Protocol of the Session on August 28, 2008

sungsgericht das schon ausgesprochen hat. Gleichwohl halte ich es für sehr wichtig, es schriftlich im Grundgesetz zu verankern, wie wir dies in unserer Landesverfassung getan haben, damit ein Schüler, der in der Schule einen Aufsatz über dieses Thema schreiben muss, es in der Verfassung nachlesen kann und nicht in irgendein Urteil hineinschauen muss, das für ihn nur schwer zugänglich ist.

Von daher hat es alleine eine wichtige deklaratorische Funktion, es in die Verfassung hineinzuschreiben. Ich würde es begrüßen, wenn auf Bundesebene ein entsprechender Schritt unternommen würde, genauso wie wir es in Rheinland-Pfalz in unserer Verfassung 1993 gemacht haben, damit auch für jedermann sichtbar ist: Datenschutz ist ein wichtiges Grundrecht, das geschützt gehört.

(Beifall der FDP)

Für die Landesregierung erteile ich Verbraucherministerin Frau Conrad das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung nimmt natürlich die bekannt gewordenen Vorkommnisse des millionenfachen Datenmissbrauchs sehr ernst. Datenschutz ist in diesem sensiblen Bereich auch ganz wesentlicher Verbraucherschutz.

Es ist auch richtig – Herr Pörksen hat darauf hingewiesen –, dass der Datenschutz in der rheinland-pfälzischen Verfassung verankert ist. Es ist genauso richtig, was Herr Mertin gesagt hat, dass – im Übrigen nicht nur durch das Verfassungsgerichtsurteil – der Datenschutz und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bei uns bereits Grundrechtscharakter besitzen. Deshalb sollten wir uns bei aller unterschiedlichen Auffassung zumindest darauf verständigen. Ob das jetzt nun verbal im Grundgesetz steht oder nicht, helfen tut es für die aktuelle Debatte zunächst einmal gar nichts, weil alles dazu gesagt worden ist, auch vom Verfassungsgericht.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: So ist es!)

Wir werden uns bei allen Vorfällen und bei dem, was wir jetzt diskutieren, vor allen Dingen Gedanken über den privaten Sektor und darüber machen müssen, wie dort mit Daten umgegangen wird; dort sind im Übrigen weit mehr Daten gespeichert als im öffentlichen Bereich.

Gerade auch die neuen Informationstechniken haben nicht nur neue Geschäftsfelder, neue Produkte und Vertriebswege zustande gebracht, sondern sie ermöglichen auch ein Datenmanagement geradezu ungeahnten Ausmaßes.

Wir alle schätzen natürlich auch die Vorteile, die so etwas hat, wissen aber auch, dass solche Technologien

missbrauchsanfällig sind. Deswegen ist gerade auch in Verbindung mit der Anwendung dieser Technologien generell die Herausforderung, Datensicherheit zu gewährleisten, eine große und auch ganz wichtige Aufgabe. Dies liegt auch im Interesse der Wirtschaft und der Unternehmen. Das Vertrauen in den Datenschutz dort, wo im privaten Sektor persönliche Daten gespeichert und benutzt werden, ist auch für das Wirtschaftsgeschehen von existenzieller Bedeutung. Es ist genauso wichtig wie der Punkt, dass man in sichere oder gesunde Lebensmittel oder Produkte vertrauen kann wie auch in geeichte Messinstrumente, wenn ich an eine Zapfsäule gehe. Ich wäre deswegen dankbar, wenn sich die Wirtschaft hier ganz positiv für klare Regelungen aussprechen würde.

Es gibt bereits datenschutzrechtliche Regelungen, das ist richtig. Eigentlich sind auch die jetzigen Vorkommnisse im Wesentlichen illegal. Auch das ist klar. Das muss man an dieser Stelle einfach festhalten.

Dahinter steckt natürlich eine erhebliche kriminelle Energie, bis hin, so muss man es schon sagen, Dreistigkeit, wie z. B. in den Fällen, in denen erschlichene Kontonummern dazu führen, dass man plötzlich Abbuchungen vom Konto hat, obwohl nirgendwo ein Kontakt zu einem persönlich als Kunde jemals aufgebaut worden ist. Diese Dreistigkeit wird momentan offensichtlich. Deswegen müssen wir auch solches Geschäftsgebaren mit berücksichtigen, wenn es um Handlungsstrategien geht.

Der Herr Ministerpräsident hat sich auch auf Bundesebene deutlich dazu geäußert und bereits eine grundlegende Überprüfung datenschutzrechtlicher Bestimmungen verlangt. Der Zeit geschuldet, möchte ich einige Aspekte aus Sicht der Landesregierung darstellen:

1. Die Verbraucher und Verbraucherinnen müssen wissen, wer was zu welchem Zweck speichert oder auch bereits gespeichert hat. Das Scoring, das Herr Mertin angesprochen hat, ist nur ein Beispiel, bei dem das informationelle Selbstbestimmungsrecht auch im Geschäftsgebaren tatsächlich gegenüber Banken und bei Kreditgeschäften umgesetzt werden muss.

2. Die Weitergabe von Daten darf nur mit ausdrücklicher Bewilligung des oder der Betroffenen erfolgen. Auch hier stimme ich dem zu, was Herr Pörksen und Herr Mertin gesagt haben. Das steht aber im Gegensatz zu der heutigen Rechtslage – hier müssen wir tatsächlich handeln –, wonach die Weitergabe von Kundendaten dann bereits legal ist, wenn nicht ausdrücklich widersprochen ist. Das ist im Übrigen die Regel. Untersuchungen haben gezeigt, dass 80 % der Kunden überhaupt nicht von diesem Widerspruchsrecht Gebrauch machen, sodass Daten dann einfach auch gegebenenfalls heute schon weitergegeben werden. Das heißt, die sogenannte Optout-Regelung, so nennt man das, muss durch eine aktive Opt-in-Regelung ersetzt werden. Das ist ein wichtiger Punkt.

3. Der bestehende Straf- und Bußgeldrahmen muss überprüft werden und das Strafmaß unserer Ansicht nach deutlich angehoben werden; denn Verstöße gegen den Datenschutz sind eben keine Kavaliersdelikte. Ma

ximal 250.000 Euro Bußgeld oder Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren haben offensichtlich nicht die abschreckende Wirkung angesichts der Gewinnerwartungen beim Handel auf den Datenmärkten oder beim Einsatz illegal erworbener Datenträger.

4. Die bereits für andere illegale Geschäfte bestehenden Möglichkeiten der Abschöpfung von Gewinnen aus solchen Geschäften müssen auch auf die Tatbestände des Datenmissbrauchs ausgedehnt werden. Auch das kann ein Baustein in einem Sicherheitskonzept sein.

5. Wir wollen, dass die Antragsberechtigung für ein Strafermittlungsverfahren auch z. B. auf die Verbraucherzentralen ausgedehnt wird; denn man muss wissen, Datenmissbrauch ist kein Offizialdelikt, sondern wird nur auf Antrag verfolgt. Antragsberechtigt sind die Betroffenen oder auch die Datenschutzbehörden. Wir wissen aber auch aus der Erfahrung und der Praxis, dass viele Verbraucherinnen und Verbraucher den erheblichen Aufwand, den zeitlichen und finanziellen, scheuen, angesichts ihres im Einzelfall vielleicht relativ kleinen Schadens, in der Summe aber in Schadenshöhen von Millionen. Deswegen ist auch hier das bewährte Instrument, die Verbraucherzentralen in die Antragsberechtigung mit einzubeziehen, ein sehr wichtiges Faktum.

6. Wir brauchen auch einen besseren Schutz der privaten Konten bei Banken und Sparkassen vor illegalen Abbuchungen. Manche rasche Äußerung von Bankenseite, dass dies nicht möglich sei, kann an dieser Stelle so nicht stehengelassen werden. Im Übrigen ist es auch gar nicht richtig, weil ich aus persönlichen Erfahrungen weiß, dass einige Banken und Sparkassen eine große Aufmerksamkeit haben und ihre Kunden über verdächtige Abbuchungen informieren.

7. Wir müssen auch die Rechtsfolgen von Geschäften beachten, bei denen der Zugriff auf persönliche Daten, die rechtswidrig erworben worden sind, geradezu Voraussetzung für den Erfolg sind. Es handelt sich dabei in einem hohen Prozentsatz um Geschäfte nach dem sogenannten Fernabsatzrecht, also Geschäfte, die ich nicht in direktem Kontakt persönlich abschließe. Deshalb hat die Landesregierung hier bereits eine Forderung erhoben, eingebracht jetzt in das aktuelle Bundesratsverfahren, der entsprechenden Gesetzgebung der Bundesregierung, dass wir für solche Fernabsatzrechte, z. B. angebahnt durch unerwünschte Telefonanrufe, eine Bestätigung brauchen. Auch das ist ein großer Unterschied zu einem einfachen Widerspruchsrecht. Aktiv ein Geschäft zu bestätigen, würde auch den Banken dann ermöglichen, eine Kontrolle durchzuführen. Auch dies würde helfen, diese Geschäfte unattraktiv zu machen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, dass wir auch in Rheinland-Pfalz mit der Novelle des Landesdatenschutzgesetzes und mit der Aufwertung der Stelle des Landesdatenschutzbeauftragten bereits einen Akzent gesetzt haben. Das war alles, bevor diese Vorkommnisse bekannt waren. Aber ich glaube, dass das richtig und notwendig war und sich jetzt zeigt, dass es gut war, die Zuständigkeit des Datenschutzbeauftragten zu erweitern und auch auf den privaten Bereich auszudehnen. Dies stärkt damit die Stellung des Landesbeauftragten für den Datenschutz.

Auch die Datenschutzkontrolle wird nunmehr in den Händen dieser unabhängigen obersten Landesbehörde gebündelt. Ich denke, auch dadurch erfahren wir eine Verbesserung der Kontrolle im Sinne eines effektiven Datenschutzes.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zum Schluss möchte ich noch einmal all denjenigen recht geben, die deutlich gemacht haben, dass Datenschutz bei einem persönlich beginnt.

Es ist vollkommen klar, Datenschutz beginnt mit Datensparsamkeit bei der Abfrage und Weitergabe von Daten.

Auch das, was Herr Pörksen angesprochen hat, das Thema „Datenkompetenz“, ist ein wichtiges Thema beim Umgang mit neuen Medien.

Ich will daran erinnern, dass die Landesregierung unter Federführung des Bildungsministeriums, unterstützt durch mein Haus und durch das Innenministerium, mit einer Kampagne Angebote für Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrkräfte unter dem Stichwort „Medienkompetenz macht Schule“ unterbreitet. Diese Kampagne geht weit über das hinaus, was wir diskutieren. Datenschutz und Tipps vor Kostenfallen mit den neuen Medien sind Bausteine dieser Kampagne. Ich glaube, dies nehmen wir sehr ernst.

Ungeachtet der Diskussion in Berlin – ich weiß nicht, ob es einen Datengipfel geben muss – glaube ich, wir wissen, was getan werden könnte. Ich bin zuversichtlich ob der breiten und an vielen Stellen auch übereinstimmenden Diskussion – und das ist einen Test wert –, dass wir uns an dieser Stelle schnell verständigen können. Das gilt für die Bundesebene und die Einigung mit den anderen Ländern. Damit könnte bewiesen werden, dass wir es ernst meinen. Der Handlungsbedarf ist vorhanden. Ich bin dankbar, dass an vielen Stellen eine große Übereinstimmung bestand.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD)

Ich erteile noch einmal Herrn Kollegen Pörksen das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich selbst bin kein großer Anhänger davon, ständig an Gesetzen herumzumontieren. Wenn es dem Bewusstsein der Bevölkerung dient, den Datenschutz in das Grundgesetz hineinzuschreiben – ich glaube, das ist der Fall –, dann sollten wir das machen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der FDP)

Genauso haben wir es beim Tierschutz gemacht. Ich denke, dann kann man sich darauf einigen. Brauchen

tun wir es nicht. Es ist da. Herr Mertin, das haben Sie selbst gesagt.

Von meinen Vorrednern wurde schon angesprochen, dass statt der Widerspruchsregelung die Zustimmungsregelung erforderlich ist. Die Bürger wissen gar nicht, was sie tun, weil sie nicht lesen, ob sie widersprechen sollen oder nicht. Das steht in dem Kleingedruckten. Jeder, der einen Vertrag bekommen hat, weiß, dass man das Kleingedruckte zunächst zur Seite legt. Das kann man nicht gut lesen. Ich sowieso nicht ohne Brille. Es scheint einem auch nicht wichtig zu sein.

Das ist ein ganz wichtiges Recht. Deswegen muss es heraus aus dem Kleingedruckten, und eine Zustimmungsregelung muss her.

(Beifall der SPD – Frau Kohnle-Gros, CDU: Das hat früher für die Haustürgeschäfte auch – – –)

Ich finde es auch richtig so.

Den Vorschlag von Herrn Bundeswirtschaftsminister Glos empfinde ich als etwas merkwürdig, den Datenhandel grundsätzlich zu verbieten. Lebt er eigentlich in der Wirklichkeit? Von daher muss ich mich mit dieser Frage nicht länger beschäftigen.

Eine andere Frage ist die der Strafbestimmung. Die Frau Ministerin hat davon gesprochen, es darf kein Kavaliersdelikt sein. Genauso ist es. Was heute passiert, ist etwas, was gegen die Strafbestimmungen verstößt. Für uns ist wichtig, dass wir darauf achten, dass das Straftaten sind und die Strafe so bemessen wird, dass sie wehtut. Man darf das nicht aus der sogenannten „Portokasse“ bezahlen. Bei den gerade angesprochenen Größenordnungen ist es kein Kavaliersdelikt.

(Beifall bei der SPD)

Ein weiterer Bereich ist die Abschöpfung, die bei uns leider noch nicht sehr ausgeprägt ist. Das gilt schon im allgemeinen Strafrecht. Wenn Sie abfragen, wie hoch die Abschöpfungsquoten sind, dann werden Sie feststellen, dass die relativ gering sind.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Relativ gering.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Ja, es ist aber schwierig. Sie wissen es auch, Frau Kollegin.

Ich denke, dass gerade in den Bereichen, in denen viele Millionen verdient werden und gegen Gesetze verstoßen wird, abgeschöpft werden muss. Das muss gemacht werden.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD – Glocke der Präsidentin)