Protocol of the Session on June 25, 2009

4. Plant die Landesregierung im kommenden Jahr wieder, Polizistinnen und Polizisten zu den MaiDemonstrationen nach Berlin zu entsenden – insbesondere vor dem Hintergrund der Bemerkung des Berliner Innensenators, die Hundertschaften einzelner Landespolizeien seien mal weniger, mal besser für die besonderen „Berliner Verhältnisse“ geeignet?

Für die Landesregierung antwortet der Herr Innenminister.

Herr Präsident, meine sehr gehrten Damen und Herren! Im Namen der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Michael Hörter und Matthias Lammert wie folgt:

Wesentlich ist, dass wir zunehmender Gewalt in unserer Gesellschaft mit einem ganzheitlichen Bekämpfungsansatz entgegentreten. Dies bedeutet eine Orientierung an den Ursachen und den täter- und tatbezogenen Besonderheiten.

Einzelne Konzepte zu bestimmten Situationen müssen dabei ebenso geprüft und in einem Gesamtpaket zusammengeführt werden.

Die Landesregierung hat bereits frühzeitig ein ganzheitliches Maßnahmenkonzept umgesetzt, über das ich bereits mehrfach in den Sitzungen des Innenausschusses berichtet habe. Von daher möchte ich lediglich einige Schwerpunkte der Bekämpfungsstrategie aufzählen:

Im Jahr 2008 standen 65 % der Täter von Widerstandshandlungen gegen Polizeibeamte unter Alkoholeinfluss. Von daher stellen die Interventionsmaßnahmen zur Eindämmung des Alkoholmissbrauchs und zur Gewaltprävention einen wesentlichen Baustein dar.

Tatverdächtige von Widerstandshandlungen sind häufig vorher schon polizeilich in Erscheinung getreten. Die „Rahmenkonzeption zur Bekämpfung jugend- und jugendgruppenspezifischer Aggressionsdelikte“ zielt gerade auf das Erkennen und konsequente Verfolgen von jungen Mehrfach- und Intensivtätern ab.

Widerstandhandlungen ereignen sich häufig bei Einsätzen an Brennpunkten und bei Volksfesten. Von daher wurden die umfangreichen Maßnahmen und Aktivitäten der Polizeipräsidien bei diesen Einsatzanlässen stärker gebündelt und ein landesweites Rahmenkonzept zur Bekämpfung der „Gewalt im öffentlichen Raum“ entwickelt. Hierbei wurden auch Maßnahmen zur Eigensicherung berücksichtigt.

Hinsichtlich frühzeitiger präventiver Maßnahmen ist eine enge Vernetzung mit allen anderen verantwortlichen Stellen notwendig. Hierzu zählen insbesondere die Kommunen, die Kriminalpräventiven Räte, die Schulen, aber auch die Bundespolizei.

Nicht zuletzt müssen auf der Basis gezielter Untersuchungen zu Widerstandsdelikten Handlungsanleitungen für die eingesetzten Polizeibeamtinnen und -beamten erarbeitet werden, um solche Taten frühzeitig zu verhindern bzw. zu unterbinden.

Zu Frage 1: Die Zunahme der Taten im Deliktsfeld „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ war Gegenstand der Befassung in der Konferenz der Innenminister und -senatoren am 4./5. Juni 2009.

Mit den Kolleginnen und Kollegen der anderen Länder bestand uneingeschränktes Einvernehmen, dass der Schutz unserer Polizeibeamtinnen und -beamten vor entsprechenden Taten von hoher Bedeutung ist. Diesbezüglich wurde beschlossen, auf der Basis eines aktuellen Lagebildes entsprechende Umsetzungsvorschläge bis zur Herbstsitzung der Innenminister vorzulegen.

Daneben beschäftigen sich derzeit mehrere Arbeitsgruppen auf Bundesebene mit der Entwicklung von Maßnahmen gegen Gewaltkriminalität und der Verhinderung von Angriffen auf Polizeibeamtinnen und -beamte. Diese Ergebnisse müssen zusammengeführt und darauf aufbauend die notwendigen Maßnahmen abgestimmt werden.

Hinsichtlich der Fallzahlen „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ lässt sich folgende Entwicklung konstatieren. Zwei Daten sind herausgenommen: 1988 14.673 Taten, 2007 26.782 Delikte. Dies ist eine deutliche Steigerung um 80 %. In diesem Zeitraum wurden in Rheinland-Pfalz im Jahr 1988 983 Taten und 2007 1.124 Delikte vermerkt. Das ist eine Steigerungsrate von 14 %.

Zu Frage 2: Auch wenn ich Ihnen bereits einige Eckpfeiler des Maßnahmenkonzeptes der Landesregierung zur Verhinderung und Bekämpfung der Gewalt aufgezeigt habe, stellen für mich – auch vor dem Hintergrund meiner eigenen beruflichen Vita – die Maßnahmen zur Verhinderung und Unterbindung von Angriffen auf Polizeibeamtinnen und -beamte einen wesentlichen Schwerpunkt dar.

Das Innenministerium hat bereits 2008 eine quantitative und qualitative Untersuchung von Widerstandsdelikten in Auftrag gegeben. Im Rahmen einer Projektstudie durch die Studierenden der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung – Fachbereich Polizei – wurde das Deliktsfeld „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte/Gewalt gegen Polizeibeamte“ untersucht.

Ziel waren eine umfassende Erhebung in quantitativer und qualitativer Hinsicht, das Aufzeigen von Entwicklungstendenzen sowie das Untersuchen möglicher Faktoren, die der Begehung von Widerstandshandlungen entgegenwirken oder diese begünstigen können. Darauf aufbauend sollen Handlungsanleitungen entwickelt bzw. fortgeschrieben werden.

Die Projektstudie wird vorgestellt. Die Erkenntnisse der Untersuchungen werden derzeit ausgewertet. Ich denke, dass wir in den nächsten Tagen und Wochen zu dieser Vorstellung kommen können.

Von daher werden nun auf der Basis dieser rheinlandpfälzischen Ergebnisse grundsätzliche Aussagen für das Einschreiten von Polizeibeamtinnen und -beamten bei entsprechenden Einsatzsituationen getroffen, die in der Aus- und Fortbildung, insbesondere dem Einsatz- und Verhaltenstraining, Berücksichtigung finden.

Zu Frage 3: Das Bundesland Sachsen hat einen Gesetzesantrag vorgelegt, der eine Änderung und Verschärfung der Strafvorschriften des § 113 des Strafgesetzbuches „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ und § 125 des Strafgesetzbuchs „Landfriedensbruch“ vorsieht. Gerade hinsichtlich der Widerstandsdelikte wurde in Sachsen in den letzten fünf Jahren eine Zunahme um 43 % verzeichnet.

Für mich ist bei dieser Entscheidung von wesentlicher Bedeutung, ob dieser Änderungsantrag in der Praxis tatsächlich einen besseren Schutz der Polizeibeamtinnen und -beamten darstellt.

(Pörksen, SPD: Sehr wahr!)

Von daher unterstütze ich zwar aus fachlicher Sicht das Vorhaben Sachsens grundsätzlich, hierbei müssen jedoch die einzelnen Vorschläge hinsichtlich ihrer Praxistauglichkeit und Notwendigkeit intensiv geprüft werden.

Zu Frage 4: Die gegenseitige Unterstützung der Bundesländer bei Einsatzlagen durch Einheiten der Bereitschaftspolizeien basiert auf entsprechenden Verwaltungsabkommen der Länder untereinander und des Bundes.

Das Verfahren sieht dabei vor, dass das einsatzführende Bundesland auf der Basis seiner Lagebewertung Polizeieinheiten in der benötigten Stärke bei den anderen Ländern oder dem Bund anfordert. Diese prüfen, inwieweit sie aufgrund eigener polizeilicher Erfordernisse dem Unterstützungsantrag entsprechen können und entsenden gegebenenfalls die angeforderten Kräfte.

Inwieweit Berlin für eine Einsatzlage im nächsten Jahr Unterstützungskräfte aus anderen Ländern oder dem

Bund anfordert, kann meinerseits derzeit noch nicht gesagt werden.

So weit meine Antwort.

(Beifall der SPD)

Gibt es Zusatzfragen? – Herr Kollege Hörter.

Herr Minister, eine Zusatzfrage zu der Frage 4.

Wenn Berlin im nächsten Jahr Polizeibeamte anfordert, wären sie dann bereit, im Vorfeld mit Ihrem Berliner Kollegen zu thematisieren, ob das, was dort an Einsatztaktik gefahren wird, richtig ist?

Sie kennen die Aussagen bis hin zum Vorsitzenden der Polizeigewerkschaft, dass das Einsatzkonzept auf ganzer Linie gescheitert ist. Sie kennen die Aussagen des Berliner Gewerkschaftsvorsitzenden, der gar von einer Steinigung der Kollegen gesprochen hat.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob Sie, wenn im nächsten Jahr angefordert wird, ohne dies vorher zu klären, bereit sind, Polizeibeamtinnen und -beamte aus Rheinland-Pfalz nach Berlin zu entsenden.

Erste Antwort: Es gibt immer eine Aufarbeitung von Einsätzen, auch in anderen Ländern. Das macht der zuständige AK 2, und dies machen auch die Inspekteure. Das ist in dem Fall erfolgt. –

Zweite Bemerkung, auf die Sie abzielen: Die Diskussion haben die Innenminister mit dem Berliner Innensenator anlässlich eines Kamingesprächs mit dem Bundesinnenminister geführt. –

(Hörter, CDU: Hat es denn geholfen?)

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hüttner.

Herr Minister, Sie sprachen davon, dass in RheinlandPfalz rund 1.200 Straftaten gegen Vollstreckungsbeamte stattgefunden haben.

Ist Ihnen bekannt, welchen Bezug oder welche Anzahl davon in Verbindung mit Alkohol oder Drogen stand?

Ich bitte um Verständnis. Wir arbeiten zurzeit die Gesamtsituation auf, um sie darzustellen. Ich gehe davon

aus, dass wir in dem Bereich etwa 65 % haben, die unter Alkoholeinfluss gestanden haben.

Nicht die Polizisten.

(Heiterkeit im Hause)

Weitere Zusatzfragen? – Herr Kollege Hüttner.

Wir hören immer wieder davon – und das ist gerade in Sachsen sehr erheblich der Fall –, dass dort im Zusammenhang mit Fußball erhebliche Widerstandshandlungen gegen die Polizei stattgefunden haben.

Ist Ihnen aus Rheinland-Pfalz bekannt, dass wir es im Zusammenhang mit Fußball mit Rowdytum und Widerstandshandlungen zu tun haben?

Herr Abgeordneter Hüttner, im Vorfeld der Beantwortung dieser Mündlichen Anfrage habe ich mit unserer Polizeiabteilung die Frage erörtert, ob wir überhaupt wissen, wo diese Widerstandshandlungen stattfinden.

Sie wissen aus Ihrer eigenen beruflichen Vita, die Statistik nimmt nur die Widerstandshandlungen auf und nicht die Orte. Deswegen waren wir auf diese Studie angewiesen, die jetzt vorgestellt wird und die ich noch nicht kenne.

Was ich pauschal sagen kann, ist, dass wir in der Ersten Liga eine zurückgehende Situation im Bereich Gewalt gegen Polizei oder Gewalt untereinander haben. In der Zweiten Liga haben wir ebenfalls eine zurückgehende Situation. Aber in den anderen Ligen haben wir Situationen, die uns etwas besorgt machen. Da ist RheinlandPfalz ein Land der Seligen. Das muss ich dazusagen. Da gibt es nicht sehr viel.