Protocol of the Session on February 27, 2009

..................................................................................................................................... 3789 Abg. Hartloff, SPD:............................................................................................................................ 3793, 3801 Abg. Mertin, FDP:........................................................................................................................................ 3797 Abg. Schreiner, CDU:.................................................................................................................................. 3799 Prof. Dr. Deubel, Minister der Finanzen:..................................................................................................... 3785 Präsident Mertes:..................................................................................................................... 3785, 3788, 3793 Vizepräsidentin Frau Klamm:........................................................................................ 3797, 3799, 3801, 3802

62. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz am 27. Februar 2009

Die Sitzung wird um 9:30 Uhr vom Präsidenten des Landtags eröffnet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich zur 62. Plenarsitzung im Landtag begrüßen.

Zu schriftführenden Abgeordneten berufe ich Frau Steinruck und Herrn Dr. Gebhart. Letzterer führt die Rednerliste.

Die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Meine Damen und Herren, gibt es zur Tagesordnung von Ihnen Wünsche oder Hinweise? – Ich darf darauf hinweisen, die beiden Tagesordnungspunkte sollen gemeinsam aufgerufen und beraten werden. Die Grundredezeit für die Fraktionen beträgt 45 Minuten.

Es wird dann vorgeschlagen werden, die Gesetzentwürfe an den Haushalts- und Finanzausschuss zu überweisen.

Ich rufe die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung gemeinsam auf:

Landesgesetz zur Änderung des Landeshaushaltsgesetzes 2009/2010 (Nachtragshaushaltsgesetz 2009/2010) Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 15/3113 – Erste Beratung

Landesgesetz zur Änderung der Gemeindeordnung und des Landesfinanzausgleichsgesetzes Gesetzentwurf der Fraktion der SPD – Drucksache 15/3124 – Erste Beratung

Das Wort hat Herr Staatsminister Professor Dr. Deubel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Seit der Verabschiedung des Doppelhaushaltes 2009 und 2010 sind gerade drei Monate vergangen. Dass wir Ihnen heute bereits einen Nachtrag vorlegen – im Übrigen den ersten Nachtrag seit 2003 –, zeigt die ganze Dramatik der Entwicklung auf den Finanz- und Realmärkten der vergangenen Monate.

Schon im Oktober war die Lage auf den Finanzmärkten besorgniserregend. Insolvenzen und Übernahmen im Bankensystem führten zu einem massiven Vertrauensverlust der Banken untereinander mit der Folge, dass noch im Oktober ein Maßnahmenpaket zur Stabilisierung der Finanzmärkte notwendig wurde.

Inzwischen ist die Krise auch in der Realwirtschaft offenkundig. Ab Oktober des letzten Jahres brachen nach

fünf Jahren stetiger Aufwärtsentwicklung die Auftragseingänge und kurz danach die Produktion in der deutschen Industrie massiv ein.

Rechnete die Bundesregierung ursprünglich mit einem Wirtschaftswachstum von 1,2 % in 2009, so geht sie in ihrem im Januar veröffentlichten Jahreswirtschaftsbericht 2009 bereits von einem Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts von 2,25 % aus. Deutschland sieht sich damit einer Rezession gegenüber. Dabei ist zu vergegenwärtigen, dass wir uns noch im Frühjahr 2008 in der Spätphase eines konjunkturellen Booms befanden.

Die Brisanz der gegenwärtigen Entwicklung besteht darin, dass sowohl auf den Finanzmärkten als auch den Realmärkten ein Prozess der sich selbst verstärkenden Abwärtsentwicklung verhindert werden muss. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass sich Finanz- und Konjunkturkrise zusätzlich gegenseitig intensivieren.

In dieser Situation ist aktives Handeln des Staates gefordert. Nur durch eine schnelle Erhöhung der staatlichen Nachfrage und eine zielgerichtete Stärkung der privaten Nachfrage lässt sich eine Abwärtsspirale verhindern.

Noch vor einem Jahr war es schwierig, in Deutschland einen renommierten Ökonomen zu finden, der eine aktive Konjunkturpolitik des Staates grundsätzlich befürwortete. Heute werden Sie keinen Ökonomen mehr finden, der ernsthaft die Notwendigkeit staatlicher Konjunkturstützung anzweifelt.

Als Land haben wir bereits im verabschiedeten Doppelhaushalt erste stabilisierende Maßnahmen eingeleitet. Der Bürgschaftsrahmen wurde von 400 Millionen Euro auf 800 Millionen Euro im Jahr aufgestockt, um den Betrieben zu helfen, die durch die Konjunktur- und Finanzkrise unverschuldet in Liquiditätsprobleme geraten sind.

Daneben wurden das Bürgschaftsverfahren beschleunigt, eine Koordinierungsstelle zur Soforthilfe im Wirtschaftsministerium eingerichtet und eine regionale sowie unternehmenskonzentrierte Beschäftigungsförderung auf den Weg gebracht.

Bereits in der Einbringungsrede zum Doppelhaushalt habe ich deutlich gemacht, dass wir im Falle eines konjunkturellen Steuereinnahmeneinbruchs die Talfahrt nicht durch die Streichung öffentlicher Aufträge beschleunigen werden. Die geplanten Investitionen des Landes im Doppelhaushalt 2009 und 2010 werden vollständig durchgeführt, obwohl sich die Steuereinnahmen des Landes aufgrund des konjunkturellen Einbruchs deutlich schlechter entwickeln werden als erwartet. Im nun vorgelegten Nachtragsentwurf führt dies dazu, dass für 2009 und 2010 aufgrund der Steuerausfälle eine höhere Neuverschuldung in Kauf zu nehmen ist.

(Schreiner, CDU: Eine halbe Milliarde Euro!)

Darüber hinaus besteht die Notwendigkeit, durch zusätzliche staatliche Nachfrage die konjunkturelle Abwärtsbewegung zu bremsen. Hierbei müssen Bund, Länder

und Kommunen eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten. Der Bund ist in der Pflicht, da aktive Konjunkturpolitik seine Aufgabe ist. Länder und Kommunen sind als Hauptträger öffentlicher Infrastruktur in der Pflicht, das Bundesprogramm schnell und wirksam umzusetzen.

Der Bundesrat hat am 20. Februar 2009, also vor einer Woche, mit breiter Mehrheit das Konjunkturpaket II über 50 Milliarden Euro beschlossen. Der sogenannte Pakt für Wirtschaft und Beschäftigung umfasst Steuererleichterungen, niedrigere Krankenversicherungsbeiträge sowie Hilfen für Unternehmen und Familien.

Daneben enthält er ein umfangreiches Investitionsprogramm im Gesamtvolumen von 14 Milliarden Euro. Davon sind 4 Milliarden Euro für Investitionen des Bundes und 10 Milliarden Euro für zusätzliche Investitionen der Länder und Kommunen vorgesehen. Auf RheinlandPfalz entfallen von den Finanzhilfen des Bundes 468,8 Millionen Euro. Ergänzend stellen Land und Kommunen in Rheinland-Pfalz Kofinanzierungsanteile über 156,3 Millionen Euro bereit. Das gesamte Investitionsvolumen in Höhe von 625,1 Millionen Euro wird in dem neu aufgelegten Sonderprogramm des Landes Rheinland-Pfalz „Für unser Land: Arbeitsplätze sichern – Unternehmen unterstützen – nachhaltig investieren“ gebündelt.

Im Rahmen des Konjunkturprogramms werden Investitionen gefördert, die zwischen dem 27. Januar 2009 und dem 31. Dezember 2010 begonnen und bis zum 31. Dezember 2011 beendet werden. 50 % der Mittel sollen möglichst schon im laufenden Jahr abgerufen werden, um die gewünschten konjunkturellen Auswirkungen zu erzielen.

Gemäß Zukunftsinvestitionsgesetz dienen 65 % des Sonderprogramms, also 406,3 Millionen Euro, der nachhaltigen Förderung der Bildungsinfrastruktur. In Rheinland-Pfalz setzen wir den Schwerpunkt auf die Schulinfrastruktur. Wir fördern mit 100 Millionen Euro den Schulbau und mit rund 150 Millionen Euro die Schulsanierung, insbesondere die energetische Sanierung. Zusätzlich werden die Hochschulen und sonstigen Forschungsinstitute mit rund 110 Millionen Euro gefördert. Für die Sanierung von Kindertagesstätten wird im Rahmen des Konjunkturpakets ein eigenes Förderprogramm über 25 Millionen Euro aufgelegt. Mit diesen Maßnahmen unterstützt das Sonderprogramm gezielt den zukunftsgerichteten Ausbau der Bildungsinfrastruktur in RheinlandPfalz.

35 % des Sonderprogramms und damit 218,8 Millionen Euro stehen für den Bereich sonstige Infrastruktur zur Verfügung. Die kommunale Infrastruktur wird neben den zuvor genannten Investitionen für Schulen und Kindertagesstätten mit 78,5 Millionen Euro gefördert. Dadurch können Projekte der Stadtentwicklung, die nachhaltige Gestaltung der Ortskerne und dringend notwendige Investitionen im Sportstättenbau realisiert werden.

Mit einem Investitionsvolumen von 82,5 Millionen Euro stellen der Krankenhausbau und die Verbesserung der Krankenhauseinrichtung einen weiteren Schwerpunkt im Bereich Infrastruktur dar.

20 Millionen Euro sind für kommunale Infrastrukturinvestitionen im Bereich der Energieeffizienz und der Energieversorgung einschließlich erneuerbarer Energien vorgesehen. Die Breitbandversorgung im ländlichen Raum wird mit dem Leerrohrprogramm im Umfang von 6 Millionen Euro ausgebaut.

In Rheinland-Pfalz wird der überwiegende Teil der vorgesehenen Projekte über bestehende und bekannte Förderwege und -instrumente abgewickelt werden. Damit kann eine – gerade aus konjunkturpolitischer Sicht enorm wichtige – schnelle Projektprüfung und Bereitstellung der Mittel sichergestellt werden.

Über beide Investitionsschwerpunkte hinweg werden über 76 % des rheinland-pfälzischen Konjunkturpakets zur Finanzierung kommunalbezogener Investitionen eingesetzt.

(Beifall der SPD)

Damit übertrifft Rheinland-Pfalz die gesetzlichen Vorgaben der Verwaltungsvereinbarung zur Durchführung des Investitionsgesetzes deutlich.

In einem Rundschreiben unter der Federführung des Innenministeriums wurden die Kommunen bereits über die Umsetzung des zweiten Konjunkturprogramms in Rheinland-Pfalz informiert. Projektanträge sollten bis zum 20. März 2009 – Ausnahmen sind dem Rundschreiben zu entnehmen – den Aufsichtsbehörden vorgelegt werden. Bei der Auswahl der Projekte wird auf eine regional ausgewogene Verteilung der Mittel geachtet. Beispielsweise sind die Fördermittel für die neuen Aufgabenbereiche „Kindertagesstätten- und Schulsanierung“ in Rheinland-Pfalz nach Schlüsselzahlen – Schulkinder und Betreuungsplätze in Kindertagesstätten – zu verteilen, was ungefähr der Einwohnerverteilung entspricht. Bei allen Projekten wird jedoch vorab geprüft, ob die Bundesvorgaben erfüllt werden, um Rückforderungen zu vermeiden. Daneben werden wir die Investitionen bevorzugen, von denen höhere Konjunktureffekte zu erwarten sind und bei denen dringender Handlungsbedarf besteht. Bei der Projektvergabe wird es kein Windhundverfahren nach dem Motto geben: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“.

(Schreiner, CDU: Nein, es geht nach Parteinähe! – Zurufe von der SPD: Oh! – Schreiner, CDU: Im pflichtgemäßen Ermessen, Herr Minister! – Weitere Zurufe von der SPD – Ramsauer, SPD: Wann bekommen Sie einmal Format? – Zurufe von der CDU)

Wenn Sie Ihre Gespräche beendet haben, kann ich weitermachen.

Die Landesregierung wird bis Mitte Mai eine erste Förderliste mit Informationen über die geplanten Investitionen erstellen und dem Bund über die rheinlandpfälzischen Projekte berichten. Das Land wird in enger Zusammenarbeit mit den Kommunen das Investitionsprogramm effektiv umsetzen.

Die Möglichkeit, sich an dem Sonderprogramm zu beteiligen, wird allen Kommunen dadurch gewährleistet, dass finanzschwächere Gemeinden und Gemeindeverbände wie bei den traditionellen Förderprogrammen mit einem erhöhten Fördersatz bezuschusst werden. Daneben erhalten alle Kommunen auf Antrag eine zinslose Vorfinanzierung der kommunalen Eigenanteile im Rahmen des Sonderprogramms. Hierdurch entlasten wir finanzschwache Kommunen und ermöglichen eine schnelle Umsetzung zusätzlicher Investitionen.

(Beifall der SPD)

Zudem erübrigt sich die Aufstellung eines Nachtragshaushalts.

Die zinslosen Darlehen werden die Kommunen erst in den Jahren 2012 bis 2015 in vier gleichen Jahresraten tilgen müssen. Mit Hilfe des dargelegten Sonderprogramms können wichtige Zukunfts- und Bildungsinvestitionen in Rheinland-Pfalz früher umgesetzt und die Infrastruktur des Landes modernisiert werden. Die zusätzlichen öffentlichen Aufträge werden die rheinlandpfälzische Wirtschaft stärken und somit zur Sicherung der Arbeitsplätze im Land beitragen.

(Beifall der SPD)

Meine Damen und Herren, die Finanzierung des zweiten Konjunkturprogramms sowie die erwarteten Ausfälle bei den Steuereinnahmen machen jedoch Korrekturen im Doppelhaushalt 2009/2010 notwendig. Daher legt die Landesregierung dem Parlament einen Nachtragsentwurf zum Doppelhaushalt 2009/2010 zur Beratung und Entscheidung vor. Die Absenkung der Steuereinnahmenansätze basiert auf der vom Bundesfinanzministerium vollzogenen Anpassung der Steuerschätzung vom November letzten Jahres, die der Bund im Zuge seines eigenen Nachtragshaushaltes für 2009 vornahm. Darin sind neben der konjunkturbedingten Neubewertung der zu erwartenden Steuereinnahmen die Auswirkungen der seit November verabschiedeten neuen Steuergesetze und die erwarteten Steuermindereinnahmen aufgrund der Wiedereinführung der Pendlerpauschale enthalten. Zusätzlich waren die steuerlichen Auswirkungen des Konjunkturpakets II und die Absetzbarkeit von Krankenversicherungsbeiträgen in der Einkommensteuer ab 2010 zu berücksichtigen.

Die für 2009 erwarteten Steuereinnahmen werden um 280 Millionen Euro unter denen des letzten Jahres liegen. Für 2010 wird mit einer Stagnation der Steuereinnahmen gerechnet. Insgesamt werden sich die Steuereinnahmenansätze um über 1,2 Milliarden Euro verringern.

Der zweite Block an Veränderungen für 2009 und 2010 betrifft die Finanzierungsströme des Investitionsprogramms. Die Ansätze für Einnahmen aus Zuweisungen für Investitionen und besondere Finanzierungseinnahmen werden in den Jahren 2009 und 2010 um jeweils 312,5 Millionen Euro ausgeweitet, zusammengenommen also um 625 Millionen Euro. Darin sind die für Rheinland-Pfalz vorgesehenen Bundesmittel in Höhe von insgesamt 468,8 Millionen Euro enthalten. Die Landesmittel, die 156,3 Millionen Euro betragen, werden aus

der im Vorjahr mit Steuermehreinnahmen gebildeten Konjunkturausgleichsrücklage finanziert.

(Schreiner, CDU: Mit Kreditermächtigungen!)

Die Diskussion ist anschließend zu führen! Wenn wir die Arbeitsteilung beachten könnten, wäre ich Ihnen dankbar. Ich trage vor, Sie können anschließend darüber diskutieren. Das ist vielleicht einfacher.