Protocol of the Session on September 21, 2006

Herr Präsident, verehrte Damen und Herren! Verehrte Frau Kollegin Morsblech, ein kleines Erstaunen erlaube ich mir zu Beginn. Sie haben sich eben in der Aussprache über ein Programm geäußert, dessen Konzeptionierung, Festschreibung und Festlegung auf den Finanzrahmen wir noch in gemeinsamer Verantwortung geplant, entschieden und beschlossen haben, sodass ich das eine oder andere, was eben an Kritik kam, nicht mehr so ganz nachzuvollziehen vermag.

Ich möchte mit dem Ersten beginnen, was mich am meisten erstaunte, bei dem ich eigentlich sagen muss, ich verstehe Ihre Denkkriterien dabei überhaupt nicht mehr. Sie haben darüber geredet, dass es Ihnen alles viel zu wenig verbindlich sei und zu wenig – ich nenne es jetzt einmal so – Vorschriften da seien, wie, was,

wann, wo und mit wem und von wem nach welcher Qualifizierung unterrichtet und am Besten noch abgeprüft würde, so ergänze ich es jetzt einmal.

Sind wir wirklich so weit gekommen, dass wir Sprachförderung, über deren Notwendigkeit für Schülerinnen und Schüler ab der ersten Klasse, demnach auch für Kinder vor der Einschulung, wir uns als Ziel alle einig sind, so konzipieren, dass wir ganz konkrete Vorschriften brauchen? Verehrte Frau Kollegin, es gibt Module, die auch Sie seinerzeit noch mitdiskutiert haben, also die Module 1 und 2, die sich sowohl im Ziel als auch im Umfang für Kinder, die mit unterschiedlichen Sprachdefizitvoraussetzungen in die Sprachförderung hineingehen, unterscheiden.

(Zuruf der Abg. Frau Morsblech, FDP)

Dort ist dann bei beiden – nennen wir es wissenschaftlich – der Bildungsstandard, der zu erreichen ist, sehr klar und deutlich beschrieben. Die Ministerin hat ihn in ihrer Antwort auf die Mündliche Anfrage vorgelesen.

Die Kinder sollen aktiv und passiv in der Lage sein, am Ende der Fördermaßnahme zum Beispiel einer vorgetragenen Geschichte – ich ergänze es jetzt – sowie dem Unterricht in der Grundschule künftig folgen zu können. Wir sind uns bei der Schule einig. Um wie viel mehr müssen wir uns bei der Kindertagesstätte einig sein, dass eine solche Beschreibung von Bildungsstandards, die wirklich in ihrer Präzisierung nichts zu wünschen übrig lässt, präzise und evaluierbar genug sein muss, um die entsprechenden Sprachförderkräfte, die Erzieherinnen und Erzieher, und die weiteren Fachkräfte, über die die Ministerin ausführlich berichtet hat, in die Lage zu versetzen, zu merken, ob die Kinder, die in den Sprachförderkursen sind, sich der Zielerreichung auch entsprechend nähern oder ob noch tiefer und intensiver, vielleicht noch mehr in Einzelbetreuung mit ihnen gearbeitet werden muss.

Wir haben diese Leitfäden für unsere Fachkräfte. Die Ministerin hat auch ausführlich beschrieben, wir haben vor allen Dingen die Vor- und Begleitqualifizierung dieser Fachkräfte und stellen damit sicher, dass auch untereinander zwischen den Fachkräften mit dem gleichen Ziel, dem gleichen Duktus und der gleichen Denkart gearbeitet wird. Wie viel mehr wollen Sie denn bitte schön noch vorschreiben?

Während Sie an dieser Stelle nach der Vorschrift rufen, sagen Sie gleichzeitig: Huch, da könnte noch ein klitzeklein bisschen zu viel Bürokratie übrig geblieben sein. Dann könnte das Konnexitätsprinzip an dieser Stelle nicht gewahrt bleiben.

Ich sage Ihnen, ich bin der Ministerin für ihre Antwort zu der Mündlichen Anfrage sehr dankbar. Sie hat festgestellt – wir wissen dies und sind dafür dankbar –, dass auch die beteiligten Partnerinnen und Partner vor Ort wissen, dass Sprachförderung richtig viel Arbeit ist. Es ist richtig viel Anstrengung, die von den erwachsenen Menschen verlangt wird. Ich sage Ihnen, ich habe schon viele Kindertagesstätten besucht und mit vielen Menschen dort geredet, die Sprachfördervorbereitung ge

macht haben. Sie freuen sich darauf, diese Arbeit machen zu können.

Entschuldigung, mit mir hat niemand darüber geredet, ob vielleicht bei den 3,… Prozent, die das Ministerium jetzt schon ansetzt, 0,7 % zu viel an bürokratischer Arbeit anfallen kann. Bei mir hat man nur gesagt, es ist so großartig, dass ihr diese Programme macht und wir die Chance haben, den Kindern zu helfen, künftig in der Schule dem Unterricht zu folgen.

(Beifall bei der SPD)

Für uns gilt das Prinzip: Unterstützung derjenigen, die die Arbeit machen, Begleitung bei dieser Arbeit durch Weiterbildung, Förderung durch 8 Millionen Euro in jedem Jahr, immer mehr Motivation für diese wunderschöne Arbeit – ich glaube, wir können das unumschränkt sagen –, die unsere Leute machen können.

(Glocke des Präsidenten)

Ich bin froh, dass das Programm jetzt anläuft.

Danke schön. (Beifall bei der SPD)

Ich erteile Frau Kollegin Hayn das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es wird die Kollegin von der SPD nicht verwundern, dass ich ihre Begeisterung, die sie eben ausgesprochen hat, nicht ganz teilen kann.

(Beifall bei der CDU – Pörksen, SPD: Das sieht man Ihnen schon an!)

Ja, ich bin eben ehrlich. Ich schaue so, wie ich denke.

Wir müssen bedenken, dass immerhin fünf Jahre seit der ersten PISA-Studie mit ihren niederschmetternden Erkenntnissen vom Dezember 2001 vergangen sind. Durch die verzögerte Reaktion der rheinland-pfälzischen Landesregierung auf diese Ergebnisse wurden vier Einschulungsjahrgänge in diesem Zeitraum um benötigte Fördermaßnahmen gebracht,

(Beifall bei der CDU)

weil die Bedeutung der Sprachkompetenz für den schulischen Erfolg, die Chancen auf eine gute Ausbildung und damit auf einen Arbeitsplatz – sprich: ein selbst bestimmtes Leben mit selbst verdientem Einkommen – einfach ignoriert wurden.

(Frau Spurzem, SPD: Sie hätten sich aber wirklich anschauen müssen, was in den vier Jahren passiert ist! – Pörksen, SPD: In welchem Wald wohnen Sie denn?)

Die schlechten PISA-Noten für die Lesekompetenz unserer Kinder sind die logische Folge dieser Versäumnisse.

(Beifall bei der CDU)

Dabei gehören Kinder und Jugendliche aus Zuwandererfamilien zum besonders betroffenen Personenkreis.

Laut dem ersten Bildungsbericht des vor wenigen Monaten neu gebildeten Konsortiums „Bildungsberichterstattung“ machen diese Jugendlichen 40 % der so genannten Risikogruppe aus. Führt man sich vor Augen, dass heute der Anteil von unter 25-Jährigen mit Migrationshintergrund bei über 27 % der gleichaltrigen Bevölkerung liegt, kann man ermessen, wie viele Kinder und Jugendliche in den letzten Jahren nicht in den Genuss einer Förderung kamen, wie viel kostbare Zeit Sie, meine Damen und Herren Regierende in Rheinland-Pfalz, schlichtweg vergeudet haben.

(Beifall der CDU)

Natürlich wurden sämtliche Anträge der CDU-Fraktion Anfang 2002 auf Einführung von Sprachfördermaßnahmen und des Weiteren bei diversen Haushaltsberatungen abgelehnt.

(Frau Kohnle-Gros: Hört, hört! – Pörksen, SPD: Woher wissen Sie das denn?)

Erfreulicherweise gab es Kommunen, die schon vor PISA die Initiative ergriffen und erfolgreich versucht haben, das Problem zu lösen. Dazu gehört zum Beispiel meine Heimatstadt Neustadt an der Weinstraße. Hier entwickelten Jugendamt, Volkshochschule und Ausländerbeauftragte 1999 ein Programm zur Sprachförderung in Kindergärten, das unter dem Namen „Was Juanito nicht lernt“ bundesweit Furore machte. Die Medien berichteten nach dem PISA-Schock im Dezember 2001 ausgiebig darüber.

In Neustadt wurde die Sprachförderung bisher an zehn Kindergärten als freiwillige Leistung angeboten. Die dafür notwendigen Mittel wurden immer einvernehmlich im Stadtrat beschlossen. Ich erwähne gern, dass das Land unter anderem mit Personal diese Maßnahme unterstützt hat.

(Staatsministerin Frau Ahnen: Ja!)

Ja, erwähne ich.

Evaluation haben wir in Neustadt auch schon länger. Dort führt die Erziehungsberatungsstelle des Diakonischen Werkes dies durch.

Nun haben wir endlich das novellierte Kindertagesstättengesetz und die entsprechenden Verwaltungsvorschriften; dennoch bleiben für die Kommunen viele Fragen offen, auch wenn das von Ihnen in Abrede gestellt wird. Frau Morsblech hat sehr ausgiebig darauf hingewiesen. Ich möchte das nicht wiederholen.

Ich möchte einen Punkt herausgreifen. In der Verwaltungsvorschrift heißt es, die Fördermaßnahmen werden

von Personen durchgeführt, die fachlich geeignet sind, Kindern vor dem Übergang zur Grundschule Deutsch usw. zu vermitteln. Es klingt sehr schön. Sie haben die Zahlen genannt, dass viele Maßnahmen laufen und Erzieherinnen sich fortbilden. Aber ich denke, dass es etwas anderes ist, wenn Erziehungspersonen von Anfang an richtig geschult und auf eine solche Aufgabe vorbereitet werden. Wenn Sie sagen, es müssen Personen sein, die Vorbildung in Pädagogik haben, dann können das auch Väter oder Mütter sein, die erfolgreich Kinder großgezogen haben. Die sind auch in Pädagogik vorgebildet.

(Zuruf von der SPD)

Mit diesen Vorgaben können die Kommunen nicht unbedingt etwas anfangen.

(Pörksen, SPD: Mit Ihrer Rede kann ich auch nichts anfangen!)

Es bleibt noch die Frage offen, welches Personal Sie letztendlich rekrutieren sollen.

Es steht noch eine ganz andere Frage im Raum. Solche Kurse oder Maßnahmen bedürfen zusätzlicher Räumlichkeiten. Wer finanziert den zusätzlichen Raumbedarf? Als Beispiel führe ich noch einmal Neustadt an. Dank der flächendeckenden Sprachfördermaßnahmen haben wir einen erhöhten Haushaltsansatz, der aber nicht einmal zur Hälfte durch Landesmittel abgedeckt wird. In Neustadt waren wir schon so weit, dass wir sowieso als freiwillige Leistung gewisse Summen bezahlt haben.

(Glocke des Präsidenten)

Die anderen Kommunen, die neu vor die Aufgabe gestellt werden, stehen vor dem Problem, dass sie sich erheblich in Defizite begeben werden. Es ist bis jetzt viel Aktionismus an den Tag gelegt worden.

Frau Kollegin, Sie haben nachher noch einmal Redezeit. Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ich bin sofort fertig. Ich möchte nur empfehlen, sich die Anregung der Bundesfamilienministerin von der Leyen zu Herzen zu nehmen.

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Sie haben nachher noch einmal die Möglichkeit zu reden.

Es geht dabei um obligatorische Sprachtests und verpflichtende Sprachtests und verpflichtende Sprachförderkurse nach überprüfbaren Standards.