Protocol of the Session on December 10, 2009

................................................................................................................................ 4816, 4825 Abg. Bracht, CDU:....................................................................................................................................... 4763 Abg. Burgard, SPD:..................................................................................................................................... 4803 Abg. Dr. Enders, CDU:...................................................................................................................... 4780, 4783 Abg. Dr. Krell, SPD:................................................................................................................. 4785, 4791, 4819 Abg. Dr. Schmitz, FDP:.................................................................................................. 4765, 4768, 4778, 4782 Abg. Dr. Wilke, CDU:...........................................................................................4753, 4754, 4755, 4762, 4763 Abg. Dröscher, SPD:......................................................................................................................... 4779, 4783 Abg. Ernst, CDU:......................................................................................................................................... 4823 Abg. Eymael, FDP:............................................................................................................................ 4773, 4831 Abg. Frau Elsner, SPD:............................................................................................................................... 4772 Abg. Frau Grosse, SPD:.......................................................................................................... 4750, 4763, 4768 Abg. Frau Huth-Haage, CDU:.................................................................................................. 4784, 4790, 4820 Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU:........................................................................................................... 4758, 4815 Abg. Frau Leppla, SPD:............................................................................................................................... 4824 Abg. Frau Meurer, CDU:.............................................................................................................................. 4827 Abg. Frau Morsblech, FDP:............................................................................................................... 4755, 4821 Abg. Frau Sahler-Fesel, SPD:..................................................................................................................... 4827 Abg. Frau Schäfer, CDU:.................................................................4752, 4753, 4754, 4771, 4776, 4778, 4830 Abg. Frau Schellhaaß, FDP:.............................................................................................................. 4807, 4810 Abg. Frau Schleicher-Rothmund, SPD:....................................................................................................... 4763 Abg. Frau Thelen, CDU:.................................................................................................................... 4764, 4770 Abg. Frau Wagner, FDP:................................................................................................................... 4805, 4828 Abg. Hartloff, SPD:............................................................................................................................ 4754, 4792 Abg. Hoch, SPD:...................................................................................................................... 4759, 4761, 4762 Abg. Hüttner, SPD:...................................................................................................................................... 4814 Abg. Lammert, CDU:..................................................................................................... 4753, 4756, 4758, 4759 Abg. Langner, SPD:........................................................................................................................... 4776, 4808 Abg. Licht, CDU:.......................................................................................................................................... 4761 Abg. Mertin, FDP:.......................................................................................................... 4786, 4791, 4794, 4799 Abg. Pörksen, SPD:........................................................................................................................... 4761, 4762 Abg. Puchtler, SPD:..................................................................................................................................... 4801 Abg. Schneiders, CDU:................................................................................................................................ 4804 Abg. Schreiner, CDU:.............................................................................................................. 4761, 4793, 4800 Abg. Wehner, SPD:..................................................................................................................................... 4829 Abg. Weiner, CDU:...................................................................................................................................... 4809 Beck, Ministerpräsident:.............................................................................................................................. 4795 Bruch, Minister des Innern und für Sport:...................................................................... 4756, 4758, 4759, 4817 Dr. Bamberger, Minister der Justiz:..................................................................... 4759, 4761, 4762, 4763, 4806 Dr. Messal, Staatssekretär:......................................................................................................................... 4828 Frau Ahnen, Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur:........................ 4755, 4787, 4791, 4822 Frau Conrad, Ministerin für Umwelt, Forsten und Verbraucherschutz:......................... 4752, 4753, 4754, 4755................................................................................................................................................. 4774, 4777, 4811

............ 4750, 4766, 4767, 4769................................................................................................................................................. 4771, 4781, 4783 Hering, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau:...................................................... 4832 Präsident Mertes:...................................................................4750, 4752, 4753, 4754, 4755, 4756, 4758, 4759....................................................................................................................................... 4761, 4762, 4763, 4764 Stadelmaier, Staatssekretär:....................................................................................................................... 4826 Vizepräsident Bauckhage:.....................................................4765, 4766, 4767, 4768, 4769, 4770, 4771, 4772...............................................................................................4773, 4774, 4776, 4777, 4778, 4810, 4811, 4813...............................................................................................4815, 4816, 4817, 4818, 4820, 4821, 4822, 4823................................................................................................................................................. 4824, 4825, 4826 Vizepräsident Schnabel:........................................................4795, 4799, 4800, 4801, 4803, 4804, 4805, 4806................................................................................................................................................. 4807, 4808, 4809 Vizepräsidentin Frau Klamm:................................................4778, 4779, 4780, 4781, 4782, 4783, 4784, 4785...............................................................................................4786, 4787, 4790, 4791, 4792, 4793, 4794, 4826.........................................................................................................4827, 4828, 4829, 4830, 4831, 4832, 4833

79. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz am 10. Dezember 2009

Die Sitzung wird um 9:30 Uhr vom Präsidenten des Landtags eröffnet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Sie zur 79. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz herzlich begrüßen. Herr Wansch und Herr Adams werden mit mir die Sitzungsleitung haben.

Entschuldigt sind für heute die Abgeordneten Michael Billen, Peter Dincher, Friederike Ebli, Michael Hörter, Josef Keller, Werner Kuhn und Dr. Lars Kützing. Herr Ministerpräsident Kurt Beck wird ab 16:00 Uhr wegen einer Sitzung des ZDF-Verwaltungsrates und Herr Staatsminister Dr. Carsten Kühl wegen einer Sitzung des Finanzplanungsrates entschuldigt sein. Herr Staatssekretär Michael Ebling wird die Ministerin bei der Kultusministerkonferenz vertreten, und Herr Staatssekretär Professor Dr. Englert wird heute Nachmittag entschuldigt sein.

Wie ich schon voraussagte, feiern wir jeden Tag einen Geburtstag. Heute hat der Kollege Dieter Burgard Geburtstag. Er wird 55 Jahre alt.

(Beifall im Hause)

Herzlichen Glückwunsch! 55 Jahre darf man noch sagen, auch bei Männern. Das Geschenk des Landtagspräsidenten muss selbst abgeholt und darf auch selbst getrunken werden. In diesem Sinne wünsche ich einen schönen Geburtstag.

Meine Damen und Herren, die Tagesordnung haben wir gestern beschlossen.

Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:

Fragestunde – Drucksache 15/4079 –

Bitte lesen Sie den Vorspann nicht vor.

Ich rufe die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Marianne Grosse und Peter Wilhelm Dröscher (SPD), Zukunft der Betreuung und Vermittlung von Langzeitarbeitslosen in Rheinland-Pfalz – Nummer 1 der Drucksache 15/4079 – betreffend, auf. Das Wort hat Frau Abgeordnete Grosse.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie bewertet die Landesregierung das Vorhaben der Bundesregierung, die Betreuung und Vermittlung von Langzeitarbeitslosen zukünftig in getrennter Aufgabenwahrnehmung zu organisieren?

2. Welche Konsequenzen wird dieses Vorhaben nach Einschätzung der Landesregierung für die Betreuung und Vermittlung langzeitarbeitsloser Menschen in Rheinland-Pfalz haben?

3. Welche Konsequenzen wird dieses Vorhaben nach Einschätzung der Landesregierung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ARGEn in Rheinland-Pfalz haben?

4. Wie bewerten die übrigen Länder nach Kenntnis der Landesregierung das Vorhaben der getrennten Aufgabenwahrnehmung?

Für die Landesregierung antwortet Frau Staatsministerin Dreyer.

Guten Morgen Herr Präsident, meine sehr geehrten Herren und Damen Abgeordnete! Die Landesregierung antwortet wie folgt:

Zu Frage 1: Das Bundesverfassungsgericht hat mit einer Entscheidung vom 20. Dezember 2007 die gemeinsame Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch die Agenturen für Arbeit und Kommunen in den ARGEn für mit der Verfassung unvereinbar erklärt.

Nachdem die von allen Ländern mitgetragene und von den Ministerpräsidenten Kurt Beck und Dr. Jürgen Rüttgers gemeinsam mit dem damaligen Bundesarbeitsminister Olaf Scholz erarbeitete Lösung auf der Grundlage einer Verfassungsänderung, die die Betreuung aus einer Hand weiterhin gewährleistet hätte, an der Ablehnung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gescheitert ist, sieht der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP für die Betreuung und Vermittlung von Langzeitarbeitslosen nun die getrennte Aufgabenwahrnehmung vor.

Aus Sicht der Landesregierung ist die Betreuung und Vermittlung von Langzeitarbeitslosen in getrennter Aufgabenwahrnehmung ein Rückschritt gegenüber dem aktuellen Stand der Umsetzung durch die ARGEn. Die Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe im Jahr 2005 zur Grundsicherung für Arbeitsuchende und die Aufgabenwahrnehmung durch die ARGEn und die Optionskommunen hat sich aus unserer Sicht bewährt.

In Ahrweiler wird das SGB II in getrennter Aufgabenwahrnehmung umgesetzt. Die Umsetzung dort zeigt die Schwachstellen einer solchen Handhabung auf und auch, dass die Umsetzung durch die ARGEn oder die beiden Optionskommunen für die Betroffenen die einfachere und damit die bessere Lösung ist. Nur bei den ARGEn und den Optionskommunen erhalten die Hilfeempfänger Leistungen aus einer Hand und müssen nicht bei verschiedenen Stellen vorstellig werden.

Die zwischenzeitlich in einem Eckpunktepapier vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales vorgeschla

genen Schritte zur Umsetzung des Koalitionsvertrages bewertet die Landesregierung mehr als kritisch. Die in den Eckpunkten vorgesehenen Regelungen sind organisatorisch schwierig umsetzbar und verfassungsrechtlich bedenklich.

Die örtlichen Agenturen für Arbeit sind danach künftig allein für die Leistungen der aktiven und passiven Arbeitsmarktpolitik zuständig, also vor allem für die Arbeitsvermittlung und die Auszahlung der Bundesleistungen.

Die kommunale Seite soll künftig nur für die Kosten der Unterkunft und die sozialintegrativen Leistungen zuständig sein. Kommunale Arbeitsmarktpolitik oder gemeinsame Hilfeplanungen finden somit nicht mehr statt.

Daneben sollen die bestehenden Optionskommunen einfachgesetzlich entfristet werden. Auch diese einfachgesetzliche Regelung der Optionskommunen hält die Landesregierung verfassungsrechtlich für bedenklich. Soweit ich weiß, halten die Verfassungsressorts der Bundesregierung eine Absicherung im Grundgesetz ebenfalls für nötig.

Die Landesregierung möchte die bewährten Strukturen der ARGEn und Jobcenter erhalten und weiterentwickeln. Dabei soll die gemeinsame Aufgabenwahrnehmung durch die Arbeits- und Kommunalverwaltung verfassungsrechtlich abgesichert werden.

Während die Rolle der Bundesagentur für Arbeit im Eckpunktepapier des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sowohl inhaltlich als auch personell gestärkt werden soll, spielen die kommunalen Träger nur noch eine untergeordnete Rolle.

Gerade die Stärken der kommunalen Träger im Hinblick auf die örtliche Ebene oder die Berücksichtigung der sozialen Belange werden vernachlässigt. Kommunale Arbeitsmarktpolitik findet nicht mehr statt. Auch die Arbeitsmarktpolitik auf Länderebene, wie sie bisher durchgeführt wird, ist nicht mehr oder nur noch auf formaler Ebene vorgesehen.

Die Landesregierung bevorzugt das Modell „Zentrum für Arbeit und Grundsicherung“, das auf der Grundlage einer Einigung des ehemaligen Bundesarbeitsministers Olaf Scholz und der Ministerpräsidenten Kurt Beck und Jürgen Rüttgers beruht. Dieses Modell fanden alle Länder im letzten Jahr für die Neuorganisation des SGB II geeignet.

Diese Meinung teilen auch heute noch fast alle Länder. So hat die 86. Arbeits- und Sozialministerkonferenz vor einigen Wochen mit einem Votum 15 : 0 : 1 dafür gestimmt, dass der gemeinsam abgestimmte Gesetzentwurf vom Februar 2009 eine fachliche, praktikable und problemadäquate Lösung zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist.

Mit diesem Vorschlag hätten wir die Chance, die Mischverwaltung, die vom Bundesverfassungsgericht für mit dem Grundgesetz nicht vereinbar erklärt wurde, auf verfassungsrechtlich gesicherte Füße zu stellen und so

den Grundgedanken der arbeitsmarktpolitischen Reformen „Hilfen aus einer Hand“ zu erhalten.

Zu Frage 2: Nach den Plänen der Bundesregierung sollen die Leistungsträger Bundesagentur für Arbeit und Kommune künftig auf freiwilliger Basis möglichst eng verzahnt zusammenarbeiten. In einem Mustervertrag sollen zu den Organisationsabläufen, wie gemeinsame Antragsausgabe/-annahme, gemeinsame Antragsformulare, die Nutzung einer gemeinsamen Liegenschaft und die Versendung von Bescheiden und die Überweisung der Leistungen, Absprachen getroffen werden.

Wie eine solche Zusammenarbeit in der Praxis verwirklicht werden kann, ist derzeit völlig offen. Es gibt noch eine Vielzahl von ungeklärten Fragen. Schwierig wird vor allem die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene klare Trennung beider Bereiche, sowohl organisatorisch als auch fachlich.

In Fragen der Leistungsberechtigung nach dem SGB II, bei Fragen der Erwerbsfähigkeit und beim anzurechnenden und zu berücksichtigenden Einkommen soll die Bundesagentur für Arbeit die Entscheidungshoheit haben. Der kommunale Träger ist an diese Entscheidungen gebunden und muss seine Folgeentscheidungen auf dieser Basis treffen.

Nach den Vorstellungen des Bundesministeriums können die Agenturen für Arbeit und die kommunalen Träger eine Betreuung von besonderen Personengruppen durch die kommunalen Träger im Auftragsverhältnis vereinbaren.

Aus Sicht der Landesregierung wird der Bundesagentur für Arbeit hier die Möglichkeit eröffnet, sich von besonderen Personengruppen „freizukaufen“. Eine Betreuung und Vermittlung dieser Personengruppen wird dadurch deutlich erschwert.

Neben der Verschlechterung der Betreuung von Langzeitarbeitslosen gibt es auch verfassungsrechtliche Bedenken. Werden die Kommunen mit der Betreuung von besonderen Personengruppen beauftragt, soll die Bundesagentur für Arbeit ein Weisungsrecht gegenüber den Kommunen erhalten. Ich frage mich, wie die Kommunen ein solches Angebot beurteilen.

Auch hier bestehen im Hinblick auf Artikel 84 Abs. 1 Satz 7 Grundgesetz erhebliche Bedenken, ob eine solche Übertragung mit der Verfassung vereinbar wäre.

Als Fazit kann man festhalten, dass für die betroffenen Bürger und Bürgerinnen die getrennte Aufgabenwahrnehmung eine eindeutige Verschlechterung gegenüber dem derzeitigen Stand bedeutet, da die Leistung aus einer Hand entfällt.

Konkret bedeutet das mehr an Verwaltungsaufwand, mehr Bürokratie, mehr Zeitaufwand, längere Wege, mehr Ansprechpartner und teilweise unabgestimmtes Handeln.

Gemeinsames Handeln, zielgenaue Betreuung und Förderung der Betroffenen findet nicht mehr oder nur noch unter sehr erschwerten Bedingungen statt.

Zu Frage 3: Die Arbeitsgemeinschaften beklagen schon seit Verkündung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts im Dezember 2007 zunehmende Personalfluktuation und Personalabgänge. Das gilt vor allem für festangestellte kommunale Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

Nach dem Eckpunktepapier des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sollen die kommunalen Beschäftigten, die bisher Aufgaben der Bundesagentur wahrgenommen haben – das sind rund 15.000 –, zumindest für eine Übergangszeit auf vertraglicher Grundlage bei der Bundesagentur für Arbeit verbleiben. Ob die kommunalen Beschäftigten dazu bereit sind, ist aus meiner Sicht offen.

Die aktuelle Lage wird zu einer weiter zunehmenden Verunsicherung bei den Beschäftigten der ARGEn führen, da sie ihre berufliche Zukunft nicht oder nur sehr eingeschränkt beurteilen können. In dieser Situation hilft nur eine schnelle Entscheidung zugunsten eines Modells, das von allen Beteiligten und vor allem den Praktikern in den ARGEn als das richtige angesehen wird.

Zu Frage 4: Die Haltung der Fachminister und Fachministerinnen wird aus der Beschlusslage der Arbeits- und Sozialministerkonferenz vom 25. und 26. November 2009 deutlich.