Der Chef ist jetzt in Deutschland und versucht es mit einer Charmeoffensive. Ich war nicht dabei. Ich weiß nicht, ob der Charme sehr ausgeprägt war. Es wird ihn viel Überzeugungsarbeit kosten, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei Opel wieder Vertrauen zurückzugewinnen. Ich verstehe die Betriebsräte und Mitarbeiter, die in den letzten 20 Jahren an dem USAManagement verzweifelt sind, wenn sie die jetzige Vorgehensweise äußerst zurückhaltend bewerten.
Auch wir von der Politik aus sollten dies so tun. Es hat ein Angebot von der Bundesrepublik Deutschland und den vier beteiligten Bundesländern gegeben. Darüber kann man, wie immer, im Einzelfall streiten. Es hat ein Angebot gegeben. Das hat man zur Unterschriftsreife gebracht. Die andere Seite ist davon abgerückt. Wir können mit Fug und Recht erwarten, dass uns jetzt die andere Seite sagt, wie es weitergehen soll, und zwar im Interesse der Menschen, die bei Opel arbeiten. Es darf aber nicht so laufen, dass die Überkapazitäten des Automobilmarktes in der Weise gesundgeschrumpft werden, dass mit Staatsgeld in den USA GM erhalten wird und vielleicht die entsprechenden Dinge bei uns gemacht werden müssen. Wenn dort Staatsgeld fließt, müssen wir unsere Möglichkeiten einsetzen; denn Wettbewerb funktioniert nur, wenn sich der Staat auf beiden Seiten heraushält.
Das, was in den USA geschehen ist, ist weit davon entfernt, davon sprechen zu können, dass sich der Staat heraushält. Das muss alles sorgfältig geprüft werden. GM hat jetzt die Verpflichtung, uns zu sagen, wie es weitergehen soll.
Herr Kollege Mertin, ich stelle fest, dass wir in großer Übereinstimmung sind. Vieles von dem, was Sie gesagt haben, könnte ich genauso ausführen, wie wir den weiteren Umgang wählen. Ich will das von meiner Seite unterstreichen.
Ich möchte noch auf eines eingehen. Das ist die Frage, wie es europafest zu machen ist und wie die Überlegungen hinsichtlich Europa sind.
Ich will den folgenden Punkt ansprechen: Wir stehen in einem internationalen Wettbewerb. Es ist ein Konzern,
der in Amerika staatsgetragen ist. Aus europäischer Sicht werden Förderungen so behandelt, als ob man überhaupt keine eigenen Interessen verfolgen könnte und dürfte. Dann ist dort eine Diskrepanz, die unseren Industriestandorten einen Nachteil bringen kann. Deshalb muss man darüber sprechen, egal wer Kommissarin oder Kommissar für diese entsprechende Frage ist. Wir müssen Modalitäten hinbekommen, wie das vernünftig gemacht werden kann.
Ich will daran erinnern, früher ist dem Motorenwerk in Kaiserslautern europakonform geholfen worden. Das waren Hilfen, die im Jahre 1994 angelaufen sind. Die sind über Darlehen, über 162 Millionen Euro und 64 Millionen Euro Zuschüsse gegangen. Diese haben gesichert, dass das Werk in Kaiserslautern mit insgesamt 3.500 Beschäftigten sich über die Jahre fortentwickeln konnte. Das geschah bei allen Managementproblemen, die es, wie Sie sie geschildert haben, Herr Mertin, aus dem amerikanischen Bereich gegeben hat. Sie entsinnen sich an die Diskussion, dass Standorte in Portugal und an anderen Standorten diese Investition haben wollten. Ich sage ganz offen, insofern bezieht sich unser Interesse als Vertreter des Landes auf das, was Sie beschrieben haben und Herr Kollege Baldauf gesagt hat, in erster Linie auf den Standort Rüsselsheim und auf Kaiserslautern. Wir wissen, dass wir das nur gemeinsam erreichen können. Deswegen ist es gut, dass die vier Länder mit den betroffenen Standorten zusammenarbeiten und dass Frau Bundeskanzlerin Merkel gestern in der Regierungserklärung gesagt hat, dass sie in diese Richtung weiterarbeitet.
Herr Kollege Baldauf, ich komme zu den Einschätzungen über den früheren Wirtschaftsminister zu Guttenberg. Ich will nur anmerken, für die damaligen Schwierigkeiten, die sehr groß waren, bei denen wir zwischenfinanziert und Kredite gegeben haben, gibt es ein altes Wort: Man muss das Eisen schmieden, wenn das Feuer heiß ist.
Auch die Diskussionen bei uns haben sich länger hingezogen. Die verschiedenen Einschätzungen haben sicherlich nicht unser Auftreten in Europa gegenüber GM gestärkt. Ich glaube, das kann man selbstkritisch zur Großen Koalition feststellen, an der wir beteiligt waren. Es gab sehr viele Zweifel. Wenn andere merken, dass irgendwo Zweifel vorhanden sind, dann nutzen sie das aus. Ich will in aller Ernsthaftigkeit ausdrücklich betonen, der Umgang des Konzerns mit seinen Arbeitnehmerinnen und Arbeitern, das Wertvollste in einer Firma, war und ist unmöglich.
Es wird sehr viel Arbeit und nicht nur einer Charmeoffensive bedürfen, es wird der Inhalte bedürfen, damit dieses Vertrauen bei den Betriebsrätinnen und Betriebs
räten sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Opel wieder gewonnen werden kann. Wir wollen dabei mithelfen. Ich bedanke mich für die gute Zusammenarbeit mit den Betriebsräten, die oftmals viel verlässlichere Informationen über Zustände im Konzern gegeben haben, als sie die Konzernspitze gegeben hat. Auch das darf ich in diesem speziellen Fall zu den Kompetenzen anmerken, ohne eine Spitze in eine andere Richtung zu geben.
Ich hoffe, dass das für die beiden Standorte gut ausgehen wird, auch wenn ich Ihre Auffassung, dass wir die Rahmenbedingungen insgesamt setzen können, nicht teile, Herr Kollege Baldauf. Wir werden nicht die Rahmenbedingung setzen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Mertin, unbestritten hat GM massive Managementfehler begangen. Das sind die Ursachen für die Krise bei Opel gewesen und nicht die Finanz- und Wirtschaftskrise, die wir insgesamt haben. Deshalb ist die Situation bei GM und Opel dramatischer gewesen als bei anderen Automobilkonzernen.
Insbesondere ist GM seiner Verantwortung nicht gerecht geworden, die sie für Opel und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat. Es ist – auch wenn wir mit GM verhandeln, muss man das sagen können – zum Teil verantwortungslos durch das Management von GM gehandelt worden.
Das ist für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Opelwerken unzumutbar, die seit über einem Jahr nicht wissen, wie ihre Zukunft aussehen wird. Durch die überraschende Entscheidung des GM-Aufsichtsrats werden sie voraussichtlich auch in diesem Jahr zu Weihnachten nicht wissen, wie es mit ihnen und ihren Familien weitergeht. Auch das ist in der jetzigen Situation unverantwortlich.
Durch die Absage nach einem Jahr Verhandlungen und nach der Bereitschaft der Bundesländer und der Bun
desregierung, Finanzhilfen bereitzustellen, und nach der Bereitschaft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auf 265 Millionen Euro an Gehaltszahlungen zu verzichten, wird erneut wertvolle Zeit verloren gehen. Es wird erneut Vertrauen verspielt werden. Damit wird Opel weiterer Schaden zugefügt.
Herr Baldauf, Herr zu Guttenberg hat nicht recht gehabt mit seiner Vorgehensweise. Wir wissen, dass dies von der Wirtschaftspresse und anderen zum Teil sehr gelobt wurde. Es war in der konkreten Situation, als er das vorgeschlagen hat, verantwortungslos gewesen, einen solchen Vorschlag als Bundeswirtschaftsminister zu unterbreiten.
Was hätte ein Insolvenzverfahren bedeutet? Es ist von einem geordneten Insolvenzverfahren gesprochen worden. Es gibt in Deutschland nur geordnete Insolvenzverfahren, weil wir eine Insolvenzordnung haben. Wir hätten dann aber sechs Insolvenzverwalter gehabt. In jedem Land in Europa hätten wir einen eigenen Insolvenzverwalter mit den eigenen Interessen gehabt, die an den jeweiligen Standorten vertreten werden.
Was wäre mit den Patenten und Rechten gewesen, die notwendig sind, um Opel fortzuführen? Herr Wirz, wer hätte den Massekredit bereitgestellt; denn Opel war zahlungsunfähig? Lieferanten hätten bei einem Insolvenzverfahren jede Lieferung sofort eingestellt und nur gegen Vorkasse geliefert. Es ist ein Finanzbedarf von mindestens 1,5 Milliarden Euro errechnet worden. Ich sage, er wäre deutlich höher gewesen wegen mangelnder Lieferantenkredite. Wer hätte diesen Massekredit bereitgestellt? Keine Bank. Kein Privatinvestor. Wer hätte das tun müssen? Die Politik hätte die Entscheidung treffen müssen, Opel wird zugemacht, die Werktore werden unmittelbar geschlossen, oder wir hätten für diese fragwürdige Konstruktion mit sechs Insolvenzverwaltern und dem Nichtvorhandensein von Patenten und Rechten – Rechtsstreitigkeiten wären darüber eventuell auszutragen – seitens der Politik 1,5 Milliarden Euro als Massekredit bereitstellen müssen, damit ein Insolvenzverwalter überhaupt hätte handeln können. Ich sage, das wäre unverantwortlich gewesen.
Das war auch der Grund, weshalb Bundeskanzlerin Merkel und die Ministerpräsidenten klar geäußert haben, was sie von dem Vorschlag von Bundeswirtschaftsminister zu Guttenberg halten. Die Bundesregierung hat dann eine verantwortbare Entscheidung getroffen. Die Vorgehensweise des Kollegen war nicht verantwortungsvoll, meine Damen und Herren!
Weil wir Verantwortung übernehmen wollen, reicht es nicht aus zu sagen: Wir warten jetzt ab, ob GM plötzlich konstruktiv, zügig und verantwortungsvoll entsprechende Vorschläge unterbreitet. Es gibt einen ausgearbeiteten Plan bezüglich der Zukunft von Opel. Das ist das Magnakonzept. Das kann zeitnah umgesetzt werden.
Das Konzept kann unabhängig davon umgesetzt werden, wer künftig Eigentümer ist. Es gibt eine klare Konzeption bezüglich der Standorte, der Produktpalette und welche Summen investiert werden müssen. Es spricht viel dafür zu sagen: Orientiert euch sehr nah an diesem Konzept, weil mit diesem Konzept gearbeitet werden kann.
Es nicht Aufgabe der Politik abzuwarten, ob die Krise mit Opel weitergeht, sondern wenn von uns verlangt wird – das wird kommen –, dass wir uns erneut engagieren sollen, müssen wir eine Vorstellung zur Konzeption haben. Es gibt diese Konzeption, die geprüft ist und mit der man weiterarbeiten kann.
Daran soll man sich orientieren. Das ist auch die Vorstellung des Betriebsrats, der sich in dieser Phase durch einen hohen Sachverstand ausgezeichnet hat. Er hat entscheidend dazu beigetragen, dass es Opel noch gibt. Das Konzept bedeutet auch – so bleiben die Länder beieinander –, dass die vier Standorte in Deutschland erhalten bleiben. Wir unterstützen die Vorgehensweise, dass die Länder und der Bund beieinanderbleiben.
Ich bin auch dafür, dass wir für den Fall, dass ein tragfähiges Konzept, basierend auf dem Magnakonzept, vorgelegt wird, die Forderung des Betriebsrats übernehmen, eine möglichst große Eigenständigkeit von Opel anzustreben. Ein zielführender Weg wäre eine eigene Aktiengesellschaft, bei der die gute Situation gegeben ist, dass Vorstände eigenverantwortlich unabhängig von den Weisungen der Eigentümer handeln können. Das ist sinnvoll für die Fortführung und den nachhaltigen Erfolg des Unternehmens. Das ist der Vorteil, den das Aktienrecht bietet. Deshalb sollte dieser Vorschlag ernsthaft geprüft werden.
Meine Damen und Herren, ich will mich den Äußerungen von Herrn Kollegen Hartloff bezüglich der Vorgehensweise der Europäischen Kommission anschließen. Ich habe hohen Respekt vor dem, was die Wettbewerbskommission leistet. Sie trägt viel dazu bei, um den Wirtschaftsstandort Europa durch einen funktionierenden Wettbewerb zu stärken. Es ist aber auch Aufgabe der Europäischen Kommission, den Wirtschaftsstandort Europa zu stärken und die Interessen der europäischen Industrie im weltweiten Wettbewerb zu wahren. Auch das ist Aufgabe der Europäischen Kommission.