Protocol of the Session on May 27, 2010

Ich darf dabei auch noch darauf hinweisen, wir sind jetzt nicht das einzige Bundesland, das einen solchen Antrag verabschiedet. Wir haben beispielsweise auch im Saarland einen Vorreiter. Dort wurde gemeinsam von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP ein solcher Antrag verabschiedet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, uns geht es im Wesentlichen darum, wir möchten politisch motivierten Extremismus untersagt wissen.

(Beifall der CDU)

Von daher möchten wir in der Tradition daran anknüpfen, was eben vor zwei Jahren durch einen breiten Konsens zunächst herbeigeführt wurde, bei dem sich leider damals nicht alle beteiligt haben, aber doch sehr viele, und bitten darum, dass Sie diesen Antrag mit uns unterstützen.

Herzlichen Dank.

(Beifall der CDU)

Vielen Dank.

Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Hüttner das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Extremismus steht gegen den Staat. Damit ist der Extremismus in jeglicher Form zu verurteilen.

Es gibt keinen Unterschied – Herr Baldauf hat darauf hingewiesen –, ob das Rechts- oder Linksextremismus ist, es gibt auch keinen Unterschied, ob das der weltliche oder der religiöse Extremismus ist, es gibt auch keinen Unterschied, wenn wir die religiösen Ausrichtungen betrachten, ob das der Islam ist, der Bereich der Taliban, der PKK oder ob das die Extremisten in Sri Lanka sind. Man muss letztendlich klar Farbe dazu bekennen.

Was man aber auch sehen muss, ist die Nähe der ganzen Situation zum internationalen Terrorismus. Gerade aus dem Islambereich muss man das Zitat des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Herrn Fromm, vom vorgestrigen Tag sehen, bei dem er sagt, dass dem Islamismus die allerhöchste Priorität gewidmet werden muss.

Was man hier auch insgesamt sehen muss, ist die Tatsache, dass wir immer nur wenige Personen und nur wenige Taten haben. Herr Baldauf hat die Zahlen addiert. Wir kommen auf 2.300 Personen. Wenn wir in den Verfassungsschutzbericht zu der Anzahl der Straftaten hineinschauen, dann kann man sehen, dass es insgesamt nur sehr wenige sind, die im Gewaltbereich liegen.

Es ist richtig, dass diese Taten im letzten Jahr gestiegen sind. Herr Bundesinnenminister de Maizière hat die Zahlen vorgestellt.

Es ist auch richtig, dass insbesondere im Bereich des Linksextremismus Zahlen der Gewalt deutlich gestiegen sind. Wir müssen aber auch sehen, dass die Zahlen der Gewalt in Rheinland-Pfalz auch im rechten Bereich erneut gestiegen sind.

Deswegen muss man auch die Tatsache betrachten, dass von allen 34.000 politisch motivierten Straftaten 20.000 nach wie vor noch aus dem rechten Lager stammen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, daher müssen wir einen besonderen Appell nach Berlin richten. Wenn Frau Bundesfamilienministerin Schröder das ohnehin schon sehr knapp bemessene Geld in Höhe von 19 Millionen Euro auch noch auf die drei Bereiche des Extremismus aufteilen will, droht doch die Gefahr, dass dadurch vorhandene Strukturen, die gute Arbeit gegen Rechtsextremismus leisten, zerschlagen werden. Damit wird verantwortungslos gehandelt gegen vorhandene Strukturen, und das kann nicht angehen, wenn wir das Gesamtziel vor Augen haben.

(Beifall der SPD)

Herr Bundesinnenminister de Maizière hat ebenfalls verkündet, im Bereich Linksextremismus ein Konzept zu erarbeiten; allerdings kommt er derzeit aufgrund der Islam-Konferenz und aufgrund von personellen Debatten nicht weiter. Frau Bundesfamilienministerin Schröder würde es meines Erachtens gut anstehen, mit ihm gemeinsam neue Konzepte zu erarbeiten und zusätzliches Geld für das Problemfeld insgesamt bereitzustellen, aber nicht die vorhandenen Strukturen zu zerschlagen.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Sie sprechen in Ihrem Antrag davon, dieses Thema auch in den Lehrplänen zu verankern. Sie sprechen von einem gesamtgesellschaftlichen Bereich, den man sehen muss. Sie sollten wissen, dass in Rheinland-Pfalz in allen Bereichen die Demokratieerziehung im Mittelpunkt steht. Möglicherweise verkennen Sie auch, was wir alles tun.

Wenn wir über Lehrpläne sprechen, existiert in der Grundschule das Programm „Ich und Du und Wir“, mit dem die Persönlichkeitsbildung der jungen Menschen aufgebaut wird. In den Klassen 5 und 6 haben wir das Programm „Prävention im Team“ – PiT – aufgelegt, mit dem wir Konfliktbewältigung und Gewaltprävention betreiben. Es geht weiter mit dem Programm zur Primärprävention – ProPP –, mit dem die langfristigen Ziele umgesetzt werden.

Wenn wir über die gute Arbeit sprechen, die in den Schulen bereits geleistet wird, müssen wir sehen, es sind in den Lehrplänen – ob im Bereich Religion oder im Bereich Sozialkunde – sehr wohl einige Programme integriert. Dort steht allgemein geschrieben, dass wir die politische Ordnung zu betrachten haben. Dann gehört dieses Thema idealerweise dazu.

Es steht nicht ausdrücklich geschrieben, aber wenn wir jedes Detail ausdrücklich regeln wollten, würden die Lehrer irgendwann die Frage an uns richten: Was wollt ihr noch alles auf die Schulen abwälzen? Sollen Probleme, die an anderen Stellen nicht mehr bewältigt werden, auch noch im Lehrplan der Schulen gelöst werden? – Ich denke, dies ist an dieser Stelle nicht der richtige Weg.

Sie sprechen davon, dass dies ein gesamtgesellschaftliches Problem ist. Es existiert das jugendschutz.net, das eine hervorragende Arbeit leistet, wenn es um die Probleme im Internet geht. Das Internet ist bei Rechts und bei Links eines der entscheidenden Foren.

Wir haben das Netzwerk für Demokratie und Courage. Die beteiligten Organisationen gehen in die Schulen und leisten eine offene Jugendarbeit mit vielen Workshops und Lehrgängen. Es existiert die offene Jugendarbeit in den Jugendgruppen und Jugendclubs. An dieser Stelle wird ein riesiges Arbeitspensum geleistet.

Des Weiteren nenne ich das Programm EASI mit dem Schwerpunkt Suchtprävention. Ich nenne die Elterninitiative gegen Rechts oder Mut gegen Rechts. Wenn Sie auf diese Plattformen schauen, werden Sie sehen, dass auch Hinweise auf den Linksextremismus vorhanden sind. Bei einem Anruf wird niemand abgewiesen werden, nur, weil er ein anderes Problemfeld anspricht.

Schauen Sie sich die großen Arbeitsprogramme wie „Jugend in Arbeit“, Jobfux und Jugend-Scout an, in denen es darum geht, junge Menschen, die möglicherweise zu einem Problem werden könnten, bereits frühzeitig in die Demokratie zurückzuführen und dafür zu sorgen, dass es ein Mensch wird, der in die Gesellschaft integriert wird.

Ich nenne abschließend die Landeszentrale für politische Bildung, der doch wohl niemand einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz absprechen kann. In all diesen Bereichen wird eine hervorragende Arbeit geleistet, die mit einem ihrer Schwerpunkte auf den Extremismus ausgerichtet ist.

Herr Staatssekretär Lewentz sprach heute Morgen die Kriminalpräventiven Räte an, die sich um Problempunkte an den jeweiligen Orten kümmern, ob es Gewaltexzesse, Medienproblematiken oder Auswüchse von Extremismus sind. Alle arbeiten letztendlich an dem gleichen Problem und leisten damit einen wichtigen Beitrag.

Wir können also feststellen, es gibt bereits sehr viele Maßnahmen. Alle Menschen werden sensibilisiert oder haben die Chance dazu. Alle Maßnahmen sind auch geeignet, sonst würden sie nicht wahrgenommen werden. Diejenigen, die die Programme anbieten, werden aufgrund ihrer Nähe zu den Menschen bestätigen kön

nen, wie gut diese Maßnahmen angenommen werden. Wir können gemeinsam feststellen, dass eine gute Arbeit geleistet wird. Dies bedeutet: Weiter so. – Man darf nicht nachlassen, das ist klar. Aber wir müssen auch feststellen, es wird schon sehr viel getan.

Ich habe vorhin schon Herrn Präsidenten Fromm genannt, der in seinem Artikel auch davon gesprochen hat, dass der Linksextremismus eine Renaissance erlebt. Ich habe darauf hingewiesen, wie sich die Zahlen im Allgemeinen darstellen. Ich habe schon darüber gesprochen. Wenn wir uns alle dazu durchringen könnten, das Verbot der NPD verstärkt anzugehen, hätten wir auch auf dem anderen Gefechtsfeld weniger zu tun; denn der größte Teil des Linksextremismus richtet sich gegen den Rechtsextremismus. Dann wären wir an dieser Stelle schon ein Stück weiter.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Antrag der CDU ist einerseits sinnvoll, weil er natürlich für den Staat und für die freiheitlich-demokratische Grundordnung steht. Er ist aber auf der anderen Seite auch unsinnig, weil in Rheinland-Pfalz schon eine gute Arbeit geleistet wird. Wir sollten aber dennoch im Ausschuss auch weiterhin darüber debattieren, wo der gemeinsame Nenner für uns alle liegt, damit wir uns nicht in Details verlieren. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, ich hätte die Bitte an Sie: Gehen Sie auf Frau Bundesfamilienministerin Schröder zu. Sprechen Sie mit ihr, damit sie nicht gute Strukturen und damit eine gute Arbeit vernichtet, die wir gegen den Extremismus brauchen, und damit wir in diesem Staat sicherer leben können.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD)

Vielen Dank. – Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Kollege Eymael das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir sind uns im Landtag darüber einig, dass wir gemeinsam gegen jede Form von Extremismus auftreten müssen. Theodor Heuss hat einmal gesagt:

„Der Hass ist ein schlechter Berater, er lebt nur vom Gestern.“

Der Hass ist in der Tat ein schlechter Berater, und so mancher Hass lebt auch in der Gegenwart fort und ist nach wie vor auf den Kern unserer freiheitlichdemokratischen und – ich füge hinzu – auch liberalen Gesellschaft gerichtet, und zwar nicht unbedingt deswegen, weil sie schlecht wäre, sondern weil sie anders ist, als es den ewig Gestrigen gefällt. Solchem Hass zugleich effektiv, aber dennoch nicht überzogen zu begegnen, ist nicht immer leicht.

Wir begrüßen den vorliegenden Antrag. Er spricht eine Reihe von Dingen aus, die in unserer Gesellschaft ei

gentlich selbstverständlich sein sollten. Es besteht kein Zweifel, dass der Staat es sich nicht leisten darf, auf einem Auge blind zu sein. Im Gegenteil, extremistische Auswüchse müssen bekämpft werden, wo immer sie auch auftauchen, ob von rechts oder von links oder unter dem Deckmantel einer missverstandenen Religion, meine Damen und Herren.

Die Unterscheidung zwischen politischem und religiösem Extremismus im vorliegenden Antrag erscheint mir jedoch als künstlich, betrachtet man sie vor dem Hintergrund der Motivation von Extremisten, soweit diese uns bekannt und rational zugänglich ist; denn auch der religiöse Extremismus, wie er in diesem Antrag gemeint ist, ist in seinem Handeln und seinen Zielen stets nach außen gerichtet, also auch politisch. Genau wie die links- oder rechtsgerichtete Gewalt ist auch diese Form von Extremismus letztlich gerichtet auf die Bekämpfung, die Destabilisierung und Überwindung von staatlichen Strukturen und beabsichtigt den anschließenden Vorstoß in das dann entstehende Machtvakuum.

Aber, meine Damen und Herren, Extremismus ist weder hier noch in Deutschland oder Europa ein Phänomen, welches uns erst seit gestern beschäftigt, sondern es begleitet die Menschheit bereits seit Jahrhunderten. Leider Gottes wird es auch auf absehbare Zeit so sein.

Wir wissen sehr wohl, dass Extremisten, die sich per Definition ganz oder teilweise ideologisch aus der vermeintlich freiheitlich-demokratischen Grundordnung verabschieden oder sie niemals akzeptiert haben, die Spielregeln unserer Gesellschaft ganz bewusst verletzen oder gar für ihre Zwecke missbrauchen, wenn sie ihnen nützlich sind.

Deshalb gibt es auch immer wieder viele, die umgehend und rigoros nach Verboten und Strafen rufen, damit Extremismus in unserer Gesellschaft auch sichtbar keinen Platz mehr haben soll.

Meine Damen und Herren, wir sind aber nicht für schnelle und einfache Lösungen. Die beste Strategie gegen jede Form des Extremismus ist stets, ihm seine Grundlage zu entziehen. Wohlstand und Zufriedenheit beispielsweise gebären selten extremistische Tendenzen in der Bevölkerung. Auch einem politischen Islamismus kommen wir nicht mit wohlmeinenden Integrationsangeboten bei, sondern erst dann, wenn Integration auch tatsächlich stattfindet. Der Staat ist hier aber nur zum Teil gefordert. Es ist vielmehr eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Ich möchte es noch einmal unterstreichen, was auch in dem CDU-Antrag steht. Da trifft er genau ins Schwarze.

Klar ist: Eine offene Gesellschaft braucht Geduld. – Gleichzeitig ist für uns klar, dass eine offene Gesellschaft nicht alles erdulden muss. Im Gegenteil: Der Rechtsstaat ist wehrhaft und muss es auch sein. –

Unsere Gesellschaft lebt von der Vielfalt der Meinungen, auch wenn uns nicht immer die Meinung der anderen gefällt. Allzu häufig erlebt man jedoch eine um sich greifende Intoleranz gegenüber anders lautenden Meinungen, welche dann merkwürdigerweise mit zugleich im

mer lauteren Rufen nach Toleranz gegenüber der eigenen Meinung einhergeht.

Inzwischen wird „Extremist“ zum Teil auch bereits im politischen Diskurs als Schimpfwort gebraucht, um den politischen Gegner zu diffamieren und zu schädigen. Vor solchen Entgleisungen möchte ich jedoch nachhaltig warnen.

Wenn wir immer den Weg des geringsten Widerstandes gehen, wenn wir immer sofort danach rufen, Missliebiges zu verbieten, zu unterdrücken und umgehend aus der Welt zu schaffen – vielleicht, weil man nicht willens ist, die eigentlichen Ursachen anzugehen –, dann verlassen wir irgendwann selbst die Grundlage dessen, was wir eigentlich verteidigen wollten.

Der staatliche Kampf gegen Extremismus darf stets nur mit den demokratisch legitimierten Mitteln des Rechtsstaats auch möglich bleiben.