dazu zählen quantitative und qualitative Aspekte. Es gilt, mutig konzeptionell begründetes, innovatives Denken und Handeln zuzulassen und sich gegenseitig auf allen Handlungsebenen des Kita-Systems zum Diskurs anzuregen.“

Frau Ministerin, diesen Diskurs hat Professor Sell vom Institut für Bildungs- und Sozialpolitik, den Sie beauftragt haben, mit seinen Aussagen wieder einmal angestoßen; denn über die Qualität in den rheinland-pfälzischen Kindertagesstätten haben wir in diesem Raum schon oft diskutiert. Auch Professor Sell hat im Rahmen verschiedener Anhörungen schon einiges dazu gesagt.

Es war die Rede von einem Drittel zu wenig Personal für qualitativ gute Arbeit oder auch von der offensichtlich ablehnenden Haltung der Landesregierung zum Ausbau der Kindertagespflege.

Auch wir als Fraktion bringen Probleme, die wir vor Ort hören, hier vor und hören dann in schönster Regelmäßigkeit, dass diese Situation vielleicht irgendwo in Deutschland, aber doch nicht in Rheinland-Pfalz vorkommen mag.

Dann kommt auch noch am Abschluss der Zwischenruf aus der SPD-Fraktion mit dem Hinweis, dass die CDU angeblich sogar die qualitativen Standards senken will – Sie können das gleich wieder rufen – und größere Gruppen und Personal möchte. Damit ist für Sie die Debatte beendet.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Für eine Politik mit Verantwortung und Weitsicht wünsche ich mir mehr. Ich wünsche mir, dass Sie die Probleme erkennen und Sie sich einmal auf die Suche nach Verbesserungen begeben. Wissen Sie, wenn ich heute über den drohenden Erzieherinnenmangel spreche, dann habe ich gleichzeitig die Baustelle Lehrermangel vor Augen. Genau wie dort gehe ich davon aus, dass Sie gleich auch hier von einer Versorgung auf hohem Niveau sprechen werden und von Ihren leider vergeblichen Anstrengungen.

Die Prozentzahlen in unseren Kindertagesstätten nehmen ein noch erschreckenderes Ausmaß an. Die Studie von Professor Sell ist eine fundierte Analyse der derzeitigen Situation in unseren Kindertagesstätten, wie sie sich entwickelt, wenn wir die Zweijährigen und künftig auch die Einjährigen weiter aufnehmen.

Es ist klar, dass wir mehr Personal brauchen, wenn wir mehr und vor allem kleinere Kinder betreuen. Diese Studie wirft verschiedene Szenarien auf. Ich denke, zwei davon sind für uns von Bedeutung.

Bei der einen Variante geht Sell von der Fortführung des Status quo aus, also keine qualitative Verbesserung, keine Anpassungen an die veränderten Bedingungen durch unsere Kleinsten und eine Inanspruchnahme auf dem bisherigen Niveau. Auf diese Rahmenbedingungen bezieht sich auch die Landesregierung und geht dabei von einem Mangel von 2.000 Kräften aus. Das ist die geringste Variante. Das sind 8,3 % Erzieherinnenmangel.

Die andere Variante, wenn wir davon ausgehen,

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Die Kinder sind noch gar nicht da!)

dass wir etwas mehr Kinder aufnehmen und diese Kinder auch in anderen Betreuungsformen wie der kleinen Altersmischung betreut werden, geht von einem Bedarf von bis zu 5.000 Erzieherinnen aus.

Frau Ministerin, da sind wir dann bei 18 % Ausfall. Ich glaube nicht, dass wir das unseren Kindern zumuten wollen.

Diese Zahlen sind nicht vom Himmel gefallen.

(Pörksen, SPD: Kinder auch nicht!)

Wir weisen seit Jahren darauf hin, aber bis jetzt war wieder einmal alles gut in Rheinland-Pfalz. Dabei hätte man schon vor Jahren, als man den Rechtsanspruch für die Zweijährigen umgesetzt hat, erste Schritte gehen müssen, hätte mehr Erzieherinnen ausbilden und die Rahmenbedingungen in unseren Kindertagesstätten verbessern müssen. Aber nichts dergleichen ist getan.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Frau Ministerin, es ist wie immer, in Rheinland-Pfalz kommt alles so überraschend. Ich erwarte von Ihnen Politik mit Weitsicht, und ich erwarte von Ihnen, dass Sie die Verantwortung übernehmen und den Eltern sagen, wie Sie Ihr Versprechen halten, das Sie mit Blick auf die Betreuung der Zweijährigen gegeben haben.

(Glocke des Präsidenten)

Das Nächste in der zweiten Runde.

(Beifall bei der CDU – Pörksen, SPD: Da sollen sie sich auf Bundesebene einmal Gedanken machen!)

Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Raab.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bildungspolitik, ja, es macht Spaß, in Rheinland-Pfalz darüber zu sprechen. Ich freue mich, dass Frau Ministerin es rechtzeitig geschafft hat, wieder hierher zu kommen. Sie ist mit einem leeren Koffer nach

Berlin gefahren und kommt mit einem vollen Koffer voller hervorragender Ergebnisse zum Thema „Bildungspolitik“ nach Rheinland-Pfalz zurück. Das ist ein Tag der Freude und zeigt, wie gut Bildungspolitik von Anfang an bis zum Ende durchdekliniert wird.

(Beifall der SPD)

Wir haben heute eine Aktuelle Stunde zu einem Thema, zu einem Gutachten.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, die nicht Mitglieder im Bildungsausschuss sind, wir haben bereits am 8. Juni im Bildungsausschuss ausführlich darüber diskutiert.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Worum geht es? – Es geht um Fachkräftemangel. Fachkräftemangel erleben wir in vielen Branchen, und wir in Rheinland-Pfalz tun sehr viel. Wir haben Universitäten gegründet. Wir haben Fachhochschulen gegründet. Wir haben in vielen Bereichen, auch im Rahmen der Konversionspolitik, Dinge auf den Weg gebracht, um einem Fachkräftemangel rechtzeitig, frühzeitig, zu begegnen.

Wir reden heute über eine bestimmte Berufssparte, nämlich der der Erzieherinnen und Erzieher. Wir haben hier eine relative Angebotsverknappung. Ich habe gesehen, Sie von der CDU haben gestern eine Pressekonferenz gemacht, und Sie haben Rheinland-Pfalz mit vielen Bundesländern verglichen. Deshalb habe ich mir erlaubt, in Vorbereitung auf die heutige Aktuelle Stunde auch Rheinland-Pfalz mit einem Bundesland zu vergleichen, einem südlichen, nämlich Bayern.

Da ist mir aufgefallen – jetzt muss ich in diesen Tonfall fallen, den ich eben gehört habe –, dass die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer, CSU, im Sozialausschuss Mitte Dezember 2009 gestand, in Bayern drohe in den kommenden Jahren ein massiver Mangel an Erzieherinnen und Erziehern.

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD)

Also wirklich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben einen Fachkräftemangel, ja, auch in diesem Bereich möglicherweise. Was haben wir in Rheinland-Pfalz getan? – Da ist Rheinland-Pfalz bundesweit – Sie müssen es sich anhören – wieder in einer Vorreiterrolle. Wir haben ein Gutachten in Auftrag gegeben bei Herrn Professor Dr. Sell. Wenn Sie die Literatur bundesweit vergleichen, dann werden Sie feststellen, es gibt kein vergleichbares. In diesem Bereich berufen sich alle auf Professor Sell.

Das kann ich Ihnen auch nicht ersparen, während die Ministerin ein solches Gutachten in Auftrag gibt, während wir versuchen, einem Fachkräftemangel an vielen Stellen zu begegnen, machen Sie am 17. Juni eine Pressekonferenz und wollen Kindergartenstandards auf den Prüfstand stellen. Da sage ich, meine lieben Damen und Herren von der CDU, das ist mit uns nicht zu machen. Wir wollen haben, dass die Ministerin auch weiter

hin mit einem Gepäck voller guter Ergebnisse bei der PISA-Ländervergleichsstudie zurückkommt. Deshalb halten wir an unseren Standards fest.

(Beifall der SPD – Ministerpräsident Beck: Sehr gut!)

Kommen wir aber nun zu dem Gutachten von Herrn Professor Sell. Sell kommt zu dem Ergebnis, dass ein Fachkräftemangel im Erzieherinnenbereich nicht unbedingt empirisch gesichert ist. Er zitiert ein paar Äußerungen. Ich möchte dazu zwei Beispiele nennen.

Die meisten Äußerungen, die einen solchen Personalmangel in den Raum stellen, gehen von durchaus plausiblen Annahmen aus, die so eintreffen können, aber nicht müssen.

Jetzt habe ich mir einmal angeschaut, was die Bundesregierung dazu sagt. Sie hat eine Kleine Anfrage beantwortet und festgestellt, in einer Qualifizierungsinitiative für Deutschland wurde ein zusätzlicher Bedarf an 80.000 Erzieherinnen und Erziehern inklusive Tagespflegepersonal und anderem ermittelt. Sie haben eine irre Rechnung aufgemacht. Zu dieser Rechnung sagt Herr Professor Sell, anscheinend hat die Bundesregierung bzw. das hier zuständige Bundesfamilienministerium eine sehr konkrete Vorstellung über den Personalbedarf, den sie sogar auf eine Zahl zu verdichten in der Lage ist. Es fragt sich nur, woher dieser Wert von zusätzlich 80.000 Fachkräften stammt.

Das ist nicht empirisch belegt. Deshalb sind wir froh, dass wir für Rheinland-Pfalz nun drei Szenarien entwickelt bekommen haben, mit denen man umgehen und rechnen kann. Man muss auch sagen, wir haben einige Maßnahmen, und Sell stellt klar heraus, wir in Rheinland-Pfalz haben bislang 21.000 pädagogische Fachkräfte. Wir haben große regionale Unterschiede in Rheinland-Pfalz, Stadt/Land. Das wissen wir aus vielen Gesprächen, die wir auch im Bildungsausschuss führen.

Er sagt – in Rheinland-Pfalz gehen wir von der Grundlage aus –, dass Rheinland-Pfalz im Kindergartenbereich und im Krippenbereich erheblich bessere Personalstandards hat als alle vergleichbaren Bundesländer.