Wenn man überhaupt etwas an diesen Vorschlägen kritisieren kann, dann muss man kritisieren, dass es erst jetzt kommt und nicht ausreicht. Es kann nur ein Einstieg sein in das, was wir Liberale Bürgergesellschaft nennen, ein Einstieg, Sozialstaatlichkeit mit bürgerlichem freiwilligen Engagement und mit ehrenamtlicher Tätigkeit zu verknüpfen. Ohne diesen Einstieg werden wir es nicht
schaffen, und ohne einen Ausbau werden wir es auch nicht schaffen. Wir haben von Rheinland-Pfalz aus in diesem Zusammenhang eine Idee eingebracht, die ich ihrer Aufmerksamkeit empfehle. Das nennt sich Pflegenetzwerke auf Gegenseitigkeit; denn das, was wir jetzt organisieren, muss man ganz dringend zusätzlich mit einer Dauermotivation für feiwilliges Engagement verknüpfen. Diese Dauermotivation sollte sich von der normalen Erwerbsarbeit abgrenzen.
Was die strategische Richtung angeht, muss sie so aussehen, dass derjenige, der freiwillig soziale Leistungen innerhalb oder außerhalb der Familie erbringt – sowohl innerhalb als auch außerhalb, von der Kindererziehung bis zur Betreuung von Verwandten, Bekannten oder auch anderer Menschen, die man vorher gar nicht kennt –, diese Person also auch davon profitieren wird, wenn sie selbst Hilfe braucht. Wir müssen uns davon lösen, das alles über steuerfinanzierte oder umlagefinanzierte Systeme zu lösen, weil wir das gar nicht schaffen können.
Meine Damen und Herren, die Reflexe, die wir in diesem Zusammenhang erlebt haben, tun mir regelrecht weh.
Das ist wirklich die deutsche Krankheit: für jede Lösung fünf Probleme. – Ich habe das Gefühl, wir werden irgendwann Kartoffeln schälen nur noch unter Sicherheitsaspekten mit Vollvisierhelm zulassen. Das ist ein Irrweg. Auch den gilt es zu geißeln.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Meldung ist knapp zwei Wochen alt. Die Bundesanstalt für Arbeit plant ein Förderprogramm zum Einsatz von Langzeitarbeitslosen bei der Betreuung Demenzkranker in Pflegeheimen. Man hat den Eindruck, dass mancher von dieser Meldung auf dem falschen Fuß erwischt wurde. Das gilt vor allem für die Fachleute, die sich seit Jahren mit der Versorgung demenziell erkrankter alter Menschen intensiv beschäftigen und die ebenso lange Verbesserungen in dieser Versorgung einklagen. Die Kritik reichte von „zynischer Behördenaktionismus“ bis hin zu „von Pflege und Menschlichkeit keine Ahnung“.
Auf der anderen Seite hat die Politik das überschwänglich begrüßt. Frau Merkel hat gesagt: innovativer Ansatz, ein großartiges Projekt. – Ich glaube, die Wahrheit liegt dazwischen. Es ist ein guter Ansatz, den wir aber vernünftig gestalten müssen. Meine eigene Reaktion war zunächst einmal, Verständnis für die kritischen Rückmeldungen zu haben; denn seit Mitte der 80er-Jahre beschäftige ich mich damit. Wir haben damals ein eige
nes Kursangebot mit etwa 400 Stunden über ein Jahr verteilt für ausgebildete Altenpflegerinnen und Altenpfleger angeboten. Da ging es aber vor allem auch um die Steuerung von Pflegeprozessen. Heute ist es selbstverständlicher Inhalt auch der Ausbildung in der Pflege, dass man sich mit dem Phänomen der Demenz auseinandersetzt.
Es lohnt sich also, genauer hinzuschauen. Der Hintergrund steckt in der Pflegereform. Seit Juli dieses Jahres besteht für Heime ein Anspruch auf einen Betreuungsassistenten für Demenzkranke in den Pflegeeinrichtungen für jeweils 25 Demenzkranke. Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und damit auch mit der Bundesanstalt für Arbeit, hat das Bundesministerium für Gesundheit ein gemeinsames Projekt „Aus- und Weiterbildung von Langzeitarbeitslosen beziehungsweise von Arbeitslosen und Arbeitsuchenden zur Betreuung von Demenzkranken“ entwickelt.
Ich weise darauf hin, dass bereits seit 2004 zusätzliche Arbeitsgelegenheiten – im Volksmund Ein-Euro-Jobs – für Arbeitslosengeld-II-Bezieher auch in Heimen mit durchaus guten Erfahrungen, allerdings mehr im Küchen- und Versorgungsbereich, bestehen.
Zurzeit gibt es etwa 35 000 Arbeitsuchende und Arbeitslose aus diesem Berufsumfeld bei etwa 10 000 offenen Stellen. Es scheint offenbar nicht zu funktionieren, das miteinander zusammenzubringen. Das Verfahren dieses Förderprogramms heißt, dass für jeweils 25 demenziell erkrankte Bewohnerinnern und Bewohner eine pauschale Förderung einer zusätzlichen Stelle kommen soll oder kommt.
Nun gibt es noch keine genauen Zahlen, aber aus dem, was im Raum steht, kann man schließen, dass bei etwa 200 Millionen Euro, die im Jahr vom Ministerium angesetzt werden, etwa 10 000 Stellen gefördert werden sollen. Das ergibt – ich traue mich, hier ein bisschen zu rechnen, auch wenn das nicht immer mit guten Erfahrungen zusammenhängt –, dass es etwa 20 000 Euro im Jahr, und damit etwa 1.660 Euro im Monat, für die Heime für die Personalkosten geben kann oder geben wird.
Damit erreichen die Menschen – das muss man auch rechnen –, die diese Jobs bekommen, etwa ein Einkommen, das knapp im Bereich des von uns geforderten Mindestlohns liegt und bei etwa 1.250 bis 1.270 Euro im Monat liegen könnte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit die Dimension deutlich wird: Dies bedeutet – Herr Schmitz hat es eben schon gesagt – einen Einstieg; denn es sind pro Dementen etwa 1,5 Stunden in der Woche, was an zusätzlicher Betreuungszeit entsteht. Wie gesagt, die Spitzenverbände der Pflegekassen haben sich noch nicht genau entschieden. Aber dahin wird es in etwa laufen.
Es gibt Anforderungen, die wir für sehr wichtig halten, dass nämlich mehrere Praktika, etwa 160 Stunden Schulung, davon 100 Theoriestunden, und jährlich zwei Tage Fortbildung geleistet werden müssen. Das ist der derzeitige Stand.
Die persönlichen Anforderungen sind mindestens genauso wichtig, Empathiefähigkeit, soziale Kompetenz, positive Haltung gegenüber Kranken, Behinderten und alten Menschen, überhaupt gegenüber Menschen in dieser Gesellschaft. Ich glaube, wir müssen uns gegen die Diskriminierung von sogenannten Langzeitarbeitslosen wehren. Warum sollen Menschen, die – aus welchen Gründen auch immer – längere Zeit keine Arbeit finden, nicht in der Lage sein, so etwas zu leisten?
Als Zielgruppe sind ehemalige Pflegekräfte, frühere Zivis, ehrenamtliche Helfer mit Pflegeerfahrung genannt. Der Einsatz von Arbeitslosen ist nicht ausgeschlossen, heißt es zunächst. Ich gehe davon aus, dass diese Jobs eine Zukunft haben, und werde im zweiten Teil noch einmal etwas zu der Einschätzung der SPD-Fraktion zu diesem Vorschlag sagen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben tagelang eine große Aufgeregtheit erlebt. Man fragt sich, ob wir nicht mehr in der Lage sind, Chancen zu bewerten. Freuen wir uns doch, dass die Bundesregierung nahezu einer Million an Demenz erkrankten Pflegebedürftigen neue Perspektiven für ihre Situation eröffnet.
Freuen wir uns doch, dass mit dem Pflegeweiterentwicklungsgesetz neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Ist es nicht eine gute Idee, diese beiden Chancen zu kombinieren? Arbeitslose und Demenzkranke profitieren gleichermaßen. Es soll niemand ersetzt werden. Es soll keine Fachkraft durch eine Hilfskraft ausgetauscht werden. Die Fachlichkeit bleibt in vollem Umfang erhalten. Zusätzliche Kräfte sorgen für eine deutliche Verbesserung der Situation der Pflegebedürftigen.
Mit dem Vorschlag wird den Pflegeheimen rasch die Möglichkeit gegeben, zusätzliche Hilfskräfte einzustellen. Es ist damit zu rechnen, dass die Heime etwa 10.000 neue Stellen einrichten. Hiermit wird in den Pflegeheimen eine Lücke geschlossen, um Hilfen wie Vorlesen oder Basteln anzubieten, für die das Fachpersonal oft keine Zeit hat.
Da es sich um zusätzliche Stellen handelt, besteht keine Gefahr der Billigpflege. Voraussetzung für den Einsatz im Pflegeheim muss aber sein, dass die Arbeitslosen Interesse an diesem Job haben und dazu nicht gezwungen werden.
Grundsätzlich gibt es unter Arbeitslosen viele Menschen mit sozialer Kompetenz und sozialer Intelligenz. Wer diesen neuen Betreuungsjob in Pflegeheimen ausüben will, muss grundsätzlich eine positive Haltung gegenüber Kranken, Behinderten und älteren Menschen haben. Zudem setzt die neue Tätigkeit kommunikative Fähigkeiten voraus, ebenso wie Einfühlungsvermögen, Beziehungsfähigkeit, Gelassenheit mit verhaltensbedingten Besonderheiten infolge von demenziellen und psychischen Krankheiten und die Fähigkeit zur würdevollen Begleitung und Anleitung von mehreren Menschen mit Demenz.
Ich halte es für selbstverständlich, dass die Arbeitsagenturen und die Pflegeeinrichtungen ein besonderes Interesse haben, dass diese aufgezeigten Kriterien beachtet werden. Obwohl die Tätigkeit unter Anleitung von Fachkräften erfolgt, halte ich einen Vorbereitungskurs von 160 Stunden für zu kurz gegriffen. Neben einem Einführungspraktikum sollte der neuen Tätigkeit ein etwas umfassenderer Einführungs- und Auffrischungskurs vorgeschaltet sein.
Der Einsatz von Arbeitslosen ist zwar nicht die Rettung des Systems, er kann aber helfen, die Situation etwas zu entspannen. Die zusätzlichen Betreuer können eine aktivierende Pflege und Betreuung für Demenzkranke unterstützen. Dazu gehören Gespräche und Spiele, die bislang wegen der Personalsituation häufig zu kurz kommen.
Durch Begleitung oder Beschäftigung kann auch einer latenten Weglauftendenz bei Demenzkranken entgegengewirkt werden. Es gibt viele wertvolle Tätigkeiten, die zusätzlich in den Pflegeeinrichtungen erbracht werden können.
Die Pläne der Bundesregierung sollten nicht schlechtgeredet werden. Vielmehr sollte man jede Chance nutzen, Pflege und Betreuung attraktiver und noch besser zu machen.
Grundsätzlich dürfen keine Arbeitslosen von diesen Tätigkeiten ausgeschlossen werden, wenn sie die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen.
Wenn man aber weiß, dass derzeit etwa 15.000 Erwerbslose, die früher pflegerisch tätig waren, zurück in den Beruf wollen, versteht man die Aufregung und die Herabsetzung der Arbeitslosen nicht.
Den potenziell 10.000 neuen Stellen in Pflegeheimen stehen nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit zurzeit etwa 35.000 Altenpfleger und Altenpflegenhelfer gegenüber, die arbeitslos gemeldet sind. 63.000 Menschen aus diesen Berufen sind derzeit als arbeitsuchend registriert. Diese Zahlen belegen, dass Menschen in diesen Betreuungsjob drängen werden, die bereits Erfahrung mit der Pflege gesammelt haben. Wenn diese Erfahrungen aufgefrischt werden und diese neuen Betreuungskräfte in enger Kooperation und fachlicher
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Herren, meine sehr verehrten Damen! Zunächst einmal freue ich mich sehr über die Diskussion heute in diesem Hause; denn sie setzt ein Kontrazeichen gegen das, was wir in den letzten Wochen erlebt haben. Aus meiner Sicht war es tatsächlich eine teilweise beschämende Debatte, auch was man aus dem Mund von Pflegeverbänden zu vernehmen hatte.
Das Thema „Demenz“ hat eine ganz große Rolle beim Pflegeweiterentwicklungsgesetz gespielt. Es sind aus meiner Sicht einige Dinge erreicht worden, die sehr schön sind. Das ist einmal die Leistungsverbesserung für die Betroffenen selbst, selbst wenn eine Pflegestufe 0 vorliegt. Aber zum Zweiten ist dort auch beschlossen worden, dass es für stationäre Einrichtungen zusätzliches Betreuungspersonal geben soll, und zwar überall dort, wo Dauer- oder Kurzzeitpflegeeinrichtungen zugange sind.
Es ist alles schon im Detail gesagt worden. Für ungefähr 25 demenziell erkrankte Heimbewohner und -bewohnerinnen soll jeweils eine Betreuungskraft zur Verfügung gestellt werden.
Selbstverständlich begrüße ich diese Maßnahme; denn sie wird Entlastung vor Ort bringen, und es wird dazu führen, dass demenziell erkrankte Menschen besser versorgt und unterstützt werden können, als dies in der Vergangenheit der Fall war.
Das Bundesministerium für Gesundheit und das Bundesministerium für Arbeit haben dann überlegt, dass diese neuen Arbeitsplätze auch Möglichkeiten darstellen könnten, damit arbeitslose Menschen wieder einen Eintritt ins Arbeitsleben finden. Aus dieser Idee heraus ist das Qualifizierungsprojekt entstanden. Das war diese Geschichte, und sie ist aus meiner Sicht zu begrüßen.
Es ist schon gesagt worden, dass wir auch unter den arbeitslosen Menschen viele haben, die eine hohe Affinität, eine Nähe zum sozialen Bereich haben. Warum sollte man ihnen nicht die Möglichkeit geben, über eine Betreuungskraft in eine solche Einrichtung zu gelangen,