Protocol of the Session on June 25, 2009

Meine Damen und Herren, ich komme zum Ende. Manches aus dieser Palette der vielen Fragen und kritischen Hinweise mag aufklärbar sein und mag auf Missverständnissen beruhen, aber eines ist für mich zum jetzigen Zeitpunkt bei der ersten Lesung glasklar: Bei diesem Gesetz wird es ohne die Opposition nicht gehen. Davon bin ich überzeugt. Für diese Steilvorlage danke ich Ihnen am Rande zusätzlich.

(Beifall der FDP)

Das Wort hat Frau Staatsministerin Malu Dreyer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Herren und Damen! Ich möchte gerne den einen oder anderen Punkt noch einmal aufgreifen und schon direkt bei der Einbringung klären.

Herr Dr. Schmitz, ich komme zum ersten Punkt, dem Timing. Es war nicht nett, was draußen stattgefunden hat. Das lege ich aber jetzt einmal zur Seite. Ich kann das im Anschluss noch einmal mit den Beteiligten erörtern.

Es gab so genannte „Non-Gespräche“. Diese kennen Sie auch. Deshalb zitiere ich daraus vor der ersten Befassung des Ministerrats nicht. Auf dieser Grundlage ist die erste Ministerratsbefassung auch erfolgt. Danach gab es die offizielle Anhörung, einen „Dialog Sozial“ und die offizielle Befassung im Rahmen der Anhörung.

Ich sage es noch einmal: Wir haben auch schon Gesetze zusammen mit den Partnern Wort für Wort geschrieben und danach eingebracht. Das haben wir in dem Fall nicht getan, sondern wir haben es selbst eingebracht. Nichtsdestotrotz glaube ich nicht, dass die Partner nicht ausreichend beteiligt waren. Sie sind auch nicht von dem Gesetzentwurf überrascht worden. Sie wussten ganz genau, welchen Gesetzentwurf wir einbringen. Sie hatten drei Wochen Zeit. Das ist nicht üppig.

(Zuruf des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

Das ging in dem Fall nicht anders, weil wir dem Parlament zugesagt haben, das Gesetz vor der Sommerpause einzubringen. Das war der Grund. Deshalb mussten wir am Schluss etwas Gas geben. Wir haben früh angefangen. Wir hatten eine andere Zeitplanung. Die CDU war vor uns.

(Zuruf des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

Daraus habe ich nie einen Hehl gemacht. Wir haben ein anderes Gesetz gemacht. Wir haben die Leute anders beteiligt. Wir haben mit dem Gesetz eine andere Intention gehabt. Deshalb ist das so gelaufen. Alle Beteiligten hatten ausreichend Zeit. Ich denke, es wird nach wie vor auch im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens noch einmal eine Anhörung geben.

(Hartloff, SPD: Wir haben weiterhin Zeit!)

Das wollte ich gerade sagen. Im Laufe des parlamentarischen Verfahrens besteht weiterhin ausreichend Zeit, sich einzubringen.

(Beifall der SPD)

Ich möchte unbedingt etwas zur Bezeichnung unserer Einrichtungen sagen, weil ich das gerne ausräumen möchte. Die Argumentation der LIGA kennen Sie alle aus deren Stellungnahmen. Diese befürchtet, dass die Bezeichnung der Einrichtungskategorien diskriminierend wirken könnte, und zwar den Einrichtungen gegenüber, die wir früher stationär genannt haben, also der Typ von Einrichtung, der eine Vollversorgung vorsieht. Das möchte ich nicht stehen lassen; denn wir haben diese Bezeichnung nicht gewählt, um zu diskriminieren. Sie ist auch nicht diskriminierend.

Unter allen Beteiligten ist völlig unstreitig, dass in Einrichtungen der Vollversorgung schon aufgrund der organisatorischen Ausgestaltung und der Abläufe die Selbstbestimmung der Bewohnerschaft anders gelebt werden kann als in kleinräumigen eigenständigen Wohngruppen und Wohneinheiten.

Das beginnt bei so banalen Dingen, dass man nicht bestimmt, um 15:00 Uhr Mittag zu essen oder morgens auf den Markt zu gehen und das Essen einzukaufen, um es zu kochen, sondern sich in die Organisation einpasst.

Wir haben keine Probleme damit; denn es gibt viele Menschen, die sich das im Alter wünschen und ein Stück ihrer Selbstbestimmung in diesen Punkten abgeben, um anders versorgt zu sein. Das ist aber nicht diskriminierend, sondern beschreibt den Grad der

Selbstbestimmung. Das wird bundesweit genauso interpretiert. Ich halte es eher für problematisch, dies als diskriminierend zu interpretieren.

(Beifall der SPD)

Ich möchte noch einmal begründen, warum wir die Öffnung der Einrichtungen im Sinne von Qualität aufnehmen. Es ist ein langes Begehren der Einrichtungen gewesen, nicht immer nur an Prüfberichten und negativen Eigenschaften gemessen zu werden, sondern auch eine Chance zu haben, das, was exzellent und toll gemacht wird, nach außen zu zeigen.

Ich finde, die Öffnung der Einrichtungen ist ein positives Merkmal. Dieses können die Einrichtungen auch sehr gut gestalten. Wir haben übrigens den Einwand, den Sie noch einmal genannt haben, im neuen Gesetzentwurf aufgegriffen. Selbstverständlich geht es uns nicht darum, in die Intimitäten und den Freiraum der Bewohnerschaft einzugreifen. Das ist auch in der Begründung des Gesetzes aufgeführt.

Es geht uns um den ernst gemeinten Aspekt, dass die Einrichtungen nicht als kleines Modul irgendwo stehen, sondern die Menschen ins Wohnquartier – in beide Richtungen – integriert sind. Wir möchten, dass das ernst genommen und entsprechend umgesetzt wird.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Ich möchte noch etwas zu Herrn Rüddel und zum Thema „Entbürokratisierung“ sagen. Ich habe in meiner Einführungsrede schon einige Beispiele genannt. Ich nenne Ihnen noch ein paar andere. In diesem Gesetz gibt es zum Beispiel keine unverzügliche Meldung von Personalveränderungen mehr, sondern erst nach sechs Monaten. Die CDU hat noch die alte Regelung. Wir haben keine Vorlage von Satzungen oder dem Gesellschaftsvertrag mehr. Die CDU hat noch die alte Regelung. Wir haben keine Überprüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Einrichtung mehr, wenn ein Versorgungsvertrag oder eine Leistungsvereinbarung vorliegt. Die CDU hat noch die alte Regelung.

(Vizepräsident Schnabel übernimmt den Vorsitz)

Wir haben auch keine Vorlage mehr von Unterlagen zur Finanzierung von Investitionskosten. Das sind einige Beispiele, die Ihnen zeigen sollen, dass wir das sehr ernst gemeint haben bei dem Thema. Entbürokratisierung und Verwaltungsvereinfachung bei den Einrichtungen gehen mit unserem Gesetzentwurf sehr weit.

Ich möchte noch auf einen weiteren Punkt eingehen, und zwar die Transparenz. Herr Dr. Schmitz hat es in seiner unnachahmlichen Art auf die Spitze getrieben. Das ist inhaltlich nicht ganz so gemeint und nicht ganz so geregelt.

Die Hotline wird nicht zusätzlich zum Beschwerdetelefon eingerichtet. Das wäre von uns sehr kurz gedacht. Wir haben ein Beschwerdetelefon, das maßgeblich im ambulanten Bereich tätig ist. Wir wollen das Beschwerdetelefon mit der Verbraucherzentrale weiterentwickeln,

damit es auch für die Bewohnerschaft stationärer Einrichtungen ansprechbar ist.

Unser Einrichtungs- und Diensteportal haben wir erfunden, um ein Portal zu haben, in dem wir die unterschiedlichen Dinge zusammenführen. Wir müssen mit unserer Prüfbehörde auch Prüfberichte erstellen und Transparenz zeigen. Unser Bemühen wird es sein, die Prüfberichte des MDK und die eigenen so gemeinsam zu veröffentlichen, dass sie für den Verbraucher lesbar sind. Wir bemühen uns, gerade mit den neuen Instrumenten, das, was undurchsichtig ist, klarer und transparenter zu gestalten.

Noch ein Punkt. Es gibt keine selbstbestimmten Wohngruppen, die in unserem Gesetz erfasst werden. Das war einer der dicken Punkte, die in der Anhörung immer wieder positiv erwähnt worden sind, nämlich dass die Wohngruppen, die selbstbestimmt und nicht in einer Hand organisiert sind, nicht dem Regelungsbereich des Gesetzes unterliegen. Das ist sehr weitgehend.

Wenn Sie sich an die abstrakte Debatte vor einiger Zeit erinnern, als wir über einen Gesetzentwurf der CDU diskutiert haben, gab es eher die Schwingung, ob dies ein ausreichender Schutz für die Leute ist. Wir sind gut überlegt sehr weit gegangen. Die Menschen, die sich selbstbestimmt organisieren, unterliegen nicht mehr der alten Heimaufsicht oder der Prüfung.

In diesem Sinn bin ich ganz optimistisch, dass wir eine gute Beratung hinbekommen. Es liegt auch in unserem Interesse, dass wir ein gutes und breit getragenes Gesetz verabschieden können. Ich denke, wichtig ist, zu erkennen und zu verstehen, dass wir mit dem Gesetz einen neuen Weg gehen, gehen wollen und gehen müssen, weil wir ansonsten rückwärts gewandt denken. Das kann und darf nicht das Ziel des Gesetzes sein, das wir verabschieden.

Danke.

(Beifall der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, jede Fraktion hat noch eine zusätzliche Redezeit von acht Minuten.

Das Wort hat Frau Abgeordnete Thelen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sind uns im Ziel einig, ich glaube aber noch relativ uneinig in der richtigen Form der Wege zum Ziel, alten Menschen, die Betreuungs- und Hilfebedürfnisse haben, und behinderten Menschen mit entsprechenden Bedürfnissen in einer Art und Weise zu helfen, die auch ihre Wünsche berücksichtigt. Hier liegt für mich einer der Hauptkritikpunkte an dem Entwurf, den wir von der Landesregierung vorgelegt bekommen haben.

Meine Damen und Herren, dieser beginnt bei § 1. Ich bitte Sie, einmal zuzuhören, weil es das Ziel des Gesetzes ist, ältere Menschen, volljährige Menschen mit Behinderungen und pflegebedürftige volljährige Menschen – dann kommen sechs Punkte – in ihrer Würde zu unterstützen, ihre Teilhabe an der Gesellschaft zu fördern usw.

Dass wir dies als Gesetzgeber und Staat für Menschen ein Stück begleiten und unterstützen müssen, die dazu nicht in der Lage sind, ist keine Frage, und dass wir das für die tun müssen, die aufgrund ihres Alters Gebrechen haben und deshalb nicht in der Lage sind, ist auch keine Frage.

Hier sind als eine Personengruppe ausschließlich ältere Menschen genannt. Ich möchte gern einmal wissen, wann für die Landesregierung der ältere Mensch beginnt. Wenn ich einmal davon ausgehe, dass man ab 60 Jahre ein älterer Mensch ist, so gehören im Moment 25 Parlamentarier diesem Hohen Hause an, für die dieses Gesetz in Zukunft gilt und die dann gefordert werden, ihr Leben selbstbestimmt an ihrem Wohl und ihren Wünschen orientiert zu gestalten. Ich habe es bewusst überspitzt formuliert, weil ich denke, nur so wird deutlich, worum es uns geht.

Frau Ministerin, Sie haben eben selbst gesagt, die selbstbestimmten Wohngemeinschaften fallen nicht unter das Gesetz. Das ist nicht richtig.

§ 6 regelt selbstbestimmte Wohngemeinschaften. Das sind diejenigen, die man sich sehr gut vorstellen kann, wenn man jenseits der 60 ist, vielleicht keine Lust mehr hat, alleine zu leben, weil der Partner nicht mehr da ist. Man hat Interesse, seinen Haushalt gemeinsam zu organisieren. Man kauft sich mit zwei Pärchen und sechs Singles eine schöne große Villa, engagiert gemeinsam eine Putzfrau und einen Gärtner.

Meine Damen und Herren, dann müssen Sie sich damit auseinandersetzen, dass dieses Gesetz für Sie Gültigkeit hat; denn Sie haben ein Kriterium überschritten. Nach diesem Gesetz fallen nur selbstbestimmte Wohngemeinschaften nicht darunter, wenn sie bis maximal acht Bewohner haben. Also acht plus fällt unter das Gesetz, und damit unterliegen sie der Aufsicht und der Überwachung.

Dass das durchaus ernst gemeint ist, können Sie § 20 des Gesetzes entnehmen. Dieser enthält die allgemeinen Bestimmungen über die Prüfung von Einrichtungen. Konsequenterweise gibt es dort in Absatz 5 den Hinweis, dass die zuständige Behörde, also klassisch die Heimaufsicht, gemeinschaftliche Wohnformen prüfen kann, um festzustellen, ob es sich um eine Einrichtung im Sinne des § 4 oder des § 5 handelt, also um ein klassisches Heim oder eine betreute Wohngruppe.

(Glocke des Präsidenten)

Alle Seniorengemeinschaften, WGs von Seniorinnen und Senioren, egal, wie rüstig und fit sie sind, müssen damit rechnen, dass die Heimaufsicht sie besucht, sich ihre Wohnung anschaut, die Plätze zählt, um zu klären, ob das Gesetz für sie gilt oder nicht. Konsequenterweise

gibt es dann noch in § 20 den Absatz 6. Darin steht, zur Überwachung in gesundheitlicher, hygienischer und pflegerischer Hinsicht stehen die in den Absätzen 1 bis 5 – Sie wissen, Absatz 5 ist die Wohngemeinschaft – genannten Befugnisse auch den Gesundheitsämtern und den von ihnen mit der Prüfung beauftragten Personen zu. Das heißt, sie dürfen auch noch damit rechnen, dass das Gesundheitsamt sie als Senioren-WG besucht, um zu schauen, ob sie sich vernünftig ernähren und die Hygiene einwandfrei ist.

Ich denke, Sie verstehen, dass wir diese Vorschriften schlichtweg für überzogen halten.

Herr Kollege Dröscher, bei allem guten Wollen, ein gutes gemeinsames vernünftiges Gesetz auf den Weg zu bringen, müssen diese Kritikpunkte heute angesprochen werden dürfen.