Protocol of the Session on January 27, 2010

Wir stehen wieder vor dem Steinblock auf dem Jüdischen Friedhof.

1945 Unseren Opfern zum Gedenken Den Mördern zur Schande Den Lebenden zur Mahnung

Damit sich nicht wiederholt …

Danke.

(Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen und spenden lang anhaltend Beifall)

Ansprache des Ministerpräsidenten Kurt Beck

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen aus Parlament und Regierung, verehrte Damen und Herren des Konsularischen Korps, sehr geehrter Herr Präsident des Verfassungsgerichtshofs, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ganz besonders möchte ich Sie grüßen, verehrter Monsignore Mayer, und Ihnen sehr herzlich für das danken, was Sie uns gesagt haben und wie Sie es uns gesagt haben. Ihre Worte haben uns aufgerüttelt und unser Herz und Gefühl getroffen. Ich bin überzeugt, dass gerade die jungen Menschen unter uns, die ich besonders herzlich grüße, aber auch wir alle durch diese Erfahrung, durch diese Überzeugung, aber auch durch die hoffnungsvolle Wegweisung, die Sie uns gegeben haben, im Inneren gestärkt und im Bewusstsein gefestigt aus dieser Festveranstaltung herausgehen werden.

Wir wissen uns Ihnen sehr zu Dank verpflichtet für das, was Sie trotz Ihres Lebensweges für uns alle, für die Gedanken des Verzeihens und der Versöhnung, aber auch des unverrückbaren Gedenkens und Denkens geleistet haben und täglich leisten.

Ich habe vorgestern Abend Ihr Buch gelesen und Ihren Lebensweg nachvollziehen können. Wenn man die Aneinanderreihung von mutigen Entscheidungen Ihrer

Mutter – Sie haben es soeben erwähnt –, anderer Persönlichkeiten, aber vor allen Dingen auch von glücklichen Zufällen und Abläufen verfolgt, die Sie darin schildern, dann ist man geneigt, von einer Fügung zu sprechen, die Ihnen die Möglichkeit geschaffen hat, in Ihrem Weg als Priester, als Brückenbauer zwischen der jüdischen und der christlichen kulturellen Welt, Besonderes zu leisten.

Es ist uns deshalb eine besondere Freude und Ehre, dass bei dieser Gelegenheit nicht nur Repräsentanten der christlichen Kirchen, sondern auch der jüdischen Gemeinden unseres Landes sowie auch der Sinti und Roma unter uns sind. Ich möchte Sie herzlich grüßen, und ich glaube, dass man den Wunsch, Sie – im wahren Sinne des Wortes – in unserer Mitte zu haben, nicht besser ausdrücken kann, als es Monsignore Mayer in seinen Worten getan hat.

Wir sind dankbar dafür, dass wir durch Ihr unermüdliches Wirken für die Werke von Marc Chagall in der Stephanskirche eine Gedenkstätte ganz besonderer Art in den Mauern unserer Landeshauptstadt, in unserem Land, in Deutschland etabliert haben. Wir sind dankbar dafür, dass wir immer wieder auf gemeinsame Glaubens- und Kulturwurzeln verwiesen werden, und dies auf eine so wunderbare Weise, wie man es an wenigen anderen Stellen in der Welt erleben und erfahren darf.

Ich erinnere mich daran, als wir die ergänzenden Fenster, die Charles Marq, der Glasmeister von Marc Chagall, gefertigt hat, hinzufügen durften. Ich erinnere mich daran, welch wunderbarer Eindruck es ist, wenn das Licht durch diese Fenster fällt und man geradezu in diese besondere Ausstrahlung dieses Denk- und Gedenkwerkes einbezogen ist. Monsignore Mayer, es gelingt Ihnen immer wieder, durch Ihre Schilderung, durch Ihre Darstellung, durch Ihre Erläuterung der biblischen Bedeutung dieser Glasgemälde einem vieles nahezubringen, was mit der Basis, den Wurzeln und der Entwicklung unserer Kulturgeschichte und unserer heutigen Verantwortung zu tun hat. Das ist etwas ganz Besonderes.

Herr Landtagspräsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen aus dem Parlament, erlauben Sie mir aber auch, deutlich zu machen, dass ich äußerst dankbar bin, dass wir die Tradition dieser besonderen Plenarsitzung aufrechterhalten. Es wird immer wieder eine Diskussion um Gedenktage geführt, und es ist sicherlich auch richtig, dass man solche Gedenktage hinterfragt, um sich ihres Sinnes gegenwärtig zu sein. Aber ich bin genauso überzeugt, dass wir solche Momente und Stunden des Innehaltens brauchen, um nicht – ohne, dass Böswilligkeit oder bewusste Verdrängung dahintersteht – vom Strom des Alltags mitgerissen, letztendlich doch nur am Rande wahrzunehmen. Bewusst wahrnehmen, das Gedenken zum Denken zu machen und daraus die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, ich glaube, dazu ist heute wieder Anstoß gegeben worden.

Wir wollen uns darum bemühen, die Gedenkarbeit fortzusetzen. Ich danke allen, die ihren Beitrag dazu leisten:

Ich danke der Landeszentrale für politische Bildung, ich danke Ihnen, Herr Dr. Schiffmann, sowie Ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern, ich bedanke mich bei denjenigen, die sich in unserem Land auf freiwillige und ehrenamtliche Weise für die Gedenkarbeit besonders engagieren. Herr Kollege Burgard, ich darf Ihnen ein sehr herzliches Dankeschön dafür aussprechen. Ich bedanke mich in besonderer Weise bei unseren luxemburgischen, französischen und belgischen Nachbarn, dass sie uns eine Chance zur Versöhnung geben. Verehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren aus unserer Nachbarschaft, danke dafür!

Wir wollen den Blick über die Grenzen in diesem Jahr besonders lebendig halten durch eine Ausstellung von Tomi Ungerer, einem elsässischen Künstler, der in Osthofen ausstellen wird. An diesen Blick über die Grenzen wollen wir auch mit unserem Kultursommer anknüpfen, der den Titel trägt: „Grenzen überwinden“, der Fröhliches, Zukunftsträchtiges, Gegenwärtiges, aber auch Ernstes miteinander betonen und verbinden soll. Ich hoffe, dass wir auf diese Art und Weise vielen Menschen, gerade auch jungen Menschen, eine Begegnung mit diesen Gedanken des Erinnerns, der Verpflichtung und der Verantwortung ermöglichen.

Aber natürlich wissen wir, dass dieses Begegnen mit Symbolen nur dann seine wirkliche und richtige Wirkung entfaltet, wenn wir im Alltag dieses „Nie wieder“, dieses „Nicht vergessen, damit wir nicht in die Irre geleitet werden“ auch lebendig halten. Dies erfordert Zivilcourage. Es bedeutet, dass wir das, was wir an Werten erkennen, auch dann gelten lassen, wenn es bequemer ist, dem Vorurteil, der gerade gängigen Stimmung zu folgen, indem wir Gruppen, die bei uns leben, ausgrenzen und dafür den schnellen Beifall heischen.

Wir müssen hinterfragen, wir müssen uns selbst hinterfragen, und wir müssen das Gedenken immer wieder zum Anlass nehmen, aufs Neue unseren Standort zu bestimmen und an eine friedliche, eine freiheitlich gestaltete und eine von der Unverrückbarkeit der Würde der Menschen geprägte Zukunft denken. Daran müssen wir immer wieder aufs Neue arbeiten. Sie, Monsignore Mayer, haben uns auf diesem Weg sehr geholfen.

Ich danke Ihnen! Ich danke allen Mitwirkenden an dieser Veranstaltung sehr herzlich und wünsche uns, gut in diesen Tag und darüber hinaus zu gehen.

(Beifall im Hause)

Musik Hör mein Bitten Hymne nach Psalm 55 2-6 Teil II „O könnt ich fliegen wie Tauben dahin“’ Felix Mendelssohn Bartholdy

(Beifall im Hause)

E n d e d e r S i t z u n g: 12:30 Uhr.