Protocol of the Session on November 13, 2008

Ja, es ist aber so. Es gehört zur Wahrheit dazu, dass man das hier sagt. Nichten und Neffen sowie Geschwister werden höhere Steuern zahlen.

Kommen wir dann zu den Mittelständlern, den Unternehmen, insbesondere nicht in Form von Kapitalgesellschaften, sondern Personengesellschaften. Natürlich ist es für sie erschwert. Sie werden sagen, wir haben doch ein Modell vorgestellt, nach dem dann, wenn sie zehn Jahre die Lohnsumme halten, gar keine Erbschaftsteuer fällig wird. Man muss aber sehen, dass das nur gilt, wenn das Verwaltungsvermögen höchstens 10 % beträgt. Das erfüllt kaum jemand.

(Beifall der FDP und vereinzelt bei der CDU – Creutzmann, FDP: So ist es!)

Das ist überhaupt nicht zu erfüllen. Das heißt, diese gesetzliche Regelung ist zu einem großen Teil reines Gesetzes-Placebo. Mehr ist das nicht. Nur, damit Sie sagen können, wir haben doch ein Modell geschaffen, bei dem gar keine Erbschaftsteuer gezahlt wird.

Die Wirklichkeit sieht so aus, dass die meisten Unternehmen mehr als 10 % Verwaltungsvermögen haben, dies aus ganz unterschiedlichen Ursachen, sodass, wenn überhaupt, nur das andere Modell zum Greifen kommen wird. Das andere Modell sieht die Möglichkeit vor – das ist etwas, was ich durchaus für richtig halte –, bis zu 50 % Verwaltungsvermögen darin zu haben. Dann fällt aber auf jeden Fall Erbschaftsteuer an. Das steht schon einmal fest.

Für sieben Jahre müssen sie auch die Lohnsumme halten. Diese müssen sie jedes Jahr neu ermitteln und an das Finanzamt weiterleiten. Das erzeugt Bürokratie auf der Seite des Unternehmens und Bürokratie auch auf der Seite der Finanzverwaltung, weil es immer wieder überprüft werden muss.

(Beifall der FDP)

Ob das der Weisheit letzter Schluss ist, um die Unternehmensnachfolge zu erleichtern, wage ich zu bezweifeln. Bei einer Unternehmensnachfolge zu Lebzeiten von Vater auf Sohn wissen wir beide, Herr Staatsminister, dass dann Schenkungsteuer anfällt, die deckungsgleich

ist mit der Erbschaftsteuer. Es gibt aber eine gesamtschuldnerische Haftung. Diese gesamtschuldnerische Haftung muss den übertragenden Teil sehr nachdenklich stimmen.

Es kann doch sein, wenn die Sache schlecht läuft, dass er nach drei Jahren plötzlich zur Schenkungsteuer herangezogen wird, obwohl er etwas sehr Vernünftiges getan hat, nämlich schon zu Lebzeiten zu übertragen.

(Beifall der FDP)

Ich habe es bisher nicht in der Gänze nachvollziehen können, was jetzt im Entwurf steht. Aber es würde mich interessieren, ob an der Stelle an der gesamtschuldnerischen Haftung etwas geändert wird. Sonst erschweren Sie Unternehmensnachfolgen.

Herr Staatsminister, ich möchte ein Weiteres an dieser Stelle nennen. Es wird in diesem Zusammenhang immer wieder in den Raum gestellt, es kann nicht sein, dass jemand ein großes Unternehmen erbt, veräußert, dann Kasse macht und der Staat nichts davon hat. Das ist so nicht zutreffend. Wer ein Unternehmen erbt und erkennt, dass er selbst nicht geeignet ist, es fortzuführen, und es dann veräußert, muss selbstverständlich Veräußerungserlöse versteuern. Das ist doch ohne Zweifel so.

(Beifall der FDP – Glocke des Präsidenten)

Es ist keineswegs so, dass der Staat in einem solchen Fall keine Steuern einnehmen würde. Auch das erschwert Unternehmensnachfolgen, weil jemand, der erkennt, dass er eigentlich nicht geeignet ist, den Betrieb fortzuführen, sich dann zweimal überlegt, ob er das annimmt, veräußert und dann noch auf diese Veräußerungserlöse Steuern und Erbschaftsteuer zahlt. Er wird den Unternehmensteil unter Umständen fortführen und dann entsprechende Nachteile für das Unternehmen in Kauf nehmen.

(Beifall der FDP – Pörksen, SPD: Er zahlt keine Erbschaftsteuer!)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Staatsminister Prof. Dr. Deubel das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dass dies ein Kompromiss in einer Großen Koalition ist, habe ich hier schon mehrfach dargestellt.

(Dr. Rosenbauer, CDU: Sonst wäre es ja noch schlimmer!)

Wenn es nach mir und nicht nur nach mir, sondern auch nach einigen weiteren vernünftigen Kollegen aus den Ländern gegangen wäre, z. B. meinem früheren Kollegen aus Baden-Württemberg, Herrn Stratthaus, dann hätten wir nicht dieses Modell, sondern dann hätten wir

ein Modell, das etwa dem entspricht, was der Sachverständigenrat fordert, nämlich für alle gleich,

(Creutzmann, FDP: Sehr gut!)

mit Stundungsmöglichkeiten in den Fällen, wenn keine Liquidität vererbt wird. Das hatten wir vorgeschlagen. Das wäre auch bei den Ländern – bis auf Bayern – konsensfähig gewesen. Aber die Wirtschaftsverbände haben bei der Kanzlerin interveniert. Die Kanzlerin hat dann den Wirtschaftsverbänden zugesagt: Nein, wir machen genau das, was im Koalitionsvertrag steht, d. h. also, eine weitgehende Freistellung von Unternehmenserben von der Erbschaftsteuer. Das ist jetzt auch das, was als Kompromiss letztendlich vorliegt. Um es klar zu sagen, aus meiner Sicht ist es eine zweitbeste Lösung. Ich hätte mir etwas Besseres vorstellen können.

(Beifall des Abg. Creutzmann, FDP)

Aber in einer Koalition muss man sich einigen. Von daher ist auf der Basis des Koalitionsvertrages das Modell entwickelt worden, wobei man sagen muss, das, was jetzt schlussendlich vereinbart worden ist, hätte man auch im März/April dieses Jahres vereinbaren können. Aber die Vertreter Bayerns haben in den entsprechenden Gesprächen erklärt, sie stimmen dabei überhaupt nicht mehr zu, und haben ultimativ verlangt, dass es keine Verhandlungen vor der bayerischen Landtagswahl geben darf.

Da die CDU in Berlin, früher schon in Bonn, einen Vertrag mit der CSU geschlossen hat, dass man nur gemeinsam stimmt, konnte die CSU die CDU daran hindern, letztendlich frühzeitig vernünftige Vorschläge mit der SPD zu vereinbaren, sodass die Verhandlungen nach einer Pause von einem halben Jahr erst nach der bayerischen Landtagswahl wieder aufgenommen werden konnten. Das, was jetzt als Ergebnis vorliegt, ist, wie gesagt, weitgehend das, was bereits Gegenstand der Gespräche im April dieses Jahres war, dies mit einer Ausnahme, nämlich der doppelten Privilegierung beim Vererben von Immobilien im engsten Familienkreis, indem die Werte der Immobilien nicht mehr auf den persönlichen Freibetrag angerechnet werden. Ich sage ganz deutlich, dies halte ich persönlich auch nicht für vertretbar. Dies ist in der allerletzten Runde im Koalitionsausschuss so entschieden worden, was natürlich zu einer starken Ungleichbehandlung von Erben führt, die zusätzlich ein selbst genutztes Haus erben, und denen, die das eben nicht erben, oder eines erben, das nicht selbst genutzt wird.

Was die Unternehmen angeht, so ist das, was Herr Schleyer gesagt hat, absolut zutreffend. Für kleinere Unternehmen ist die Erbschaftsteuer in jedem Fall null, dies bis zu einem Wert von 3,7 Millionen Euro. Darüber kann sie maximal im Extremfall 35 % eines Jahresgewinns bedeuten. 35 % eines Jahresgewinns ist also die höchstmögliche Erbschaftsteuer bei Vermögen, die jenseits von 200 Millionen Euro liegen. Darunter fällt die Steuer für Unternehmenserben in jedem Fall geringer aus.

Herr Mertin, da gebe ich Ihnen völlig recht, ich rede über das wahrscheinliche Standardmodell, nämlich sieben

Jahre das Unternehmen weiterführen mit 650 % Gesamtlohnsumme über sieben Jahre hinweg. Es wird nicht jedes Jahr geprüft, sondern es wird nach sieben Jahren zusammengezählt.

(Zuruf des Abg. Creutzmann, FDP)

Diese 650% werden nicht indexiert, d. h., dass ein Unternehmen sehr viel Flexibilität hat, auch im Bereich der Fortführung von Arbeitsplätzen.

Was vielleicht noch viel wichtiger ist, der Unternehmer hat jede Freiheit, sein Unternehmen in der Zeit umzugestalten. Er kann es verkaufen, ein neues kaufen oder Teile verkaufen. Entscheidend ist, dass kein Vermögen von dem ererbten Vermögen in das Privatvermögen übernommen wird. Die jährlichen Gewinne können natürlich entnommen werden.

Damit ist die große Sorge der Wirtschaft, dass die einmal vorhandene Struktur auf Jahre hinaus festgeschrieben wird, vollständig beseitigt. Es gibt aus dem Erbschaftsteuerrecht praktisch keine Hemmnisse mehr für diejenigen, die das Unternehmen wirklich weiterführen.

Eine ganz andere Frage ist, wenn das Unternehmen verkauft wird. Dann ist es eindeutig so, dass ein erheblicher Zuwachs an Leistungsfähigkeit stattfindet. Unser Steuersystem baut auf Leistungsfähigkeit auf; denn diejenigen, die erben, haben selbst keinerlei Leistung erbracht, außer dass sie entweder die Verwandten sind, die das Erbe bekommen haben, oder Dritte, die das Erbe erhalten haben.

Was den engsten Familienkreis angeht, kann man sagen, dass im Regelfall das Erbe mit einem Freibetrag von 400.000 Euro steuerfrei bleibt. Wenn ein Haus mit bis zu 200 Quadratmetern geerbt wird, bleibt es auch steuerfrei, wenn es zehn Jahre selbst genutzt wird, dann und nur dann.

Bei Ehepaaren ist das umgesetzt worden, was bereits im Schenkungsrecht gilt, dass nämlich unter Ehepaaren das Verschenken von selbstgenutzten Wohnungen steuerfrei möglich ist. Das ist jetzt auch in das Erbrecht umgesetzt worden. Das ist an und für sich nichts Neues, ist auch schon im März und April dieses Jahres diskutiert worden.

Von daher haben wir insgesamt eine ziemlich gute Lösung, die, wie gesagt, den einen Schönheitsfehler hat, der aber als nicht so gravierend anzusehen ist.

Herr Mertin, an einer Stelle möchte ich doch ein wenig korrigieren. Sie haben gesagt, wenn das Erbe veräußert werde, seien entsprechend Steuern zu bezahlen. Das ist natürlich nicht so. Diese sind nur zu bezahlen, wenn ein Veräußerungsgewinn entsteht.

(Creutzmann, FDP: Das ist so!)

Ich will es nur noch einmal präzisieren. Die Bewertung, die beim Erbe zugrunde gelegt wird, ist die Bewertung nach dem Ertragswert, d. h., sämtliche stillen Reserven werden bei der Bewertung bereits gehoben, sodass, wenn anschließend verkauft wird, eben keine zusätzli

che Gewinnsteuer entsteht, sondern schlicht und ergreifend nur die Erbschaftsteuer. So ist die Bewertung geregelt.

(Creutzmann, FDP: Wurde aber vorher doppelt besteuert! – Ramsauer, SPD: Vorher!)

Eine Doppelbesteuerung gibt es auch nicht, weil auch hierfür eine Regelung mit Anrechnungsverfahren gefunden worden ist, sodass das ganze Thema „Doppelbesteuerung“, das unheimlich hochgeputscht worden ist, auch keines ist.

(Creutzmann, FDP: Sehr gut!)

Deswegen ist es so, dass Unternehmensverbände, die sich ernsthaft mit der Erbschaftsteuerreform beschäftigen, des Lobes voll sind. Nur diejenigen, die enttäuscht sind, dass die Erbschaftsteuer nicht komplett weggefallen ist, haben an dem einen oder anderen noch etwas herumzukritteln.

(Frau Schmitt, SPD: Wie die CDU-Fraktion!)

Ich will übrigens noch einen Hinweis geben, weil das auch noch nicht ganz durchgedrungen ist: Auch bei Immobilienunternehmen im Bereich Wohnungsvermietung – wenn sie kaufmännisch geführt sind, also nicht Vermögensverwaltung bedeuten, sondern wirklich wie ein Unternehmen geführt werden – gelten die gleichen Regeln wie für die Unternehmensvererbung. Wir haben schlussendlich also die Situation, dass Vermögensverwaltung voll besteuert wird, aber unternehmerische Tätigkeit, auch in der Form der Wohnungsvermietung, den Privilegien unterliegt, die, wie gesagt, im Regelfall dazu führen, dass maximal 15 % des Vermögens der Erbschaftsteuer zugeführt werden. Damit können praktisch alle leben.

In dem Fall – Sie haben es angesprochen, bei Personenunternehmen –, dass das Verwaltungsvermögen größer als 50 % ist, tut es mir leid: Wenn das ererbte Vermögen überwiegend gar nicht betriebsnotwendig ist, sondern privates Vermögen ist, dann kann es natürlich nicht sein, dass trotzdem das gesamte Vermögen privilegiert wird. Von daher musste diese Grenze von 50 % gezogen werden. Mir wäre es lieber gewesen, sie wäre noch ein bisschen niedriger gewesen, weil die Möglichkeit, privates Vermögen erbschaftsteuerarm – ich will es einmal so ausdrücken – zu ererben, doch sehr stark ausgeprägt ist.

Insgesamt ist dies eine vernünftige Regelung. Das einzige, was im Moment ein bisschen lustig ist, ist, dass offensichtlich die bayerische Staatsregierung oder besser gesagt die CSU nicht kapiert hatte, dass sie nicht mehr alleine regiert. Deshalb kommt sie jetzt in diese merkwürdige Situation, dass sie auf der Bundesebene zustimmt und sich auf der Länderebene so verhalten wird – nehme ich einmal an –, wie drei andere Bundesländer das schon seit Langem gelernt haben und wie wir es in Rheinland-Pfalz auch viele Jahre erlebt haben, dass die SPD auf der Bundesebene zugestimmt und im Bundesrat erklärt hat, dass sie nicht zustimmt. Das nennt man dann Enthaltung.

Das wird in Bayern auch noch gelernt werden.

(Creutzmann, FDP: Das ist auch gut so!)