Protocol of the Session on May 27, 2010

(Zurufe von der SPD)

Ich empfehle allen, die an einer seriösen Diskussion Interesse haben, die Rede des Bundesumweltministers aus der Aktuellen Stunde der letzten Woche einmal genau nachzulesen und zu analysieren. Diese liegt Ihnen in der Zeitschrift „Das Parlament“ vor.

(Zuruf des Abg. Hartloff, SPD)

Das ist eine höchst interessante Rede, in der der Bundesumweltminister seine Linie und die der Bundesregierung deutlich macht. Er hält es jenseits dieser juristischen Fragen für sinnvoll, den schrittweisen Umbau des heute vorherrschenden Energiemixes hin zu erneuerbaren Energien in enger Abstimmung mit den Ländern – das ist wörtlich von ihm – zu vollführen, weil das besser und erfolgreicher ist. Insbesondere wenn es um Netzstrukturen geht, geht es nicht ohne die Länder.

Das ist eine gute länderfreundliche Politik der Bundesregierung. Mehr dazu in der zweiten Runde.

(Beifall der CDU)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Schellhaaß für die FDPFraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Ausein- andersetzung zwischen Bund und Ländern betrifft die Frage, ob die Zustimmung im Bundesrat zu Veränderungen der Laufzeit von Atomkraftwerken nötig ist oder nicht. Das ist eine juristische Frage, um die es – Herr Weiner hat es angedeutet – schon einmal ging, nur mit umgekehrten Vorzeichen. Auch damals ging es um die Veränderung der Laufzeiten, allerdings nur um die Ver

kürzung. Damals war die rot-grüne Bundesregierung der Ansicht, dass der Bundesrat nicht gefragt werden müsse.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Die SPD war damals der Ansicht, dass das Thema nicht zustimmungspflichtig ist. Die Zuständigkeiten des Bundesrats in dieser Frage sind aber seither nicht geändert worden. Die Interpretation der Rechtsfrage durch die SPD scheint jeweils so zu sein, wie es gerade passt. Herr Langner hat wunderbar gesagt, dass gerade die Ministerpräsidenten, die damals fanden, dass man nicht fragen müsse, jetzt finden, dass man fragen müsse.

Meine Damen und Herren, ich frage Sie: Was ist das für ein Rechtsverständnis?

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, dass das Thema auf der Tagesordnung steht, ist wieder nur ein durchsichtiges Manöver, um zum x-ten Mal auf Ihr Lieblingsthema zu kommen. Dazu ist alles schon wiederholt gesagt worden. Es gibt überhaupt nichts Neues. Auch das, was Herr Langner sagte, war nicht sehr neu. Außerdem wird das Ganze in Berlin zur Genüge diskutiert.

Wir haben kein Atomkraftwerk. Am Verwaltungsaufwand des Landes Rheinland-Pfalz, der vielleicht ein Aufhänger für die juristische Frage sein könnte, ändert sich ohnehin nichts, weil wir kein Atomkraftwerk haben. Hätten zunächst Rot-Grün und anschließend Schwarz-Rot besser für die Endlagerung gesorgt und sich mit diesem Problem beschäftigt, könnten Sie jetzt wenigstens ordnungsgemäß abwickeln.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat Frau Staatsministerin Conrad.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Bemerkung vorweg: Liebe Frau Schellhaaß, die Frage, ob wir uns als Länder dazu äußern oder eine Meinung haben, hängt nicht davon ab, ob wir im Land Rheinland-Pfalz ein aktives laufendes Atomkraftwerk haben. Wir haben eines im Rückbau.

Vergessen Sie nicht, dass wir in Rheinland-Pfalz direkt an unseren Grenzen mindestens vier Blöcke haben, nämlich Biblis A, Biblis B, Philippsburg 1 und Philippsburg 2, von denen die Menschen in Rheinland-Pfalz, würde etwas passieren, ganz massiv betroffen wären. Ich bitte, dies politisch nicht so zu begründen.

(Eymael, FDP: Was ist mit Cattenom?)

Ich will einen Gedanken von David Langner aufgreifen, weil er mir sehr gut gefallen hat. Er hat das, was wir

mittlerweile erleben dürfen oder dessen Zeugen wir gewollt oder ungewollt sind, im Sinne eines Schauspiels dargestellt und den schönen Titel gewählt: Wir sind alles, nur nicht einig. –

Wenn man die Situation in diesen Bildern betrachtet, hat es ein monatelanges Vorspiel mit wechselnden Akteuren, darunter verschiedenen Ministerpräsidenten, gegeben, so Röttgen mit Rüttgers, unterstützt von Müller, dagegen die Umweltminister aus Hessen, BadenWürttemberg und Bayern. Vor knapp 14 Tagen, am vorletzten Wochenende, ist es zu einem Auftritt im Schauspiel gekommen, der ein Paukenschlag war. Eine Zeitung hat „dong, dong, dong“ geschrieben.

Das war etwas, was man selbst gar nicht vermutet hätte. Herr Mappus tritt auf die Bühne und fordert – ich zitiere das, um die Bedeutung, was sich hier abspielt, deutlich zu machen –: „Ich bin nicht mehr bereit, die Eskapaden des Bundesumweltministers zu akzeptieren.“

Er fordert den Bundesumweltminister indirekt zum Rücktritt auf: „Politik ist ein Mannschaftsspiel, und wer Individualsport bevorzugt, der muss sich ein anderes Tätigkeitsfeld suchen.“ – Er belässt es nicht dabei. Er stellt auch noch der Kanzlerin ein Ultimatum. Sie möchte doch Röttgen zurückpfeifen und dieses spätestens bis letzten Montag.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist einzigartig im Umgang einer Regierungspartei miteinander und wirft ein unglaublich katastrophales Licht auf das, was Sie sich leisten.

(Beifall der SPD)

Ich will nicht weiter kommentieren. Lesen Sie es nach. Das hat nicht nur eine Zeitung berichtet. In diesem ersten Akt gibt es gleichzeitig seit letzter Woche ein Zeugnis für den Bundesumweltminister von Herrn Mappus: „Was der Bundesumweltminister in den letzten Monaten abgeliefert hat, das würde sicherlich auch die Note Befriedigend nicht erfüllen, denn es ist nicht das, was wir vor der Wahl zugesagt haben. Und solche Dinge dürfen und können wir uns nicht mehr leisten.“

Dieser erste Akt war noch nicht zu Ende, als sich das Kanzleramt zu Wort gemeldet hatte. Kanzleramtsminister Pofalla tritt Herrn Röttgen nicht zur Seite, sondern das Kanzleramt stellt sich gegen den eigenen CDUUmweltminister. Herr Pofalla unterstützt Herrn Mappus in seiner Auffassung, dass das Atomgesetz mit einer Laufzeitverlängerung ohne die Beteiligung der Länder geändert werden könnte. So weit der erste Akt.

Ich komme zum nächsten Akt. Dann kommt Herr Röttgen. Er weist das alles zurück mit Verweis auf den Koalitionsvertrag. Man möge den – dies in Richtung Stuttgart – doch einmal genauer lesen. Die Assistenz kommt durch die thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht, die wiederum Herrn Röttgen beipflichtet. Von derjenigen, die ultimativ aufgefordert worden ist, ein Machtwort zu sprechen, hört man immer noch nichts.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dann kommt eine kleine Unterbrechung. Mittlerweile gibt es einen

nächsten Akt zu der Frage, ob die Länder zu beteiligen sind oder nicht.

So einfach, wie die FDP oder auch die CDU, zum Teil jedenfalls, argumentieren, dass das Atomausstiegsgesetz nicht zustimmungspflichtig war und daraus automatisch folge, dass die Verlängerung von Laufzeiten ebenfalls nicht zustimmungspflichtig ist –, kann man es sich nicht machen.

Herr Weiner, zum ersten Teil Ihrer Ausführungen gebe ich Ihnen recht. Sie haben genau gelesen, was Herr Röttgen gesagt hat. Das war schon wieder der nächste Akt auf der politischen Bühne.

Zwei Tage nach dem Anpfiff aus dem Kanzleramt hat Herr Röttgen am 19. Mai – soviel ich mich erinnere – im Plenum seine Auffassung gegen das Kanzleramt noch einmal verteidigt.

Insofern gebe ich Ihnen in Ihrer ersten Aussage recht. Es stimmt, das Atomgesetz aus dem Jahr 1959 bedurfte der Zustimmungspflicht der Länder; denn der Bund hatte damals in die Vollzugshoheit der Länder eingegriffen, indem der Vollzug des Atomgesetzes in der Sonderform der Bundesauftragsverwaltung geregelt worden ist, das heißt, er hat in die Wahrnehmungskompetenzen insofern eingegriffen, als er im Zweifelsfall auch Weisungen erteilen kann, zum Beispiel was gegebenenfalls Laufzeiten von Atomkraftwerken beträfe.

Zweitens. Es ist auch richtig, dass man sich zum Atomausstiegsgesetz von 2002 weitestgehend einig war, dass es nicht zustimmungspflichtig war. Dies war dadurch begründet, dass der Bund durch das Verbot des Neubaus von Atomkraftwerken und die Laufzeitbegrenzung die bestehenden Eingriffe in die Verwaltungshoheit der Länder für diese Aufgabenbereiche beenden bzw. zeitlich begrenzen wollte.

Nun kommt aber der dritte Punkt, und den Schluss haben Sie nicht so nachvollzogen, wie er eigentlich von Herrn Röttgen gezogen worden ist.

(Zurufe von der CDU)

Jetzt stehen wir vor dem dritten Baustein und der heißt, die Bundesregierung plant eine deutliche zeitliche Laufzeitverlängerung. Es sind Zeiten von bis zu 28 Jahren im Gespräch. Näheres sollen wir bald erfahren.

(Weiner, CDU: Reine Spekulation!)

Das bedeutet gegenüber der jetzigen Gesetzeslage mit einer Restlaufzeit und Beendigung nach 32 Jahren nahezu eine Verdoppelung. Vor dem Hintergrund der Verfassungslage ist es zunächst einmal naheliegend, es drängt sich geradezu auf, dass die Länder zu beteiligen sind. Es ist aus Sicht der Länder geboten, rechtzeitig darauf hinzuweisen. Das haben wir als Land RheinlandPfalz an dieser Stelle auch getan.

Wir haben ein Gutachten in Auftrag gegeben, um diese Frage rechtlich sicher abprüfen zu lassen. Der Ministerpräsident hat es bereits gesagt. Wir behalten uns auf der Grundlage eines solchen Gutachtens vor, gegebenen

falls bei Nichtbeteiligung der Länder – sollte man das, was das Kanzleramt jetzt angekündigt hat, umsetzen wollen – das Verfassungsgericht anzurufen. Aber das wird in Zukunft zu entscheiden sein.

Dann wieder zurück zum Schauspiel, das sich da bietet. Wir haben mittlerweile die groteske Situation – das ist richtig angesprochen worden –, dass ausgerechnet die drei Länder, die damals 2002 im Bundesrat geschlossen den Antrag auf Zustimmungspflicht gestellt, aber keine Mehrheit gefunden haben – im Übrigen auch, weil wir in Rheinland-Pfalz dem widersprochen haben –, jetzt sagen, man bräuchte keine Zustimmung der Länder.

(Weiner, CDU: Wie Du mir, so ich Dir!)

Das ist absolut grotesk. Es ist naheliegend – zumindest interpretiere ich das so –, dass eher eine Politik im Interesse der drei betroffenen Konzerne gemacht wird als im Interesse der Bevölkerung, die bei diesem Thema ein ganz anderes Interesse hat, nämlich unter anderem die Berücksichtigung der Sicherheitsaspekte.

Isar 1 ist als eines der nächsten Atomkraftwerke in Bayern abzuschalten. Biblis A und B stehen in Hessen, und Neckarwestheim ist in Baden-Württemberg. „Honi soit qui mal y pense“ kann man da nur sagen.

(Zuruf des Abg. Ernst, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, so weit zu dieser Rechtsfrage. Es ist absolut grotesk, dass vonseiten der Länder zurückgewiesen wird, dass sie überhaupt beteiligt werden. Das habe ich in dieser Form und in dieser Durchschaubarkeit und Durchsichtigkeit bisher noch nie erlebt.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Was ist der nächste Akt, den wir erleben durften? – Jetzt hören wir Anfang dieser Woche, dass es in Berlin eine ganz andere Entscheidung gibt. Diejenige nämlich, die sich bisher offensichtlich zurückgehalten hat zumindest hinter den Kulissen, so hört man, hatte ihren Auftritt. Man müsste diese Debatte doch schnell beenden – nachzulesen ist dies in mehreren Zeitungen, ob im „Handelsblatt“, „Süddeutsche Zeitung“, „F.A.Z.“ –, und man wolle jetzt – das ist das Bemerkenswerte – nicht mehr warten, bis ein Energiekonzept der Bundesregierung vorgelegt wird, sondern diese eine Frage der Laufzeitverlängerung vorziehen und noch vor den Sommerferien in den Grundzügen entscheiden.